TE Vfgh Beschluss 2001/10/1 G24/01 ua

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Veröffentlicht am 01.10.2001
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EG Art39 ff
EG Art49 ff
Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Beschluß des Assoziationsrates Nr 1/80 Art6, Art7
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita

Leitsatz

Zurückweisung von Anträgen eines Unabhängigen Verwaltungssenates auf Aufhebung von Strafbestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes; subjektives Recht türkischer Staatsangehöriger und ihrer Arbeitgeber auf Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit iSd EG-Vertrages aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses Nr 1/1980; kein offenkundiger Widerspruch der bekämpften Verwaltungsstrafnorm zu unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht; keine Präjudizialität der angefochtenen Strafbestimmungen mangels Vorliegen des Tatbestandes der "unberechtigten" Beschäftigung infolge der unmittelbaren Anwendbarkeit von Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (in Hinkunft: UVS) stellt aus Anlaß zweier bei ihm anhängigen Berufungsverfahren gemäß Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 B-VG (Art140 Abs1 B-VG) beim Verfassungsgerichtshof den Antrag,

"1. die in §28 Abs1 Z1 lita des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl Nr 218/1975, in der Fassung BGBl (I) Nr 78/1997, jeweils in Klammern enthaltenen Zitate 'und 4c' als verfassungswidrig aufzuheben,

2. in eventu den §4c des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl Nr 218/1975, in der Fassung BGBl (I) Nr 78/1997, sowie die in §28 Abs1 Z1 lita des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl Nr 218/1975, in der Fassung BGBl (I) Nr 78/1997, jeweils in Klammern enthaltenen Zitate 'und 4c' als verfassungswidrig aufzuheben".

1.1. Zum Sachverhalt der beim UVS anhängigen Verfahren wird im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Berufungswerber seien mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch bzw. Dornbirn für schuldig erkannt worden, je eine türkische Staatsangehörige beschäftigt zu haben, obwohl für diese Beschäftigung weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei; über sie seien je eine Geld- und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden.

Gegen diese Straferkenntnisse richteten sich die vorliegenden Berufungen an den antragstellenden UVS.

1.2. Die gegen die erwähnten Gesetzesstellen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken werden - in beiden Anträgen übereinstimmend - wie folgt formuliert (Hervorhebungen im Original):

"1. Ein Gesetz entspricht dann nicht dem Gleichheitssatz (Art7 B-VG), wenn die in Betracht kommende Regelung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Jede unsachliche Unterscheidung ist unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes verfassungswidrig (vgl VfSlg 11.013/1986).

2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genießen türkische Arbeitnehmer bzw deren Familienangehörige bei Erfüllung der im ARB Nr 1/1980 aufgestellten Voraussetzungen auch in Österreich 'freien (demnach keiner konstitutiven Bewilligung bedürftigen) Zugang' zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis (VwGH 25.6.1996, 96/09/0088).

3. Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist es sachlich nicht gerechtfertigt, an den Fall des Nichtvorliegens einer (deklarativen) Beschäftigungsbewilligung für einen gemäß ARB Nr 1/1980 zum Zugang zum Arbeitsmarkt berechtigten türkischen Staatsangehörigen dieselben strafrechtlichen Sanktionen zu knüpfen wie an das Fehlen einer konstitutiven Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz; dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die maßgebliche Strafnorm eine Mindeststrafe von ATS 10.000 vorsieht. Der Unrech(t)sgehalt ist beim Nichtvorliegen einer deklarativen Beschäftigungsbewilligung bei weitem nicht so hoch wie beim Nichtvorliegen einer konstitutiven Beschäftigungsbewilligung.

4. In diesem Zusammenhang ist auch auf Folgendes hinzuweisen:

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 9.8.1994, C-43/93 (Van der Elst) ausdrücklich ausgeschlossen, im Falle 'betriebsentsandter Ausländer' das Recht auf Arbeitsaufnahme von einer konstitutiven 'Arbeitserlaubnis' abhängig zu machen. Dementsprechend wurde mit BGBl I 1997/78 die neue Ziffer 5 in §28 Abs1 AuslBG eingefügt; damit wurde bei der Strafsanktion im Falle des Fehlens einer (deklarativen) EU-Entsendebestätigung - wie bei den sonstigen Ordnungswidrigkeiten - auf das Fehlen einer formalen Bestätigung abgestellt. Die Strafandrohung sieht dabei Geldstrafen bis zu ATS 15.000 anstatt - wie in der Z1 des §28 Abs1 AuslBG - Geldstrafen von ATS 10.000 bis zu ATS 60.000 bzw ATS 40.000 bis zu ATS 240.000 (vierter Strafsatz des §28 Abs1 Z1 AuslBG) vor.

