TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/21 2002/09/0143

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Veröffentlicht am 21.09.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
24/01 Strafgesetzbuch;
43/01 Wehrrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §44 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
HDG 1994 §50;
HDG 1994 §52;
HDG 1994 §6 Abs1;
HDG 1994 §6;
StGB §32 Abs1;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Mag.pharm. E in S, vertreten durch Pallauf Pullmann Meißnitzer & Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 9, gegen den am 26. Juni 2002 verkündeten und am 5. Juli 2002 schriftlich ausgefertigten Bescheid der Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung, Zl. 12-DOKS/01, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung nach dem Heeresdisziplinargesetz 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Strafausspruches (Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Disziplinarerkenntnis vom 19. Juli 2001 hat die Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung den Beschwerdeführer, der bis zu seiner Entlassung als Oberstleutnant in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stand, der Begehung von Dienstpflichtverletzungen in sieben (näher umschriebenen) Punkten für schuldig befunden und dafür über ihn gemäß § 50 Z 3 HDG 1994 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von S 60.000,-- (EUR 4.360,37) verhängt.

Hingegen wurde der Beschwerdeführer mit diesem Disziplinarerkenntnis von weiteren (näher umschriebenen) Anschuldigungen freigesprochen.

Der Disziplinaranwalt erhob Berufung gegen das Strafausmaß. Er machte geltend, es hätte die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt werden müssen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen den Schuldspruch ausschließlich im Umfang des Punktes 5. und gegen die Strafe. Er beantragte, das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches nach Punkt 5. in einen Freispruch abzuändern und die Geldstrafe herabzusetzen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde über diese Berufungen - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2002 - wie folgt zu Recht erkannt:

"Der Berufung des Disziplinaranwaltes vom 28. September 2001 gegen das Erkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) vom 19. Juli 2001, GZ. 06434-24-DK-2000, wegen zu geringem Strafausmaß wird gemäß § 35 Abs. 2 Heeresdisziplinargesetz 1994, BGBl. Nr. 522 (HDG 1994) stattgegeben,

der Berufung des Beschuldigten vom 28. September 2001 gegen das Erkenntnis der DKS vom 19. Juli 2001, GZ. 06434-24-DK-2000, wegen materieller Rechtswidrigkeit im Faktum 5 und zu hoher Strafe wird gemäß § 35 Abs. 2 HDG 1994

teilweise stattgegeben und

das erstinstanzliche Erkenntnis hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs wie folgt abgeändert:

ObstltApoth Mag.pharm. E ist schuldig:

1. Er hat fahrlässig die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden nicht eingehalten, indem er nicht zu Dienstbeginn um 0730 Uhr den Dienst bei seiner Dienststelle K in der S-Kaserne, sondern

am Montag 19. Juni 2000 den Dienst um 0830 Uhr in Zivilkleidung, am Montag 26. Juni 2000 den Dienst um 0830 Uhr in Zivilkleidung, am Donnerstag 29. Juni 2000 den Dienst um 0750 Uhr und am Montag 03. Juli 2000 den Dienst um 0755 Uhr angetreten hat, und am 30. Juni 2000 seinen Dienst nicht um 1530 Uhr, sondern schon um 1450 Uhr ohne Begründung beendet hat, und die Weisung des stellvertretenden Chef des Stabes, Bgdr S, 'Wahrnehmung der Dienstobliegenheiten' nicht befolgt hat,

2. er hat fahrlässig die schriftlichen Weisungen des Chef des Stabes, Divr F, vom 6. Februar 1997,

Dienstzettel 5/97, des stvChdStb, Bgdr S, vom 15. Juni 2000, K Zl. 17.994-0800/02/00 und des eingeteilten Stellvertreters des KorpsArztes, ObstA Dr. L, Dienstzettel 301/2000 vom 26. Juni 2000 nicht befolgt,

3. er hat vorsätzlich am 20. November 2000 entgegen einschlägiger Bestimmungen und der ausdrücklichen Weisung seines Vorgesetzten, Bgdr H, seine Dienststelle von 1030 Uhr bis 1130 Uhr ohne Abmeldung und Bekanntgabe der Erreichbarkeit verlassen und dadurch eine kurzfristig angeordnete Dienstbesprechung versäumt,

4. er hat vorsätzlich am 21. November 2000 um ca. 0830 Uhr für zumindest 30 Minuten, zur Verrichtung von Privatgeschäften, seine Dienststelle in der S-Kaserne in S, verlassen und war dadurch für zumindest 30 Minuten ungerechtfertigt vom Dienst abwesend gewesen,

6. er hat fahrlässig am 27. November 2000 in der Zeit von ca. 1045 Uhr bis 1145 Uhr, ohne sich bei seinem Vorgesetzen abzumelden und seinen Aufenthaltsort bekannt zu geben, am Gelände der S-Kaserne Sport betrieben,

7. er hat vorsätzlich in der Zeit vom 07. bis 30. Juni 2000 und vom 02. Oktober bis 30. November 2000 zumindest 30 Privatgespräche von seinem dienstlichen Fernmeldeanschluss, ohne die Gesprächsgebühren unverzüglich bei der Fernsprechvermittlung zu erlegen, geführt.

Dadurch hat er

im Punkt 1 gegen die Bestimmung des § 48 Abs. 1 Beamtendienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) (Dienstplan) in Verbindung mit § 44 Abs. 1 leg. cit.

(Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten),

     im Punkt 2 gegen die Bestimmung des § 44 Abs. 1 BDG 1979

(Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten),

     im Punkt 3 gegen die Bestimmung des § 44 Abs. 1 BDG 1979

(Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten),

     im Punkt 4 gegen § 48 Abs. 1 BDG 1979 (Dienstplan),

     im Punkt 6 gegen die Bestimmung des § 44 Abs. 1 BDG 1979

(Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten), und

     im Punkt 7 gegen die Bestimmung des § 44 Abs. 1 BDG 1979

(Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten), verstoßen

     und Pflichtverletzungen im Sinne des § 2 (1) HDG 1994 begangen.

     ObstltApoth Mag.pharm. E ist nicht schuldig und

     wird vom Vorwurf gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 HDG 1994 freigesprochen,

5. dass er vorsätzlich am 24. November 2000 zwischen 1700 Uhr und 1800 Uhr an einer sowohl schriftlich als auch mündlich befohlenen Nachbesprechung der Beorderten Waffenübung (BWÜ) des K, im Lehrsaal Offizierskasino in der S-Kaserne nicht teilgenommen hat.

Über ObstltApoth Mag.pharm. E

wird gemäß § 50 Z 4 lit. a HDG 1994 einstimmig die Disziplinarstrafe der Entlassung

verhängt."

