TE OGH 1988/3/23 2Ob528/88

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Veröffentlicht am 23.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Melber und Dr.Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heidemarie S***, Studentin, 4061 Pasching, Poststraße 60, vertreten durch Dr.Werner Steinacher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Sharaf S***, Lagerarbeiter, 5020 Salzburg, Aribonenstraße 20, vertreten durch Dr.Robert Eder, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 19. November 1987, GZ 32 c R 1/87-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 11. Mai 1987, GZ 2 C 47/87-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.397,35 (darin keine Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit ihrer am 24.3.1987 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Scheidung ihrer Ehe mit dem Beklagten aus dessen Verschulden. An Scheidungsgründen macht die Klägerin geltend, daß ihr der Beklagte mehrmals den Zutritt zur gemeinsamen Ehewohnung grundlos verweigert habe. Der Beklagte habe auch das von ihr verdiente, zur Haushaltsführung bestimmte Bargeld zu nächtlichen Ausgängen verwendet, ohne dabei die Klägerin mitzunehmen. Er sei dann erst in den späten Nachtstunden in völlig alkoholisiertem Zustand nach Hause gekommen, wobei er begonnen habe, die Klägerin zu beschimpfen, zu bespucken und sie tätlich anzugreifen. Durch das ehewidrige Verhalten des Beklagten sei die Ehe unheilbar zerrüttet. Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte Klagsabweisung und wendete insbesondere Verfristung und Verzeihung der von der Klägerin behaupteten, vom Beklagten jedoch bestrittenen Eheverfehlungen ein.

Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten aus, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Die Klägerin und der Beklagte schlossen am 15.11.1985 vor dem Standesamt der Landeshauptstadt Salzburg zu Familienbuch Nr.1300/85 die Ehe. Es war beiderseits die erste Eheschließung. Die Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin, während der Beklagte die Staatsbürgerschaft des Sudan besitzt. Zwischen den Parteien wurden keine Ehepakte errichtet. Der Ehe entstammen keine Kinder. Die Klägerin ist Studentin der Psychologie. Im Jahre 1978 zog sie in das Studentenheim in der Merianstraße Nr.40 in Salzburg ein. Noch vor ihrer Eheschließung zog der Beklagte ebenfalls in dieses Studentenheim ein, um mit der Klägerin dort gemeinsam ein Zimmer zu bewohnen. Der Beklagte wurde dort allerdings als Bewohner nur gelduldet, weil er offiziell nicht berechtigt war, dort zu wohnen. Ende November 1985 erhielt der Beklagte in Österreich eine Arbeitsgenehmigung, worauf er versuchte, in seinem erlernten Beruf als "Marineingenieur" eine Anstellung zu finden. Da ihm dies nicht möglich war, versuchte er, eine anderweitige Arbeit zu finden, wobei er sich insbesondere beim Arbeitsamt Salzburg als arbeitssuchend meldete und dort auch wiederholt wegen einer Arbeit vorsprach. In der Zeit bis zum Antritt seines Dienstverhältnisses bei der Firma S*** in Bergheim, welches auch heute noch aufrecht ist, übte der Beklagte nur sehr kurzfristig entgeltliche Tätigkeiten aus, mit Ausnahme einer Anstellung als Küchengehilfe in der Zeit vom 4. Februar bis 7.März 1986. Bereits kurz nach ihrer Eheschließung ereigneten sich heftige Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, die bis Februar 1986 auch dahin ausarteten, daß der Beklagte gegen die Klägerin wiederholt mit Faustschlägen vorging und ihr dabei auch in das Gesicht schlug. Diese Tätlichkeiten des Beklagten fanden regelmäßig während der Nachtstunden statt, und zwar nachdem der Beklagte im alkoholisierten Zustand nach Hause gekommen war und mit der Klägerin ein Gespräch führen wollte, welches dann zu derartigen Tätlichkeiten seitens des Beklagten ausartete. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurde die Klägerin vom Beklagten auch beschimpft. Um sich den Tätlichkeiten des Beklagten zu entziehen, kam es immer wieder vor, daß die Kläger sich in die Küche oder in die Duschnische ihrer Wohnung zurückzog, dort absperrte und die Nacht über verbrachte. Nach dem Februar 1986 hatte der Beklagte seine Gattin zwar nicht mehr mit der Faust geschlagen, jedoch kam es in den Folgemonaten immer wieder vor, daß der Beklagte gegen sie mit der offenen Hand zuschlug oder ihr Fußtritte versetzte. Ab dem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme des Beklagten bei der Firma S***, also ab Mitte Juli 1986, nahmen dessen Tätlichkeiten gegenüber seiner Gattin ab, jedoch kam es häufig vor, daß der Beklagte versuchte, gegen die Klägerin tätlich vorzugehen, wobei es ihr aber dann immer wieder gelang, mehr oder minder diesen Tätlichkeiten auszuweichen. Allerdings hat er ihr auch in der Zeit nach seiner Arbeitsaufnahme bei der Firma S*** einmal im Zuge einer Auseinandersetzung Bier nachgeschüttet und ein anderes Mal einen Brotlaib nachgeworfen. Die Tätlichkeiten seitens des Beklagten mit der Faust, der Hand oder den Füßen zogen bei der Klägerin wiederholt starke Schwellungen nach sich, die sich bisweilen über den gesamten Körper der Klägerin erstreckten und mit sichtbaren Blutergüssen verbunden waren. Bis zu seiner Arbeitsaufnahme bei der Firma S*** kam es auch oft vor, daß der Beklagte um 5,00 Uhr oder 6,00 Uhr morgens nach Hause kam und in alkoholisiertem Zustand zur Klägerin sagte: "Hau ab". Daraufhin begab sich die Klägerin auch, wie erwähnt, in die Küche bzw. Duschnische. Bis Mitte Juli 1986 war der Beklagte durchschnittlich einmal pro Woche entgegen des diesbezüglichen Wunsches der Klägerin während der Nachtstunden weg. Nach Aufnahme der Arbeit durch den Kläger bei der Firma S*** Mitte Juli 1986 wurde die Gesamtsituation besser. Eine Verschlechterung der Verhältnisse trat allerdings Anfang Oktober 1986 ein, nachdem die Parteien in eine Garconniere in der Bergheimerstraße in Salzburg umgezogen waren. Während dieser Zeit kam es immer wieder vor, daß der Beklagte die Klägerin beschimpfte. Auch ereignete sich während dieser Zeit der geschilderte Vorfall, bei welchem der Beklagte der Klägerin Bier in das Gesicht geschüttet hatte. Während dieser Zeit hatte der Beklagte die Klägerin auch zweimal konkret aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. So ereignete es sich auch Ende November 1986, daß die Klägerin gerade nach Hause gekommen, vom Beklagten aufgefordert wurde, die Wohnung zu verlassen, indem er meinte, er wollte allein sein. Dabei nahm er gegenüber der Klägerin auch eine aggressive Haltung ein. Die Klägerin verließ sodann so rasch als möglich die Wohnung. Beim Ausgang angekommen, meinte der Beklagte, sie solle nochmals zurückkommen. Als sie dieser Aufforderung nachkam, versetzte ihr der Beklagte eine Ohrfeige. Darauf verließ die Klägerin sogleich die Wohnung. Seit diesem Vorfall wohnt die Klägerin vom Beklagten ständig getrennt. Im Jänner oder Februar 1987 ersuchte der Beklagte die Klägerin, wieder zu ihm zurückzukehren, wobei er ihr nicht die Einbringung einer Scheidungsklage für den Fall androhte, daß sie diesem Wunsch nicht nachkommen würde. Die Klägerin ist in der Folge auch tatsächlich dem Ersuchen nicht nachgekommen. Sie hat dem Beklagten seine gegen sie gerichteten, zuvor näher beschriebenen Verfehlungen nicht verziehen, ungeachtet des Umstandes, daß sie mit ihm in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen bis zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft geschlechtlich verkehrte. Diese intimen Kontakte