TE OGH 1988/4/12 4Ob13/88

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Veröffentlicht am 12.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. U*** Handelsgesellschaft mbH & Co KG, Traun, Egger-Lienz-Straße 15, 2. "W***" Handelsgesellschaft mbH & Co, Pasching, Plus-Kauf-Straße 7, beide vertreten durch Dr. Rudolf Schuh, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. "Familia" F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co,

2. "familia" Handelsgesellschaft AG, beide Dornbirn, Wallenmahd 46, vertreten durch DDr. Walter Barfuß, DDr. Hellwig Torggler, Dr. Christian Hauer, Dr. Lothar Wiltschek, Dr. Guido Kucsko, Dr. Christian Schmelz und Dr. Helmut Preyer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 310.000,-), infolge Revisionsrekurses der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 10. Dezember 1987, GZ 4 R 336/87-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 12. Oktober 1987, GZ 9 Cg 307/87-5, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Die Revisionsrekursbeantwortung ON 14 wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß, der im übrigen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch über den gegen die erstbeklagte Partei gerichteten Sicherungsantrag dahin abgeändert, daß er insoweit zu lauten hat:

"Der Antrag der klagenden Parteien, der erstbeklagten Partei bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites ab sofort zu verbieten, in Postwurfsendungen oder anderen Druckwerken den Werbeslogan "WIR SIND IMMER BILLIGER" und "WARUM WOANDERS MEHR BEZAHLEN?" zu verwenden, sofern die von ihr offerierten Waren oder einzelne dieser Waren in Unternehmungen der klagenden Parteien preisgünstiger verkauft werden, wird abgewiesen".

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der erstbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 17.013,08 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.545,83 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Erstklägerin betreibt in Altheim, Andorf, Ampflwang, Eggelsberg, Mattighofen, Neumarkt, Oberhofen/Irrsee, Ort, Raab, Riedau, Schärding, Schwand, Uttendorf, Wels und Vöcklabruck den Einzelhandel mit Waren aller Art; daß sie einen solchen Handel auch in Traun betreibt, ist ebensowenig bescheinigt wie der Umstand, daß das Handelsunternehmen "Plus-Kauf-Park" in Traun von der Zweitklägerin betrieben wird. Die Erstbeklagte betreibt den Einzelhandel mit Waren aller Art in Traun, die Zweitbeklagte in Freistadt und Vöcklabruck. Die Erstklägerin und das in Pasching ansässige Unternehmen "Plus-Kauf-Park" werben ebenso wie die Beklagten bei Letztverbrauchern mit Prospekten, die von der Post an Haushalte versandt werden, für die von ihnen gehandelten Waren, vor allem Getränke, Lebensmittel, Reinigungsmittel, Büro- und Schulartikel. Die Prospekte der Beklagten enthalten jeweils die Überschrift "familia discount" und - am unteren Rand der Vorderseite - den unübersehbaren Hinweis "Wir sind immer billiger"; im Inneren mehrerer Prospekte findet sich am oberen Rand der gleichfalls unübersehbare Satz: "Warum woanders mehr bezahlen?"

Mit der Behauptung, daß diese Werbeaussagen den wahrheitswidrigen Eindruck erweckten, die Beklagten verkauften ihre Waren preisgünstiger als ihre Mitbewerber und senkten ihre Preise konstant, begehren die Kläger zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites ab sofort zu verbieten, in Postwurfsendungen oder anderen Druckwerken den Werbeslogan "WIR SIND IMMER BILLIGER" und "WARUM WOANDERS MEHR BEZAHLEN?" zu verwenden, sofern die von ihnen offerierten Waren oder einzelne dieser Waren in anderen Unternehmungen preisgünstiger verkauft werden.

Der Erstrichter erließ - ohne Anhörung der Beklagten - eine einstweilige Verfügung, mit welcher er der Zweitbeklagten ab sofort verbot, in Postwurfsendungen oder anderen Druckwerken den genannten Werbeslogan zu verwenden, sofern die von ihr offerierten Waren oder einzelne dieser Waren in Unternehmungen der Zweitklägerin (richtig: der Erstklägerin) preisgünstiger verkauft würden; das Mehrbegehren der Zweitklägerin (richtig: der Erstklägerin) wies er ebenso ab wie das gesamte Begehren der Erstklägerin (richtig: der Zweitklägerin). Zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt nahm er als bescheinigt an:

Die Erstklägerin versandte einen Prospekt mit ihren Angeboten für die Zeit vom 29. Juni bis 22. Juli 1987 (Beilage H); darin offerierte sie unter anderem 1 l "Römerquelle" um S 3,90 und O,7 l "Loibner Kaiserwein" um S 29,90. Zwei weitere Prospekte der Erstklägerin sollten für die Zeit vom 27. Juli bis 26. August 1987 Gültigkeit haben (Beilagen E und F); in ihnen wurden unter anderem "Tintenpatronen, Glas" um S 14,90 und "3-Wetter-Taft 2 Sorten 375 g" um S 25,90 angeboten. In einem Prospekt des "Plus-Kauf-Parks" mit Gültigkeit vom 11. August bis 17. August 1987 wurden 1 l Ribiselwein um S 24,90 und 1/4 l Schlagobers um S 17,90 angeboten. In den Prospekten der Beklagten (Beilagen A bis D) wurde jeweils die Gültigkeitsdauer angeführt und darauf hingewiesen, daß die angebotenen Waren in Traun, Freistadt und Vöcklabruck verkauft würden; in Beilage D wurde auch noch Bad Ischl genannt. In Beilage A mit Gültigkeit vom 29. Juni bis 4. Juli 1987 wurden die 1-l-Flasche "Römerquelle", kistenweise, um S 4,15 und eine 0,7 l-Flasche "Loibner Kaiserwein, Grüner Veltliner" um S 32,90 angeboten; in Beilage B, gültig vom 3. August bis 14. August 1987, eine 1-l-Flasche "Adabei Ribiselwein" um S 29,90 und 1/4 l Packung Schlagobers um S 18,90; in Beilage C, gültig vom 17. August bis 29. August 1987, eine 375 g-Dose "3-Wetter-Taft", verschiedene Sorten, um S 26,90; in Beilage D, gültig vom 24. August bis 29. August 1987, Tintenpatronen, 36-Stück-Glas, um S 16,90. Rechtlich folgerte der Erstrichter daraus, daß zwischen der Zweitklägerin und den Beklagten sowie zwischen der Erstklägerin und der Erstbeklagten kein Wettbewerbsverhältnis bestehe; in diesem Fällen lägen die Niederlassungen der Streitteile zu weit voneinander entfernt, um unter Berücksichtigung des Warenangebotes eine Überschneidung der Kundenkreise annehmen zu können. Nur zwischen der Erstklägerin und der Zweitbeklagten liege im Hinblick auf deren Niederlassungen in Vöcklabruck und Umgebung ein Wettbewerbsverhältnis vor. Im Prospekt Beilage A sei in diesen Wettbewerb durch die Behauptung, die Beklagten seien immer billiger, sittenwidrig eingegriffen