TE OGH 1988/2/25 6Ob564/87

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Veröffentlicht am 25.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** V***, reg. Genossenschaft mbH, 4870 Vöcklamarkt,

Hauptstraße 8, vertreten durch Dr. Gerhard Zenz, Rechtsanwalt in Mondsee, wider die beklagten Parteien 1. Josef O***, Fleischermeister, 2. Irmengard O***, Angestellte, beide 4864 Attersee, Hauptstraße 13, beide vertreten durch Dr. Gerhard Hickl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,786.595 S samt Nebenforderungen, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22. Dezember 1986, GZ 1 R 204/86-17, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 18. Juni 1986, GZ 1 Cg 50/86-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 17.284,25 S (darin enthalten 1.571,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei räumte den Beklagten im November 1974 einen Kontokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 1 Mio S und im Dezember 1974 einen weiteren Kontokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 500.000 S zu einer Verzinsung von 9,5 % p.a., einer Kreditprovision von 0,25 % p.m. und 0,5 % Manipulationsgebühr p.a. ein, für die auf den den Beklagten je zur Hälfte gehörenden Liegenschaften EZ 124 KG Seewalchen als Haupteinlage und EZ 736 KG Timelkam Höchstbetragshypotheken für 1,250.000 S und 600.000 S einverleibt sind. Die Beklagten überzogen beide Kreditlinien, so daß zum 7. Februar 1986 1,786.595 S aushafteten. Die klagende Partei stellte die beiden Kredite mit Schreiben vom 3. Februar 1986 sofort fällig und forderte die Beklagten gleichzeitig erfolglos zur Abdeckung bis 7. Februar 1986 auf. Deshalb begehrte sie mit der am 11. Februar 1986 eingebrachten Klage von den Beklagten zur ungeteilten Hand 1,786.595 S samt 13 % Zinsen seit 8. Februar 1986 bei sonstiger Exekution in die Pfandliegenschaften und in das sonstige Vermögen der Beklagten.

Die Beklagten beantragten die Abweisung dieses Begehrens. Sie stellten das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, wendeten aber ein, daß ihnen die Überziehung in der Höhe des aushaftenden Saldos gestattet worden sei. Überdies habe sich die klagende Partei zu einer Stundung bereit erklärt, weil Verkaufsverhandlungen über die verpfändeten Liegenschaften geführt worden seien, aus deren Erlös die Kreditforderungen hätten abgedeckt werden sollen. Die Kredite würden daher zur Unzeit eingeklagt, zumal sich die Beklagten in einer "säumigen Phase" befänden und die gesamte Schuld ohnehin durch den Verkauf der Liegenschaften oder eine allfällige Umschuldung in naher Zukunft bezahlt würde. Wenn während dieser Sanierungs- und Umschuldungsphase der grundbücherlich gesicherte Anspruch ohne ernstes Rechtsschutzinteresse geltend gemacht werde, sei dies unwirksam und vor allem treuwidrig.

Die klagende Partei replizierte, die Beklagten hätten ihre Zusage, der klagenden Partei für die verpfändeten Liegenschaften eine beglaubigt unterfertigte Verkaufsvollmacht vorzulegen, trotz schriftlicher Betreibung nicht eingehalten, weshalb die klagende Partei den gesamten Kredit mit dem schon erwähnten Schreiben vom 3. Februar 1986 sofort fällig gestellt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte im wesentlichen fest:

