TE OGH 1988/3/22 10ObS35/88

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Veröffentlicht am 22.03.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl. Ing. Holzer und Dr. Zörner als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Stefanie S***, Karnerstraße 4, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W***,

Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. November 1987, GZ 8 Rs 1101/87-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11. Mai 1987, GZ 32 Cgs 22/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 11. Dezember 1927 geborene Klägerin war mit Johann S*** verheiratet. Die Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. November 1970 aus dem Verschulden des Johann S*** geschieden. In dem anläßlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleich verpflichtete sich Johann S*** unter anderem, zur Abgeltung aller Ansprüche der Klägerin aus der Mitarbeit im Pelzgeschäft ihres Ehemannes sowie zur Abgeltung aller wie immer gearteten Unterhaltsansprüche zwei auf der Liegenschaft der Klägerin sichergestellte Bausparkredite von zusammen S 160.000 allein zurückzuzahlen, die Klägerin für den Fall ihrer Inanspruchnahme schad- und klaglos zu halten sowie ihr einen PKW und eine Pelznähmaschine zu übereignen. Darüber hinaus verzichteten beide Ehegatten wechselseitig unter allen Umständen auch für den Fall der Not oder der Änderung der gesetzlichen Bestimmungen auf Unterhalt. Die Klägerin führte in der Folge ein eigenes Pelzgeschäft, welches sie im Jahr 1980 liquidierte. Im Jahre 1983 hatte die Klägerin, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeitete und am 13. Mai 1983 die Gewerbeberechtigung zurücklegte, kein Einkommen. Johann S***, der für drei minderjährige Kinder unterhaltspflichtig ist, bezog im Jahr 1983 ein Nettoeinkommen von S 208.333. Dies entsprach einem Monatseinkommen von S 17.361,10. Mit Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Kärnten vom 21. Mai 1986 wurde die beklagte Partei schuldig erkannt, der Klägerin ab 1. Juni 1983 eine Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.

Mit Bescheid vom 13. August 1986 setzte die beklagte Partei

1. die Erwerbsunfähigkeitspension vom 1. Juni 1983 bis 31. Dezember 1983 mit monatlich S 2.248,70 vom 1. Jänner 1984 bis 31. Dezember 1984 mit monatlich S 2.338,60, vom 1. Jänner 1985 bis 31. Dezember 1985 mit monatlich S 2.415,80 und ab 1. Jänner 1986 mit monatlich S 2.500,40

2. die Ausgleichszulage vom 1. Juni 1983 bis 31. Dezember 1983 mit

S 361,80

3. den Zuschlag gemäß § 139 Abs 5 GSVG vom 1. Juni 1983 bis 31. Dezember 1983 mit monatlich S 30 fest und sprach

4. aus, daß der Vorschuß gegen die Nachzahlung aufgerechnet wird. Gegen diesen Bescheid, nach Klagseinschränkung nur mehr gegen dessen Punkt 2. richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 1983 bis 31. Dezember 1983 eine Ausgleichszulage von monatlich S 1.894,30 zu leisten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Gemäß § 149 GSVG gebühre eine Ausgleichszulage, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 151 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes erreiche. Nach § 151 GSVG seien unter anderem Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen den geschiedenen Ehegatten, gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht werde, dadurch zu berücksichtigen, daß dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten 15 % des monatlichen Nettoeinkommens des geschiedenen Ehegatten zuzurechnen seien. Soweit dieser gegenüber anderen Angehörigen als dem Pensionsberechtigten unterhaltspflichtig sei, vermindere sich der Prozentsatz für jeden dieser Unterhaltsberechtigten um 2 %. Eine Zurechnung habe nur dann zu unterbleiben, wenn die Unterhaltsforderung trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung des Unterhaltsanspruches offenbar aussichtslos sei. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1983 keine eigenen Einkünfte erzielt, es wäre ihr gemäß § 66 EheG daher gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann ein Unterhaltsanspruch zugestanden, hätte sie auf diesen nicht verzichtet. Ein solcher Verzicht sei im Ausgleichszulagenbereich rechtlich nicht von Bedeutung. Der Erwerbsunfähigkeitspension sei daher ein Unterhaltsanspruch von S 1.562,50 (9 % des Nettoeinkommens des geschiedenen Ehemannes) hinzuzurechnen, sodaß sich bei dem anzuwendenden Richtsatz von S 4.173 eine Ausgleichszulage, wie im Bescheid festgesetzt, von monatlich S 361,80 ergebe. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, der klagenden Partei für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1983 die Ausgleichszulage von monatlich S 361,80 abzüglich bereits geleisteter Zahlungen zu bezahlen und das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 1.532,50 monatlich an Ausgleichszulage für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1983 abgewiesen wurde. Da die Ehe aus dem Alleinverschulden des Ehemannes der Klägerin geschieden worden sei, hätte die Klägerin nach § 66 EheG grundsätzlich Anspruch auf angemessenen Unterhalt gehabt. Die Beurteilung der Angemessenheit des Unterhaltes der geschiedenen Ehefrau richte sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des geschiedenen Ehemannes. Die Klägerin könne eine Unterstützung durch öffentliche Mittel dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie sich freiwillig der Möglichkeit begeben habe, einen ihr zustehenden Unterhaltsanspruch auch zu realisieren. Auf die Gründe, die sie zu diesem Handeln veranlaßt haben, komme es nicht an. Wesentlich sei nur, ob und in welcher Höhe ihr ein Unterhaltsanspruch zustünde, hätte sie darauf nicht verzichtet. Zu prüfen sei nur, ob ohne Unterhaltsverzicht im fraglichen Zeitraum, also vom 1. Juni bis 31. Dezember 1983 ein Unterhaltsanspruch bestanden hätte. Weil die Klägerin in dieser Zeit nicht über eigene Einkünfte verfügt habe, während ihr geschiedener Ehemann ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als S 17.000 bezogen habe, sei ein solcher Unterhaltsanspruch zu bejahen und mit dem im Gesetz vorgesehenen Prozentsatz bei Berechnung der Ausgleichszulage in Anrechnung zu bringen. Die Aussichtslosigkeit der Verfolgung des Unterhaltsanspruches ergebe sich nur auf Grund des im Vergleich abgegebenen Unterhaltsverzichtes. Weil der Bescheid der beklagten Partei durch die Klage in seinem Punkt 2. zur Gänze außer Kraft getreten sei, sei gemäß § 71 Abs 1 ASGG die im Bescheid zuerkannte Leistung zuzusprechen und nur das Mehrbegehren abzuweisen.

