TE OGH 1988/1/12 4Ob506/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.01.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

Dipl.Ing. Mag. Arch. Dietrich K***, Ingenieurkonsulent für Bauwesen, Wien 3, Petrusgasse 13, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** FÜR O*** UND S***, Linz, Hauptplatz 10-11, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 270.000,-- samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. Juli 1987, GZ 3 R 34/87-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 6. November 1986, GZ 1 Cg 201/86-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt - also einschließlich der rechtskräftigen Abweisung des die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden Zinsenbegehrens - wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 270.000,-- samt 4 % Zinsen seit 19. Februar 1986 und die mit S 18.244,50 (darin enthalten S 1.657,75 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen. Das auf Zahlung von 12 % Verzugszinsen aus S 270.000,-- vom 1. Dezember 1984 bis 18. Februar 1986 und von 8 % Verzugszinsen aus diesem Betrag seit 19. Februar 1986 gerichtete Zinsenmehrbegehren wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 38.365,15 (darin enthalten S 2.578,65 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im November 1984 übergab die G*** H*** DE L' E*** AG der beklagten Bank in deren Zweigstelle in Badgastein einen Überweisungsauftrag über S 270.000,--, in welchem der Kläger, der bei der Beklagten ein Kreditkonto unterhielt, als Empfänger bezeichnet wurde; mit dem zu überweisenden Betrag sollte ein Planungshonorar des Klägers gezahlt werden. Die Beklagte folgte darauf der G*** H*** DE L' E*** AG mehrere vom Kläger verfaßte und bei ihr erlegte Pläne aus. Sie entsprach aber dem Überweisungsauftrag erst in einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt im Jahr 1986, weil das Konto ihres Auftraggebers erst damals die erforderliche Deckung aufgewiesen hatte. Die Rechtsnachfolgerin ihrer Auftraggeberin, die E*** G*** R*** UND V***, widerrief am 19. Februar 1986 den Überweisungsauftrag vom November 1984 mit der Begründung, daß dieser Auftrag ohne ihre Zustimmung erteilt worden sei. Die Beklagte hinterlegte darauf S 270.000,-- beim Bezirksgericht Linz; dieser Erlag wurde angenommen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 270.000,-- samt 12 % Zinsen seit 1. Dezember 1984. Er habe die für die G*** H*** DE L' E*** AG erstellten Pläne am 23. Oktober 1984 dem Leiter der Filiale der Beklagten in Badgastein mit dem Auftrag übergeben, sie nur gegen Zahlung von S 270.000,-- bzw. gegen Übergabe einer Schuldanerkenntnisurkunde an einen Vertreter seiner Auftraggeberin auszuhändigen. Die G*** H*** DE L' E*** AG habe in einem Schreiben vom 29. November 1984 seine Honorarforderung als offen anerkannt und einen Überweisungsauftrag erteilt. Die Beklagte habe die Überweisung des Betrages auf sein Kreditkonto jedoch nicht durchgeführt. Sie habe den Gerichtserlag ohne ausreichenden Erlagsgrund vorgenommen und überdies die Pläne abredewidrig ausgefolgt, weil das Schreiben der G*** H*** DE L' E*** AG vom 29. November 1984 keine Bestätigung einer Zahlungspflicht enthalten habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie habe dem Kläger einen Kredit eingeräumt. Mit Schreiben vom 25. November 1984 und 28. November 1984 habe der Kläger die Beklagte ersucht, gegen verschiedene Bestätigungen und Abgabe eines jede Einrede ausschließenden Schuldanerkenntnisses über ein Honorar von S 270.000,-- die bei ihr erlegten Einreichpläne an die G*** H*** DE L' E*** AG auszufolgen. Diese habe die geforderte Erklärung am 29. November 1984 abgegeben und gleichzeitig einen - nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditinstitute widerruflichen - Überweisungsauftrag über S 270.000,-- mit der Weisung erteit, ihn erst dann durchzuführen, wenn ihr Konto die erforderliche Deckung aufweist. Die Durchführung dieses Überweisungsauftrages sei erst am 18. Februar 1986 möglich gewesen und auch geschehen. Mit dem Fernschreiben vom 19. Februar 1986 habe die E*** G*** R*** UND

V*** als Rechtsnachfolgerin der G*** H*** DE L'

E*** AG den Überweisungsauftrag widerrufen. Diesen Widerruf habe die Beklagte beachten müssen. Da sich die Rechtslage für sie nunmehr als unklar dargestellt hätte, habe sie S 270.000,-- beim Bezirksgericht Linz erlegt und den Kläger sowie die E*** G*** R*** UND V*** als Erlagsgegner bezeichnet. Durch

diesen Erlag sei sie von ihrer Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger befreit. Überdies habe sie die bei ihr erlegten Pläne dem Kläger zurückgestellt, der sie dann selbst der G*** H*** DE L' E*** AG übergeben habe.

Das Erstgericht gab der Klage im wesentlichen statt; nur das die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigende Zinsenmehrbegehren wies es ab. Aus dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt leitete es rechtlich ab, daß kein tauglicher Erlagsgrund bestanden habe. Die G*** H*** DE L' E*** AG habe die Honorarforderung des Klägers schriftlich anerkannt. Ihre Rechtsnachfolgerin habe deren Überweisungsauftrag nur mit der Begründung widerrufen, daß sie ihm nicht zugestimmt habe; den Honoraranspruch des Klägers habe sie aber nicht in Frage gestellt. Daher sei der Kläger berechtigt, von der Beklagten die Zahlung zu fordern. Der Erlag sei für ihn gegenstandslos.

