TE OGH 1988/2/16 15Os1/88

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Veröffentlicht am 16.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Februar 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl Heinz L*** und Hartwig R*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten L*** sowie die Berufung des Angeklagten R*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 15. Oktober 1987, GZ 20 j Vr 4402/87-80, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, sowie der Verteidiger Dr. Wegrostek und Dr. Schriefl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Karl Heinz L*** und Hartwig R*** der Verbrechen (I.) der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 3 StGB, (II.) der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB, (III.) des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs. 1 StGB und (IV.) des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie in der Nacht zum 11.April 1987 in Wien (zu I.) als Mittäter Magaly T*** und Daniel Marc W*** durch Schläge, sohin mit Gewalt, zur Vornahme des Geschlechtsverkehrs vor ihnen, also zu Handlungen, die besonders wichtige Interessen der Genannten verletzen sollten, zu nötigen versucht;

(zu II.) als Mittäter Magaly T***, sohin eine Person weiblichen Geschlechts, dadurch mit Gewalt gegen ihre Person widerstandsunfähig gemacht, daß ihr L*** wiederholt Schläge versetzte, und sie in diesem Zustand jeweils mindestens einmal zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht;

(zu III.) als Mittäter Nachgenannte dadurch mit Gewalt (gegen ihre Person) widerstandsunfähig gemacht, daß L*** ihnen Schläge versetzte, und sie in diesem Zustand zur Unzucht mißbraucht, und zwar (1.) Magaly T*** jeweils mindestens einmal zur Vornahme je eines Oral- und Analverkehrs sowie (2.) Daniel Marc W*** zur Vornahme jeweils eines Oralverkehrs; sowie

(zu IV.) in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Daniel Marc W*** durch Schläge, also mit Gewalt gegen seine Person, fremde bewegliche Sachen, und zwar einen Stereoturm mit zwei Boxen, einen Lammfellmantel, eine Lederhose, zwei Lederjacken, einen Radiowecker, einen Plattenspieler und ein Paar Schuhe, mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen seine Verurteilung wegen Notzucht und wegen Raubes (Fakten II. und IV.) gerichteten, auf § 345 Abs. 1 Z 6, 8 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten L*** kommt keine Berechtigung zu.

Daß dann, wenn den Geschwornen ein aus mehreren Haupt- und Eventualfragen betehendes Schema zur Beantwortung vorzulegen ist, die Eventualfragen jeweils im unmittelbaren Anschluß an jene Hauptfragen gereiht werden müßten, von deren Verneinung ihre Aktualität abhängt, ist der Prozeßordnung nicht zu entnehmen (vgl § 317 Abs. 2 StPO); auch im Fall einer anderen Reihung ist die Klarstellung des Verhältnisses der einzelnen Fragen zueinander sowie der Folgen ihrer Bejahung oder Verneinung durch die den Laienrichtern schriftlich und mündlich zu erteilende Rechtsbelehrung sowie durch die nachfolgende Besprechung des Vorsitzenden mit ihnen (§§ 321, 323 StPO) vollauf gewährleistet. Davon, daß die Eventualfragen (17 und 18) nach Nötigung sowie (19 und 20) nach Diebstahl deswegen, weil sie nicht direkt im Anschluß an die Hauptfragen (9 und 10) nach Raub gereiht wurden, und gleichermaßen die Eventualfragen (11 und 12) nach Nötigung zum Beischlaf deshalb, weil sie nicht unmittelbar den Hauptfragen (3 und 4) nach Notzucht angereiht wurden, "aus dem Betrachtungs- und Bejahungskreis der Geschwornen gebracht" worden wären, sodaß es "für sie undenkbar" gewesen wäre, "sich mit diesem Fragenkomplex zu befassen", und von einer durch die (deswegen bemängelte) Reihenfolge der bezeichneten Fragen bewirkten "glatten Verletzung der Grundsätze des § 314 StPO" (Z 6) kann dementsprechend keine Rede sein.