Die Beklagten haben die beiden Kreditrahmen überzogen, so daß mit 7. Februar 1986 insgesamt 1,786.595 S aushafteten. Nach Punkt 11. der beiden Kredit- und Pfandbestellungsurkunden sind die Kreditverhältnisse beiderseits dreißigtägig durch Absendung eines eingeschriebenen Schreibens kündbar. Die klagende Partei ist jedoch berechtigt, den gesamten Kredit samt Nebenverbindlichkeiten sofort fällig zu stellen und rückzufordern, wenn die Beklagten auch nur eine in diesem Anbot enthaltene oder aus den Allgemeinen Bedingungen der klagenden Partei sich ergebende Verpflichtung nicht vollständig oder nicht termingerecht erfüllen, oder wenn in den Vermögensverhältnissen der Beklagten eine Veränderung eintritt, durch die der Kredit gefährdet erscheint, insbesondere wenn die Beklagten ihre Zahlungen einstellen oder zahlungsunfähig werden oder gegen sie eine Exekution zur Hereinbringung oder Sicherstellung geführt oder eine einstweilige Verfügung erwirkt oder das gerichtliche Ausgleichs- oder Konkursverfahren beantragt oder eröffnet wird, oder wenn die Beklagten einer Aufforderung nach Ergänzung der Deckung nicht fristgerecht nachkommen oder ihre Mitgliedschaft bei der klagenden Partei kündigen. Mit dem der Beklagtenseite am 5. Februar 1986 zugegangenen Schreiben vom 3. Februar 1986 stellte die klagende Partei den aushaftenden Saldo von 1,786.595 S sofort fällig und forderte die Beklagten auf, ihn bis 7. Februar 1986 abzudecken, sonst würde die Hypothekarklage eingebracht werden. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien, trotz der schriftlichen Fälligstellung des Kredites dessen Rückzahlung zu stunden, ist niemals zustande gekommen. Ein Antrag der OÖ. Gebietskrankenkasse auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Erstbeklagten wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 18. März 1986, 20 Nc 115/86, mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts hat die klagende Partei von dem ihr durch Punkt 11. der Kredit- und Pfandbestellungsurkunden zustehenden Gestaltungsrecht der sofortigen Fälligstellung der Kredite im Schreiben vom 3. Februar 1986 wirksam Gebrauch gemacht, so daß die eingeklagte Forderung fällig sei. Von einer Fälligstellung zur Unzeit könne schon wegen der Zahlungsunfähigkeit des Erstbeklagten keine Rede sein. Die Verkaufsverhandlungen bezüglich der verpfändeten Liegenschaften könnten an der Fälligkeit der eingeklagten Forderung nichts ändern. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge.

Es übernahm auch die bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge im wesentlichen aus:

Die Ausführungen der Berufungswerber zur "Unzeit" seien nicht zielführend, weil sie sich auf die Aufhebung einer Eigentumsgemeinschaft nach § 830 ABGB bezögen und die dazu entwickelten Grundsätze auf die Kündigung von Kreditverhältnissen wegen der völligen Verschiedenheit der beiden Rechtsinstitute nicht anwendbar seien. Dies gelte auch für die von den Beklagten angeführte deutsche Lehre und Rechtsprechung über die Kündigung von Gesellschaftsverträgen. Eine rechtsmißbräuchliche Kreditkündigung im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB liege nicht vor, weil die klagende Partei ein Interesse gehabt habe, das Kreditverhältnis wegen der wirtschaftlichen Situation der Beklagten aufzukündigen, die den Kreditrahmen erheblich überzogen und keine Abdeckung vorgenommen hätten. Unter diesen Umständen habe die sofortige Fälligstellung den Kreditverträgen entsprochen und sei nicht sittenwidrig. Der festgestellte Sachverhalt biete keine Anhaltspunkte dafür, daß die klagende Partei den Beklagten die Rückzahlungsverpflichtungen stillschweigend gestundet hätte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässige Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Auch wenn man von der Rechtsmeinung der Revisionswerber ausginge, daß Kreditverträge wie die Gemeinschaft des Eigentums nicht "zur Unzeit" gekündigt werden dürfen, weil dies der "Billigkeit" widerspreche, wäre damit für die Rechtsmittelwerber nichts gewonnen. Es kann nämlich keine Rede davon sein, daß die klagende Partei die beiden Kredite "zur Unzeit", treuwidrig oder im Hinblick auf die hypothekarische Besicherung rechtsmißbräuchlich fälliggestellt und eingeklagt oder den Beklagten die Rückzahlung stillschweigend gestundet hätte.