Das Berufungsgericht wies die Klage zur Gänze ab und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß die Beklagte erst dann zur Durchführung des Überweisungsauftrages verpflichtet gewesen sei, als das Konto ihrer Auftraggeberin die erforderliche Deckung aufgewiesen habe. Der Anspruch des Klägers hänge davon ab, ob die Überweisung im Zeitpunkt des Widerrufs bereits durchgeführt war; bis dahin sei der Widerruf eines Überweisungsauftrages möglich. Das Erstgericht habe zwar nicht festgestellt, daß die Überweisung schon vor dem Widerruf des Überweisungsauftrages durchgeführt war. Diese Frage könne aber auf sich beruhen: Wäre nämlich der Widerruf schon vor der Gutschrift erfolgt, dann wäre er wirksam geworden; in diesem Fall hätte der Kläger schon aus diesem Grund keinen Anspruch auf Zahlung oder Gutschrift. Hätte hingegen der Kläger infolge der Durchführung der Gutschrift vor der Erklärung des Widerrufes den Anspruch aus dem Überweisungsauftrag erworben, dann stünde seinem Zahlungsbegehren die Erfüllung der Beklagten durch die gerichtliche Hinterlegung entgegen. Zu diesem Gerichtserlag sei die Beklagte berechtigt gewesen, weil sie infolge des Widerrufes des Überweisungsauftrages bei der ihr zumutbaren Prüfung nicht habe erkennen können, wer tatsächlich der Gläubiger sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß der Berufung des Beklagten nicht Folge gegeben werde.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Gerichtserlages nicht berücksichtigt hat, daß ein Überweisungsauftrag nach erfolgter Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers nicht mehr widerrufen werden kann (SZ 54/28). Der Kläger hat die Unbeachtlichkeit des Widerrufes des Überweisungsauftrages - allerdings mit anderer

Begründung - geltend gemacht. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch im Fall einer gehörig ausgeführten Rechtsrüge auch bei einer Grundsatzrevision die Rechtslage in jeder Richtung zu prüfen; diese Prüfung ist allerdings auf Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung beschränkt (Petrasch, Die Zivilverfahrens-Novelle 1983 in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, ÖJZ 1985, 257 ff 300). Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Die Beklagte hat lediglich behauptet, daß sie den Überweisungsauftrag wegen des am Tag nach der Buchung auf dem Kreditkonto des Klägers ausgesprochenen Widerrufes der Rechtsnachfolgerin ihres Auftraggebers gerichtlich erlegt habe. Dieses Tatsachenvorbringen ist jedoch unschlüssig, so daß es auch keiner Feststellung über die zeitliche Reihenfolge der Buchung und des Widerrufs bedurfte:

Sobald ein Überweisungsauftrag durch die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers durchgeführt worden ist, entstehen Verbindlichkeiten der Bank und Rechte des Kontoinhabers. Der Kunde erlangt im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Konto einen unmittelbaren Anspruch gegen die Bank. Das bedeutet aber auch, daß der Überweisende spätestens mit der Buchung die Verfügungsmöglichkeit über den Betrag verliert (SZ 54/28; Schinnerer-Avancini, Bankverträge3, 91, 97, 100, 104). Mit der Gutschrift der Zahlung auf dem Konto gelangt diese Zahlung in das Vermögen des Kontoinhabers (SZ 54/28; Schinnerer-Avancini aaO 95 und 104). Das Berufungsgericht hat diese Rechtslage zwar richtig erkannt, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Gerichtserlages aber nicht beachtet.

Der gerichtliche Erlag eines geschuldeten Betrages befreit den Schuldner gemäß § 1425 ABGB nur dann, wenn die dort näher bezeichneten (hier nicht maßgeblichen) oder sonst wichtige Gründe vorliegen. Ein wichtiger Grund, der immer nur auf der Gläubigerseite gegeben sein darf, ist unter anderem auch das Vorhandensein mehrerer Forderungsprätendenten, wenn der Schuldner bei zumutbarer Prüfung nicht erkennen kann, wer Gläubiger ist (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1425). Ob der Erlag gerechtfertigt war, muß notfalls im Prozeß erwiesen werden (Koziol-Welser8 I 262). Einer Bank kann aber die selbständige Prüfung zugemutet werden, ob ein Überweisungsauftrag rechtzeitig vor der Buchung auf dem Konto des Empfängers widerrufen wurde oder ob der Überweisungsempfänger infolge Verspätung des Widerrufs bereits Rechte an dem gutgeschriebenen Betrag erworben hat und der Überweisungsauftrag deshalb nicht mehr erfüllt werden darf.

Die Beklagte hätte somit bei gehöriger Prüfung erkennen können, daß der (nach ihrem Vorbringen verspätete) Widerruf des Überweisungsauftrages nach der Buchung des Überweisungsbetrages auf dem Konto des Klägers nicht mehr beachtlich war. Damit scheidet aber das Vorhandensein mehrerer Forderungsprätendenten als wichtiger Grund zum Gerichtserlag ebenso aus wie eine - von der Rechtsprechung schon mehrfach als Erlagsgrund anerkannte - "Unklarheit der Rechtslage" (vgl. dazu Reischauer aaO Rz 5 zu § 1425). Da der Erlag somit nicht rechtmäßig war, kommt ihm keine schuldbefreiende Wirkung zu. Der Kläger hat vielmehr auf Grund der Buchung in jedem Fall Anspruch auf den überwiesenen Betrag und die gesetzlichen Zinsen daraus ab dem auf die Buchung folgenden Tag, nicht jedoch auf Zinsen für den vor der Gutschrift liegenden Zeitraum.

Aus den dargelegten Gründen war der Revision des Klägers teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 2, § 50 ZPO.

Anmerkung

E13540

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00506.88.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19880112_OGH0002_0040OB00506_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten