TE OGH 1988/1/26 2Ob69/87

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Veröffentlicht am 26.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner K***, Student, 9125 Kühnsdorf-Mitte Nr. 9, vertreten durch Dr. Johann Tischler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1.) Alois S***, Arbeiter, Freiland 15, 8530 Deutschlandsberg, 2.) G*** W*** V***, Generaldirektion, Herrengasse 18-20,

8011 Graz, beide vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 265.708,65 und Feststellung (S 40.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. September 1987, GZ 2 R 162/87-26, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. Mai 1987, GZ 18 Cg 8/86-20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 7.472,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 679,30) je zur Hälfte binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8. April 1985 ereignete sich auf der Bundesstraße B 70, etwa 2 km westlich von Griffen, ein Verkehrsunfall, an welchem der Kläger als Lenker und Halter des Motorrades, Marke Kawasaki 750 GZX, und der Erstbeklagte als Lenker des bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKWs Fiat 131 beteiligt waren. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalles vom Bezirksgericht Völkermarkt zu 3 U 202/85 rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er beim Linksabbiegen den Nachfolgeverkehr nicht beachtet hat. Bereits vor Einbringung der Klage wurde dem Kläger ein Betrag von S 50.000,-- bezahlt.

Der Kläger begehrte von den Beklagten zuletzt die Bezahlung des Betrages von S 265.708,65 s.A., darunter S 170.000,-- Schmerzengeld und S 50.000,-- an Verdienstentgang. Den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden am Unfall, weil er plötzlich vom rechten Fahrbahnrand nach links ausgeschert und in einen unauffälligen Seitenweg nach links abgebogen sei.

Die Beklagten anerkannten ein Verschulden des Erstbeklagten von 2/3, weil er sich vor dem unmittelbaren Abbiegen nicht nochmals vom Nachfolgeverkehr vergewissert habe. Das begehrte Schmerzengeld sei überhöht, ein Verdienstentgang stehe dem Kläger nicht zu. Der Schade am PKW von S 18.000,-- werde gegen die Klageforderung aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung - vom Alleinverschulden des Erstbeklagten am Unfall ausgehend - mit S 264.328,85 als zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend, und verurteilte die Beklagten zur Zahlung dieses Betrages samt Zinsen. Weiters sprach es die Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall aus. Das Mehrbegehren von S 1.382,-- wies es ab. Es traf - zusammengefaßt

dargestellt - nachstehende Feststellungen:

Der Erstbeklagte fuhr auf der Bundesstraße in einer Kolonne mit 70 bis 80 km/h in westliche Richtung. Als er ca. 20 m vom späteren Unfallspunkt entfernt war, blinkte er links und reihte sich zur Fahrbahnmitte ein. Er verringerte bis zum Abbiegemanöver seine Geschwindigkeit auf rund 15 km/h. Der Kläger überholte mit einer Geschwindigkeit von rund 84 km/h. Er faßte seinen Bremsentschluß 61 m bzw. 3,24 Sekunden vor der Kollision. Hätte der Erstbeklagte etwa 30 m (3,92 Sekunden) vor der Kollision in den Rückspiegel geblickt, hätte er das bereits in Überholposition befindliche Motorrad des Klägers sehen können. Der Kläger leitete 4,64 Sekunden vor der Kollision das Überholmanöver ein. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich rund 93,5 m vom späteren Unfallspunkt entfernt. Als der Kläger seinen Bremsentschluß faßte, war das Heck des Fahrzeuges des Erstbeklagten etwa 20 m vom Unfallspunkt entfernt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Erstbeklagte sein Abbiegemanöver noch nicht eingeleitet. Es hatte daher den Bremsentschluß des Klägers nicht ausgelöst.

Der Kläger erlitt einen rechtsseitigen Speichenbruch sowie einen Bruch des linken Schienbeinkopfes. Die Streckfähigkeit des linken Kniegelenkes ist um 5 Grad, die maximale Beugungsfähigkeit um 15 Grad behindert. Die Drehbewegungen im linken Knie sind auf die Hälfte des normalen Ausmaßes herabgesetzt. Die Schmerzperioden bis Ende Oktober 1985 sind zu 100 %, jene ab November 1985 zu etwa 80 % als unfallskausal anzusehen. Bis Ende Oktober 1985 hatte der Kläger 6 Tage starke, 16 Tage mittelstarke und 59 Tage leichte Schmerzen. Ab November 1985 bis Ende 1986 erlitt er weiters 1 Tag starke, 2 Tage mittelstarke und 51 Tage leichte Schmerzen. Für die Zeit ab 1. Jänner 1987 wird der Kläger weitere 15 Tage leichte Schmerzen im Jahr zu erdulden haben.

Der Kläger, der Zollbeamter werden möchte, konnte wegen des Unfalls das Schuljahr 1984/85 nicht abschließen. Er mußte daher den 2. Jahrgang der Handelsakademie wiederholen.