5. Darüberhinaus ist auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Sachlichkeitsgebot den Fall verpönt, in dem ein exzessives Missverhältnis zwischen dem unter Strafsanktion gestellten Verhalten und der als primäre Rechtsfolge vorgesehenen Geldstrafe gegeben ist (VfGH 27.9.1989, Slg Nr 12151). Der Unabhängige Verwaltungssenat ist der Auffassung, dass im gegenständlichen Fall ein solches Missverhältnis vorliegt."

2.1. Die Bundesregierung erstattete (lediglich) in dem zu G24/01 protokollierten Verfahren eine meritorische Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag als unbegründet abzuweisen.

Den vom UVS erhobenen Bedenken hält die Bundesregierung folgendes entgegen (alle Hervorhebungen im Original):

"(...)

... Nach Art6 Abs3 des ARB Nr 1/80 verbleibt den Mitgliedstaaten die Verpflichtung zur Erlassung derjenigen Verwaltungsmaßnahmen, die zur Durchführung dieses Artikels gegebenenfalls erforderlich sind, ohne dass die Mitgliedstaaten dadurch ermächtigt würden, die Ausübung des genau bestimmten und nicht an Bedingungen geknüpften Rechts, das den türkischen Arbeitnehmern auf Grund dieser Bestimmung zusteht, an Bedingungen zu binden oder einzuschränken (EuGH 20. 9. 1990 in der Rechtssache C-192/89, Sevince, Slg. 1990, I-3461, und 16. 12. 1992 in der Rechtssache C-237/91, Kus, Slg. 1992, I-6781). Die zur Durchsetzung der Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund ihrer Assoziationsintegration erforderliche Regelung des Verfahrensrechts fällt somit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und die Bestimmungen des AuslBG stellen in diesem Sinn zulässige Regelungen des Verfahrensrechts durch den Mitgliedstaat Österreich dar, ohne dass durch diese verfahrensrechtlichen Bestimmungen die Ausübung der von türkischen Staatsangehörigen erlangten (unmittelbar wirksamen) Rechte in materiell-rechtlicher Hinsicht eingeschränkt oder an Bedingungen geknüpft wird.

Die aus den unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des ARB 1/1980 erwachsenden materiellen Rechte der türkischen Staatsbürger werden mit dem verfahrensrechtlichen Instrumentarium des Ausländerbeschäftigungsrechtes umgesetzt. Der ARB Nr. 1/80 verleiht nicht nur das Recht, ein Arbeitsverhältnis eingehen zu können, sondern verpflichtet den Vertragsstaat auch dazu, Grundlagen für dessen Realisierung vorzusehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, wird mit der Ausstellung eines Befreiungsscheines iSd §4c AuslBG dem Interesse einer behördlichen Entscheidung über das Bestehen eines Rechts gemäß Art6 Abs1 ARB Nr. 1/80 Rechnung getragen (VwGH E 15.3.2000, 98/09/0054; VwGH E 12.4.2000, 98/09/0065). Ein derartiger Ausspruch liegt nicht nur im Interesse des davon betroffenen Arbeitnehmers, sondern auch insofern im öffentlichen Interesse, als dadurch zu der Frage einer rechtmäßigen Beschäftigung von Ausländern in einer der Rechtskraft fähigen Weise Stellung genommen wird. Diese Frage spielt etwa bei der Durchführung eines Strafverfahrens nach dem AuslBG oder bei Kontrollen nach §26 AuslBG eine entscheidende Rolle.

Durch die Bestimmung des §28 Abs1 Z1 lita AuslBG wird somit in keiner Weise der freie Zugang des türkischen Arbeitnehmers zum Arbeitsmarkt beeinträchtigt. Vielmehr richtet sich diese Bestimmung ausschließlich an den Arbeitgeber und bedroht diesen mit Strafe, wenn er vor der Beschäftigungsaufnahme nicht eine entsprechende Bewilligung erhalten oder sich nicht von der Rechtmäßigkeit der Beschäftigungsaufnahme durch Vorlage eines Befreiungsscheines überzeugt hat.

... Nach Auffassung der Bundesregierung ist allein in der Differenzierung, ob einem Bescheid gemäß §3 AuslBG konstitutiver oder deklarativer Charakter zukommt, kein derartiger Unterschied zu erblicken, der zwingend auch eine Differenzierung in den Strafbestimmungen nach sich ziehen müsste.

