TE OGH 1987/12/16 9ObA188/87

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Veröffentlicht am 16.12.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Walter Zeiler und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Kfm.Otto F***, Kaufmann, Klagenfurt, Herrengasse 10, vertreten durch Dr.Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Heinz P***, Tapezierermeister,

Klagenfurt, Reidengasse 17, vertreten durch Dr.Hans Primus, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Herausgabe von Fahrnissen (Streitwert S 40.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.September 1987, GZ 7 Ra 1084/87-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.Mai 1987, GZ 32 Cga 1005/87-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war von 1965 bis April 1986 Gesellschafter und gewerberechtlicher Geschäftsführer der F***-R*** GmbH. Anläßlich der Liquidation dieses Unternehmens im April 1986 wurde er in das Einzelunternehmen des Klägers für Raumausstattung als Angestellter übernommen. Am 3.Juni 1986 wurde über das Vermögen des Klägers das Ausgleichsverfahren und am 22.September 1986 der Anschlußkonkurs eröffnet (5 Sa 10/86 und 5 S 92/86 des Landesgerichtes Klagenfurt). Der Beklagte wurde zum 31.Oktober 1986 gekündigt. Er meldete im Ausgleich und im Anschlußkonkurs Forderungen aus dem Dienstverhältnis in Höhe von S 312.007,73 und S 29.366,36 an, die anerkannt wurden. Hingegen lehnte das Arbeitsamt Klagenfurt mit Bescheid vom 27.Oktober 1986 die vom Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld, soweit sie Abfertigungsansprüche von S 201.722,40, anteilige Sonderzahlungen von S 27.270,-- und Urlaubsabfindung von S 6.780,-- betrafen, ab. Etwa Mitte September 1986 nahm der Beklagte eine Nähmaschine Marke Adler und Anfang Oktober 1986 eine Parkettbodenschleifmaschine Marke "Janser Hummel" aus dem Betrieb des Klägers nach Hause mit. Beide Geräte standen im Eigentum des Klägers. Am 23.Oktober 1986 wurde im Konkurs des Klägers ein Zwangsausgleich angenommen und am 18. November 1986 bestätigt. Nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses am 3.Dezember 1986 wurde der Konkurs am 10. Dezember 1986 gemäß § 157 Abs 2 KO aufgehoben.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Rückstellung der beiden Maschinen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er habe mit dem Kläger vereinbart, die beiden Maschinen für die ihm zustehende Abfertigung zurückzubehalten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Etwa Mitte bis Ende Oktober 1986 fragte der Beklagte den Kläger, wie sich dieser die Befriedigung der Ansprüche des Beklagten (aus dem Dienstverhältnis) vorstelle. Der Kläger erwiderte, das werde sich mehr oder weniger positiv erledigen. Er erklärte sich damit einverstanden, daß der Beklagte die Nähmaschine und die Parkettbodenschleifmaschine einstweilen als Sicherstellung behalte. Anläßlich des Ausscheidens des Klägers aus dem Dienstverhältnis Ende Oktober nahmen die Streitteile anhand der Geräteliste den Bestand der vorhandenen Maschinen und Werkzeuge auf. Dabei äußerte sich der Beklagte zum Kläger, daß er bis zur Klärung der ganzen Angelegenheit die beiden Maschinen zur Gegenverrechnung behalten werde. Der Kläger zeigte sich darüber zunächst nicht erfreut, erklärte sich jedoch dann damit einverstanden.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Kläger dem Beklagten die beiden Maschinen als Pfand zur Sicherstellung seiner Forderung überlassen habe. Diese Vereinbarung sei zwar gegenüber den Konkursgläubigern gemäß § 3 Abs 1 KO unwirksam gewesen. Gegenüber dem Vertragspartner sei sie jedoch nach Aufhebung des Konkurses durchsetzbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 30.000,-- übersteige. Gemäß § 150 Abs 5 KO seien vor der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses getroffene Vereinbarungen, durch die einzelnen Gläubiger besondere Vorteile eingeräumt würden, ungültig. Als solche Begünstigung sei jede objektive, mittelbare oder unmittelbare, rechtliche oder wirtschaftliche Besserstellung eines oder mehrerer vom Ausgleich betroffener Gläubiger anzusehen. Auf die Absicht, einen Gläubiger zu begünstigen, komme es nicht an. Die Begünstigung müsse nicht mit der (Konkurs)forderung in Zusammenhang stehen. Die Ungültigkeit einer solchen Sonderbegünstigung sei unheilbar und im Zivilprozeß des Begünstigenden mit dem Begünstigten von Amts wegen, also ohne Einrede zu berücksichtigen, weil es sich nicht um ein Anfechtungsrecht, sondern um eine im öffentlichen Interesse aufgestellte zwingende Rechtsvorschrift handle.

Die Feststellung des Erstgerichtes über die dem Beklagten eingeräumte Begünstigung sei nicht unbedenklich, doch komme es darauf nicht an, weil die vom Beklagten behauptete Vereinbarung jedenfalls eine über die Zwangsausgleichsquote hinausgehende und daher ungültige Sonderbegünstigung wäre.

