TE OGH 1988/4/13 9ObA33/88

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Veröffentlicht am 13.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Dieter Waldmann und Mag. Günter Köstelbauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Eva G***, Ärztin, derzeit Thorm House Wembury, GB-Plymouth PL 9, EQ, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wieder die beklagte Partei L*** V***, Landhaus, Bregenz, vertreten durch Dr. Reinhold Nachbaur, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes eines Dienstverhältnisses (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 1987, GZ 5 Ra 1141/87-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 12. Juni 1987, GZ 35 Cga 1043/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird teils bestätigt, teils dahin abgeändert, daß es einschließlich des bestätigten abweisenden Teiles insgesamt zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß das Dienstverhältnis der Klägerin zur beklagten Partei nach wie vor aufrecht besteht.

Das auf Feststellung der Unwirksamkeit der mit Schreiben des Landes-Nervenkrankenhauses Valduna vom 21. Februar 1983 ausgesprochenen Entlassung der Klägerin gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 7.571,90 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 500,-- Barauslagen und S 642,90 Umsatzsteuer) sowie die mit S 5.443,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.200,-- Barauslagen und S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde mit Wirkung vom 1. Jänner 1976 mit privatrechtlichem Dienstvertrag als Vertragsangestellte in den Vorarlberger Landesdienst aufgenommen und dem Landes-Nervenenkrankhaus Valduna in Rankweil zur Dienstleistung zugewiesen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1979 wurde die Klägerin auf Grund des Gesetzes über eine Änderung des Vorarlberger Landesbedienstetengesetzes, LGBl. 37/1979, unter gleichzeitiger Ernennung auf einen Dienstposten der Verwendungsgruppe a in ein öffentlich-rechtliches Landesangestelltenverhältnis übergeleitet. Mit Bescheid des Landes-Nervenkrankenhauses Valduna vom 21. Februar 1983 wurde die Klägerin wegen Unterlassung der Dienstleistung und der damit verbundenen schweren Verletzung der Dienstpflichten entlassen. Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. August 1983 wurde der Berufung der Klägerin gegen diesen Bescheid nicht Folge gegeben. Mit Erkenntnis vom 11. März 1987 hob der Verfassungsgerichtshof infolge Beschwerde der Klägerin den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung auf und sprach aus, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden sei; die Anwendung dieses Gesetzes sei für die Beschwerdeführerin, die ihr Recht mit Klage bei den ordentlichen Gerichten geltend gemacht habe, nachteilig gewesen. § 2 Abs 3 sowie das III. Hauptstück (§§ 118 bis 133) des Vorarlberger Landesbedienstetengesetzes waren aus Anlaß eines anderen Falles mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1986 mit Wirkung ab 30. November 1987 aufgehoben worden.

Mit der am 14. November 1983 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß ihre mit Schreiben des Landeskrankenhauses Valduna vom 21. Februar 1983 ausgesprochene Entlassung rechtsunwirksam und ihr Dienstverhältnis zur beklagten Partei nach wie vor aufrecht sei. Ab 1. Jänner 1976 sei zwischen den Streitteilen ein privatrechtliches Dienstverhältnis begründet worden. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1982 habe die Klägerin ihrem vorgesetzten Primararzt eine mit 14. Dezember 1982 ausgestellte Schwangerschaftsbestätigung übermittelt und ihn über ihren Wunsch informiert, den Gebührenurlaub für 1983 bis zum Karenzurlaub anzutreten. Mit Fernschreiben und Schreiben vom 5. Jänner 1983 sei die Klägerin aufgefordert worden, am 17. Jänner 1983 den Dienst anzutreten. Daraufhin habe die Klägerin der Beklagten eine mit 10. Jänner 1983 datierte Krankmeldung bis zur voraussichtlichen Niederkunft am 30. Mai 1983 übersandt. Nach einer Mitteilung der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, daß die Arbeitsunfähigkeit nicht anerkannt werde, sei die Klägerin am 14. Februar 1983 mit Fernschreiben aufgefordert worden, ihren Dienst am 21. Februar 1983 anzutreten. Dieser Aufforderung sei die Klägerin nicht nachgekommen. Hierauf sei sie mit Schreiben des Landeskrankenhauses Valduna vom 21. Februar 1983, zugestellt am 8. März 1983, wegen Unterlassung der Dienstleistung und der damit verbundenen schweren Verletzung der Dienstpflichten entlassen worden. Die Entlassung sei ungerechtfertigt, weil die Klägerin zumindest ab Dezember 1982 arbeits- und reiseunfähig gewesen sei. Da rechtlich noch nicht geklärt sei, ob für die Anfechtung der Entlassung das ordentliche Gericht oder die Verwaltungsbehörde zuständig sei, habe die Klägerin die Entlassung im Verwaltungsweg angefochten und mittlerweile eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde eingebracht. Es werde zweckmäßig sein, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof zu unterbrechen. In der ersten Tagsatzung erhob die beklagte Partei die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Mit Beschluß vom 16. November 1983 unterbrach das Erstgericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof.

