TE OGH 1987/12/22 2Ob661/87

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Veröffentlicht am 22.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma R***-S***, Inhaber A.K***, Kurse, Schulungen, 1020 Wien, Ausstellungsstraße 31, vertreten durch Dr.Johannes Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Edwin M***, Angestellter, 1213 Wien, Jedlesdorferstraße 99/28/1, vertreten durch Dr.Ronald Itzlinger, Rechtsanwalt in Bruck/Leitha, wegen S 20.000,--, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 9. April 1987, GZ. R 30/87-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Neusiedl/See vom 1. Dezember 1986, GZ. C 203/86-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat der klagenden Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei brachte in ihrer am 20.8.1986 bei Gericht eingelangten Klage vor, sie habe am 27.9.1985 durch ihren Geschäftsführer P*** vom Beklagten einen unfallbeschädigten PKW der Marke Datsun Bluebird, Baujahr 1981, zum Preise von S 20.000,-- gekauft. Da dieses Fahrzeug tatsächlich nur S 9.000,-- wert gewesen sei, fechte sie den Kaufvertrag wegen laesio enormis an und begehre die Rückerstattung des Kaufpreises. Im übrigen stünden ihr auch Preisminderungsansprüche für die Behebung der Mängel zu. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung.

Der Geschäftsführer der klagenden Partei habe das schwer havarierte Fahrzeug eingehend besichtigt, erklärt, er werde das "Autowrack im Pfusch reparieren lassen", und habe damit naturgemäß ein großes Geschäftsrisiko auf sich genommen. Gemäß § 935 ABGB komme bei "Bezahlung eines außerordentlichen Wertes" der Rechtsbegriff der laesio enormis nicht zur Anwendung.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei das zum Verkauf inserierte, an der Frontseite beschädigte Fahrzeug besichtigte und um S 20.000,-- kaufte. Das Fahrzeug war erstmals am 19.2.1981 zum Verkehr zugelassen worden. Es wies einen Kilometerstand von 71.000 auf und hätte im Verkaufszeitpunkt im unbeschädigten Zustand einen Zeitwert von über S 70.000,-- gehabt. Die Reparaturkosten würden sich nach einem von der klagenden Partei vor der Klagseinbringung eingeholten Sachverständigengutachten auf S 127.010,-- belaufen, der Restwert des beschädigten Fahrzeuges betrug nach diesem Gutachten S 7.000,-- bis S 9.000,--.

Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, die klagende Partei habe das Fahrzeug im Sinne des § 935 ABGB aus Vorliebe um einen außerordentlichen Wert übernommen, denn es sei ihrem Geschäftsführer bewußt gewesen, daß er im Hinblick auf den Zustand des Fahrzeuges ein erhebliches Risiko eingehe. Es sei für keinen der Beteiligten klar gewesen, welcher Instandsetzungsaufwand erforderlich sein würde, zumal erhebliche Kostenunterschiede zwischen einer Reparatur in einer Fachwerkstätte und einer solchen unter Mithilfe von Bekannten bestünden. Allfällige Gewährleistungsansprüche seien zufolge Ablaufes der Sechsmonatefrist des § 933 ABGB erloschen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung und der Klage statt. Es verwies darauf, daß der Kaufpreis des Fahrzeuges S 20.000,--, dessen Wert nur S 7.000,-- bis S 9.000,-- und somit aber weniger als die Hälfte betragen habe, so daß die Voraussetzungen des § 934 ABGB vorlägen. Eine Behauptung, daß das Kaufgeschäft für die klagende Partei ein Handelsgeschäft dargestellt habe, sei vom Beklagten nicht aufgestellt worden und ebensowenig, daß die klagende Partei bei Vertragsabschluß Kenntnis vom geringen Wert des Fahrzeuges gehabt und sich dennoch zum Kauf entschlossen habe. Die Annahme, der Käufer habe ein beschädigtes Fahrzeug aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Wert übernehmen wollen, sei nur gerechtfertigt, wenn er eine solche Absicht konkret zum Ausdruck gebracht habe. Gegenteiligenfalls erscheine er schutzwürdig, wenn seine Fehleinschätzung so gravierend gewesen sei, daß sie zu einer Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes geführt habe. Aus diesen Gründen erweise sich die Berufung der klagenden Partei auf § 934 ABGB und das Verlangen nach Aufhebung des Kaufvertrages als gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO seien gegeben.

In der Revision bringt der Beklagte vor, es habe beim gegenständlichen Kaufgeschäft im Sinne der zutreffenden Rechtsansicht des Erstgerichtes für beide Teile ein erhebliches Risiko bestanden, weil nicht vorhersehbar gewesen sei, welcher Reparaturaufwand erforderlich werden würde. Somit habe die klagende Partei zum Wert der besonderen Vorliebe gekauft und könne sich nicht auf die Bestimmung des § 934 ABGB berufen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 935 ABGB findet die Anwendung des Rechtsmittels der Schadloshaltung wegen Verkürzung über die Hälfte ua. dann nicht statt, wenn jemand (der Käufer) erklärt hat, die Sache aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Wert zu übernehmen, wenn er sich trotz Kenntnis des wahren Wertes zu dem unverhältnismäßigen Wert verstanden hat oder wenn nach den Verhältnissen zu vermuten ist, daß die Beteiligten einen gemischten Vertrag mit Elementen eines Schenkungsvertrages schließen wollten. Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Entgegen dem Standpunkt des Revisionswerbers kann nämlich keinesfalls ganz allgemein gesagt werden, daß beim Kauf eines unfallbeschädigten Fahrzeuges im Hinblick auf das dem Kauf innewohnende Risiko schon durch die Tatsache des Kaufabschlusses vom Käufer klar zum Ausdruck gebracht werde, er wolle das beschädigte Fahrzeug aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Wert kaufen. Vielmehr ist gewöhnlich zu unterstellen, daß der Käufer die Erwartung eines günstigen Kaufes hegt und lediglich das Risiko eines allenfalls weniger günstigen oder ungünstigen Kaufes auf sich nimmt. Für die gegenteilige Annahme eines Kaufes zum außerordentlichen Wert der besonderen Vorliebe genügt bei einem solchen Autokauf somit nicht schon allein, daß es sich um ein Risikogeschäft handelt. Eine derartige Absicht des Käufers müßte ausdrücklich erklärt werden oder zumindest aus den Umständen des Falles in eindeutiger Weise hervorgehen. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12737

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00661.87.1222.000

Dokumentnummer

JJT_19871222_OGH0002_0020OB00661_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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