Der Beklagte erhebt Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber ist der Ansicht, daß die (nach den vom Berufungsgericht nicht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes) zwischen den Streitteilen während des Konkurses abgeschlossene Vereinbarung zwar gemäß § 3 Abs 1 KO den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam gewesen sei, nach Aufhebung des Konkurses aber zwischen den Streitteilen Gültigkeit habe. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen.

Gemäß § 3 Abs 1 KO sind Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Gemäß § 150 Abs 2 KO müssen Konkursgläubiger im (Zwangs)Ausgleich gleich behandelt werden. Eine Vereinbarung des Gemeinschuldners oder anderer Personen mit einem Gläubiger, wodurch diesem vor Abschluß des Zwangsausgleiches oder in der Zeit zwischen dem Abschluß und der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses besondere Vorteile eingeräumt werden, ist gemäß § 150 Abs 5 KO ungültig. Was auf Grund einer ungültigen Vereinbarung oder auf Grund eines zur Verdeckung einer solchen Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungsverhältnisses geleistet worden ist, kann, unbeschadet weitergehender Ersatzansprüche, binnen 3 Jahren zurückgefordert werden. § 150 Abs 3 KO normiert daher zum Zweck der Wahrung der Gläubigergleichbehandlung eine über den Zeitpunkt der Aufhebung des Konkursverfahrens hinauswirkende absolute Ungültigkeit; § 3 Abs 1 KO ordnet hingegen zur Sicherung der Masse lediglich eine relative Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners gegenüber den Konkursgläubigern an. § 150 Abs 3 KO steht zu § 3 Abs 1 KO, der sich auf alle (nicht besonderen Regelungen unterworfene) Rechtshandlungen des Gemeinschuldners bezieht, im Verhältnis der Spezialität. Die Rechtsfolgen einer Gläubigerbegünstigung im Zusammenhang mit einem Zwangsausgleich richten sich daher nach § 150 Abs 3 KO und nicht nach § 3 Abs KO (ähnlich 6 Ob 584/84). Die Bestätigung des Ausgleichs räumt somit - sowohl nach § 47 AO als auch nach der gleichlautenden Vorschrift des § 150 Abs 5 KO - die Ungültigkeit der Sonderbegünstigung und deren Folgen nicht aus

(SZ 48/84 = EvBl 1976/96). Die Ungültigkeit einer Sonderbegünstigung ist sowohl nach § 47 AO als auch nach § 150 Abs 5 KO unheilbar (ÖBA 1956, 323; SZ 48/84 = EvBl 1976/96; 5 Ob 32, 33/62; 1 Ob 709/83). Diese Ungültigkeit wäre sogar von Amts wegen zu berücksichtigen, da es sich nicht um ein dem Schuldner gewährtes Anfechtungsrecht, sondern um eine im öffentlichen Interesse aufgestellte zwingende Rechtsvorschrift handelt (SZ 18/164, SZ 48/84 = EvBl 1976/96; 1 Ob 709/83; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht 259). Im vorliegenden Fall hat aber der Kläger ohnehin die Replik der Rechtsunwirksamkeit erhoben (AS 28). Als Einräumung besonderer Vorteile (Begünstigung) ist jede objektive, mittelbare oder unmittelbare, rechtliche oder wirtschaftliche Besserstellung eines oder mehrerer vom (Zwangs)Ausgleich betroffener Gläubiger anzusehen (EvBl 1980/219; ähnlich Bartsch-Pollak3 I 635 f; auch Petschek-Reimer-Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht 647). Eine nach § 150 KO und § 47 AO unzulässige Sonderbegünstigung liegt allerdings nur vor, wenn die betreffende Vereinbarung im Hinblick auf einen bevorstehenden gerichtlichen Ausgleich oder aus Anlaß eines solchen getroffen wurde, mit ihm also in einem, wenn auch nur losen Zusammenhang steht (SZ 8/160; SZ 9/237; JBl 1986, 463; 1 Ob 767/82; ähnlich auch SZ 6/402).

Alle diese Voraussetzungen sind hier gegeben, weil der Beklagte durch die behauptete (und vom Erstgericht als erwiesen angenommene) Verpfändung gegenüber den anderen Konkursgläubigern eine wirtschaftliche Besserstellung erlangt hätte und diese Vereinbarung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Zustandekommen und der gerichtlichen Bestätigung des Zwangsausgleichs stünde. Der Beklagte hat selbst angegeben, daß er für seine Forderungen, "zumindest für die 30 %, die er (= der Kläger) ohnehin erfüllen müsse", eine Sicherstellung haben wollte (AS 22).

Die vom Erstgericht als erwiesen angenommene Vereinbarung über die Verpfändung der beiden Geräte wäre daher absolut unwirksam. Wäre sie aber nicht zustandegekommen, so hätte der Beklagte keinen Rechtsgrund, die Herausgabe der im Eigentum des Klägers stehenden Gegenstände zu verweigern. Es bildet daher keinen (Feststellungs)mangel, daß die zweite Instanz die Frage, ob die vom Revisionswerber behauptete Vereinbarung (wie vom Erstgericht festgestellt) zustande kam, dahingestellt ließ.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13052

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00188.87.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19871216_OGH0002_009OBA00188_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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