TE OGH 1988/2/24 9ObA6/88

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Veröffentlicht am 24.02.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Margarethe Heidinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Firma. H. S*** Gesellschaft mbH & Co KG, Linz Freistädterstraße 300, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und Dr. Michael Krüger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Alfred B***, Arbeitsloser, Strafvollzugsanstalt Garsten, Garsten, Am Platzl 1, vertreten durch Dr. Werner Leimer, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 275.215,89 sA, infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. November 1987, GZ 13 Ra 1069/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 27. April 1987, GZ 12 Cga 1059/87-8, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Teilurteil dahin abgeändert, daß es einschließlich seines bestätigten Teiles als Teilurteil zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 98.500,-- binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten."

Im übrigen, hinsichtlich eines Betrages von S 1.500,--, wird das angefochtene Teilurteil aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

2. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war bei der Klägerin in den Jahren 1983 und 1984 als Servicearbeiter beschäftigt. Am 25. September 1984 sowie am 9. Oktober 1984 stahl er im Betrieb der Klägerin die Schlüssel zweier von Kunden eingebrachter Fahrzeuge und nahm sie unbefugt in Betrieb.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz wurde der Beklagte unter anderem der unbefugten Inbetriebnahme von Fahrzeugen schuldig erkannt; er habe sich die Gewalt über die Fahrzeuge jeweils durch einen widerrechtlich erlangten Schlüssel, also durch die in § 129 StGB geschilderte Handlung, verschafft und durch die Taten an den Fahrzeugen Schäden von mehr als zusammen S 100.000,-- verursacht, und zwar am 25. September 1984 den PKW Marke BMW 525, Kennzeichen O 552.652 der Mag. Dr. Eva S***, wobei ein Fahrzeugschaden von S 70.000,-- entstand; ferner am 5. Oktober 1984 den PKW der Marke Mazda 626, Kennzeichen L 48.258, des Hermann A***, wobei am Fahrzeug ein Schaden von S 1.500,-- entstand; schließlich am 9. Oktober 1984 den PKW der Marke Lancia Kennzeichen L 3.141, des Verfügungsberechtigten der Firma R***

Gesellschaft mbH & Co KG, wobei ein Schaden von S 124.000,-- entstand.

Der Privatbeteiligten Mag. Dr. Eva S*** wurde ein Betrag von S 50.000,--, dem Privatbeteiligten Bernd Joachim R*** ein solcher von S 6.500,-- zuerkannt.

Die Klägerin wurde von der Firma Gerd R***

Gesellschaft mbH & Co KG auf Zahlung von S 30.766,20 samt Anhang geklagt und verpflichtete sich mit Vergleich vom 18. November 1986 zur Zahlung von S 22.000,-- samt 10 % Zinsen seit 1. April 1985 und der tarifmäßigen Kosten auf der Basis eines Streitwertes von S 22.000,-- sowie zur Erbringung von Serviceleistungen im Wert von S 5.000,--. Dieser Vergleich wurde erfüllt. Von Mag. Dr. Eva S*** wurde die Klägerin auf Zahlung von S 96.480,32 sA geklagt. Die Klägerin verpflichtete sich mit außergerichtlichem Vergleich zur Zahlung von S 76.360,30. Der Vergleich wurde erfüllt und im Verfahren trat Ruhen ein. In beiden Fällen wurde dem Beklagten der Streit nicht verkündet. An den Kaskoversicherer des PKW Lancia, Kennzeichen L 3.141, die Erste Allgemeine Versicherungs-AG, hat die Klägerin über Aufforderung S 118.939,-- zuzüglich Kosten (insgesamt S 120.919,--) gezahlt. In keinem dieser Fälle hat der Beklagte kein Einverständnis zur Schadenersatzleistung gegeben.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten insgesamt S 275.215,89 sA. Sie sei von den Eigentümern der Fahrzeuge Lancia, Kennzeichen L 3.141, und BMW, Kennzeichen O 552.652, gemäß § 1313 a ABGB in Anspruch genommen worden und habe zur Bereinigung dieser Ansprüche an die beiden Kunden S 95.786,74 und S 58.510,50 sowie an den Kaskoversicherer des PKW BMW S 120.919,-- zahlen müssen. Der Klägerin stehe gegen den Beklagten eine Rückgriffsforderung in Höhe des Klagsbetrages sowohl nach § 4 DHG als auch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe gemäß § 4 Abs 2 DHG einen Regreßanspruch nur dann, wenn sie den geschädigten Dritten die Schäden auf Grund eines rechtskräftigen Urteils oder im Einverständnis mit dem Beklagten ersetzt hätte. Auch die Höhe des Klagsanspruches wurde bestritten und eingewendet, daß die Klägerin ohne Feststellung des wahren Schadensausmaßes sich vergleichsweise zur Zahlung überhöhter Beträge verpflichtet habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es vertrat die Rechtsauffassung, das DHG sei anzuwenden, weil ein zeitlicher, örtlicher oder ursächlicher Zusammenhang zwischen der Schadenszufügung und der Dienstleistung ausreiche. Da die Klägerin weder im Einverständnis mit dem Beklagten noch auf Grund eines rechtskräftigen Urteils Ersatz geleistet habe, stehe ihr gemäß § 4 Abs 2 DHG ein Ersatzanspruch gegen den Beklagten nicht zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, gab dem Klagebegehren in teilweiser Abänderung des Ersturteils mit Teilurteil hinsichtlich eines Betrages von S 100.000,-- statt, hob das angefochtene Urteil im übrigen - hinsichtlich restlicher S 175.215,89 sowie 11 % Zinsen und 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen seit 1. Oktober 1986 aus einem Betrag von S 275.215,89 - auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, das DHG und damit der dort vorgesehene Haftungsausschluß seien auf die gegenständlichen Schadensfälle nicht anzuwenden. Das DHG sei eine soziale Schutzbestimmung, die nur zum Tragen komme, wenn der Arbeitnehmer abhängige Arbeit leiste und der Erfolg dem Arbeitgeber zugute komme. Ein derartiger unmittelbarer Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sei im vorliegenden Fall zu verneinen. Die Klägerin habe den Kunden gegenüber eine Nebenpflicht zur Verwahrung der zur Reparatur bzw. zum Service übernommenen Fahrzeuge getroffen, so daß sie ihnen für den durch die Entwendung der Fahrzeuge entstandenen Schaden gehaftet habe. Da der Beklagte sich den Gebrauch der Fahrzeuge durch eine vorsätzliche strafbare Handlung erschlichen habe, könne eine allfällige mangelhafte Verwahrung der Schlüssel der Kundenfahrzeuge nicht zu einer Kürzung des Regreßanspruches gegenüber dem Beklagten führen.