In ihrer gegen dieses Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision beantragt die Klägerin, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Durch die 29. ASVG-Novelle wurde das Ausgleichszulagenrecht neu geregelt. Die Judikatur hatte aus der bis dahin gültigen Bestimmung des § 292 a ASVG (und der gleichlautenden Regelung in den anderen Pensionsgesetzen) "Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Pensionsberechtigten sind nur zu berücksichtigen, wenn es sich um die Unterhaltsverpflichtung zwischen Ehegatten, auch zwischen geschiedenen Ehegatten handelt" abgeleitet, daß es sich dabei nicht um die im Gesetz normierte Verpflichtung handle, sondern daß eine Unterhaltsverpflichtung nur vorliege, wenn dem Pensionsberechtigten tatsächlich ein Rechtsanspruch auf Unterhalt zustehe, auf einen solchen Unterhaltsanspruch verzichtet werden könne und ein Verzicht auf die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Sozialversicherungsträger nur dann wirkungslos sei, wenn er im Hinblick auf die Bestimmungen über die Ausgleichszulage in der Absicht, den Pensionsversicherungsträger zu schädigen, abgegeben werde. Die damals gültige Fassung erschien daher nicht geeignet, Unterhaltsverzichte zu Lasten der Ausgleichszulage zu verhindern. Durch die neuen Bestimmungen des § 294 ASVG (und entsprechend § 151 GSVG) sollte zwar eine Pauschalanrechnung von Unterhaltsbeträgen nur möglich sein, wenn auch ein Rechtsanspruch auf Unterhalt bestehen kann. Die Pauschalanrechnung bestimmter Hundertsätze des Nettoeinkommens der in Abs 1 unter lit. a bis c angeführten Personen, die nach dem Gesetz als Unterhaltspflichtige in Betracht kommen könnten, hat aber ohne Rücksicht darauf zu erfolgen, ob Unterhaltsleistungen tatsächlich erbracht werden. Auch die Höhe der tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen ist demnach unmaßgeblich (404 BlgNR 13.GP 115). Damit ist aber klargestellt, daß eine Pauschalanrechnung immer dann zu erfolgen hat, wenn ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch - die Prüfung hat dabei nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu erfolgen - besteht und daß ein Verzicht auf einen solchen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Sozialversicherungsträger jedenfalls wirkungslos ist, also auch dann, wenn er nicht in der Absicht, den Pensionsversicherungsträger zu schädigen, sondern aus anderen Gründen abgegeben wurde. Daran ändert auch der Hinweis auf die Folgen eines Unterhaltsverzichtes bei einer Scheidung gemäß § 55 a EheG nichts. Weil im Falle einer Scheidung gemäß § 55 a EheG ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch eines Ehegatten nicht besteht und gemäß § 69 a EheG nur der auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung nach § 55 a Abs 1 EheG geschuldete Unterhalt einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten ist, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist, kommt hier eine Pauschalanrechnung mangels eines gesetzlichen Anspruches auf Unterhalt nicht in Betracht. Die dadurch mögliche unterschiedliche Behandlung eines Unterhaltsverzichtes anläßlich der Scheidung im Ausgleichszulagenrecht könnte wegen des klaren Gesetzeswortlautes und der erklärten Absicht des Gesetzgebers nur im Wege einer Gesetzesänderung, nicht aber durch die Gerichte beseitigt werden. Weiterer Feststellungen, inwieweit anläßlich des Scheidungsvergleiches durch Übernahme von Schulden und Sachzuwendungen auch Unterhaltsansprüche der Klägerin abgegolten werden sollten, bedurfte es daher nicht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. b ASGG.

Anmerkung

E13640

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00035.88.0322.000

Dokumentnummer

JJT_19880322_OGH0002_010OBS00035_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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