TE Vfgh Erkenntnis 2001/9/28 B588/01

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Veröffentlicht am 28.09.2001
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Index

L3 Finanzrecht
L3400 Abgabenordnung

Norm

StGG Art5
Sbg LAO §182a
Sbg LAO-Nov LGBl 112/1999 ArtII

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Verweigerung einer Gutschrift oder Rückzahlung des bescheidmäßig festgestellten Guthabens an Getränkesteuer aufgrund Ausklammerung des Außerortverbrauches; keine Anwendung einer novellierten Bestimmung der Sbg Landesabgabenordnung betreffend eine Rückzahlungssperre für überwälzte Abgaben mangels Vorliegens eines rechtswidrigen Abgabengesetzes

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit ATS 29.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die im vorliegenden Beschwerdeverfahren maßgebliche Bestimmung des §182a Salzburger LAO, LGBl. 58/1963, idF LGBl. 112/1999, hat folgenden Wortlaut:

"(1) Die Abgabenbehörde, die eine auf Grund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung aufhebt oder abändert, hat auszusprechen, in welchem Umfang die Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.

(2) Abs1 gilt auch, wenn die Abgabe gemäß §148 Abs1 durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt gilt oder die Abgabenbehörde gemäß §148 Abs2 eine Abgabenfestsetzung vornimmt. Die Bestimmung findet jedoch keine Anwendung auf jene Personen, deren Beschwerden Anlass für das Normprüfungsverfahren gewesen sind."

Die Bestimmung trat mit 1. Oktober 1999 in Kraft und ist auch auf davor entstandene Abgabenschuldverhältnisse anzuwenden.

2.1. Im Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Saalfelden wurden von der beschwerdeführenden Partei Betriebsstätten unterhalten, in denen u.a. Getränke und Speiseeis entgeltlich an Letztverbraucher abgegeben wurden. Die Stadtgemeinde Saalfelden hob hiefür im Zeitraum 1. Jänner 1986 bis 31. Dezember 1991 auf Grund der Bestimmungen und der Ermächtigung des (jeweiligen) FAG und des Salzburger Getränkesteuergesetzes 1967, LGBl. 14/1968, iVm der Getränkesteuerverordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Saalfelden vom 6. März 1978 Getränke- und Speiseeissteuer in Höhe von 10 % des Entgeltes ein.

2.2. Die beschwerdeführende Partei hatte für den Zeitraum Jänner 1989 bis einschließlich Dezember 1990 ursprünglich sämtliche Getränke- und Speiseeisumsätze in die Steuererklärungen aufgenommen und die sich aufgrund dieser Erklärungen ergebenden Abgabenbeträge an die Stadtgemeinde Saalfelden abgeführt. Mit Schreiben vom Dezember 1990 bzw. April 1991 hat die beschwerdeführende Partei für den Zeitraum 1985 bis 1989 bzw. 1990 sodann berichtigte Getränke- und Speiseeisabgabeerklärungen eingereicht, in denen sie eine Kürzung der Bemessungsgrundlagen um den sog. Außerortverbrauch vornahm, und gleichzeitig die Rückzahlung des sich auf Grund der berichtigten Abgabenerklärungen ergebenden Guthabens in bestimmter Höhe beantragte.

Zur Bereinigung der auf Grund dieser berichtigten Getränkeabgabeerklärungen entstandenen Differenzen wurde zwischen der Stadtgemeinde Saalfelden und der beschwerdeführenden Partei vereinbart, daß für die Jahre 1989 und 1990 neuerlich berichtigte Getränke- und Speiseeisabgabeerklärungen eingereicht werden sollten; der Außerortverbrauch hätte dabei (pauschal) mit 30 % angesetzt werden sollen. Das sich auf Grund dieser berichtigten Erklärungen ergebende Guthaben sollte mit den laufenden Getränkesteuerzahlungen verrechnet werden. Aufgrund dieser Vereinbarung wurden von der beschwerdeführenden Partei im Mai 1991 für den Zeitraum Jänner 1989 bis März 1991 nochmals berichtigte Getränkesteuererklärungen vorgelegt.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Saalfelden vom November 1992 wurden diese "Anträge auf Korrektur der Getränkeabgabenbemessung" und die Rückzahlungsanträge als unbegründet abgewiesen. Auch die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde von der Salzburger Landesregierung abgewiesen. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1995, Zl. 93/17/0318, wurde dieser (Vorstellungs)Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2.3. Mit Bescheid der Gemeindevorstehung der Stadtgemeinde Saalfelden vom 15. Juni 2000 wurde schließlich die Getränkesteuer (lediglich) für den Zeitraum Jänner 1989 bis März 1991 in bestimmter Höhe festgesetzt, ein Guthaben festgestellt und gleichzeitig ausgesprochen, daß dieses Guthaben auf Grund der (inzwischen rückwirkend in Kraft getretenen) Bestimmung des §182a der Salzburger LAO, idF LGBl. 112/1999, nicht gutzuschreiben und nicht zurückzuzahlen sei.