Der Einwand des Beklagten gegen die Höhe des Ersatzanspruches sei wegen der Bindungswirkung des Strafurteiles nur hinsichtlich eines Betrages von mehr als S 100.000,-- beachtlich, weil das Zivilgericht lediglich im Umfang der tatbestandbegründenden oder strafsatzändernden Wertgrenzen an die Feststellungen des Strafurteils über die Schadenshöhe gebunden sei.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revision und der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision und dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt; der Rekurs ist nicht berechtigt.

Da die Beurteilung der entscheidenden Rechtsfrage - die Bestimmungen des DHG seien auf die vorliegenden Schadensfälle nicht anzuwenden, so daß auch der dort vorgesehene Haftungsausschluß nicht zum Tragen komme - durch das Berufungsgericht zutrifft, genügt es, diesbezüglich auf die Richtigkeit der Berufungsentscheidung zu verweisen (§ 48 ASGG). In diesem Zusammenhang ist zu ergänzen, daß mit dem im DHG normierten Haftungsprivileg lediglich dem erhöhten Haftungsrisiko Rechnung getragen werden soll, das der Arbeitnehmer dadurch eingeht, daß er im Interesse des Arbeitgebers "bei Erbringung der Dienstleistung" tätig wird (vgl. Dirschmied, Dienstnehmerhaftpflichtgesetz2, 24). Wurde daher die Schädigung im Zusammenhang mit einem Verhalten bewirkt, das nicht der Erfüllung der vom Arbeitnehmer übernommenen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag, sondern ausschließlich den Privatinteressen des Arbeitnehmers diente, dann kommt die Anwendung des DHG, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht in Frage (vgl. Arb. 10.064 = RdA 1984, 227, mit im wesentlichen zustimmender Anmerkung von E. Migsch sowie Arb. 10.208; vgl. auch Schrammel, Haftungsmilderung "bei" Erbringung der Dienstleistung ZAS 1985, !208; das Haftungsprivileg sei nicht auf Schädigungen durch ein Verhalten des Arbeitnehmers anzuwenden, das nicht in der Absicht gesetzt wurde, den Vertrag zu erfüllen.)

Im Ergebnis zu Recht wendet sich der Revisionswerber lediglich dagegen, daß auf Grund der Bindung an das verurteilende Straferkenntnis gemäß § 268 ZPO der gesamte für die strafsatzändernde Qualifikation erforderliche Schadensbetrag von S 100.000,-- zuerkannt wurde. Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, daß der Zivilrichter an die in einem verurteilenden Straferkenntnis getroffenen Feststellungen über die Schadenshöhe nur im Umfang der tatbestandsbegründenden oder strafsatzändernden Wertgrenzen gebunden ist (vgl. SZ 54/150; JBl. 1986, 239); es hat aber nicht beachtet, daß der Beklagte auch der unbefugten Inbetriebnahme des PKW Mazda 626, Kennzeichen L 48.258, des Hermann A*** schuldig erkannt wurde, wobei an diesem Fahrzeug ein Schaden von S 1.500,-- verursacht worden sei. Da dieser Schaden vom Klagebegehren nicht umfaßt ist, ist er von der Schadenssumme von S 100.000,-- in Abzug zu bringen.

Zu Unrecht begehrt der Revisionswerber hingegen den Abzug auch der den Privatbeteiligten Mag. Dr. Eva S*** und Bernd Joachim R*** vom Strafgericht zuerkannten Beträge von zusammen S 56.500,--. Der Umstand allein, daß der Beklagte zur Zahlung dieser Beträge verpflichtet worden war, befreite die Klägerin nicht von der Haftung gegenüber ihren geschädigten Kunden. Da der Beklagte weder behauptet noch bewiesen hat, daß er selbst tatsächlich Ersatz an die Geschädigten geleistet habe, ist davon auszugehen, daß die Klägerin auch im Umfang des Zuspruches des Strafgerichtes durch die von ihr geleisteten Zahlungen eine eigene Verpflichtung erfüllt und zugleich den Beklagten von seiner Judikatschuld aus dem Straferkenntnis befreit hat. Die Klägerin ist daher gemäß §§ 896 und 1313 ABGB berechtigt, den vollen Rückersatz auch dieser Leistungen vom schuldtragenden Beklagten zu fordern.

Der Revision gegen das Teilurteil war daher teilweise Folge zu geben, dem gegen den Aufhebungsbeschluß gerichteten Rekurs hingegen ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E13376

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00006.88.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19880224_OGH0002_009OBA00006_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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