worden, obwohl ein Vergleich mit der Ankündigung der Erstklägerin (Beilage H) zeige, daß die Beklagten "Römerquelle" und "Loibner Kaiserwein" teurer angeboten hätten als die Erstklägerin. Es liege somit eine irreführende Angabe im Sinne des § 2 UWG vor, welche jedenfalls der Zweitbeklagten zuzurechnen sei. Ein Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen an dem Verboten eines Eingriffes der Beklagten in einen anderen Wettbewerb als jenen zwischen den Streitteilen bestehe nicht.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Abweisung des Sicherungsantrages der Zweitklägerin und die Erlassung der einstweiligen Verfügung gegen die Zweitbeklagte; es änderte aber infolge Rekurses der Erstklägerin den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es auch der Erstbeklagten zur Sicherung des Unterlassungsanspruches der Erstklägerin verbot, in Postwurfsendungen oder anderen Druckwerken den Werbeslogan "WIR SIND IMMER BILLIGER" - "WARUM WOANDERS MEHR BEZAHLEN?" zu verwenden, sofern die von ihnen offerierten Waren in Unternehmungen der Erstklägerin preisgünstiger verkauft würden; es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,-, nicht jedoch S 300.000,- übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht nahm ergänzend als bescheinigt an, daß die Prospekte der Beklagten zahlreiche Warenangebote mit sogenannten "Dauertiefpreisen" und daneben noch groß angekündigte Sonderangebote enthielten, auf die allein sich offensichtlich der auf jedem Prospekt abgedruckte Beisatz über die Gültigkeitsdauer der Angebote beziehe. In vier von sechs Fällen seien nur kurzfristige Sonderangebote der Klägerinnen günstiger gewesen als die mit Dauertiefpreisen versehenen Angebote der Zweitbeklagten, und zwar insbesondere die Angebote für 1 l "Römerquelle", "3-Wetter-Taft", "Adabei Ribiselwein" und Schlagobers. In all diesen Fällen hätten die Preise der Klägerinnen nur kurzfristig für die Dauer von Sonderangeboten, längstens einen Monat lang (Beilage F), gegolten. Bei dem Angebot von eines Glases mit Tintenpatronen hätten weder die Erstklägerin noch die Zweitbeklagte eine längere Preisstabilität versprochen. Die Zweitbeklagte habe 36 Stück Tintenpatronen im Glas um S 16,90 angeboten, die Erstklägerin "Tintenpatronen, Glas" um S 14,90. Der handschriftliche Zusatz "36 Stück" erwecke Zweifel an der behaupteten Preisunterbietung. Die Zweitbeklagte sei nur in einem einzigen "echten" Preisvergleich tatsächlich unterlegen: Sie habe in Beilage A die 0,7 l Flasche "Loibner Kaiserwein" zum Dauertiefpreis von S 32,90 angeboten, die Erstklägerin annähernd zum selben Zeitpunkt den "Loibner Kaiserwein 0,7 l" um S 29,90 inseriert. Dieses Angebot sei mit dem Zusatz "P.S" (= Preissicherheit für lange Zeit) versehen.

