TE OGH 1987/11/30 10ObS94/87

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Veröffentlicht am 30.11.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Johann Reiterer und Mag. Robert Renner als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz P***, Pensionist, 9123 St. Veit im Jauntal, Müllnern 12, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei K*** G***, 9020 Klagenfurt,

Kempfstraße 8, vertreten durch Dr. Karl Safron und Dr. Franz Großmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Krankengeld (Streitwert S 42.840,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Juni 1987, GZ 8 Rs 1026/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Kärnten in Klagenfurt vom 24. November 1986, GZ 11 C 4/86-7 (31 Cgs 119/87 des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der W*** A*** Versicherung bis zum 30. Juni 1986 als Außendienstprovisionsvertreter im Angestelltenverhältnis beschäftigt, und zwar gegen Bezahlung eines Fixums und von Provisionen aus den Geschäftsabschlüssen, wobei sich diese in Abschluß- und Folgeprovisionen gliederten. Seit 1. Juli 1986 ist der Kläger in Pension. Vor diesem Zeitpunkt war er ab 4. Dezember 1985 durchgehend im Krankenstand. In diesem Zeitraum hatte er gegen seinen Dienstgeber bis 29. Jänner 1986 Anspruch auf 100 %ige Entgeltfortzahlung und darüber hinaus bis zum 11. März 1986 auf Fortzahlung von 50 % des Entgeltes. In der Zeit vom 12. bis 31. März 1986 bezog der Kläger von der beklagten Partei das volle Krankengeld auf der Basis der Höchstbemessungsgrundlage, somit S 476,-- täglich. In der Zeit vom 1. April 1986 bis 30. Juni 1986 bezog der Kläger ausschließlich noch Folgeprovisionen aus Geschäften, die in der Zeit vor dem Krankenstand abgeschlossen worden waren.

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei zur Leistung eines Krankengeldes von täglich S 476,-- für die Zeit vom 1. April 1986 bis 30. Juni 1986 zu verpflichten. Er habe in dieser Zeit gegenüber seinem Dienstgeber keinen Anspruch auf Weiterzahlung von mehr als 50 % der vollen Geld- und Sachbezüge gehabt. Bei den in dieser Zeit ausbezahlten Folgeprovisionen handle es sich um einen Anspruch, der mit der Dienstverhinderung durch Krankheit in keinem Zusammenhang stehe; die Zahlungen hätten Entgelte für tatsächlich geleistete Dienste betroffen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß die Folgeprovisionen als Entgeltfortzahlung zu qualifizieren seien. Eine dem Angestelltengesetz entsprechende Durchschnittsprovisionszahlung sei nicht erwiesen. Es würden vielmehr vom Dienstgeber des Klägers sowohl während des aktiven Dienstes als auch während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit nach Abruf vom Provisionskonto Abschluß- und Folgeprovisionen zur Auszahlung gebracht. Die Folgeprovisionen seien auch dem Entgelt zuzurechnen, das die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Krankengeldanspruches bilde. Es ginge nicht an, die Folgeprovisionen der Berechnung des Krankengeldanspruches zugrundezulegen, sie aber andererseits für die Frage des Ruhens von Barleistungen außer acht zu lassen.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt. Es führte aus, daß die vom Kläger in der fraglichen Zeit für Geschäftsvermittlungen aus der Zeit vor seinem Krankenstand bezogenen Folgeprovisionen für die Beurteilung des Krankengeldanspruches außer Betracht zu bleiben hätten. Dem Kläger seien in den maßgeblichen drei Monaten keinerlei Entgeltansprüche im Sinn des § 143 Abs 1 Z 3 ASVG gegen seinen Dienstgeber zugestanden, sodaß die Voraussetzungen für das Ruhen des Krankengeldanspruches nicht bestünden.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen stünden aufgrund des von den Parteien im Verfahren erster Instanz außer Streit gestellten Sachverhaltes fest. In der Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1986 habe der Kläger von seinem Dienstgeber keine Entgeltfortzahlung erhalten.

