TE OGH 1987/12/9 1Ob683/87

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Veröffentlicht am 09.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***, Landwirt, Biedermannsdorf, Ortsstraße 25, vertreten durch Dr. Viktor Wolczik, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei Josef H***, Landwirt, Biedermannsdorf, Ortsstraße 28, vertreten durch Dr. Ferdinand Pieler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,056.885,90 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Jänner 1987, GZ 16 R 31/86-62, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 10. August 1984, GZ 39 f Cg 376/81-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Brüder. Mit Übergabsvertrag vom 7.Dezember 1966 übergab Maria Magdalena H*** dem Beklagten und seiner Ehegattin Leokadia H*** ihre aus den Liegenschaften EZ 62, 146, 309, 313, 412 KG Biedermannsdorf und EZ 78 KG Hennersdorf bestehende Landwirtschaft mit dem Anwesen Biedermannsdorf, Ortsstraße 28. Als Abtretungspreis war ein Betrag von S 100.000 vereinbart, den der Beklagte und seine Ehegattin an Gertrude S***, die Schwester der Streitteile, auszuzahlen hatten. Der Übergeberin war ein lebenslängliches unentgeltliches Ausgedinge zu leisten. Dieses bestand aus einem Wohnrecht mit Heizung und Beleuchtung, freier Kost einschließlich Diätverpflegung und einem wertgesicherten monatlich zu leistenden Taschengeld in der Höhe von S 500. Die Übernehmer hatten weiters Kredite in der Höhe von S 143.439 zur Rückzahlung zu übernehmen. Unter den in der KG Biedermannsdorf übergebenen Grundstücken befand sich auch das Grundstück 310 Acker. Dieses Grundstück verkauften der Beklagte und seine Ehegattin mit Vertrag vom 21.Jänner 1974 an die "Wohnungseigentümer" G*** W*** GesmbH um den Preis von S 4,670.440. Maria Magdalena H*** verstarb am 20.September 1978. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 29.9.1979, 2 A 446/78-5, wurde ihr aus Aktiven von S 8.027 bestehender Nachlaß auf Abschlag der Forderungen an bezahlten Leichenkosten dem Beklagten überlassen. Zum Todeszeitpunkt hatten die verbliebenen übergebenen Liegenschaften einen Gesamtwert von S 9,227.670. Die Aufwendungen des Beklagten und seiner Ehegattin aus dem Übergabsvertrag für das zu leistende Ausgedinge betrugen zum Übergabstag S 315.000.

Der Kläger begehrte zuletzt den Zuspruch des Betrages von S 1,121.186 samt Anhang bei sonstiger Exekution in die übergebenen Liegenschaften. Der Übergabsvertrag vom 7.Dezember 1966 habe überwiegend Schenkungscharakter gehabt, er sei dadurch in seinem Pflichtteilsanspruch um den Klagsbetrag verkürzt worden. Der Beklagte wendete ein, der Übergabsvertrag vom 7.Dezember 1966 habe keinen Schenkungscharakter gehabt. Es sei nicht vom Verkehrswert, sondern vom Wohlbestehenswert auszugehen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von S 1,056.885,90 samt Anhang statt, das Mehrbegehren von S 24.300,10 samt Anhang wies es unangefochten ab.

Das Berufungsgericht gab im ersten Rechtsgang der Berufung des Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren abwies.

