TE OGH 1988/4/6 14Os35/88

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Veröffentlicht am 06.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.April 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schumacher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans Rudolf W*** wegen des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21.Mai 1987, GZ 6 e Vr 2506/86-68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Krenn zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das - in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibende - angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Hans Rudolf W*** wird (auch) von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in der Zeit vom 28.Februar 1979 bis 31.Juli 1980 in Wien versucht, durch vorsätzliche Nichtabgabe von Erklärungen zur Umsatzsteuer nach Inanspruchnahme ungerechtfertigter Vorsteuerrückvergütungen für das Veranlagungsjahr 1978, mithin unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht zu bewirken, daß die bescheidmäßig festzusetzende Umsatzsteuer im Betrag von 559.135 S nicht oder zu niedrig festgesetzt werde, er habe hiedurch das Finanzvergehen der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit a FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält - wurde der am 4.März 1942 geborene Kaufmann Hans Rudolf W*** - im zweiten Rechtsgang abermals - des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit a FinStrG schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit vom 1.April 1979 bis Anfang 1980 in Wien versucht, durch vorsätzliche Nichtabgabe der Erklärung zur Umsatzsteuer für das Jahr 1978 nach Geltendmachung ungerechtfertigter Guthaben im Rahmen von Umsatzsteuervoranmeldungen, mithin unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht zu bewirken, daß die bescheidmäßig festzusetzende Umsatzsteuer im Betrag von 559.135 S nicht oder zu niedrig festgesetzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der im Ergebnis Berechtigung zukommt. Dem Beschwerdevorbringen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist beizupflichten, daß die Annahme vorsätzlicher Tatbegehung (auch) durch die im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen nicht gedeckt ist: Darnach (vgl S 426 ff) wurde in den rechtskräftigen Veranlagungsbescheiden des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk aufgrund von Schätzungen gemäß § 184 BAO im Zuge einer abgabenbehördlichen Betriebsprüfung die Umsatzsteuer für die Jahre 1978 und 1979 jeweils in jener Höhe festgesetzt, die dem errechneten Ausmaß der in Anspruch genommenen Vorsteuerrückvergütungen im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen entsprach. Geht man im Sinne der ständigen Rechtsprechung vom Bestehen der sich aus den Bescheiden der Finanzbehörde über die endgültige Abgabenfestsetzung dem Grunde und der Höhe nach ergebenden Abgabenschuld aus, so ist durch das Unterbleiben von Abgabenerklärungen im Ergebnis eine Verkürzung der Umsatzsteuer für das Veranlagungsjahr 1978 nicht eingetreten. Versuchte Abgabenhinterziehung würde daher, wie bereits in der - im ersten Rechtsgang ergangenen - Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 21. Jänner 1987, GZ 9 Os 152,153/86-9, ausgeführt wurde, den Tätervorsatz voraussetzen, daß eine abgabenbehördliche Schätzung zur Festsetzung einer geringeren Abgabenschuld führen werde. Im vorliegenden Fall wurde jedoch vom Schöffengericht angenommen, daß der Angeklagte die Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärung für 1978 in der Erwartung unterlassen hat, es werde zu einer Veranlagung durch Schätzung gemäß § 184 BAO auf der Grundlage der Umsatzsteuervoranmeldungen kommen (vgl S 426, 429). Damit hat das Erstgericht aber einen Verkürzungsvorsatz des Angeklagten im dargelegten Sinn in tatsächlicher Hinsicht verneint. Die Frage, inwieweit der Beschwerdeführer bei Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht zuwidergehandelt und Vorsteuerabzüge zu Recht oder in überhöhtem Ausmaß in Anspruch genommen hat, muß bei dieser Beweislage unerörtert bleiben, weil eine Verkürzung der Umsatzsteuer im Voranmeldungsstadium nicht Gegenstand der Anklage gewesen ist und aus einer solchen zufolge der Bindungswirkung der finanzbehördlichen Bescheide über die endgültige Festsetzung der Umsatzsteuer (§ 55 FinStrG) keineswegs zwingend eine - tatsächliche oder versuchte - Verkürzung der bescheidmäßig festzusetzenden Umsatzsteuer folgt; denn während beim Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG für die Annahme einer Abgabenverkürzung schon die Herbeiführung einer ungerechtfertigten Gutschrift genügt, die im Umsatzsteuervoranmeldungsverfahren denknotwendige Folge der einen überhöhten Vorsteuerabzug ausweisenden Anmeldung ist, ergibt sich bei der (mit § 33 Abs. 2 lit a FinStrG allenfalls realkonkurrierenden) Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinstrG der Verkürzungsbetrag nicht aus den nicht abgeführten Umsatzsteuervorauszahlungen und den zu hoch geltend gemachten Vorsteuerbelastungen, sondern allein aus der nach der Aufdeckung des Finanzvergehens endgültig (§ 200 Abs. 2 BAO) vorgenommenen Abgabenfestsetzung (vgl SSt 55/12 = Ö*** 1984/98 und 99; SSt 53/10). Ein Abgabenschuldner, der erwartet, daß seine Abgabenschuld von der Finanzbehörde in dieser Höhe festgesetzt wird, hat daher mangels eines auf Abgabenverkürzung gerichteten Vorsatzes keinen strafbaren Versuch einer Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 1 FinStrG zu verantworten.

Die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den Tatbestand der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit a FinStrG (in der vor der FinStrGNov 1985 geltenden - hier anzuwendenden - Fassung) beruht somit auf einer unrichtigen Gesetzesanwendung.

Aus den angeführten Erwägungen war daher - ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte - das (im Schuldspruch) bekämpfte Urteil aufzuheben und sogleich in der Sache selbst mit einem Freispruch vorzugehen und der Angeklagte mit seiner Berufung darauf zu verweisen.

Anmerkung

E14102

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00035.88.0406.000

Dokumentnummer

JJT_19880406_OGH0002_0140OS00035_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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