Dies zum einen deshalb, weil der Unrechtsgehalt einer Tat im Sinne des §28 Abs1 Z1 lita AuslBG kein anderer ist, je nach dem ob ein deklarativer oder konstitutiver Bescheid nicht erlangt wurde und deshalb eine Strafe zu verhängen ist. In beiden Fällen hat es nämlich der Arbeitgeber unterlassen, Bestimmungen, die im öffentlichen Interesse eine Kontrolle der Beschäftigung von Ausländern gewährleisten sollen, einzuhalten. Dass dabei in einem Fall ein Bescheid iSd §3 AuslBG konstitutiven und in einem anderen Fall deklarativen Charakter hat, vermag daran nichts zu ändern. Zum anderen erscheint es auch zulässig, gleiche Strafsanktionen unabhängig davon zu normieren, ob ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer entsprechenden Berechtigung nach dem AuslBG gegeben ist oder nicht. So besteht etwa ein Rechtsanspruch des Ausländers auf Ausstellung eines Befreiungsscheines, wenn er fünf Jahre innerhalb der letzten acht Jahre in Österreich gearbeitet hat. Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer, der diese Voraussetzungen erfüllt, sich jedoch nicht um das Vorliegen des Befreiungsscheines gekümmert hat, so unterliegt er der gleichen Strafbestimmung wie ein Arbeitgeber, der einen Ausländer beschäftigt, der diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht verfassungsrechtlich geboten zu sein, einen Arbeitgeber nur deshalb geringer zu bestrafen, weil er sich über das Erfordernis einer allenfalls deklarativen Bewilligung hinweggesetzt hat.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass - wenn man den Berechtigungen nach §4c AuslBG deklarativen Charakter zumisst - mit einer solchen Bewilligung in bestimmten Fällen auch ein konstitutives Element verbunden sein kann. Es mag der Bescheid zwar grundsätzlich deklarativ festhalten, dass im konkreten Fall ein aus dem ARB Nr. 1/80 unmittelbar erfließendes Recht gegeben ist, gleichzeitig ist damit auch untrennbar das Recht verbunden, für die Laufzeit der Berechtigung arbeiten zu dürfen und zwar auch dann, wenn eine Voraussetzung des freien Zuganges zum Arbeitsmarkt im Sinne des ARB Nr. 1/80 nachträglich wegfallen sollte.

... Selbst wenn man im Sinne der Annahme des UVS Vorarlberg dem deklarativen und dem konstitutiven Charakter eines Bescheides nach §4c des Ausländerbeschäftigungsgesetzes so grundlegende Bedeutung zumisst, dass damit Rückwirkungen auf die sachliche Rechtfertigung von Strafnormen verbunden sind, könnte dies im gegenständlichen Fall nicht die Gleichheitswidrigkeit der behaupteten Norm begründen:

Beschäftigungsbewilligung und Befreiungsschein können gemäß §4c AuslBG nur für den Arbeitnehmer deklarative Wirkungen entfalten. Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach dem ARB 1/1980 ist daher diesem (von Amts wegen oder auf Parteiantrag) ein() entsprechender Bescheid auszustellen, der ihm unter anderem die Arbeitssuche erleichtert. Er kann ihn aber auch heranziehen, um sein Aufenthaltsrecht zu dokumentieren, weil seine (in dieser Urkunde festgestellten) Rechte nach Artikel 6 und 7 ARB 1/1980 ein weiteres Aufenthaltsrecht implizieren (vgl. VwGH 20. Mai 1998, Zl. 97/09/0009, und 23. Februar 2000, Zl. 97/09/0097).

§28 Abs1 Z1 lita AuslBG richtet sich auch nicht an den (türkischen) Arbeitnehmer, sondern ausschließlich an den Arbeitgeber und bedroht diesen mit Strafe, wenn er vor der Beschäftigungsaufnahme nicht eine entsprechende Bewilligung erhalten hat oder sich nicht von der Rechtmäßigkeit der Beschäftigungsaufnahme durch Vorlage eines Befreiungsscheines überzeugt hat.

... Die Ansicht des UVS in Vorarlberg hat überdies bei genauer Betrachtung folgende Konsequenzen, die mit der Intention des ARB 1/1980, die Integration von türkischen Arbeitnehmern in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, nicht vereinbar wären.

Nach Artikel 6 zweiter Unterabsatz ARB 1/1980 hat ein türkischer Staatsangehöriger nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes Stellenangebot zu bewerben.

Ein türkischer Staatsangehöriger erlangt daher die Bewerbungsfreiheit erst dann, wenn sich kein arbeitslos gemeldeter EU-Bürger um die Stelle bewirbt.

Folgt man der Ansicht des UVS in Vorarlberg, stellt sich die Frage, wie der Arbeitgeber beurteilen soll, ob ein EU-Bürger vom Arbeitsmarktservice auf die offene Stelle vermittelt werden kann und damit die Voraussetzung der oz. Rechtsvorschrift erfüllt ist, wenn er es unterlässt, vor der Arbeitsaufnahme eine Beschäftigungsbewilligung einzuholen. Der Arbeitgeber hätte in einem solchen Fall somit letztlich nie Gewissheit, ob er diesen türkischen Staatsangehörigen rechtmäßig beschäftigt oder nicht. Bei Änderung der Voraussetzungen, die ihm nie mit Sicherheit bekannt sein können, müsste er das Arbeitsverhältnis lösen.