Zur Strafbemessung (Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung) führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Ansicht beider Berufungswerber über die mangelhafte Strafbemessung der Erstbehörde könne nur teilweise gefolgt werden, weil "einige Fakten", nicht aber die "Aussagen der Vorgesetzen zum Thema Vertrauensbeeinträchtigung" Eingang gefunden hätten. Die Strafbemessung der Erstbehörde sei zur Schwere der Dienstpflichtverletzung und zur Vertrauensbeeinträchtigung zu ergänzen. Im Bereich der militärischen Landesverteidigung habe der Befehl (die Gehorsamspflicht) zentrale Bedeutung. Der Beschwerdeführer lasse erkennen, dass er sich mit der Ein- und Unterordnung und der Einhaltung einfachster grundsätzlicher Normen (Abmelden bei Verlassen der Dienststelle, pünktlicher Dienstantritt, Befolgung von Befehlen) "im Hinblick auf die innere Akzeptanz nicht oder zu wenig auseinandersetze". Ein Verstoß gegen das tragende Prinzip von Befehl und Gehorsam sei für sich allein genommen bereits ein schwerer "Einbruch in das Vertrauen", das aber notwendig sei, um die militärischen Strukturen aufrecht zu erhalten. Auf den Inhalt eines konkreten Befehles komme es nicht an, sondern darauf, dass der "Normadressat" und Mitarbeiter seine Dienstpflichten erfülle und seinen Kommandanten jederzeit mit allen Kräften unterstütze. Die belangte Behörde komme - nach weiteren (näher dargelegten) Erwägungen zur Bedeutung des Befehls für den Dienstbetrieb - zu der Beurteilung, dass Verletzungen der Gehorsamspflicht grundsätzlich nicht als geringfügig zu werten seien. Als erschwerend werde die Begehung mehrer Pflichtverletzungen derselben Art und die einschlägige Vorstrafe bewertet, als mildernd seien das reumütige Geständnis, das entsprechende Verhalten vor der Disziplinarkommission erster Rechtsstufe, die psychischen Probleme und die schadensbereinigende Maßnahme zu werten. Die schuldhafte Verletzung der Gehorsamspflicht deute in Verbindung mit den anderen Pflichtverletzungen darauf hin, dass der Beschwerdeführer nicht zuverlässig sei. Durch die Pflichtverletzungen habe er zum Ausdruck gebracht, dass er gegenüber seiner Treueverpflichtung - gemessen an der Modelfigur eines mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Offiziers - tendenziell (nicht bloß ausnahmsweise) eine gleichgültige, wenn nicht sogar ablehnende Einstellung habe; dieser könne der Vorgesetzte nur durch andauernden, die Grenzen der Zumutbarkeit überschreitenden Kontrollaufwand begegnen. Es handle sich um besonders schwerwiegende Verfehlungen, die ein äußerst bedenkliches Bild erkennen ließen. Die Folgen seien erheblich. Durch das Negieren von Befehlen und eigenmächtiges Handeln werde das Ansehen des Beschwerdeführers und des Korpsstabes herabgesetzt. Das regelmäßige und pünktliche Erscheinen zum Dienst und eine treue Dienstleistung gehöre zu den elementaren Pflichten jedes Soldaten. Da die Warnungs-, Besserungs- und Sicherungsfunktion der rechtskräftig verhängten Geldstrafen (im März 1997 in Höhe von S 15.000,-- und im Oktober 1998 in Höhe von S 90.000,--) ins Leere gegangen seien, sei das bereits schwer beeinträchtigte Vertrauen nunmehr restlos zerstört. Dadurch sei die Achtung des Beamten und das Vertrauensverhältnis schwer und nachhaltig erschüttert worden. Der Beschwerdeführer sei im Laufe der Zeit trotz unterstützender Maßnahmen seiner Vorgesetzten in seiner dienstlichen Führung "abgeglitten"; auch empfindliche Disziplinarstrafen hätten zu keiner Änderung seines Verhaltens geführt. Er zeige keine Einsicht und habe seine Eigenmächtigkeiten fortgesetzt, indem er wiederholt Befehle ignoriert habe. Der Beschwerdeführer sei für den öffentlichen Dienst untragbar geworden, weil ihm die erforderliche Verlässlichkeit fehle. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vorfälle würden eine so schwerwiegende Beeinträchtigung des Dienstbetriebes und des korrekten Verhaltens gegenüber den Vorgesetzten und Mitarbeitern zum Ausdruck bringen, dass die Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses unzumutbar sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere sein Geständnis könne den eingetretenen schweren Vertrauensverlust nicht aufheben. Das Beweisverfahren habe "unzweifelhaft ergeben", dass es sich um einen Fall der Untragbarkeit handle. Die trotz einschlägiger Disziplinarstrafen mehrfachen Insubordinationen und die wiederholten Verstöße gegen die Gehorsamspflicht würden in ihrer Gesamtheit so schwere Dienstpflichtverletzungen darstellen, dass dem öffentlichen Dienstgeber die Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers nicht zugemutet werden könne.

Über die gegen diesen Bescheid - erkennbar nur im Umfang seines Strafausspruches - erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Schuldspruch des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses im Umfang der Anschuldigungspunkte 1, 2, 3, 4, 6 und 7 blieb unbekämpft und ist in Rechtskraft erwachsen. Insoweit dieser Teil des Schuldspruches im Spruch des angefochtenen Bescheides wiedergegeben wurde, stellte diese nur die inhaltlich unveränderte Wiederholung des rechtskräftigen Teiles des erstinstanzlichen Schuldspruches dar. Entgegen der einleitenden (überschießenden) Formulierung "das erstinstanzliche Erkenntnis wird hinsichtlich des Schuldspruches wie folgt abgeändert" hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine - unzulässige - Abänderung des rechtskräftigen Teiles des erstinstanzlichen Schuldspruches vorgenommen. Hinsichtlich des verbliebenen Anschuldigungspunktes 5. (des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses) wurde der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid rechtskräftig freigesprochen.

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist somit ausschließlich die Frage, ob über den Beschwerdeführer wegen der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen die Disziplinarstrafe der Geldstrafe oder der Entlassung zu verhängen ist.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Heeresdisziplinargesetzes 1994 (HDG 1994) lauten:

"Strafbemessung und Schuldspruch ohne Strafe

§ 6. (1) Das Maß für die Höhe einer Disziplinarstrafe ist die Schwere der Pflichtverletzung. Dabei ist unter Bedachtnahme auf frühere Pflichtverletzungen, die in einem Führungsblatt festgehalten sind, darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken. Darüber hinaus sind zu berücksichtigen

1. die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Umstände und

2. die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten.