In ihrem Fortsetzungsantrag vom 30. April 1987 wies die Klägerin auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hin, wonach für das Rechtsverhältnis der Klägerin die ordentlichen Gerichte zuständig seien.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe am 7. März 1983 ein als "Bescheid" ausgefertigtes Schreiben des Landes-Nervenkrankenhauses Valduna vom 21. Februar 1983 erhalten, in welchem die Entlassung wie folgt ausgesprochen und begründet worden sei:

"Da Sie nach telegrafischer Verständigung über die Nichtanerkennung Ihrer Krankmeldung vom 10. Jänner 1983 als Arbeitsunfähigkeitsmeldung durch die Vorarlberger Gebietskrankenkasse und uns den Dienst ohne wichtigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit am 21. Februar 1983 nicht angetreten haben, haben Sie sich eine schwere Verletzung der Dienstpflichten zu Schulden kommen lassen. Daher war die Entlassung auszusprechen."

Auch wenn dieses Schreiben zu Unrecht als Bescheid ausgefertigt worden sei, müsse es als formgerechte Entlassung durch die Beklagte angesehen werden. Die Klägerin habe sich in der Berufung gegen den Bescheid selbst als Beschäftigte in einem privatwirtschaftlich geführten Betrieb des Landes bezeichnet. Nach Aufhebung der Bestimmungen des Landesbedienstetengesetzes des Landes Vorarlberg durch den Verfassungsgerichtshof sei davon auszugehen, daß die Klägerin den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes unterliege. Nach § 18 MSchG gelte dieses Gesetz mit den in den §§ 19 bis 23 enthaltenen Abweichungen auch für die Arbeitnehmerinnen, die in einem Dienstverhältnis zum Land stehen, sofern die Dienstnehmerin in einem Betrieb beschäftigt sei. Die Klägerin sei in einem Betrieb des Landes Vorarlberg tätig gewesen und habe keinerlei hoheitliche Aufgaben erfüllt. Im Falle einer Entlassung während der Schutzzeit könne die betroffene Dienstnehmerin gemäß § 22 Abs 2 MSchG innerhalb der Ausschlußfrist von 4 Wochen vom Zeitpunkt der Entlassung auf Unwirksamerklärung der Entlassung klagen. Diese absolute Ausschlußfrist sei von der Klägerin versäumt worden. Darüber hinaus erstattete die beklagte Partei ein umfangreiches Vorbringen über die Vorgänge, die zur Entlassung der Klägerin führten.

Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin von der Entlassung am 8. März 1983 Kenntnis erlangt habe, sodaß die vierwöchige Klagsfrist des § 22 Abs 2 MSchG versäumt worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000,-- übersteige. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben worden sei. Die Klägerin habe vorgebracht, seit 1. Jänner 1976 habe ein privatrechtliches Dienstverhältnis mit der beklagten Partei bestanden, die Entlassung sei in Widerspruch zu den Bestimmungen des MSchG erfolgt. Die Feststellung des Erstgerichtes, mit Wirkung vom 1. Oktober 1979 sei das privatrechtliche Dienstverhältnis der Klägerin in ein öffentlich-rechtliches übergeleitet worden, sei von dem von der Klägerin geltend gemachten Klagegrund sowie von den Einwendungen der beklagten Partei nicht umfaßt. Die beklagte Partei habe sich ebenso wie die Klägerin darauf berufen, daß auf das privatrechtliche Dienstverhältnis das MSchG anzuwenden sei. Gehe man lediglich von den Prozeßbehauptungen und dem Gegenstand der Feststellungsklage aus, sei durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf den Lauf der Frist des § 22 Abs 2 MSchG kein Einfluß genommen worden. Die Klagsfrist sei daher nicht eingehalten worden. Im übrigen sei durch das Verfassungsgerichtshoferkenntnis lediglich der Bescheid über die Entlassung als verfassungswidrig aufgehoben worden; der Bescheid über die Überleitung des privatrechtlichen Dienstverhältnisses in ein öffentlich-rechtliches sei weder durch dieses Erkenntnis noch durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1986, womit die einschlägigen Gesetzesbestimmungen aufgehoben wurden, beseitigt worden. Für Streitigkeiten über den Bestand eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses sei aber der Rechtsweg nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sowie das Ersturteil aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen; in eventu, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; in eventu, das Berufungsurteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Bereits mit dem in der Klage erstatteten Vorbringen, es sei noch nicht geklärt, ob für die Anfechtung der Entlassung das ordentliche Gericht oder die Verwaltungsbehörde zuständig sei, die Klägerin habe die Entlassung im Verwaltungsweg angefochten und mittlerweile eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde eingebracht, wurde deutlich auf die öffentlich-rechtliche Qualifikation des vorliegenden Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber hingewiesen. Die Beklagte hat in Punkt 1 ihrer Äußerung ON 4 eingeräumt, das Entlassungsschreiben des Landes-Nervenkrankenhauses vom 21. Februar 1983 sei als "Bescheid" ausgefertigt worden. Dies entsprach im übrigen auch der damaligen Rechtslage. Nach der mittlerweile aufgehobenen Bestimmung des § 126 Abs 1 des Vorarlberger Landesbedienstetengesetzes war die Dienstbehörde zur Entlassung der Landesangstellten aus den dort genannten Gründen berechtigt. Gemäß Abs 3 dieser Gesetzesstelle galt das Dienstverhältnis mit der Zustellung des Entlassungsbescheides als aufgelöst. Nach § 4 Abs 2 leg. cit ist Dienstbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Landesregierung. Nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle konnte die Landesregierung ihre Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten durch Verordnung ganz oder zum Teil einer unmittelbar nachgeordneten Dienststelle als nachgeordneter Dienstbehörde übertragen. Im Fall einer solchen Übertragung ist die nachgeordnete Dienstbehörde in erster Instanz und die Landesregierung in zweiter Instanz zuständig. Von dieser Verordnungsermächtigung hat die Vorarlberger Landesregierung auch mit der am 13. Dezember 1979 kundgemachten Verordnung LGBl. 48/1979 Gebrauch gemacht. Mit § 2 Abs 1 dieser Verordnung wurde die Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten der Landesangestellten bei den Landeskrankenanstalten - mit Ausnahme jener der leitenden Ärzte und der leitenden Angestellten in der Spitalsverwaltung - auf jene Landesanstalten übertragen, deren Personalstand diese Landesangestellten angehörten. Nach § 4 dieser Verordnung trat die Zuständigkeitsübertragung hinsichtlich der Landesangestellten im Personalstand des Landes-Nervenkrankenhauses Valduna am 1. Jänner 1980 in Kraft.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sind daher die Feststellungen des Erstgerichtes, mit Wirkung vom 1. Oktober 1979 sei das privatrechtliche Dienstverhältnis der Klägerin in ein öffentlich-rechtliches übergeleitet worden, die Entlassung sei folgerichtig mit Bescheid ausgesprochen worden und der bestätigende Bescheid der Vorarlberger Landesregierung sei infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufgehoben worden, durch das Parteienvorbringen gedeckt.

Geht man von diesen Feststellungen aus, dann stellt sich in erster Linie die Frage, ob die auf Grund eines Landesgesetzes mit Bescheid ausgesprochene Entlassung der Klägerin nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof in eine privatrechtliche Entlassungserklärung umgedeutet werden kann.