Letztendlich müsste diese Frage daher in einem allfälligen Verwaltungsstrafverfahren geklärt werden, in dem die Strafbehörde die Voraussetzung, dass die konkrete Stelle nicht mit einem EU-Angehörigen besetzt werden hätte können, als Vorfrage zu beurteilen hätte. Weil sich diese Frage aber im Nachhinein kaum beurteilen lässt, wird diese objektive Tatbestandsvoraussetzung von der Strafbehörde in der Regel als nicht gegeben angenommen werden müssen, weil auch der belangte Arbeitgeber nicht im Sinne des §5 VStG glaubhaft machen könnte, dass im gesamten EU-Raum keine Arbeitskraft mit der entsprechenden Qualifikation verfügbar ist.

Eine gesonderte Strafbestimmung - wie sie der Unabhängige Verwaltungssenat in Vorarlberg offenbar im Auge hat -, die lediglich den Nichtbesitz einer (deklarativen) Bewilligung unter Strafe stellt, käme somit bei türkischen Arbeitnehmern, die sich auf Artikel 6 zweiter Unterabsatz ARB 1/1980 berufen, überhaupt nur dann zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber gegenüber der Strafbehörde glaubhaft machen kann, dass er vor der Beschäftigungsaufnahme des türkischen Arbeitnehmers versucht hat, die Stelle im EU-Raum anzubieten, und kein EU-Bürger bereit war, die Stelle anzunehmen. In allen anderen Fällen müsste die Behörde davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des ARB 1/1980 nicht vorliegen und somit der Tatbestand der illegalen Ausländerbeschäftigung gegeben ist.

Aber auch in allen anderen Fällen des Art6 ARB 1/1980 müsste die Strafbehörde zunächst das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen als Vorfrage klären, weil diese auch nachträglich wieder wegfallen (vgl. EuGH 10. Februar 2000, in der Rechtssache C-340/97, Ömer Nazli u.a. gegen Stadt Nürnberg; hier:

Ungültigerklärung des Sichtvermerks wegen eines Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz) oder sich nachträglich als unrichtig herausstellen können (vgl. Urteil des EuGH vom 5.Juni 1997 in der Rechtssache C-285/95, Suat Kol gegen Land Berlin; hier: Beschäftigungszeiten, die der türkische Arbeitnehmer auf Grund einer durch unrichtige Angaben erlangten Einreiseerlaubnis zurückgelegt hat).

Dasselbe gilt auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des Artikel 7 ARB 1/1980. Die Rechte des Artikel 7 setzen nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH voraus, dass die türkische Bezugsperson, von der die Familienangehörigen ihre Rechte ableiten, aktuell dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates angehört. Da diese Voraussetzung aber Veränderungen unterworfen sein kann, wäre nie die Sicherheit gegeben, nicht doch wegen illegaler Ausländerbeschäftigung bestraft zu werden, weil der Arbeitgeber in der Regel nicht weiß, wann die Bezugsperson seiner türkischen Arbeitskraft z.B. in den Ruhestand gewechselt ist (vgl. VwGH 7. April 1999. Zl. 97/09/0235).

... Weiters sieht der Unabhängige Verwaltungssenat einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, weil zwischen dem unter Strafsanktion gestellten Verhalten und der als primäre Rechtsfolge vorgesehenen Geldstrafe ein exzessives Missverhältnis bestehe. Diesem Argument sind folgende Überlegungen entgegenzuhalten:

Der Verfassungsgerichtshof hat - zur Rechtslage vor Inkrafttreten des §4c AuslBG durch BGBl. I Nr. 78/1997 - ausgesprochen, dass die in §28 Abs1 Z1 AuslBG vorgesehenen Strafsätze für die unerlaubte Beschäftigung von Ausländern den Gleichheitssatz nicht etwa deshalb verletzen, weil sie im Verhältnis zum Strafbedürfnis des Staates unangemessen hoch wären (VfSlg. 13790/1994). Bei Festsetzung der Strafdrohung für Verwaltungsübertretungen dieser Art dürfe der Gesetzgeber insbesondere für Fälle einer lang dauernden Fortsetzung oder wiederholten Begehung der Straftat den möglichen wirtschaftlichen Nutzen in Betracht ziehen, den der Täter durch das verbotene Verhalten erzielt. Andernfalls könne es bei ausreichend hohem wirtschaftlichem Interesse dazu kommen, dass der Strafbetrag als bloßer Preis des erwarteten Nutzens kalkuliert werde und die Strafdrohung ihren Zweck verfehle. Der Verfassungsgerichtshof konnte demnach nicht erkennen, dass das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Vorschriften über die Kontrolle der Ausländerbeschäftigung Strafen dieser Höhe nicht rechtfertigen würde. Von einem Exzess könne in Ansehung der Strafsätze angesichts des möglichen Nutzens einer längerdauernden Beschäftigung und im Hinblick darauf, dass im einzelnen Strafsatz auch sehr lange Zeit hindurch fortgesetzte Straftaten erfasst werden müssen, nicht die Rede sein.