Rechtlich führte das Rekursgericht aus:

Die von der Zweitbeklagten herangezogene Entscheidung ÖBl 1984, 97 lasse sich nicht in allen Punkten auf den vorliegenden Streitfall übertragen. In der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung um den Werbeslogan "Österreich kauft bei H - WIR SIND IMMER B***!" sei keine einzige Preisunterbietung durch den klagenden Mitbewerber festgestellt worden; die wenigen Fälle der Preisgleichheit seien durch mögliche Qualitätsunterschiede des Warenangebots in Frage gestellt worden. Der Gesamteindruck der damals beanstandeten Werbeaussage sei ein anderer gewesen als hier. Die Ankündigung "Österreich kauft bei H" sei schon auf den ersten Blick und für jedermann als nicht ernst gemeinte Übertreibung zu erkennen gewesen. Der marktschreierische Gehalt dieser Aussage habe sich auf den unmittelbar folgenden Nachsatz "WIR SIND IMMER BILLIGER" übertragen, weshalb auch er mit der nötigen Deutlichkeit zu erkennen gegeben habe, daß er nicht wörtlich verstanden werden solle.

Anders verhalte es sich diesmal: Der Slogan "WIR SIND IMMER B***" werde von der Zweitbeklagten ohne relativierenden Zusatz verwendet und in seinem Anspruch auf Glaubwürdigkeit noch dadurch verstärkt, daß an anderer Stelle gefragt werde: "WARUM WOANDERS MEHR BEZAHLEN?". Eine marktschreierische, nicht dem § 2 UWG unterliegende Anpreisung liege nach Rechtsprechung und Lehre dann vor, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernst zu nehmende Übertreibung ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit aufgefaßt werde; im Zweifel sei eine ernst gemeinte Tatsachenbehauptung anzunehmen und vom Werbenden zu vertreten. Daraus sei für den Rechtsstandpunkt der Zweitbeklagten zu gewinnen, daß die Behauptung "WIR SIND IMMER BILLIGER" sicherlich niemand so verstehen werde, als seien damit für alle Artikel eines umfangreichen Warensortiments Tiefstpreise garantiert, wäre es doch völlig lebensfremd anzunehmen, daß ein Kaufmann jederzeit und bei jedem einzelnen von zahlreichen Artikeln des täglichen Bedarfs die niedrigsten Preise bieten könne. Selbst bei knappster Kalkulation könne er nie ausschließen, zumindest kurzfristig durch Aktionsverkäufe seiner Konkurrenten unterboten zu werden. Vorübergehende, bewußt als Lockmittel eingesetzte und allein unter diesem Gesichtspunkt kalkulierte Sonderangebote seien aus der modernen Kundenwerbung, gerade im Lebensmittelhandel, nicht mehr wegzudenken.

Verfehlt wäre es jedoch, die erkennbare Übertreibung in der beanstandeten Aussage mit der Erwartung zu verknüpfen, daß sie vom angesprochenen Publikum insgesamt nicht ernst genommen werde. Auch der Werbeslogan der Zweitbeklagten wolle zweifellos so verstanden werden, daß den angesprochenen Kunden ein besonders preisgünstiges Warenangebot versprochen werde. Wörtlich genommen, sage der Slogan "WIR SIND IMMER B***" sogar mehr; das Wort "immer" suggeriere, daß alle Waren dauernd billiger seien. Damit sei aber die ernst zu nehmende Ankündigung gemacht, daß die Normalpreise der Zweitbeklagten (also ihre "Dauertiefpreise") unter den Normalpreisen der Konkurrenz lägen; schon eine einzige Abweichung würde diese Publikumserwartung täuschen. Soweit - nach den ergänzenden Feststellungen des Rekursgerichtes - die Klägerinnen die Preise der Beklagten nur im Zuge von Sonderaktionen unterboten hätten, liege somit keine irreführende Werbung vor, weil sich eben Standardangebote und Sonderangebote nicht vergleichen ließen. Die Zweitbeklagte sei nur in einem einzigen echten Preisvergleich, nämlich in Ansehung der 0,7 Liter-Flasche "Loibner Kaiserwein", unterlegen. In diesem Fall hätten die Beklagten sohin die Erwartung des Publikums getäuscht, alle Waren dauernd billiger anzubieten. Daß dies in einem sehr großen Warenangebot der Beklagten ein Einzelfall geblieben sei, ändere nichts an der Irreführungseignung der beanstandeten Werbeaussage. Wer behaupte, immer billiger zu sein, habe sich eben der Anforderung zu stellen, daß er tatsächlich alle Waren preisgünstiger anbiete als die Konkurrenz. Preisgünstiger heiße in diesem Fall, daß er seine Konkurrenten, wenn nicht schon jederzeit, so doch auf Dauer, also bei einem Vergleich der Normalpreise, unterbiete. Der Zweitbeklagten sei daher mit Recht die Verwendung der beanstandeten Werbung untersagt worden. Auch bei getrennter Betrachtung beider Aussagen käme man zum selben Ergebnis, sei doch der Zusammenhang zwischen diesen Aussagen unverkennbar. Soweit das Erstgericht im Spruch der einstweiligen Verfügung auf einen Preisvergleich mit Waren in Unternehmungen der zweitgefährdeten Partei abgestellt habe, handle es sich um einen offenkundigen und jederzeit korrigierbaren Irrtum; gemeint gewesen sei der Preisvergleich mit Waren in Unternehmungen der Erstklägerin. Da die Zweitklägerin nicht bescheinigt habe, in einem Wettbewerbsverhältnis zu den Beklagten zu stehen, sei ihr Sicherungsantrag mit Recht abgewiesen worden.

