TE OGH 1987/12/17 13Os168/87

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Veröffentlicht am 17.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Christian Roland R*** und Robert Andreas R*** wegen des Verbrechens nach §§ 142 f. StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Kreisgericht Ried im Innkreis vom 18.September 1987, GZ. 8 Vr 1027/86-87, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, des Angeklagten Robert Andreas R*** sowie der Verteidiger Dr. Denkmayr und Dr. Ortner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Christian Roland R***, zu Recht erkannt:

Spruch

Alle Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über Christian Roland R*** verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre erhöht.

Der Angeklagte Christian Roland R*** wird mit seiner Berufung hierauf verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten Robert Andreas R*** wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Im zweiten Rechtsgang sind der am 31.Jänner 1963 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Christian Roland R*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, dritter Fall, StGB. und der am 12.Februar 1965 geborene Hilfsarbeiter Robert Andreas R*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB. sowie des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2, Abs. 3, zweiter Fall, StGB. schuldig erkannt worden. Darnach haben in der Nacht zum 22.November 1986 in Mauerkirchen:

Christian Roland R*** dem Nurija C*** mit Gewalt gegen seine Person Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen (richtig: abgenötigt), durch dessen Zueignung sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, indem er ihn an den Armen packte, mit sich zerrte, am Hals würgte, zu Boden stieß, mit den Füßen nach ihm trat und Geld von ihm forderte, worauf Nurija C*** seine Geldbörse aus der Gesäßtasche zog und Christian Roland R*** 500 S und 20 DM übergab, wodurch Nurija C*** schwere Verletzungen erlitt (neben zahlreichen Abschürfungen und Hämatomschwellungen am ganzen Körper eine totale Luxation des ersten oberen Schneidezahns links und eine Subluxation des ersten oberen Schneidezahns rechts); ferner Robert Andreas R*** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Christian Roland R*** den Nurija C*** dadurch, daß er ihn an den Armen packte, mit sich zerrte, am Hals würgte, zu Boden stieß und mit den Füßen gegen seinen Kopf und Körper trat, am Körper verletzt, wobei die Tat die oben beschriebenen schweren Verletzungen nach sich gezogen hat; außerdem wurde Robert Andreas R*** schuldig gesprochen, einen Bargeldbetrag von 20 DM, den Christian Roland R*** dem Nurija C*** geraubt hatte, in Kenntnis der Umstände, welche die Bedrohung der Vortat mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe begründeten, an sich gebracht zu haben. Hinsichtlich Christian Roland R*** hatten die Geschwornen die anklagekonform gestellte Hauptfrage 1 mit der Einschränkung, daß die Tat nicht in Gesellschaft des Robert R*** begangen wurde, mit 5 zu 3 Stimmen bejaht (womit eine Beantwortung der Eventualfragen entfiel) und die Zusatzfrage 4 nach einem die Zurechnungsfähigkeit des Erstangeklagten ausschließenden Rauschzustand (§ 11 StGB.) stimmeneinhellig verneint. Hingegen sind bezüglich Robert Andreas R*** (jeweils stimmeneinhellig) die Hauptfrage 6 wegen schweren Raubes und die Eventualfrage 8 wegen Nötigung verneint, die Eventualfragen 7 und 9 wegen schwerer Körperverletzung und wegen Verhehlung eines von Christian Roland R*** geraubten Bargeldbetrags von 20 DM bejaht worden. Dieses Urteil wird von beiden Angeklagten mit jeweils auf § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO. gestützten (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden angefochten. Die Staatsanwaltschaft bekämpft das Urteil hinsichtlich beider Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z. 9.