mit dem Beklagten verband die Klägerin vielmehr jeweils mit der Hoffnung, daß der Beklagte in Hinkunft sein verletzendes und beleidigendes Verhalten gegen sie nicht mehr wiederholen werde. Diese Hoffnung hat die Klägerin schließlich aufgegeben, indem sie den Entschluß faßte und auch tatsächlich ausführte, endgültig den Beklagten zu verlassen. Die Klägerin hatte sich bereits im Sommer 1986 erstmals entschlossen, sich wegen des erwähnten, für sie untragbaren Verhaltens des Beklagten scheiden zu lassen. Über Zureden des Beklagten und in der Hoffnung einer Besserung dessen Verhaltens unterließ sie damals jedoch zunächst die Einbringung der Scheidungsklage. Die Klägerin ist unter keinen Umständen mehr bereit, die Ehe mit dem Beklagten fortzusetzen, insbesondere auch deshalb, weil sie aus ihrer Sicht bei aufrechter ehelicher Gemeinschaft in ständiger Angst vor Tätlichkeiten seitens des Beklagten leben müßte.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Beklagte gegenüber der Klägerin eine Mehrheit schwerer Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG gesetzt habe. Darunter fielen insbesondere die Tätlichkeiten, aber auch die Beschimpfungen, nächtlichen Ausgänge und die wiederholte Alkoholisierung. Auch lasse das Gesamtverhalten des Beklagten erkennen, daß er gegen die eheliche Pflicht zur anständigen Begegnung in krasser Weise verstoßen habe. Dieses zweifellos schuldhafte Verhalten des Beklagten habe auch eine derartige ehezerstörende Wirkung gehabt, daß die Klägerin hiedurch die eheliche Gesinnung verloren habe. Die Klägerin habe dem Beklagten insbesondere auch nicht durch ihre intimen Kontakte mit dem Beklagten die von diesem gesetzten Eheverfehlungen verziehen. Auch sei das Recht der Klägerin auf Scheidung wegen Verschuldens nicht durch Fristablauf im Sinne des § 57 EheG erloschen. Der Beklagte habe bis zum Auszug der Klägerin Ende November 1986 ein fortgesetztes ehewidriges Verhalten an den Tag gelegt. Ein solches Verhalten sei als Einheit aufzufassen, weshalb es bis in die sechsmonatige Verwirkungsfrist des § 57 Abs 1 EheG hineinreiche und somit auch geltend gemacht werden könne, soweit es sich früher ereignet habe.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete das erstinstanzliche Verfahren als mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Scheidungsbegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge führt der Beklagte aus, die Sechsmonatfrist des § 57 EheG habe Anfang Juni 1986 begonnen. Die Feststellungen des Erstgerichtes, der Beklagte habe die Klägerin im Zeitraum vom Februar 1986 bis Mitte Juli 1986 mit der offenen Hand geschlagen oder ihr Fußtritte versetzt, sei nicht ausreichend, um ausschließen zu können, daß derartige Handlungen nicht bereits Anfang Juni geendet hätten. Was demnach an nichtverfristeten Eheverfehlungen bleibe, sei das Nachwerfen eines Brotlaibes, das Ausschütten von Bier (ebenfalls einmalig) und eine Ohrfeige am Tage des Auszuges der Klägerin aus der ehelichen Wohnung. Wohl könnten auch verfristete Eheverfehlungen gemäß § 59 (2) EheG zur Unterstützung "einer auf andere Eheverfehlungen" gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden. Nach ständiger Rechtsprechung dürften aber diese "anderen" Eheverfehlungen nicht nur geringfügige Vorkommnisse sein. Unter "andere" Eheverfehlungen seien "anders geartete" zu verstehen. Mit Ausnahme der Ohrfeige am Tage des Verlassens der ehelichen Wohnung habe die Klägerin alle sonstigen Scheidungsgründe, soferne sie diese überhaupt als ehezerstörend empfunden hat, verziehen. Zwar sei es richtig, daß in der Tatsache des ehelichen Verkehrs, sei dieser auch öfter als einmal nach einem bestimmten Scheidungsgrund erfolgt, nicht unbedingt eine Verzeihung gelegen sein müsse. Wenn man aber in Betracht ziehe, daß der Beklagte mit der Klägerin durch viele Monate bis zum Tage der Trennung ohne jede Einschränkung mehrmals wöchentlich verkehrt habe, so sei darin jedenfalls eher eine Rechtsvermutung zugunsten der Verzeihung zu erblicken, die zwar widerlegt werden könne, aber nicht widerlegt worden sei. Es verblieben daher nur ganz wenige Vorfälle, die dem Beklagten als nicht verziehene und nichtverfristete Eheverfehlungen zugerechnet werden könnten. Diese Eheverfehlungen seien nicht annähernd geeignet, die unheilbare Zerrüttung einer Ehe herbeizuführen. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 49 EheG kann ein Ehegatte Scheidung begehren, wenn der andere durch eine schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet hat, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. Eheverfehlungen sind Handlungen und Unterlassungen, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richten (EFSlg 33.398, 46.148 ua). Eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG hat ein Verhalten zur Voraussetzung, das mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche der Ehegatten umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist (EFSlg 29.494, 38.683, 46.149 ua). Die Pflicht zur anständigen Begegnung, also zu einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Respektierung der Person des Ehepartners, war im § 90 ABGB vor Inkrafttreten des Eherechtswirkungsgesetzes ebenso normiert wie sie es seither ist. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß es bei der Beurteilung, ob ein Ehepartner schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG setzte, immer auf das Gesamtverhalten unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände ankommt. Mögen auch einzelne Handlungen und Unterlassungen für sich allein betrachtet nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung haben, ist immer zu beurteilen, ob nicht Dauer, Wiederholung und dadurch gegebene Belastung das Gesamtverhalten zu einer schweren Eheverfehlung machen (EFSlg 31.636, 36.299, 46.152 ua).

Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet, ist dem Berufurgsgericht beizupflichten, daß das Gesamtverhalten des Beklagten gegenüber der Klägerin jedenfalls dem Begriff der schweren Eheverfehlung im Sinn des § 49 EheG zu unterstellen ist.

Die Revision vermag aber auch keine Verfristung von Eheverfehlungen des Beklagten aufzuzeigen.

Gemäß § 57 Abs 1 EheG erlischt das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens, wenn der Ehegatte nicht binnen sechs Monaten die Klage erhebt. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Scheidungsgrundes. Sie läuft nicht, solange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. Fordert der schuldige Ehegatte den anderen auf, die Gemeinschaft herzustellen oder die Klage auf Scheidung zu erheben, so läuft die Frist vom Empfang der Aufforderung an. Wie der Revisionswerber richtig erkennt, begann im vorliegenden Fall der Lauf der Frist des § 57 Abs 1 EheG mit Rücksicht auf die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Streitteile Ende November 1986 Anfang Juni 1986. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes versetzte der Beklagte der Klägerin im Zeitraum Februar 1986 bis Mitte Juli 1986 zwar keine Faustschläge mehr, aber doch immerhin Schläge mit der offenen Hand und Fußtritte, was zu Schwellungen und Blutergüssen führte. Im Zeitraum von Mitte Juli 1986 bis Anfang Oktober 1986 verbesserte sich die Situation zwar, jedoch versuchte der Beklagte immer wieder gegenüber der Klägerin tätlich zu werden, wobei es dieser gelang, diesen Tätlichkeiten mehr oder minder auszuweichen. Ab Oktober 1986 kam es dann zu einer Verschlechterung in Form von Beschimpfungen und zweimaliger Aufforderung an die Klägerin, die Ehewohnung zu verlassen. Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht diese Handlaungsweise des Beklagten als fortgesetztes ehewidriges Verhalten beurteilt, das als Einheit aufzufassen ist (EFSlg 48.811 ua). In einem solchen Falle beginnt der Lauf der Frist des § 57 Abs 1 EheG mit der letzten ehewidrigen Handlung (vgl. EFSlg 48.810 ua). Nach den Feststellungen forderte der Beklagte Ende November 1986 die Klägerin, die gerade nach Hause gekommen war, auf, die Wohnung wieder zu verlassen, wobei er ihr gegenüber eine aggressive Haltung einnahm. Die Klägerin verließ sodann so rasch als möglich die Wohnung. Beim Ausgang angekommen, meinte der Beklagte, sie solle nochmals zurückkommen. Als sie dieser Aufforderung nachkam, versetzte ihr der Beklagte eine Ohrfeige. Daraufhin verließ die Klägerin sogleich die Wohnung und wohnte seit diesem Vorfall vom Beklagten ständig getrennt. Ausgehend von diesen Feststellungen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum eine Verfristung des Scheidungsrechtes verneint.

Der Revision kann auch darin nicht gefolgt werden, daß die Klägerin dem Beklagten alle Eheverfehlungen, mit Ausnahme der Ohrfeige am Tage des Verlassens der ehelichen Wohnung, durch Fortsetzung der geschlechtlichen Beziehungen verziehen habe. Der Oberste Gerichtshof hat hiezu wiederholt ausgesprochen, daß die Verzeihung ein innerer Vorgang ist, dessen Annahme auf Schlüssen beruht, die aus dem nach freier Beweiswürdigung ermittelten Verhalten der Ehegatten durch den Richter zu ziehen sind, weshalb die Frage, ob Verzeihung vorliegt, zunächst - soweit sie nämlich den festgestellten Sachverhalt betrifft - eine Frage der Beweiswürdigung ist, deren Überprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (EFSlg 8.626; EFSlg 12.000; RZ 1980/29 ua). Aus der Tatsache allein, daß die Eheleute bis zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft Ende November 1986 geschlechtlich miteinander verkehrten, ist entgegen der Ansicht der Revision eine Verzeihung im Sinne des § 56 EheG nicht abzuleiten. Eine solche würde im Vollzug des Geschlechtsverkehrs nur dann liegen, wenn aus dem Gesamtverhalten des gekränkten Ehegatten hervorginge, daß er dadurch unzweideutig zum Ausdruck bringen wollte, die Eheverfehlungen des anderen nicht mehr als solche zu empfinden und daher vorbehaltlos bereit ist, mit ihm die Ehe fortzusetzen (EFSlg 48.805 ua). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, liegen diese Voraussetzunge im vorliegenden Fall nicht vor, da die Klägerin nach den Feststellungen den mit dem Beklagten bis zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft mehr oder weniger regelmäßig stattfindenden Geschlechtsverkehr jeweils mit der Hoffnung verband, daß der Beklagte in Hinkunft sein verletzendes und beleidigendes Verhalten gegen sie nicht mehr wiederholen werde. Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht daher auch eine Verzeihung der Eheverfehlungen des Beklagten durch die Klägerin verneint und deren Scheidungsbegehren aus dem Alleinverschulden des Beklagten für gerechtfertigt erkannt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E13506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00528.88.0323.000

Dokumentnummer

JJT_19880323_OGH0002_0020OB00528_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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