§ 143 Abs 1 Z 3 ASVG spreche ausdrücklich von einem Anspruch auf Weiterleistung und stelle damit auf einen Anspruch ab, den der Versicherte ungeachtet seiner Dienstverhinderung durch Krankheit habe. Bei Versicherungsgeschäften gelte der Anspruch auf Provision gemäß § 10 Abs 3 AngG mit dem Abschluß des Geschäftes als erworben. Zum Erwerb des Provisionsanspruches müsse noch dessen Fälligkeit treten. Beim Anspruch auf Zahlung von Provisionen, welche bereits früher verdient worden und nur zufällig während eines Krankenstandes fällig geworden seien, handle es sich um einen Anspruch, der mit der Dienstverhinderung durch Krankheit oder dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit in keinem Zusammenhang stehe, sondern um einen solchen, der ein Entgelt für schon früher tatsächlich geleistete Dienste darstelle und daher kein Anspruch auf Weiterleistung von Bezügen im Sinn des § 143 Abs 1 Z 3 ASVG sei. Es sei daher kein Widerspruch, wenn einerseits auch Folgeprovisionen in die Bemessungsgrundlage nach § 125 ASVG einbezogen würden, da naturgemäß auch Folgeprovisionen Arbeitsverdienst seien, diese aber andererseits nicht als ein Anspruch auf Weiterleistung im Sinn des § 143 Abs 1 Z 3 ASVG angesehen werden könnten; sie seien schon vor Entstehen des Anspruches auf Krankengeld ins Verdienen gebracht, wenn auch zuvor noch nicht fällig geworden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, es im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 143 Abs 1 Z 3 ASVG ruht der Krankengeldanspruch, solange der Versicherte aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen Anspruch auf Weiterleistung von mehr als 50 v.H. der vollen Geld- und Sachbezüge vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hat. Außer Streit gestellt wurde, daß der Kläger in der Zeit vom 1. April 1986 bis 30. Juni 1986 Folgeprovisionen von seinem Dienstgeber bezogen hat; das spätere Vorbringen der beklagten Partei, es sei in Kärnten allgemein üblich, daß Provisionen im Krankheitsfall nicht ausbezahlt würden und lediglich ein Anspruch auf Zahlung von 100 % bzw. 50 % der Provisionen auf der Basis von Durchschnittswerten bestehe, widerspricht dieser Außerstreitstellung, die ausschließlich auf den konkreten Fall des Kläger abgestellt ist, nicht. Zutreffend sind daher die Vorinstanzen von dem außer Streit gestellten Sachverhalt ausgegangen. Im übrigen kommt der Revision jedoch Berechtigung zu. Strittig ist der Charakter der bezahlten Folgeprovisionen. Der Kläger geht in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Vorinstanzen davon aus, daß es sich dabei um einen Anspruch auf Provisionen handle, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt verdient worden seien und deren Fälligkeit nur zufällig während des Krankenstandes eingetreten sei; es handle sich um einen Anspruch, der mit der Dienstverhinderung nicht im Zusammenhang stehe. Die beklagte Partei vertritt demgegenüber den Standpunkt, der Begriff des Entgelts sei weit auszulegen; es umfasse alles, was dem Arbeitnehmer aus einem Arbeitsverhältnis zukomme, also nicht nur Gehalt, sondern auch Leistungen zusätzlicher Art, insbesonders auch erfolgsorientierte Entgelte wie Provisionen.

Der Argumentation der beklagten Partei kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Das Einkommen der Angestellten des Außendienstes der Versicherungsunternehmen setzt sich regelmäßig aus Fixbeträgen und Provisionen zusammen, wobei häufig der Fixbetrag nur einen verhältnismäßig geringen Prozentsatz der tatsächlichen Bezüge darstellt. Auch der Kollektivvertrag für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmungen Österreichs trägt dem Rechnung. Im Rahmen der Regelung des Mindesteinkommens wird angeordnet, daß die dort genannten Beträge entweder in Form eines Gehaltes oder eines garantierten Provisionseinkommens oder teils in der einen, teils in der anderen Entlohnungsform gegeben werden können.