Rechtliche Beurteilung

Zu den Beschwerden der Angeklagten:

Der Angeklagte Christian Roland R*** macht geltend, die Geschwornen hätten nur deshalb die ihn betreffende Hauptfrage bejaht, weil sie Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen hätten; mangels Bereicherungs- und Nötigungsvorsatzes sowie mangels Konnexität zwischen dem Einsatz der Raubmittel und der Sachbemächtigung hätte es lediglich zu einer Verurteilung wegen Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB kommen dürfen. Der Angeklagte Robert Andreas R*** wendet sich einerseits gegen die Qualifikation der Hehlerei nach § 164 Abs. 3 StGB., weil er keine Kenntnis davon gehabt habe, daß sein Bruder das ihm übergebene Bargeld durch Raub erlangt hatte, und andererseits gegen die Zurechnung der bei Nurija C*** eingetretenen schweren Verletzungsfolgen, weil diese nicht auf seine Einwirkung zurückzuführen seien.

Damit wird aber von beiden Beschwerdeführern der von ihnen allein angerufene materielle Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO. nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Im geschwornengerichtlichen Verfahren ist nämlich die Richtigkeit der Gesetzesanwendung ausschließlich auf Grund der im Wahrspruch getroffenen Feststellungen zu prüfen. Ein behaupteter Subsumtionsirrtum kann folglich nur aus dem Wahrspruch selbst nachgewiesen werden. Dagegen sind der Wahrspruch als solcher, die darin enthaltenen Tatsachenfeststellungen - einschließlich jener zur inneren Tatseite - und die diesem zugrundeliegende Beweiswürdigung einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen. Auf die Behauptung, die Geschwornen hätten Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder falsch gewürdigt und seien dadurch zu einer unrichtigen Lösung der Schuldfrage gekommen, kann sohin ein materieller Nichtigkeitsgrund nicht gestützt werden. Die Geschwornen haben mittels (eingeschränkter) Bejahung der Hauptfrage 1 angenommen, daß Christian Roland R*** mit Nötigungs- und Bereicherungsvorsatz gehandelt und gegen Nurija C*** Gewalt mit dem Ziel angewendet hat, sich durch deren Einsatz des Bargelds zu bemächtigen. Daraus ist rechtsrichtig schwerer Raub (§§ 142 Abs. 1, 143, dritter Fall, StGB.) abgeleitet worden.

Hinsichtlich des Angeklagten Robert Andreas R*** sind die Geschwornen in ihrem Verdikt in Lösung der Tatfrage zum einen davon ausgegangen, daß dieser Angeklagte und Christian Roland R*** den Nurija C*** im bewußten und gewollten Zusammenwirken am Körper verletzt haben, sodaß beide Angeklagten die als Folge ihres Tuns eingetretene schwere Verletzung des Angegriffenen verantworten. Zum anderen ist im Wahrspruch festgestellt, daß Robert Andreas R*** den die höhere Strafdrohung begründenden Umstand, daß das ihm von seinem Bruder übergebene Bargeld aus einem von letzterem zuvor begangenen Raub stammte, gekannt hat. In den von den Geschwornen getroffenen Tatsachenfeststellungen, deren Richtigkeit unüberprüfbar ist, findet daher sowohl die rechtliche Beurteilung der in der Eventualfrage 7 umschriebenen Tat als schwere Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB. als auch die Qualifikation der Hehlerei nach § 164 Abs. 3 StGB. Deckung.

Zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Anklagebehörde erachtet die Fragebeantwortung durch die Geschwornen als in sich widersprechend, weil die den Christian Roland R*** betreffende Hauptfrage nach Raub bejaht, betreffend den Robert Andreas R*** hingegen im Wahrspruch konstatiert worden ist, dieser habe im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Christian Roland R*** dem Nurija C*** schwere Verletzungen zugefügt. Da die schweren Verletzungen uno actu mit der Wegnahme der Barschaft durch Christian Roland R*** zugefügt worden seien, würde dessen Alleintäterschaft beim Raub die Verübung der schweren Körperverletzung durch beide Brüder als Mittäter denknotwendig ausschließen.