Die Revisionswerber übersehen nämlich den sich aus den an den Erstbeklagten bzw. an die beiden Beklagten gerichteten Schreiben der klagenden Partei vom 21. Jänner 1986 (Beilage F) und vom 3. Februar 1986 (Beilage E) ergebenden, in der Parteiaussage des Erstbeklagten bestätigten wesentlichen Umstand, daß die klagende Kreditgeberin die beiden Kredite, obwohl die im Punkt 11. der Kreditverträge vereinbarten Voraussetzungen gegeben waren, keineswegs sofort fälligstellte und einklagte, sondern den offensichtlich zahlungsunfähig gewordenen Kreditnehmern zunächst die Möglichkeit geben wollte, sich die für die Rückzahlung der Kreditforderungen benötigten Geldmittel durch Verkauf mindestens einer der beiden verpfändeten Liegenschaften zu beschaffen. Da die klagende Partei verständlicherweise an einem raschen Verkauf interessiert war, den sie aber ohne einen Exekutionstitel zunächst nicht erzwingen konnte, wollte sie von den Beklagten eine Vollmacht, die sie zum Verkauf mindestens einer Pfandliegenschaft berechtigt hätte. Erst als die Kreditnehmer die vom Erstbeklagten am 9. Jänner 1986 zunächst für den 17. Jänner 1986 zugesagte Verkaufsvollmacht trotz einer schriftlichen Mahnung durch das schon erwähnte Schreiben vom 21. Jänner 1986 weder bis zur bis 24. Jänner 1986 verlängerten Frist und auch dann der klagenden Partei nicht zur Verfügung stellten, stellte diese die Kredite mit dem Schreiben vom 3. Februar 1986 zum 7. Februar 1986 fällig und kündigte die vorliegende Klage an, um einen Exekutionstitel für die Verwertung der Pfandliegenschaften zu erlangen.

Daraus folgt, daß die klagende Partei ihren Kreditnehmern die Kredite nicht ohne Einräumung einer angemessenen Schonfrist sofort fälligstellte und einklagte, sondern diese Maßnahmen erst ergriff, als die Beklagten die vom Erstbeklagten zugesagte, von der klagenden Partei urgierte Übergabe einer diese zum Verkauf mindestens einer Pfandliegenschaft legitimierenden Vollmacht durch über drei Wochen nicht nachgekommen waren.

Unter diesen Umständen erweisen sich die von den Beklagten erhobenen Einwände, die klagende Partei hätte die Kredite "zur Unzeit", unbilligerweise, treuwidrig und rechtsmißbräuchlich fälliggestellt und eingeklagt, als unberechtigt.

Diese durch Punkt 11. der Kreditverträge gedeckten Maßnahmen hatten in erster Linie den Zweck, der klagenden Partei einen Exekutionstitel und damit die Möglichkeit zu verschaffen, durch Zwangsversteigerung der verpfändeten Liegenschaften ihre Kreditforderungen hereinzubringen, weshalb ein wichtiger Grund für die Lösung des Kreditverhältnisses vorlag und von einer schikanösen Rechtsausübung nicht gesprochen werden kann.

Es darf nicht übersehen werden, daß die hypothekarische Besicherung der Kreditforderungen der klagenden Partei für sich allein zu keiner Abdeckung dieser Forderungen geführt hätten. Richtig ist, daß die klagende Partei unter der Bedingung der Übergabe einer Verkaufsvollmacht die Kredite nicht sofort fälliggestellt und eingeklagt hätte, doch wurde diese Bedingung von den Beklagten nicht erfüllt, die der klagenden Partei daher zu Unrecht vorwerfen, sich an diese Stundung nicht gehalten zu haben. Der unbegründeten Revision war daher nicht Folge zu geben, ohne daß auf die in der Revision aufgeworfenen rechtstheoretischen Probleme näher eingegangen werden mußte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 46 Abs 2 und 50 ZPO, wobei über die verzeichneten Kosten nicht hinauszugehen war.

Anmerkung

E13563

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00564.87.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19880225_OGH0002_0060OB00564_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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