Die Erstklägerin mache zu Recht geltend, daß die Beklagten gemeinsam für die "familia discount-Läden" in Traun, Freistadt und Vöcklabruck geworben hätten; es komme daher nicht darauf an, wer von ihnen das Geschäft in Vöcklabruck betreibe, das mit der dortigen Niederlassung der Erstklägerin konkurriere. Der Unterlassungsanspruch nach § 2 UWG richte sich nicht nur gegen denjenigen, von dem die Beeinträchtigung des Wettbewerbs ausgeht und auf dessen maßgeblichen Willen sie beruht, sondern auch gegen den, der den Wettbewerbsverstoß durch sein Verhalten gefördert oder überhaupt erst ermöglicht hat. Der Umstand, daß die "andere Person" im Sinne des § 18 UWG ein rechtlich selbständiges Unternehmen führe, schließe die Haftung nach dieser Gesetzesstelle nicht aus. Für die Haftung der Erstbeklagten reiche es daher aus, daß sie die beanstandete Werbung zusammen mit der Zweitbeklagten gemacht habe; das einstweilige Verbot sei daher gegen beide beklagten Parteien zu erlassen gewesen.

Die geringfügige Korrektur im Verbotstext (Streichung des Wortes "und" zwischen den beiden Werbeaussagen) trage dem Umstand Rechnung, daß auch die Erstklägerin immer von einem einheitlichen Werbeslogan ausgegangen sei.

Gegen den abändernden Ausspruch des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Erstbeklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag, soweit er gegen die Erstbeklagte gestellt wird, abgewiesen werde. Die Revisionsrekursbeantwortung der Klägerinnen ist, weil erst mehr als 14 Tage nach Zustellung des Revisionsrekurses überreicht, verspätet (§ 402 Abs 1 EO idF der ZVN 1983) und war daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Klägerinnen haben - trotz Zitierung auch des § 1 UWG - in erster Instanz nur geltend gemacht, daß die mehrfach erwähnten Werbeaussagen der Beklagten zur Irreführung geeignete Angaben über deren geschäftliche Verhältnisse, insbesondere über die Preisbemessung des gesamten Angebotes (§ 2 Abs 1 UWG), seien. Auf einen Tatbestand, der als Verstoß gegen die guten Sitten (§ 1 UWG) zu werten wäre - etwa eine Pauschalabwertung der Leistungen deutlich erkennbarer Mitbewerber (vgl. ÖBl 1981, 119;

ÖBl 1984, 97 ua) - haben sie sich nicht berufen. Die Unrichtigkeit der beanstandeten Werbebehauptungen haben sie nur damit begründet, daß sie selbst einige Artikel billiger verkauften als die Beklagten, daß also diese bisweilen teurer seien, nicht aber damit, daß die Beklagten gleich hohe Preise verlangten wie sie selbst. Den Beklagten soll demnach die Verwendung der beiden Werbeslogans nur verboten werden, sofern von ihnen angebotene Waren in Unternehmungen der Klägerinnen preisgünstiger verkauft würden. (Die Klägerinnen haben mit ihrem Rekursantrag (ON 6) klargestellt, daß ihr in erster Instanz sprachlich etwas anders gefaßtes Begehren in diesem Sinne zu verstehen war.) Zu prüfen ist daher nur, ob die Werbeankündigungen "WIR SIND IMMER BILLIGER" und "WARUM WOANDERS MEHR BEZAHLEN?" insofern zur Irreführung geeignet sind, als die Beklagten in Wahrheit teurer sind als die Klägerinnen.