3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wurde keine Folge gegeben. Zur Begründung führt die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß sich zwar aus der (Neu)Festsetzung der Getränkesteuer für den Zeitraum Jänner 1989 bis März 1991 ein Guthaben ergebe, dieses aber wegen Überwälzung der Steuer auf die Letztverbraucher gemäß §182a Salzburger LAO nicht zurückzuzahlen sei.

4. Gegen diesen (Vorstellungs)Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, nämlich des §182a Salzburger LAO, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

5. Die zur Äußerung eingeladene belangte Behörde hat innerhalb der ihr gesetzten Frist die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Antrag stellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §182a Salzburger LAO werden von der belangten Behörde - unter Verweis auf die "im wesentlichen gleichlautende Bestimmung" der Wiener Abgabenordnung und das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, B1735/00 - nicht geteilt. §182a Salzburger LAO nehme überdies keinen Bezug "auf das Entstehen des Guthabens" (gemeint wohl: auf die Ursachen für das Entstehen des Guthabens), so daß auch aus diesem Blickwinkel die Beschwerde nicht berechtigt sei.

6. Die Stadtgemeinde Saalfelden hat explizit von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 10.337/1985, 10.362/1985, 11.470/1987 u.a.), welche sich ebenso auf die Abweisung von Anträgen auf Rückerstattung bereits bezahlter Abgabenbeträge bezieht (VfSlg. 12.341/1990), dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2. Einen derartigen Fehler hat die Behörde begangen:

2.1.a) Die beschwerdeführende Partei hat für einen bestimmten Zeitraum (vorerst) sämtliche Getränke- und Speiseeisumsätze in die Steuererklärungen aufgenommen und die sich auf Grund dieser Erklärungen ergebenden Abgabenbeträge an die Stadtgemeinde Saalfelden abgeführt. In weiterer Folge wurden (sodann) berichtigte Getränke- und Speiseeisabgabeerklärungen unter Ausklammerung des Außerortverbrauches eingereicht und gleichzeitig die Rückzahlung des sich auf Grund der berichtigten Abgabenerklärungen ergebenden Guthabens in bestimmter Höhe beantragt.

b) Die Frage, ob auf diesen Sachverhalt die Verfassungsbestimmung des ArtII §2 Abs3 FAG-Novelle 1991, BGBl. 693, (derzufolge eine Neufestsetzung der Getränkesteuer wegen nachträglich geltend gemachten Außerortverbrauches grundsätzlich zu unterbleiben hatte) anwendbar ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29. September 1995, Zl. 93/17/0318 (siehe oben), verneint und die Auffassung vertreten, daß diese Vorschrift einer Neufestsetzung der Getränkesteuer im konkreten Fall nicht im Wege stehe. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an.

Dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wurde im fortgesetzten Verfahren insofern Rechnung getragen, als mit (Ersatz)Bescheid eine Neufestsetzung der Abgabe unter Ausklammerung des Außerortverbrauches vorgenommen und demgemäß ein Guthaben festgestellt wurde. Zugleich wurde aber - unter Verweis auf §182a Salzburger LAO - ausgesprochen, daß das sich auf Grund der Neufestsetzung ergebende Guthaben weder gutzuschreiben noch zurückzuzahlen ist.

2.2. Strittig ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren somit lediglich die Frage, ob das bescheidmäßig festgesetzte Guthaben gemäß §182a Salzburger LAO zurückzuzahlen bzw. gutzuschreiben ist.