Auch wenn diese Aussagen des Gerichtshofes nicht zu §28 Abs1 AuslBG idF BGBl. I Nr. 78/1997 gemacht wurden, lassen sich die von ihm angestellten Überlegungen auf den vorliegenden Fall übertragen und damit die Höhe der Strafsätze auch für den Fall der Notwendigkeit einer deklarativen Berechtigung iSd §4c AuslBG rechtfertigen. Dies deshalb, weil das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG in gleicher Weise in jenen Fällen besteht, in denen einer Berechtigung gemäß §3 AuslBG unter Umständen bloß deklarative Wirkung zukommt. Dies zeigt sich etwa an den Bestimmungen des AuslBG, die eine Überwachung sowie eine Auskunfts- und Meldepflicht normieren (vgl. §26 AuslBG). Das Nichtvorliegen einer Berechtigung gemäß §4c AuslBG führt in solchen Fällen dazu, dass der Behörde im Ergebnis eine effiziente Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsrechts unmöglich gemacht wird. Um im Einzelfall feststellen zu können, ob einem Arbeitnehmer schon auf Grund des ARB Nr. 1/80 der freie Zugang zum Arbeitsmarkt zusteht, müsste - wie oben erwähnt - jeweils ein Strafverfahren eingeleitet werden, um diese Frage zu klären. Um eine effiziente Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG zu gewährleisten, erscheint die Höhe der Strafsätze auch bei Nichtvorliegen einer deklarativen Berechtigung sachlich gerechtfertigt. Ein niedrigerer Strafrahmen könnte dazu führen, dass eine zu verhängende Strafe wegen Nichtvorliegen einer deklarativen Berechtigung durch den Arbeitgeber eher in Kauf genommen würde, wodurch die Behörde an einer Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG beeinträchtigt werden könnte. Somit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass ein exzessives Missverhältnis zwischen dem unter Strafsanktion gestellten Verhalten und der als primäre() Rechtsfolge vorgesehenen Geldstrafe gegeben ist.

Die oben aufgezeigten Argumente rechtfertigen es daher, auch Arbeitgeber, die türkische Assoziationsarbeitnehmer ohne Berechtigung nach §4c des Ausländerbeschäftigungsgesetzes beschäftigen, mit der gleichen Sanktion zu bedrohen, wie Arbeitgeber, die sonstige Drittstaatsangehörige beschäftigen, wenn sie nicht über die erforderlichen Bewilligungen verfügen. Die Bundesregierung hält daher die in Prüfung stehenden Bestimmungen als mit dem Gleichheitsgebot vereinbar und somit für verfassungskonform."

2.2. Der Berufungswerber jenes Administrativverfahrens, das dem zu G223/01 protokollierten Antrag zugrunde liegt, erstattete als beteiligte Partei eine schriftliche Äußerung, in der er den Antrag stellt, der Verfassungsgerichtshof möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, "sofern der Verfassungsgerichtshof die Präjudizialität bejahen sollte", den Antrag des UVS abweisen und "dem Antragsteller den Ersatz der Kosten des Verfahrens ... (auferlegen)".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge erwogen:

Die Anträge sind unzulässig.

1. Gemäß Art89 Abs2 Satz 2 B-VG hat ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht, falls es gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieses Gesetzes zu beantragen (vgl. auch Art140 Abs1 Satz 1 B-VG). Diese Verpflichtung, Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines in einem bestimmten Verfahren anzuwendenden Gesetzes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, ist auch den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern auferlegt (vgl. Art129a Abs3 B-VG), uzw. - wie sich aus dem ersten Satz des Art140 Abs1 B-VG ergibt - unabhängig davon, in welcher Instanz der unabhängige Verwaltungssenat tätig zu werden hat (vgl. VfSlg. 14.891/1997).

Wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, hält er sich nicht für berechtigt, bei der Prüfung der Frage, ob die Vorschrift, deren Verfassungswidrigkeit behauptet wird, für die Entscheidung des Gerichtes (UVS) präjudiziell ist, das Gericht (den UVS) an eine bestimmte Auslegung zu binden und damit auf diese Art der gerichtlichen Entscheidung indirekt vorzugreifen. Ein Mangel der Präjudizialität liegt daher nur dann vor, wenn die zur Prüfung beantragte Bestimmung ganz offenbar und schon begrifflich überhaupt nicht - dh. denkunmöglich - als eine Voraussetzung des vom antragstellenden Gericht (UVS) zu fällenden Erkenntnisses (zu erlassenden Bescheides) in Betracht kommen kann (vgl. VfSlg. 6278/1970 und die dort angeführte Rechtsprechung, ferner zB VfSlg. 7999/1977, 8136/1977, 8318/1978, 8871/1980, 9284/1981, 9811/1983, 9911/1983, 10.296/1984, 10.357/1985, 10.640/1985, 11.565/1987, 12.189/1989).

1.1. Letzteres kann - wie der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen, mit dem Erkenntnis VfSlg. 15.215/1998 begründeten Rechtsprechung zu von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren ausgesprochen hat (vgl. ferner zB VfSlg. 15.267 und 15.321/1998) - auch dann vorliegen, wenn die in Prüfung gezogene innerstaatliche Norm in offenkundigem Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht steht. Trifft dies zu, so ist die angegriffene Norm einer Prüfung auf ihre (innerstaatliche) Rechtmäßigkeit durch den Verfassungsgerichtshof entzogen; dies gilt auch dann, wenn erst im Lauf eines bereits eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens hervorkommt, daß die in Prüfung gezogene innerstaatliche Norm in offenkundigem Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht steht; in diesem Fall ist das Verfahren einzustellen, weil es dem Verfassungsgerichtshof obliegt, den Vorrang des unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts vor dem damit konfligierenden innerstaatlichen Recht - Offenkundigkeit vorausgesetzt - in jedem Stadium des Verfahrens wahrzunehmen (vgl. VfSlg. 15.368/1998).

Diese Rechtsprechung gilt auch für auf Antrag eines Gerichtes (oder eines UVS) eingeleitete Normenprüfungsverfahren (idS schon Griller, Individueller Rechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, in:

Aicher/Korinek/Holoubek (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und Wirtschaftsrecht (2000) 27 (142 f); Potacs, Die Europäische Union und die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts. Gutachten 14. ÖJT Bd I/1 (2000) 107).

Die Frage der Zulässigkeit der Anträge beurteilt sich also - unter dem hier zu prüfenden Aspekt - im wesentlichen danach, ob die angegriffene Verwaltungsstrafnorm des §28 Abs1 Z1 lita des Bundesgesetzes vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 idF des ArtI Z41 BGBl. I Nr. 78/1997 - in dem bekämpften Umfang - in keinem offenkundigen Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht steht und es daher zumindest denkmöglich ist, daß der antragstellende UVS diese Vorschrift für die von ihm zu fällenden Berufungserkenntnisse heranzuziehen hat.

a) Gemäß Art7 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei (ARB) Nr. 1/80 haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben; sie haben überdies freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

§4c AuslBG idF des ArtI Z23 BGBl. I Nr. 78/1997 sieht hiezu vor, daß für türkische Staatsangehörige eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern ist, wenn sie (ua.) die Voraussetzungen nach Art7 ARB Nr. 1/1980 erfüllen. Diesem Personenkreis ist überdies von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen bzw. zu verlängern.

b) Wie der EuGH bereits wiederholt ausgesprochen hat, kommt dem Art7 ARB Nr. 1/1980 unmittelbare Wirkung zu; diese bewirke

