TE OGH 1988/4/7 13Os37/88

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Veröffentlicht am 07.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Silvia W*** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 9. September 1986, GZ. 25 U 99/86-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Presslauer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 9. September 1986, GZ. 25 U 99/86-8, verletzt die Bestimmung des § 198 Abs. 1 StGB. und darüber hinaus insoweit, als der Schuldspruch sich auf eine Verletzung der Unterhaltspflicht vom 11. November 1985 bis 26. November 1985 bezieht, auch die Bestimmung des § 267 StPO. Das Urteil wird aufgehoben und die Erneuerung des Verfahrens vor dem Jugendgerichtshof Wien angeordnet.

Text

Gründe:

Silvia W*** ist nach einer gemäß § 459 StPO. in ihrer Abwesenheit durchgeführten Hauptverhandlung mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 9. September 1986, 25 U 99/86-8, des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Inhaltlich des Schuldspruchs hat sie vom 30. August 1983 bis 30. September 1984 und vom 1. August 1985 bis zum 10. März 1986 für ihre minderjährigen Kinder Michael S*** (geboren am 31. Juli 1971) und Alexander S*** (geboren am 5. Juli 1972) keine Unterhaltsleistung erbracht, somit ihre im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und hiedurch bewirkt, daß der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von dritter Seite gefährdet gewesen wäre. In den Entscheidungsgründen dieses Urteils gelangte das Gericht neben Feststellungen über die Unterhaltspflicht der Silvia W*** und ihre Einkommenssituation im Urteilszeitpunkt zur Sachverhaltsannahme, daß die Beschuldigte während der bezeichneten Deliktszeiträume für ihre Kinder keine Leistungen erbracht habe.

Wörtlich führte der Jugendgerichtshof ferner aus: "Seit dem August 1983 war sie bei ca. 15 verschiedenen Firmen jeweils einige Tage angestellt, wurde aber immer wieder gekündigt, da man sich die Arbeit mit der Lohnpfändung nicht antun wollte. In der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit war Silvia W*** beim Arbeitsamt in der Herbststraße gemeldet. Die Beschuldigte selbst gibt an, sie sei, wenn sie gearbeitet habe, ohnehin bis aufs Existenzminimum gepfändet worden und in den Zeiten ihrer Arbeitslosigkeit habe sie einfach kein Geld gehabt, um Unterhalt zu bezahlen. Während der Deliktszeit war Silvia W*** nicht in Haft und nicht arbeitsunfähig."

Rechtliche Beurteilung

Weder aus diesen Darlegungen noch aus anderen Urteilsgründen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit die gerichtliche Überzeugung, daß die Beschuldigte damals in der Lage war, in einer ihren Verhältnissen angemessenen Weise Unterhalt zu leisten. Damit liegt zu der für die Tatbestandsmäßigkeit der Unterlassungen nach § 198 Abs. 1 StGB. maßgebenden Frage der Leistungsfähigkeit der Beschuldigten ein Feststellungsmangel vor, der die Beurteilung der Rechtsrichtigkeit der vorgenommenen Subsumtion hindert (SSt. 55/66). Außerdem ist der Schuldspruch insoweit, als er den Zeitraum vom

11. bis 26. November 1985 betrifft, noch zusätzlich mit einer Nichtigkeit behaftet, weil diesbezüglich der Antrag auf Bestrafung zurückgezogen worden ist (Seite 1 verso), sodaß insofern die Anklage gegen die Vorschrift des § 267 StPO. überschritten wurde (§§ 281 Abs. 1 Z. 8, 468 Abs. 1 Z. 4 StPO.).

Es war daher in Stattgebung der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Beschwerde das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß § 292, letzter Satz, StPO. eine Verfahrenserneuerung anzuordnen, welche sich - unvorgreiflich sachverhaltsmäßiger Änderungen im erneuerten Rechtsgang (§§ 227 Abs. 2, 263, 447 Abs. 1, 451 Abs. 1 StPO.) - im Umfang des jeweiligen Verfolgungsantrags des öffentlichen Anklägers zu halten haben wird (§ 2 Abs. 1 StPO.). Dabei wird zu beachten sein, daß zwar die Anklage betreffend den Zeitraum vom 11. bis 26. Nov. 1985 zurückgezogen worden ist, bevor Silvia W*** als Beschuldigte behandelt wurde (§§ 363 Z. 1, 447 Abs. 1 StPO.), daß aber zwischenweilig die zurückgezogene Anklage mit einem, wenn auch rechtsirrigen und nunmehr aufgehobenen, Urteil eine Erledigung fand.

Anmerkung

E13911

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00037.88.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19880407_OGH0002_0130OS00037_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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