Die miteinander im Zusammenhang stehenden Werbeaussagen "WIR SIND IMMER BILLIGER" und "WARUM WOANDERS MEHR BEZAHLEN?" können auch dann, wenn sie nicht mit einer anderen, schon auf den ersten Blick als marktschreierische Übertreibung erkennbaren Ankündigung verbunden sind (vgl. ÖBl 1984, 97), nicht wörtlich verstanden, sondern nur als Übertreibung angesehen werden, weil niemand annehmen wird, ein Kaufmann habe immer und zu jeder Zeit bei jedem einzelnen von zahlreichen angebotenen Artikeln des täglichen Bedarfs die niedrigsten Preise. Die Qualifikation der beanstandeten Werbung als "marktschreierische Anspreisung" schließt aber nicht aus, daß die betreffende Ankündigung in einem bestimmten eingeschränkten Umfang als sachbezogene Aussage ernst genommen werden kann. Auch Ankündigungen, die erkennbar als reklamehafte Übertreibungen verstanden werden, lassen sich nach Abzug diese Übermaßes häufig doch noch auf einen sachlich nachweisbaren "Tatsachenkern" zurückführen, welcher durchaus ernst genommen wird und daher im Fall seiner Unrichtigkeit zur Irreführung (§ 2 UWG) geeignet ist (ÖBl 1978, 31; ÖBl 1979, 73; ÖBl 1984, 97). Einen solchen Tatsachenkern im Sinne einer objektiven nachprüfbaren Aussage über die Preisgestaltung der Beklagten enthält auch die beanstandete Ankündigung; ihr läßt sich nämlich die konkrete Behauptung einer im Vergleich zu den Mitbewerbern besonders preisgünstigen Einkaufsgelegenheit entnehmen (ÖBl 1984, 97). Sie kann aber - im Gegensatz zur Meinung der Klägerinnen - nicht dahin verstanden werden, daß die Beklagten ihre Preise laufend senkten, also "immer billiger werden".

Daß die im genannten Sinne zu verstehende Werbeankündigung unrichtig wäre, hatten die Klägerinnen zu beweisen. Da ihnen ein solcher Beweis ohne weiteres zugemutet werden kann, weil sie ihre eigene Preisgestaltung jederzeit bescheinigen und die Preise der Beklagten deren Prospekten entnehmen können, hat eine Beweislastverschiebung, die bei Alleinstellungswerbung unter Umständen in Frage kommt, hier nicht einzutreten (ÖBl 1984, 97). Mit dem Hinweis auf 6 Artikel, die sie zu gewissen Zeitpunkten billiger angeboten hätten als die Beklagten, haben die Klägerinnen aber die genannte Werbebehauptung nicht entkräftet. Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Unrichtigkeit einer solchen Werbebehauptung keinesfalls darauf gestützt werden, daß ein Mitbewerber im Zuge von Sonderangeboten bei einigen Artikeln noch niedrigere Preise verlangt habe.

Ist aber nach dem oben Gesagten die Ankündigung "WIR SIND IMMER BILLIGER" - "WARUM WOANDERS MEHR BEZAHLEN?" nur als die Behauptung einer im Vergleich zu den Mitbewerbern besonders preisgünstigen Einkaufsgelegenheit aufzufassen, dann rechtfertigt sie - im Gegensatz zur Meinung des Rekursgerichtes - auch nicht die Erwartung, daß jede einzelne Ware der Beklagten einen geringeren Dauerpreis habe als bei ihren Mitbewerbern. Daraus, daß die Erstklägerin einen geringeren "Dauerpreis" für 0,7-Liter "Loibner Kaiserwein" angeboten hat als die Beklagten, folgt noch nicht, daß diese insgesamt keine preisgünstigere Einkaufsgelegenheit böten als die Klägerinnen.

Haben aber die Beklagten demnach nicht gegen § 2 UWG verstoßen, dann mußte dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der gegen die Erstbeklagte gerichtete Sicherungsantrag abgewiesen werden, ohne daß auf die weiteren Rechtsmittelausführungen einzugehen gewesen wäre. Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Erstbeklagten gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, 41, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E13781

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00013.88.0412.000

Dokumentnummer

JJT_19880412_OGH0002_0040OB00013_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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