Die Lehre folgert aus den Vorschriften der §§ 878 Abs 2, 914 und 916 ABGB ganz allgemein die Zulässigkeit der Konversion von im Rahmen der Privatrechtsordnung abgeschlossenen Rechtsgeschäften unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. insbesondere M. Binder, Zur Konversion von Rechtsgeschäften, 65 ff; Gschnitzer in Klang IV/12, 170 und 411; Rummel in Rummel, ABGB Rz 10 a zu § 914; Koziol-Welser Grundriß I8 147 f), wogegen in der Judikatur Konversion vor allem auf erbrechtlichem Gebiet bejaht wird (vgl. M. Binder aaO, 62 ff sowie 143 ff). Die Frage der Konversion einer öffentlich-rechtlichen Verfügung in eine privatrechtliche Erklärung wurde hingegen, soweit überblickbar, weder in Lehre noch Rechtsprechung behandelt (auch die von M. Binder aaO, 37 Anm. 8 genannten Abhandlungen Oberndorfers "Zum Verzicht im öffentlichen Recht, insbesondere im Sozialrecht" JBl 1967, 68 ff 71 f und Mayers "Der öffentlich-rechtliche Vertrag im österreichischen Abgabenrecht" JBl 1976, 632 ff 637, behandeln nicht diese Frage, sondern die Voraussetzungen für einen Verzicht auf subjektive öffentliche Rechte sowie die Umdeutung eines unzulässigen verwaltungsrechtlichen Vertrages in einen Bescheid). Anders als im österreichischen Recht findet sich im § 140 BGB eine allgemeine gesetzliche Regelung über die Umdeutung von (privatrechtlichen) Rechtsgeschäften in andere (privatrechtliche) Rechtsgeschäfte und darüber hinaus in § 47 Verwaltungsverfahrensgesetz eine Bestimmung über die Umdeutung von fehlerhaften Verwaltungsakten in andere Verwaltungsakte. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes in ein privatrechtliches Rechtsgeschäft oder eine privatrechtliche Willenserklärung ist auch im deutschen Recht nicht ausdrücklich vorgesehen. Die deutsche Rechtsprechung - vgl. NJW 1960, 358, sowie BGHZ 76/3 - bejaht grundsätzlich die Umwandlung von ungültigen öffentlich-rechtlichen Verträgen in privatrechtliche Rechtsverhältnisse, wenn die Beteiligten bei Kenntnis der Ungültigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages an dessen Stelle eine zweckgleiche privatrechtliche Vereinbarung geschlossen hätten. In der erstgenannten Entscheidung - in der anderen wurde die Umdeutung einer nichtigen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung einer Gemeinde, einen bestimmten Bebauungsplan aufzustellen, in eine privatrechtliche Gewährleistung für die von der Gemeinde verkauften Grundstücke für zulässig erachtet - verneinte das Bundesarbeitsgericht allerdings die Umdeutung eines wegen eines Formfehlers nichtigen Beamtendienstverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis, weil zwischen dem Beamtenverhältnis und dem Arbeitsverhältnis so große rechtliche Unterschiede bestünden, daß die Umdeutung in der Regel dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten nicht gerecht werden könne. Deute man die beamtenrechtliche Entlassung in eine arbeitsrechtliche Kündigung um, hätte der Kläger nach den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes innerhalb von 3 Wochen - im Falle einer nachträglichen Zulassung von weiteren 6 Monaten - nach Zugang des Entlassungsschreibens Klage beim Arbeitsgericht erheben müssen; dazu wäre der Kläger aber nicht in der Lage gewesen, weil er erst viel später im Verlauf des Verwaltungsrechtsstreites von der Unwirksamkeit seiner Beamtenernennung erfahren habe.