Eine deutliche und bestimmte Bezeichnung jener Teile der Rechtsbelehrung hinwieder, von denen der Beschwerdeführer vermeint, sie seien für die Laienrichter unverständlich und aus diesem Grund unrichtig (Z 8), läßt die Instruktionsrüge vermissen; diese ist daher mangels jeglicher Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.

In Ausführung seiner Rechtsrüge (Z 12) schließlich geht der Angeklagte nicht, wie zu einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre, von den im Wahrspruch der Geschwornen als erwiesen angenommenen Sachverhalt aus, sondern von seiner leugnenden Verantwortung und von Verfahrensergebnissen, die seiner Auffassung nach für deren Richtigkeit sprechen.

Die zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführte und im übrigen verfehlte Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach §§ 28 (Abs. 1), 143 erster Strafsatz StGB zu Freiheitsstrafen, deren Dauer es bei L*** mit sieben und bei R*** mit fünf Jahren festsetzte. Dabei wertete es bei beiden Angeklagten die Zustandebringung der Raubbeute und den Umstand, daß die schwere Nötigung beim Versuch geblieben ist, sowie bei L*** zudem sein teilweises, wenn auch recht verdeckt abgelegtes reumütiges Geständnis und bei R*** überdies sein reumütiges Geständnis bezüglich der Unzuchtshandlungen im Vorverfahren im Zusammenhang mit seiner auch in der Hauptverhandlung (freilich nur zeitweise) gezeigten Schuldeinsicht, durch die der leugnende Mittäter belastet wurde, als mildernd, wogegen es beiden Angeklagten das Zuammentreffen mehrerer Verbrechen sowie die (bei L*** zahlreichen einschlägigen und rückfallsbegründenden, bei R*** hingegen nur geringfügigen) Vorstrafen als erschwerend anlastete.

Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten eine Strafherabsetzung an; auch damit sind sie nicht im Recht. Auf eine Enthemmung durch Alkohol, geschweige denn auf einen Rauschzustand, durch den seine Zurechnungsfähigkeit herabgesetzt worden wäre (§ 35 StGB), hat sich der Angeklagte L*** gar nicht berufen, und auch für eine bei ihm vorgelegene "intellektuelle Minderbegabung" (speziell in bezug auf die von ihm begangenen Delikte) bieten die Verfahrensergebnisse keinerlei Anhaltspunkt (vgl dagegen S 271). Ebensowenig kann nach dem Inhalt des Schuldspruchs von einem als mildernd wirkenden "verhältnismäßig geringen Wert" der Raubbeute oder davon die Rede sein, daß der genannte Berufungswerber auf Grund des Verhaltens des Tatopfers dessen freiwillige Hingabe zum Beischlaf angenommen hätte. Das Geschwornengericht hat einerseits das Gewicht der neun einschlägigen, rückfallsbegründenden Vorstrafen des Angeklagten L***, von denen er nur eine als Jugendlicher sowie zwei weitere im Alter von unter 21 Jahren erlitten hat und die bei der gebotenen Gesamtbetrachtung durchaus eine Tendenz zu steigendem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Taten erkennen lassen, andererseits aber auch sein Teilgeständnis durchaus sachgerecht, mit Bezug auf seine tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld (§ 32 StGB) eingeschätzt und betont.

Dem Angeklagten R*** hinwieder ist zwar einzuräumen, daß er sowohl vom Vorleben her als auch in Ansehung seiner Tatbeteiligung vergleichsweise deutlich geringer belastet ist als L***, doch hat das Erstgericht diesem Umstand durch eine entsprechende Abstufung der Strafdauer zureichend Rechnung getragen. Von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsumständen jedoch kann angesichts des sehr hohen Unrechtsgehalts sämtlicher den Angeklagten zur Last fallenden Straftaten, die ihrem Zusammentreffen (§ 33 Z 1 StGB) ein besonderes Gewicht verleiht, auch bei ihm nicht gesprochen werden, sodaß für die von ihm angestrebte außerordentliche Strafmilderung (§ 41 Abs. 1 Z 3 StGB) kein Raum war.

Den Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E13106

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00001.88.0216.000

Dokumentnummer

JJT_19880216_OGH0002_0150OS00001_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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