Der Inhalt der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinem Dienstgeber über die Bedingungen, unter denen die Folgeprovisionen gewährt werden, liegt nicht vor. Der Ansicht der Revisionsbeantwortung, daß es sich bei den Folgeprovisionen ausschließlich um bereits verdiente, jedoch erst später fällig werdende Ansprüche handle, kann im Hinblick auf die Bestimmungen des Kollektivvertrages - daß der Einzeldienstvertrag des Klägers hievon abweicht wurde nicht behauptet - nicht beigetreten werden. § 6 des Kollektivvertrages der Angestellten des Außendienstes der Versicherungsunternehmungen vom 10. August 1951 iF. d. Ke 405/1985 regelt die Provisionszahlungen nach Auflösung des Dienstverhältnisses und sieht vor, daß die vereinbarten Folgeprovisionen dem Angestellten unter der Bedingung einer ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses durch mindestens 3 Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Dauer der von ihm selbständig und aufgrund eigenen Werbematerials vermittelten Versicherungsverträge nach Maßgabe des Prämieneinganges gebühren. Insoweit dem Angestellten eine Folgeprovision unter Berücksichtung dieser Bestimmung zusteht, beträgt diese nach Endigung des Dienstverhältnisses längstens bis zum Tod 50 % jener Folgeprovision, auf die der Angestellte Anspruch hätte, wenn noch ein Dienstverhältnis bestünde. Gemäß § 6 Abs 4 des zitierten Kollektivvertrages hat der Dienstnehmer, sofern er das Dienstverhältnis aufkündigt, nur Anspruch auf die Hälfte dieser Provisionsfortzahlung. Im übrigen werden im § 6 des Kollektivvertrages Sonderbestimmungen für besondere Endigungsgründe des Dienstverhältnisses vorgesehen. Die Tatsache, daß die Folgeprovision bei Dienstverhältnissen die weniger als 3 Jahre ununterbrochen gedauert haben, ab der Beendigung des Dienstverhältnisses überhaupt nicht mehr gebührt und bei längerer Dauer des Dienstverhältnisses nur in vermindertem Ausmaß zusteht, wobei bei Eigenkündigung durch den Dienstnehmer auch dieses Ausmaß vermindert wird, spricht dafür, daß es sich dabei nicht um einen bereits entstandenen, jedoch erst später fällig gewordenen Anspruch handelt; in diesem Fall müßte die Folgeprovision auch nach Ende des Dienstverhältnisses ungekürzt zur Auszahlung kommen. Der in der Entscheidung SSV 25/12 vertretenen Rechtsansicht kann daher nicht gefolgt werden.

Der Begriff des "Entgeltes" oder des "Bezuges" eines Angestellten umfaßt neben dem eigentlichen Gehalt auch die übrigen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art, selbst wenn sie für die tatsächliche Mehrleistung des einzelnen Angestellten ausbezahlt und daher wie im Fall einer Provisionsvereinbarung variabel sind (JBl 1976, 657). Unter Bezug ist alles zu verstehen, was regelmäßig in einer bestimmten Abrechnungsperiode dem Dienstnehmer zufließt, nicht jedoch ausschließlich das, was ein Arbeitnehmer als Gegenleistung für die Arbeit während dieser Periode erhält (siehe auch Bydlinski zur Definition des Begriffes "Monatsbezug" in JBl 1976, 660 f). Dementsprechend hat die Judikatur auch der Berechnung des Abfertigungsanspruches die Folgeprovisionen zugrunde gelegt, die im letzten Dienstjahr fällig geworden sind (VersR 1960, 118). Damit wurde nicht dem Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages, aus dem die Folgeprovisionen geleistet werden, sondern dem Zeitpunkt der Fälligkeit maßgebliche Bedeutung zuerkannt. Unter dem Titel "Folgeprovision" in einem bestimmten Zeitraum ausbezahlte Beträge stellen daher, auch wenn sie Geschäftsabschlüsse betreffen, die außerhalb dieses Zeitraumes liegen, Bezüge für den Auszahlungszeitraum dar, die gemäß § 143 Abs 1 Z 3 ASVG bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des Ruhens des Krankengeldanspruches vorliegen, zu berücksichtigen sind.

Da nicht feststeht, welche Beträge an Folgeprovisionen in den fraglichen Monaten zur Auszahlung gelangten, erweist sich das Verfahren ergänzungsbedürftig. Erst aufgrund von Feststellungen hierüber kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für das Ruhen des Krankengeldanspruches im vorliegenden Fall erfüllt waren. Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E12903

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:010OBS00094.87.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19871130_OGH0002_010OBS00094_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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