Rechtlich ging das Erstgericht vom Alleinverschulden des Erstbeklagten am Unfall aus, erachtete ein Schmerzengeld von S 170.000,-- als angemessen und erkannte dem Kläger auch den geltend gemachten Verdienstentgang von S 50.000,-- zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Klageforderung mit S 112.552,57, die Gegenforderung mit S 6.000,-- als zu Recht bestehend erkannte und dem Kläger S 106.552,57 s.A. zusprach. Dem Feststellungsbegehren wurde nur zu 2/3 stattgegeben. Das Leistungs- und Feststellungsmehrbegehren wurde abgewiesen. Das Gericht zweiter Instanz nahm eine Beweiswiederholung vor. Es übernahm zwar den Großteil der dargestellten Feststellungen (S. 10 des Berufungsurteiles), ging aber in einem wesentlichen Punkt insoweit davon ab, daß es im Gegensatz dazu als erwiesen annahm:

Als der Erstbeklagte 60 bis 65 m vom Unfallspunkt entfernt war, betätigte er den linken Blinker und reihte sich zur Fahrbahnmitte hin ein. Der Kläger hätte das Blinkzeichen und den Einordnungsvorgang wahrnehmen können.

Demgemäß erachtete es das Mitverschulden des Klägers darin gelegen, daß er auf die eingeordnete Fahrweise des Erstbeklagten und dessen Blinkzeichen nicht entsprechend reagierte. Der Kläger hätte das eingeordnete Fahrzeug des Erstbeklagten sehen können und müssen. Auch die Verringerung der Kolonnengeschwindigkeit hätte den Kläger zu besonderer Aufmerksamkeit veranlassen müssen. Bei genügender Beobachtung der zu überholenden Fahrzeuge wäre es dem Kläger möglich gewesen, eine unfallsverhindernde Bremsung einzuleiten. Es sei daher eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen. Als Schmerzengeld sei nur der Betrag von S 150.000,-- berechtigt. Da nicht feststehe, ob und in welchem Ausmaß die Unfallfolgen den Eintritt des Klägers in das Erwerbsleben mindern, sei ein Verdienstentgang bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht nachgewiesen. Das habe zur Folge, daß das Begehren des Klägers auf Ersatz von Verdienstentgang abzuweisen war. Dem Kläger sei aber durch das Feststellungserkenntnis die grundsätzliche Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruches nach Maßgabe der ferneren Gestaltung seiner Erwerbsverhältnisse gewahrt. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens und der Aktenwidrigkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidung behauptet der Revisionswerber, daß er sich ausdrücklich gegen die Verlesung der wiederholten Beweise gewendet habe. Dies trifft jedoch - worauf das Berufungsgericht in seinem Vorlagebericht zutreffend verweist - nicht zu. Davon abgesehen bekämpft der Kläger unter den dargestellten Revisionsgründen lediglich die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes, was im Revisionsverfahren nicht zulässig ist. Im übrigen ist auf § 510 Abs 3 ZPO zu verweisen.

In der Rechtsrüge bekämpft der Kläger die Verschuldensteilung, erachtet das ausgemessene Schmerzengeld als zu niedrig und bestreitet die Richtigkeit der Abweisung des Verdienstentgangsbegehrens.

Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen betätigte der Erstbeklagte schon 60 bis 65 m vor dem späteren Unfallspunkt den linken Blinker und reihte sich zur Fahrbahnmitte hin ein. Der Kläger hätte bei gebotener Aufmerksamkeit sowohl die Blinkerbetätigung als auch den Einordnungsvorgang wahrnehmen müssen. Er hätte daher ein Überholmanöver entweder gar nicht erst einleiten oder doch eine rechtzeitige Bremsung so vornehmen können, daß er den Unfall verhindert hätte. Zutreffend erachtete das Berufungsgericht daher seine Verschuldenskomponente am Unfall als durchaus gravierend und gelangte - unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Beklagten ein Verschulden des Erstbeklagten am Unfall von 2/3 anerkannten - zu einem durchaus zutreffenden Teilungsverhältnis von 1 : 2 zugunsten des Klägers. Die dagegenstehenden Ausführungen der Revision sind nicht stichhältig.

Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist der Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes zu berücksichtigen (2 Ob 127/79 uza). Gegen die unter Bedachtnahme auf die dargestellten Grundsätze erfolgte Bemessung des Schmerzengeldes durch das Berufungsgericht vermag der Kläger nichts Zielführendes vorzubringen, weshalb es genügt, auf die zutreffende Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung zu verweisen.

Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, daß er schon jetzt einen Verdienstausfall erleidet bzw. erlitten hat. Insbesondere steht derzeit noch nicht fest, ob und in welchem Ausmaß die Unfallsfolgen den Eintritt des Klägers in das Erwerbsleben beeinträchtigen werden. Der Kläger hat im übrigen nicht vorgebracht, daß er ohne den Unfall bereits im Erwerbsleben stünde (vgl. EvBl 1966/354; 2 Ob 136/80; Reischauer in Rummel, Rz 23 zu § 1325 ABGB), sondern nur rein allgemein darauf verwiesen, daß "erhöhte Unterhaltsaufwendungen für das verlorene Schuljahr angefallen" seien (AS 8); dies reicht aber nicht aus, die Grundlage für den Zuspruch von Verdienstentgang zu bilden. Der Revision des Klägers war somit der Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12754

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00069.87.0126.000

Dokumentnummer

JJT_19880126_OGH0002_0020OB00069_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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