(2) Wird über mehrere Pflichtverletzungen desselben Beschuldigten gemeinsam erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen.

...

2. Abschnitt

Disziplinarstrafen für Soldaten, die nicht den Grundwehrdienst

leisten

Arten der Strafen

§ 50. Disziplinarstrafen für Soldaten, die weder den Grundwehrdienst noch im Anschluß an diesen den Aufschubpräsenzdienst leisten, sind

1.

der Verweis,

2.

die Geldbuße,

3.

die Geldstrafe und

4. a)

bei Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses angehören, die Entlassung und

              b)              bei anderen Soldaten die Unfähigkeit zur Beförderung und die Degradierung."

Die gemäß § 6 Abs. 1 HDG 1994 maßgebenden Bestimmungen nach dem Strafgesetzbuch, die bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sind, lauten:

"Vierter Abschnitt

Strafbemessung

Allgemeine Grundsätze

§ 32. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters.

(2) Bei Bemessung der Strafe hat das Gericht die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte.

(3) Im allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können.

Besondere Erschwerungsgründe

§ 33. Ein Erschwerungsgrund ist es insbesondere, wenn der Täter

1. mehrere strafbare Handlungen derselben oder verschiedener Art begangen oder die strafbare Handlung durch längere Zeit fortgesetzt hat;

2. schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist;

3.

einen anderen zur strafbaren Handlung verführt hat;

4.

der Urheber oder Anstifter einer von mehreren begangenen strafbaren Handlung oder an einer solchen Tat führend beteiligt gewesen ist;

              5.              aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen besonders verwerflichen Beweggründen gehandelt hat;

              6.              heimtückisch, grausam oder in einer für das Opfer qualvollen Weise gehandelt hat;

              7.              bei Begehung der Tat die Wehr- oder Hilflosigkeit eines anderen ausgenützt hat.

Besondere Milderungsgründe

§ 34. (1) Ein Milderungsgrund ist es insbesondere, wenn der Täter

1. die Tat nach Vollendung des achtzehnten, jedoch vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres oder wenn er sie unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustands begangen hat, wenn er schwach an Verstand ist oder wenn seine Erziehung sehr vernachlässigt worden ist;

2. bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht;

3.

die Tat aus achtenswerten Beweggründen begangen hat;

4.

die Tat unter der Einwirkung eines Dritten oder aus Furcht oder Gehorsam verübt hat;

              5.              sich lediglich dadurch strafbar gemacht hat, daß er es in einem Fall, in dem das Gesetz die Herbeiführung eines Erfolges mit Strafe bedroht, unterlassen hat, den Erfolg abzuwenden;

              6.              an einer von mehreren begangenen strafbaren Handlung nur in untergeordneter Weise beteiligt war;

7.

die Tat nur aus Unbesonnenheit begangen hat;

8.

sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hat hinreißen lassen;

              9.              die Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen hat;

              10.              durch eine nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführende drückende Notlage zur Tat bestimmt worden ist;

              11.              die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen;

              12.              die Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum (§ 9) begangen hat, insbesondere wenn er wegen vorsätzlicher Begehung bestraft wird;

              13.              trotz Vollendung der Tat keinen Schaden herbeigeführt hat oder es beim Versuch geblieben ist;

              14.              sich der Zufügung eines größeren Schadens, obwohl ihm dazu die Gelegenheit offenstand, freiwillig enthalten hat oder wenn der Schaden vom Täter oder von einem Dritten für ihn gutgemacht worden ist;

              15.              sich ernstlich bemüht hat, den verursachten Schaden gutzumachen oder weitere nachteilige Folgen zu verhindern;

              16.              sich selbst gestellt hat, obwohl er leicht hätte entfliehen können oder es wahrscheinlich war, daß er unentdeckt bleiben werde;

              17.              ein reumütiges Geständnis abgelegt oder durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat;

              18.              die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat;

              19.              dadurch betroffen ist, daß er oder eine ihm persönlich nahestehende Person durch die Tat oder als deren Folge eine beträchtliche Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder sonstige gewichtige tatsächliche oder rechtliche Nachteile erlitten hat.

(2) Ein Milderungsgrund ist es auch, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat."