Dieses Urteil wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 15.1.1986, 1 Ob 701/85, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird, aufgehoben. Die Rechtssache wurde an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang gab das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es stellte ergänzend fest, daß zum Übergabszeitpunkt der Verkehrswert jener Grundstücke, von denen schon im Zeitpunkt der Übergabe feststand, daß sie entweder bereits Bauland waren oder bei denen auf Grund damals schon bestehender tatsächlicher und rechtlicher Aufschließungsmöglichkeiten eine künftige Verbauung bereits so konkret Gestalt angenommen hatte, daß sie nach der Verkehrsauffassung als zusätzliches werterhöhendes Moment angesehen und daher später unter Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes von den Übernehmern gewinnbringend veräußert werden konnten, S 1,816.639, der Ertragswert der restlichen Grundstücke einschließlich des lebenden und toten Inventars S 1,158.085, insgesamt gerundet S 2,975.000 betragen habe. Diesem Wert der Übergabsliegenschaften seien Ausgedingsleistungen im Umfang von 545.429 gegenübergestanden. Zum Todeszeitpunkt habe der Wert der noch im Miteigentum der Beklagten stehenden übergebenen Liegenschaften S 9,121.000, der Wert des verkauften Grundstückes 310 aus EZ 62 KG Biedermannsdorf zum selben Zeitpunkt S 10.398.000 betragen. Bei diesem Mißverhältnis der Leistungen könne bei dem vorliegenden Übergabsvertrag nicht von einem entgeltlichen Geschäft gesprochen werden. Es liege sohin eine gemischte Schenkung vor. Die Geschenkquote betrage 0,8166591. Der aus dem Titel der Pflichtteilsverkürzung zuerkannte Betrag sei daher unter Berücksichtigung, daß nach Maria Magdalena H*** drei Kinder vorhanden gewesen seien und der Beklagte nur zur Hälfte Eigentümer der übergebenen Liegenschaften geworden sei, gedeckt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist berechtigt.

Zur Frage, wann eine gemischte Schenkung anzunehmen sei, sprach der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluß vom 15.1.1986, 1 Ob 701/85 mwN, der auch für ihn ohne Änderung des zu beurteilenden Sachverhaltes grundsätzlich bindend ist (§ 511 ZPO), aus, daß eine solche dann vorliegt, wenn die Parteien einen aus entgeltlichen und unentgeltlichen Elementen vermischten Vertrag schließen wollten; wie sich aus § 935 ABGB ergibt, ist entscheidend, ob die vertragschließenden Parteien einen Teil der Leistung als geschenkt ansehen wollten, sie sich also des doppelten Charakters des abgeschlossenen Geschäftes als entgeltlichen und unentgeltlichen bewußt gewesen sind. Ob eine solche Schenkungsabsicht, deren Beurteilung in das Gebiet der Tatsachenfeststellungen fällt, vorliegt, kann auch aus einem krassen Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen geschlossen werden. Bei Gegenüberstellung des Wertes der beiderseitigen Leistungen ist auf den Schenkungszeitpunkt, der für das Vorliegen der erklärten Schenkungsabsicht maßgeblich ist, abzustellen. Die Revision des Beklagten bekämpft in erster Linie die Annahme des Berufungsgerichtes, es läge eine gemischte Schenkung vor. Das Berufungsgericht hat zwar im zweiten Rechtsgang den Wert der beiderseitigen Vertragsleistungen festgestellt, nicht aber, ob die Vertragsparteien sich des Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und damit, wie schon im Beschluß vom 15.Jänner 1986, 1 Ob 701/85, ausgeführt wurde, sich des doppelten Charakters des abgeschlossenen Geschäftes als entgeltlichen und unentgeltlichen bewußt gewesen sind. Dies ist gerade bei bäuerlichen Übergabsverträgen, mit denen zum Teil Bauland oder Bauerwartungsland übergeben wurde, keineswegs, wie es das Berufungsgericht anzunehmen scheint, selbstverständlich; es könnte durchaus sein, daß die besseren Verwertungsmöglichkeiten gar nicht bekannt waren und auch nicht erkannt wurden. Die Übergeberin müßte aber ihre Verfügung in teilweiser Schenkungsabsicht getroffen haben; gerade darüber muß ausdrückliches oder schlüssig erklärtes Einverständnis geherrscht haben (SZ 49/43). Die rechtliche Beurteilung, es läge eine gemischte Schenkung vor, könnte daher nur dann erfolgen, wenn im Tatsachenbereich auf Grund der Gesamtumstände des Vertragsabschlusses eine Feststellung über eine derartige Willenseinigung getroffen worden wäre, die Vertragsschließenden sich also des wahren Wertes bewußt waren. Ob aus diesem Grunde eine (teilweise) Schenkungsabsicht bestand, wurde vom Berufungsgericht aber bis jetzt nicht festgestellt. In dieser Richtung blieb sein Verfahren ergänzungsbedürftig.

Der Revision ist Folge zu geben, das Urteil des Berufungsgerichtes ist aufzuheben und die Rechtssache gemäß § 510 Abs 1 ZPO an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E12728

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00683.87.1209.000

Dokumentnummer

JJT_19871209_OGH0002_0010OB00683_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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