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Sind an einer Tat mehrere beteiligt, so ist jeder von ihnen nach seiner Schuld zu bestrafen (§ 13 StGB.). Stimmt daher das Vorhaben mehrerer gemeinsam handelnder Täter nicht überein, so haftet jeder nach seinem Vorsatz. Bei der Ausübung von Gewalt gegen eine Person ist daher eine Fallgestaltung durchaus möglich, bei der ein Beteiligter mit Raubvorsatz oder mit Raub- und Verletzungsvorsatz, ein anderer aber nur mit Verletzungsvorsatz handelt. In einem solchen Fall hat unabhängig davon, ob dem Opfer die Verletzungen vorsätzlich oder fahrlässig zugefügt werden (§ 7 Abs. 2 StGB.), ersterer ausschließlich Raub, bei Zufügung einer schweren Verletzung schweren Raub auch nach dem dritten Fall des § 143 StGB., der andere jedoch das entsprechende Körperverletzungsdelikt zu verantworten (vgl. Leukauf-Steininger2 RN. 9 zu § 87 StGB.; 13 Os 55/80). Zwischen der Bejahung der Schuldfrage wegen schweren Raubes bloß bei Christian Roland R*** und der Annahme einer von beiden Angeklagten uno actu ("in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken") begangenen, jedoch nur dem Zweitangeklagten als Vergehen nach §§ 83, 84 StGB. zuzurechnenden Körperverletzung besteht sohin kein Widerspruch. Sowohl die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten als auch jene der Staatsanwaltschaft waren daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Geschwornengericht verhängte über Christian Roland R*** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren, über Robert Andreas R*** nach §§ 28 Abs. 1 und 164 Abs. 3 StGB. eine solche von achtzehn Monaten.

In Bemessung dieser Strafen waren erschwerend bei Christian Roland R*** die mehreren einschlägigen Vorstrafen wegen Aggressions- und Vermögensdelikten, bei Robert Andreas R*** die Vorstrafen wegen gravierender Vermögensdelikte und eines Aggressionsdelikts sowie die Begehung zweier strafbarer Handlungen; mildernd waren bei beiden Angeklagten die teilweisen Geständnisse hinsichtlich der Körperverletzung des Nurija C***.

Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten eine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafen an; die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihrer Berufung eine Erhöhung der über Christian Roland R*** verhängten Strafe.

Lediglich die Berufung der Staatsanwaltschaft erweist sich als berechtigt.

Das sehr getrübte Vorleben des Christian Roland R*** (der u. a. auch unter Alkoholeinfluß straffällig geworden ist - siehe U 279/83, U 249/83 des Bezirksgerichts Mauerkirchen - sodaß eine allfällige schuldmildernde Alkoholisierung durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuß alkoholischer Getränke diesen Umständen nach begründet: § 35 StGB.) und der rasche Rückfall nach einer Verurteilung wegen Körperverletzung erst am 3.März 1986 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten (U 161/85 des Bezirksgerichts Mauerkirchen) während eines ihm gewährten Strafaufschubs (dort S. 99) und einer offenen Probezeit hinsichtlich einer Freiheitsstrafe von drei Monaten (11 E Vr 88/85 des Kreisgerichts Ried im Innkreis, dort S. 34, 37, 47) ist mit der gesetzlichen Mindeststrafe nicht in Einklang zu bringen. Das Strafmaß war daher entsprechend anzuheben.

Der Angeklagte Christian Roland R*** war mit seiner

Berufung hierauf zu verweisen.

Der Berufung des Robert Andreas R*** kommt keine

Berechtigung zu.

Wenn dem Berufungsswerber zur Körperverletzung kein volles Geständnis gutgebracht wurde, so liegt dies daran, daß er bestritt, die schwere Verletzung des Nurija C*** sei ihm zuzurechnen (zuletzt in seiner Nichtigkeitsbeschwerde S. 164 unten/II). Auch der Verhehlung hat er sich nicht schuldig bekannt, weil er das Wissen um die unrechtmäßige Herkunft des übernommenen Geldes stets bestritten hat (S. 29 und 42/II sowie abermals dessen Nichtigkeitsbeschwerde S. 164/II). Die Deliktskonkurrenz und sein belastetes Vorleben stehen einer Milderung der ohnehin im unteren Bereich des bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatzes (§ 164 Abs. 3 StGB.) geschöpften Sanktion entgegen.

Anmerkung

E12466

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00168.87.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19871217_OGH0002_0130OS00168_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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