Der Beschwerdeführer macht (zusammengefasst) geltend, die Behörde erster Instanz habe richtigerweise die Verhängung einer Geldstrafe als schuldangemessen angesehen. Die Behauptungen der belangten Behörde, seine Vertrauenswürdigkeit sei zerstört und ein Verstoß gegen des Prinzip von Befehl und Gehorsam sei für sich allein genommen ein schwerer Einbruch in das Vertrauen, seien unrichtig. Die belangte Behörde hätte vielmehr prüfen müssen, ob die ihm angelasteten Anschuldigungen so schwerwiegende Pflichtverletzungen darstellten, die sein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar machen würden. Hinsichtlich der Anschuldigung nach Punkt 1. sei ihm nur eine fahrlässige Begehung angelastet worden. Nach § 32 Abs. 1 StGB sei vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen. Die belangte Behörde hätte hier das im Strafverfahren (Zl. 28 U 314/00f vor dem Bezirksgericht Salzburg) eingeholte neuropsychiatrische Gutachten vom 12. Dezember 2000 berücksichtigen müssen; aus diesem Gutachten ergebe sich nämlich, dass er seit etwa 1998 unter einem depressiven Syndrom und einer Identitätskrise leide. Seine ausgeprägte Depression stelle einen Krankheitswert dar. Ausgehend von diesem Gutachten und seinen nach den Judikaturgrundstäzen (des Verwaltungsgerichtshofes) als geringfügig zu bewertenden Pflichtverletzungen ergebe sich, dass sein weiteres Verbleiben im öffentlichen Dienst tragbar sei. Die Verhängung einer Geldstrafe hätte daher ausgereicht, um ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sei auch, dass er vor der belangten Behörde angegeben habe, sich bessern zu wollen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine zur Aufhebung des Strafausspruches führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Entlassung ist zufolge § 50 HDG 1994 die schwerste Disziplinarstrafe gegen Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses angehören. Sie bezweckt vor allem die Auflösung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (Beamtenverhältnis) und bewirkt darüber hinaus die in § 52 HDG 1994 näher umschriebenen Rechtsfolgen. Unter welchen Voraussetzungen dieses Strafmittel zu verhängen ist, regelt das HDG 1994 nicht besonders. Der Spielraum für die Bestimmung einer Disziplinarstrafe ist daher außerordentlich weit. Er reicht für jede Pflichtverletzung grundsätzlich vom Verweis (bzw. einem Schuldspruch ohne Strafe) bis zur Entlassung (vgl. insoweit bereits das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1982, Zl. 82/09/0062).

Die Auswahl des Strafmittels und die Bemessung der Disziplinarstrafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist dem Ermessen der Disziplinarbehörde überlassen. Die Richtlinien für den Gebrauch dieses Ermessens sind im § 6 HDG 1994 normiert. Ergeben diese Grundsätze für die Strafbemessung, dass das Höchstausmaß einer Geldstrafe nicht ausreicht, dann (und nur dann) darf die Entlassung verhängt werden.

In diesem Sinne erweist sich die im Beschwerdefall verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung nach der im angefochtenen Bescheid gegebenen Begründung nicht als gesetzmäßig.

Nach § 6 HDG 1994 hat die Bemessung der Disziplinarstrafe im (konkreten) Einzelfall auf Grund der "Schwere der Pflichtverletzung" zu erfolgen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar sehr ausführlich dargestellt, warum die Verletzung der Gehorsamspflicht grundsätzlich nicht als ein geringfügiger Pflichtverstoß zu werten sei, diese allgemein gehaltenen (abstrakten) Ausführungen vermögen aber die notwendige Auseinandersetzung mit den im Beschwerdefall vorliegenden Tatumständen, die den konkreten Pflichtverletzungen des Beschwerdeführers zugrunde liegen, nicht zu ersetzen (vgl. insoweit sinngemäß das zur Rechtslage nach dem BDG 1979 ergangene hg. Erkenntnis vom 18. Juli 2002, Zl. 99/09/0145).

Der belangten Behörde ist darin, dass die Verletzung der Gehorsamspflicht (damit gemeint ist nach dem rechtskräftigen Schuldspruch: § 44 Abs. 1 BDG 1979) sicherlich nicht als unbedeutende Verletzung dienstlicher Interessen (Pflichtverletzung) zu werten ist, durchaus zu folgen, ihre weitere Ansicht, jede derartige Pflichtverletzung sei im Ergebnis - und dies ohne Rücksicht auf den Inhalt eines konkreten Befehls - als besonders schwerwiegende Pflichtverletzung anzusehen, ist verfehlt. Die belangte Behörde lässt dabei unberücksichtigt, dass die Pflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG 1979, die dem Beschwerdeführer (in mehreren Punkten) angelastet wurde, zu den allgemeinen Dienstpflichten eines Beamten gehört und nicht als besondere Dienstpflicht für den Bereich der (militärischen) Landesverteidigung besteht. Für die Ansicht der belangten Behörde, aus einer Verletzung der Gehorsamspflicht folge ohne weiteres die Notwendigkeit der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung bzw. es sei diese im Bereich der Landesverteidigung gleichsam als grundsätzlich "entlassungswürdige" Pflichtverletzung anzusehen, ist eine rechtliche Grundlage nicht zu erkennen.