Ähnliche Probleme stellen sich nun auch im vorliegenden Fall, würde man den Entlassungsbescheid - ungeachtet seiner Beseitigung als Bescheid durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes - in eine entsprechende privatrechtliche Willenserklärung umdeuten. Die Konversion eines fehlerhaften einseitigen Rechtsgeschäftes kann allerdings nie zu einem Mehr an Rechtsfolgen, somit zu einer stärkeren Belastung des Erklärungsadressaten führen, als im ursprünglichen Geschäft angestrebt wurde, da dessen Willensrichtung für das gültige Zustandekommen des einseitigen Rechtsgeschäftes nicht von Relevanz ist (siehe M. Binder aaO, 106; vgl. auch Mayer-Maly im Münchner Kommentar BGB2, Rz 28 zu § 140). Vom Standpunkt der Klägerin als Erklärungsempfängerin konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß der Wille der Beklagten bei Erlassung des Bescheides nicht anders als bei Ausspruch einer Entlassung im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses auf sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses gerichtet war (vgl. Martinek-Schwarz aaO 400 f sowie 406 f; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht 307 f), sodaß, zieht man lediglich den Inhalt der Erklärung in Betracht, auch berechtigte Interessen der Klägerin durch eine Konversion nicht beeinträchtigt würden. Nimmt man hingegen auf die formellen Rechtsfolgen der Konversion Bedacht, dann käme sie aus Sicht der Klägerin wohl nur dann in Frage, wenn ihr aus der unterschiedlichen Anfechtungsmöglichkeit kein Nachteil erwächst. Hiebei ist zu bedenken, daß die Klagsfrist nach § 22 Abs 2 MSchG nicht nur den Zweck verfolgt, die Frage der Wirksamkeit der Entlassung und damit des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses einer raschen Klärung zuzuführen; die kurze Klagsfrist trägt wie jede Verjährungs- und Präklusivfrist auch dazu bei, den Beteiligten die schwierige Beweisführung über länger zurückliegende Sachverhalte zu ersparen (vgl. Mader in Schwimann Praxiskommentar ABGB V Rz 2 zu § 1451). Im vorliegenden Fall ist nun zwar die Beklagte für das Unterbleiben der Dienstleistung beweispflichtig, die Klägerin hätte hingegen zu beweisen, daß ein rechtmäßiger Hinderungsgrund vorlag. Durch das verfassungswidrige Landesgesetz wurde die Form des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses dazu benützt, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte auf dem Gebiet des Vertragsbedienstetenrechtes zu beseitigen und im Wege der Übertragung von Dienstrechtsangelegenheiten an nachgeordnete Dienststellen einen bei dem für den Arbeitgeber vertretungsbefugten Organ endenden Rechtszug zu schaffen (vgl. auch die im Verfassungsgerichtshoferkenntnis vom 3. Dezember 1986, G 117/86, auf S 16 wiedergegebene Stellungnahme der Bundesregierung sowie die dieser Argumentation im wesentlichen folgende Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes S 36). Zieht man in Betracht, daß durch die mit dem verfassungswidrigen Landesgesetz geschaffene Rechtslage die im § 22 Abs 2 MSchG vorgesehene, auch im Interesse der Klägerin gebotene unverzügliche Klärung der Berechtigung der Entlassung durch die ordentlichen Gerichte verhindert wurde, dann wäre die Umdeutung des Bescheides in eine privatrechtliche Erklärung für die Klägerin selbst dann nachteilig, wenn man ihre Wirkungen und damit den Beginn der Klagsfrist nach § 22 Abs 2 MSchG auf jenen Zeitpunkt bezöge, zu dem die Beseitigung des verfassungswidrigen Gesetzes der Klägerin erst eine Anfechtung der Entlassung vor den ordentlichen Gerichten ermöglichte.

Da eine Umdeutung des Entlassungsbescheides in eine privatrechtliche Entlassungserklärung schon aus diesen Gründen nicht in Frage kommt, lag eine das Dienstverhältnis rechtlich beendende Entlassungserklärung nicht vor. Dies hat zur Folge, daß nicht auf Rechtsunwirksamkeit der Entlassung (rechtsgestaltend) zu klagen - die Rechts(un)- wirksamkeit einer Auflösungserklärung ist als Rechtstatsache nicht feststellungsfähig (Fasching III, 61) - sondern mit einer grundsätzlich nicht fristgebundenen Feststellungsklage vorzugehen ist.

In teilweiser Stattgebung der Revision war daher dem Klagebegehren, soweit es auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses gerichtet ist, stattzugeben, das Begehren auf Unwirksamerklärung der Entlassung hingegen abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO. In Anbetracht des Umstandes, daß die Klägerin das mit der Feststellungsklage verfolgte Rechtsschutzziel erreicht hat, war ihr formelles Unterliegen mit einem Teil des Feststellungsbegehrens als verhältnismäßig geringfügig zu qualifizieren. Kosten für das Verfahren erster Instanz wurden von der Klägerin nicht verzeichnet.

Anmerkung

E14270

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00033.88.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19880413_OGH0002_009OBA00033_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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