"zumindest von dem Zeitpunkt an, zu dem der ... türkische

Staatsangehörige ... ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedstaat erworben hat, daß der Betroffene hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem Beschluß Nr. 1/80 herleiten kann" (EuGH 16. März 2000 Rs. C-329/97 (Ergat), Slg. 2000, I-1487 ff (Rz 40); vgl. auch EuGH 17. April 1997 Rs. C-351/95 (Kadiman), Slg. 1997, I-2133 ff (Rz 28); VwGH 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088; ferner - zu Art6 Abs1 ARB Nr. 1/1980 - EuGH 10. Februar 2000 Rs. C-340/97 (Nazli), Slg. 2000, I-0957 ff (Rz 28)); dieses subjektive Recht wird somit nicht erst dadurch begründet, daß dem Betroffenen eine behördliche Erlaubnis erteilt wird. Ist nach dem nationalen Recht dennoch vorgesehen, daß für die Beschäftigung eines türkischen Staatsangehörigen ein behördliches Dokument zu erwirken ist, so ist diesem für die Anerkennung der aus dem ARB Nr. 1/1980 erfließenden subjektiven Rechte lediglich "deklaratorische Bedeutung und Beweisfunktion" beizumessen (idS zB EuGH 6. Juni 1995, Rs. C-434/93 (Bozkurt), Slg. 1995, I-1475 ff (Rz 29 f); 30. September 1997, Rs. C-36/96 (Günaydin), Slg. 1997, I-5143 ff (Rz 49); 30. September 1997, Rs. C-98/96 (Ertanir), Slg. 1997, I-5179 ff (Rz 55); 26. November 1998, Rs. C-1/97 (Birden), Slg. 1998, I-7747 ff (Rz 65); 16. März 2000, Rs. C-329/97 (Ergat), Slg. 2000, I-1487 ff (Rz 61 f); 22. Juni 2000 Rs. C-65/98 (Eyüp), Slg. 2000, I-4747 ff (Rz 45); ferner VwGH 1. Dezember 2000, Zl. AW 2000/09/0058).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH erfließen aus der Dienstleistungsfreiheit (Art49 ff EG) und aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art39 ff EG) sowohl für den Dienstleistenden (Arbeitnehmer) als auch für den Empfänger der Dienstleistung (Arbeitgeber) subjektive Rechte, die von diesen Personen je und je geltend gemacht werden können (vgl. zB EuGH 31. Jänner 1984 verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377 ff (Rz 10); 2. Februar 1989 Rs. 186/87 (Cowan), Slg. 1989, 195 ff (Rz 15); 9. August 1994 Rs. C-43/93 (Vander Elst), Slg. 1994, I-3803 ff (Rz 13); 24. November 1998 Rs. C-274/96 (Bickel und Franz), Slg. 1998, I-7637 ff (Rz 15) - zur Dienstleistungsfreiheit; ferner EuGH 7. Mai 1998 Rs. C-350/96 (Clean Car Autoservice), Slg. 1998, I-2521 ff (Rz 17 ff) - zur Arbeitnehmerfreizügigkeit).

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs läßt sich die zuletzt wiedergegebene Judikatur des EuGH sinngemäß auch auf die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Freizügigkeit der türkischen Staatsangehörigen übertragen. Personen, die als Arbeitgeber türkische Staatsangehörige beschäftigen, werden daher durch Art7 ARB Nr. 1/1980 in jenem Umfang, in dem die begünstigten türkischen Staatsangehörigen daraus für sich subjektive Rechte herleiten können, ebenfalls unmittelbar berechtigt.

c) Nach Auffassung des EuGH ist es den Mitgliedstaaten allerdings nicht verwehrt, für die - an sich erlaubte - Beschäftigung türkischer Staatsangehöriger, die von den Art6 und 7 ARB Nr. 1/1980 erfaßt sind, Pflichten zu normieren, die Verwaltungserfordernissen entsprechen. Hiezu gehört etwa die gesetzlich auferlegte Pflicht, Formalitäten zu beachten, die dem Nachweis des Aufenthaltsrechts dienen (vgl. EuGH 16. März 2000 Rs. C-329/97 (Ergat), Slg. 2000, I-1487 ff (Rz 52 ff)). Einem derartigen "Verwaltungserfordernis" entspricht zweifellos auch die - im vorliegenden Fall in Rede stehende - Pflicht des Arbeitgebers, für die Beschäftigung eines begünstigten türkischen Staatsangehörigen eine Beschäftigungsbewilligung bzw. einen Befreiungsschein beizubringen. Wie das Urteil des EuGH in dem soeben genannten Fall "Ergat" weiter ausführt, bleiben die Mitgliedstaaten auch grundsätzlich für die Ahndung von Verstößen gegen diese Pflichten zuständig (EuGH, aaO Rz 55); solche Ordnungswidrigkeiten dürfen freilich nicht mit unverhältnismäßigen Sanktionen belegt werden, die eine Beeinträchtigung des Freizügigkeitsrechts schaffen würden.

Der EuGH (aaO Rz 57) wertet als unverhältnismäßige Sanktionen "insbesondere" Freiheitsstrafen, ferner die - in den Anlaßfällen freilich nicht in Betracht zu ziehende - Ausweisung des Betroffenen aus dem Hoheitsgebiet des Empfangsstaats.

Das Gemeinschaftsrecht verbietet es also den Mitgliedstaaten nicht, für die Ausübung der durch den ARB Nr. 1/1980 eingeräumten Freizügigkeitsrechte Ordnungsvorschriften zu erlassen und deren Verstoß mit Verwaltungsstrafsanktion zu belegen. Davon, daß die bekämpfte Verwaltungsstrafnorm unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht offenkundig widerspräche und aus diesem Grund nicht als Gegenstand eines Gesetzesprüfungsantrags in Frage käme, kann jedenfalls keine Rede sein. Die Anträge erweisen sich somit unter diesem Gesichtspunkt als zulässig.