Die belangte Behörde hat gänzlich übergangen, dass die dem Beschwerdeführer nach dem rechtskräftigen Schuldspruch vorgeworfenen Verfehlungen nach den Spruchpunkten 1., 2., und 6. ausdrücklich "fahrlässige" Pflichtverletzungen sind. Entgegen der Anordnung des § 6 Abs. 1 HDG 1994 hat die belangte Behörde die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden "Umstände" (darunter sind die §§ 32 bis 34 StGB zu verstehen) unberücksichtigt gelassen; sie ist somit nicht dem § 32 Abs. 1 StGB folgend vom Ausmaß der Schuld des Täters (Beschwerdeführers) als Grundlage für die Bemessung der Strafe ausgegangen (vgl. hiezu sinngemäß das zur Rechtslage nach dem BDG 1979 ergangene hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042).

Im angefochtenen Bescheid wurden Erschwerungs- und Milderungsgründe zwar zunächst schlagwortartig aufgezählt, die belangte Behörde hat diese Umstände letztlich aber nicht berücksichtigt, nimmt sie doch an, schon durch die vom Beschwerdeführer begangenen Taten sei das Vertrauensverhältnis zerstört. Die Disziplinarstrafe der Entlassung wurde damit allein auf der Grundlage einer sogenannten "Untragbarkeit" des Beschwerdeführers verhängt. Die im angefochtenen Bescheid dazu dargestellten Argumente sind nicht tragfähig. Die Meinung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei "nicht zuverlässig", er sei gegenüber seiner Treueverpflichtung "tendenziell gleichgültig", er habe "keine Einsicht gezeigt" und habe wiederholt Befehle "ignoriert", ist - mangels konkreter, auf Beweisergebnisse gestützte Sachverhaltsfeststellungen bzw. mangels konkreter Begründungsdarlegungen - nicht begründet. Die belangte Behörde legt nicht dar, auf welche Tatumstände sie glaubt, diese Einschätzungen stützen zu können. Zur Behauptung, der Beschwerdeführer habe keine Einsicht gezeigt, ist auf den dazu im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis angeführten Milderungsgrund zu verweisen, den die belangte Behörde ("das entsprechende Verhalten vor der Disziplinarkommission erster Rechtsstufe") aber zunächst auch anzunehmen scheint.

Der Beschwerdeführer verweist zutreffend auf seine (von der belangten Behörde unter den Milderungsgründen angeführten) Erkrankung, die nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten durch ein Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg und ein neuropsychiatrische Gutachten vom 12. Dezember 2000 dokumentiert ist. Vor dem Hintergrund dieser Erkrankung, die den Beschwerdeführer daran hinderte, einen konkreten Befehl zum Dienstantritt (der Gegenstand des Strafverfahrens war) zu befolgen und zu seinem Freispruch im Strafverfahren führte, erscheint die Einschätzung der belangten Behörde über die innere Einstellung des Beschwerdeführers allerdings nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die eingetretene Rechtskraft des Schuldspruches die Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers nicht zu prüfen ist. Die belangte Behörde hat aber verkannt, dass es zufolge § 34 Abs. 1 Z 11 StGB (der aber nach § 6 Abs. 1 HDG 1994 zu berücksichtigen ist) ein Milderungsgrund ist und die Schwere der Pflichtverletzungen ganz wesentlich herabmindern konnte (vgl. dazu etwa das genannte Erkenntnis Zl. 99/09/0042), wenn der Täter die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommen. Damit hat sich die belangte Behörde im Rahmen der Strafbemessung nicht auseinandergesetzt.

Nach dem Gesagten hat sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage mit dem Ausmaß der Schwere der konkreten Pflichtverletzungen, die anhand der Schuld des Beschwerdeführers zu beurteilen sind, nicht auseinandergesetzt. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seines Strafausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 21. September 2005

Schlagworte

Ermessen VwRallg8 Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002090143.X00

Im RIS seit

17.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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