§182a Salzburger LAO betrifft nach seinem klaren Wortlaut (nur) Fälle, in denen die Abgabenbehörde eine auf Grund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung aufhebt oder abändert, nicht aber Fälle, in denen die Behörde eine unbedenkliche Rechtsgrundlage zunächst rechtswidrig angewendet hat und diesen Fehler in der Folge zugunsten des Abgabepflichtigen korrigiert. Erreicht daher der Abgabepflichtige im Zuge der Ausschöpfung von Rechtsmitteln eine Änderung der Abgabenvorschreibung zu seinen Gunsten, so kann der Rückzahlung eines sich daraus ergebenden Guthabens die Vorschrift des §182a Salzburger LAO nicht entgegengehalten werden. Die Rückzahlung hat somit auch dann zu erfolgen, wenn die Abgabe wirtschaftlich von einem anderen getragen wurde. Anders ist es hingegen, wenn die Änderung der Abgabenvorschreibung ihre Ursache darin hat, daß die Rechtsgrundlagen der Abgabenvorschreibung als rechtswidrig erkannt werden; (nur) in diesen Fällen wird die Rückzahlung von Guthaben ausgeschlossen, sofern die Abgabe wirtschaftlich von einem anderen getragen worden ist (wobei Personen ausgenommen werden, deren Beschwerden Anlaß für das Normprüfungsverfahren waren). Der Verfassungsgerichtshof hat gegen diese Differenzierung keine Bedenken: Der Gesetzgeber darf bei einer (zulässigen) Durchschnittsbetrachtung davon ausgehen, daß sich die Frage der Überwälzung bei einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage (mag sie auch letztlich fehlerhaft sein) anders stellt als bei rechtswidrigem Gesetzesvollzug. Auch erscheint es nicht unsachlich, Guthaben, die typischerweise infolge eines Rechtsanwendungsfehlers der Behörde entstanden sind, anders (aus der Sicht des Abgabepflichtigen günstiger) zu behandeln als solche, die auf einen Fehler des Gesetzgebers zurückzuführen sind und erst im Gefolge eines Normprüfungsverfahrens festgestellt werden (zumal wenn im letzteren Fall denjenigen, die den Fehler des Gesetzgebers im Normprüfungsverfahren mit Erfolg geltend gemacht haben, die Überwälzung nicht entgegengehalten werden kann).

Im vorliegenden Beschwerdefall geht nun das Guthaben darauf zurück, daß in der Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer ursprünglich der Außerortverbrauch enthalten war und erst in der Folge - zutreffend - ausgeklammert wurde. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, die vom Verwaltungsgerichtshof geteilt wird, sind die Getränkeabgabengesetze und -verordnungen, sofern dem nicht ein eindeutiger anderslautender Wortlaut entgegensteht, unter Beachtung des §8 Abs4 F-VG jeweils so zu interpretieren, daß die Abgabe von Getränken an Letztverbraucher, die ihren Wohnsitz außerhalb des Erhebungsgebietes haben, von der Steuer freizustellen ist; einer ausdrücklichen Befreiung dieses Außerortverbrauches bedarf es nicht (vgl. z.B. VfSlg. 2796/1955, 3417/1958; VwSlg. 2211 F/1960, 2270 F/1960).

Weder das Salzburger Getränkesteuergesetz 1967 noch die Getränkesteuerverordnung der Marktgemeinde Saalfelden enthalten Vorschriften, die einer Ausklammerung des Außerortverbrauches entgegenstünden. Ein - insoweit - rechtswidriges Abgabengesetz liegt daher nicht vor.

Wurde also - wie hier - der Außerortverbrauch zunächst zu Unrecht in die Abgabenbemessung einbezogen, so ist - wird die Abgabe letztlich richtig festgesetzt und ergibt sich ein Guthaben - §182a Salzburger LAO gar nicht anzuwenden, weil die Abänderung der Abgabenvorschreibung nicht auf Grund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes erfolgte.

3. Die von der belangten Behörde vorgenommene Gesetzesanwendung ist damit einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten, weshalb die beschwerdeführende Partei im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach Art5 StGG verletzt ist.

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Verletzung des durch Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von ATS 2.500,-- und Umsatzsteuer in Höhe von ATS 4.500,-- enthalten.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Finanzverfahren, Rückzahlung Finanzverfahren, Geltungsbereich (sachlicher) eines Gesetzes, Getränkesteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B588.2001

Dokumentnummer

JFT_09989072_01B00588_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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