1.2. Allerdings ist die Präjudizialitätsannahme des antragstellenden UVS aus einem anderen Grund verfehlt:

a) §28 Abs1 Z1 AuslBG idF ArtI Z41 BGBl. I Nr. 78/1997 lautet auszugsweise wie folgt (die vom antragstellenden UVS angegriffene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,

1. wer

a) entgegen dem §3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§4 und 4c) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§3 Abs5) oder eine Arbeitserlaubnis (§14a) oder ein Befreiungsschein (§§15 und 4c) ausgestellt wurde, ...

(...)

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafen von 10 000 S bis zu 60 000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 20 000 S bis zu 120 000 S, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 20 000 S bis zu 120 000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 40 000 S bis zu 240 000 S;

..."

b) Die Gesetzesmaterialien (EB 689 BlgNR XX. GP, 17) geben über die Gründe, aus denen der Ausdruck "und 4c" in §28 Abs1 Z1 eingefügt wurde, wenig Aufschluß; sie führen bloß aus, dadurch werde der - in §4c AuslBG vorgenommenen - Neuregelung für türkische Staatsangehörige "Rechnung getragen".

Der antragstellende UVS nimmt offenbar an, die in Rede stehende Strafnorm des §28 Abs1 Z1 lita AuslBG sei auch auf jene Fälle anzuwenden, die den bei ihm anhängigen Berufungsverfahren zugrunde lägen. Davon kann indes - nach dem eigenen Vorbringen des UVS - keine Rede sein:

§28 Abs1 Z1 AuslBG normiert ausdrücklich, daß lediglich die unberechtigte Beschäftigung von Ausländern verwaltungsstrafsanktioniert sei. Nun ist freilich - nach dem oben (Pkt. 1.1.) Ausgeführten - zu beachten, daß die Beschäftigung eines türkischen Staatsangehörigen, der alle Erfordernisse des Art6 oder 7 ARB Nr. 1/1980 erfüllt, keinesfalls als "unberechtigt" oder "illegal" in dem Sinn bezeichnet werden kann, daß es an einem konstitutiv wirkenden Beschäftigungstitel fehlen würde. Es handelt sich dabei vielmehr um eine gemeinschaftsrechtlich erlaubte Beschäftigung, unabhängig davon, ob das innerstaatliche Recht hiefür - Verwaltungserfordernissen dienende und insofern grundsätzlich unbedenkliche (vgl. oben Pkt. II.1.1.c)) - Ordnungsvorschriften vorsieht.

Wie der antragstellende UVS in beiden Anträgen ausgeführt hat, sei "(a)uf Grund der im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Vorarlberg" vom 28. November 2000 bzw. vom 28. Juni 2001 davon auszugehen, daß jene türkischen Staatsangehörigen, deren Beschäftigung wegen über den Arbeitgeber je und je erstinstanzlich eine Verwaltungsstrafe verhängt worden sei, im Tatzeitpunkt die in Art7 UAbs2 ARB Nr. 1/1980 normierten Erfordernisse erfüllt hätten.

Daraus ergibt sich aber, daß die in den Anlaßverfahren vor dem UVS inkriminierten Beschäftigungen türkischer Staatsangehöriger ganz offenkundig nicht "unberechtigt" iS des §28 Abs1 Z1 AuslBG waren. Aus diesem Grund wäre es geradezu denkunmöglich, das den Berufungswerbern zur Last gelegte Verhalten unter diese Strafnorm zu subsumieren. Da §28 Abs1 Z1 AuslBG - dem unzweideutigen Gesetzeswortlaut nach - ausschließlich Fälle einer "unberechtigten" Beschäftigung zu erfassen sucht, ist es auch nicht möglich, diese Bestimmung in Fällen wie den vorliegenden (bloß) als Verwaltungsstrafsanktion für Verstöße gegen eine "Ordnungsvorschrift" - nämlich jene, für die Beschäftigung von gemeinschaftsrechtlich begünstigten türkischen Staatsangehörigen die in §4c AuslBG vorgesehenen Bescheinigungen beizubringen - zu deuten.

Es ist also ausgeschlossen, daß der antragstellende UVS die - von ihm teilweise bekämpfte - Norm des §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in den bei ihm anhängigen Berufungsverfahren anzuwenden hat.

Die Anträge waren daher mangels Präjudizialität der als verfassungswidrig angegriffenen Gesetzesstellen als unzulässig zurückzuweisen.

2. Der beteiligten Partei (dem Berufungswerber jenes Administrativverfahrens, das dem zu G223/01 protokollierten Antrag zugrunde liegt) waren die für die Erstattung einer - nicht aufgetragenen - Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil in Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Kostenersatz nur in dem - hier nicht gegebenen - Fall des §65a VerfGG 1953 in Betracht kommt.

3. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953).

Schlagworte

Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, EU-Recht, Rechte subjektive öffentliche, VfGH / Präjudizialität, Anwendbarkeit Staatsvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G24.2001

Dokumentnummer

JFT_09988999_01G00024_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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