TE OGH 1988/4/20 14Os54/88 (14Os55/88)

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Veröffentlicht am 20.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.April 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schumacher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang H*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 27.August 1987, GZ 12 a E Vr 1531/86-17, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 1.Dezember 1987, AZ 23 Bs 509/87 (= ON 23 des Vr-Aktes) nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, in öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 12 a E Vr 1531/86 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 198 Abs. 1 StGB

1. das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 27. August 1987, ON 17, insoweit, als Wolfgang H*** damit schuldig erkannt wurde, das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB auch während des Zeitraumes vom 30.März bis 30. Juni 1987 begangen zu haben;

2. das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 1.Dezember 1987, AZ 23 Bs 509/87 (= ON 23), insoweit, als der bezeichnete Schuldspruch nicht zum Anlaß einer Maßnahme nach §§ 477 Abs. 1, 498 Abs. 1 StPO genommen wurde.

Das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt, welches im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Umfang des Schuldspruches wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB (Punkt II) sowie im Strafausspruch aufgehoben.

Gemäß §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO wird im Umfang der Urteilsaufhebung in der Sache selbst erkannt:

Wolfgang H*** wird von der Anklage, er habe auch in der Zeit vom 30.März bis 30.Juni 1987 in Oberwaltersdorf seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich dadurch verletzt, daß er für seinen Sohn Michael H*** keinen Unterhalt leistete und dadurch bewirkte, daß der Unterhalt des Kindes gefährdet war oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, und habe hiedurch das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Urteils zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich die Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB wird Wolfgang H*** gemäß §§ 28, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Wochen verurteilt.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 27.August 1987, GZ 12 a E Vr 1531/86-17, wurde Wolfgang H*** der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) sowie der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB (Punkt II) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Als Verletzung der Unterhaltspflicht liegt ihm zur Last, in der Zeit vom 6.Oktober 1986 bis 27.August 1987 in Oberwaltersdorf seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich dadurch verletzt zu haben, daß er für seinen Sohn Michael H*** (geboren am 23.Juni 1981) keinen Unterhalt leistete und dadurch bewirkte, daß der Unterhalt des Kindes ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre. Das Kreisgericht Wiener Neustadt stellte hiezu fest, daß Wolfgang H*** im genannten Zeitraum aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung verpflichtet gewesen ist, für seinen Sohn eine monatliche Unterhaltszahlung von 1.860 S zu erbringen, jedoch bloß am 30.März 1987 einen Betrag von 1.000 S und am 13.Mai 1987 einen Betrag von 3.000 S bezahlt hat. Mit seinen Verbindlichkeiten aus dieser Unterhaltsverpflichtung war Wolfgang H*** (bezogen auf den 31. August 1987) mit einer Gesamtsumme von 98.642,82 S im Rückstand. Der Beschuldigte bekämpfte das erstgerichtliche Urteil mit Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, wogegen der öffentliche Ankläger den Strafausspruch ebenfalls mit Berufung anfocht. Die Berufung des Wolfgang H*** wegen Nichtigkeit wurde zurückgezogen.

Mit Urteil vom 1.Dezember 1987, AZ 23 Bs 509/87, gab das Oberlandesgericht Wien der allein gegen den Schuldspruch wegen schwerer Körperverletzung gerichteten Schuldberufung des Angeklagten und den beiden Strafberufungen keine Folge (ON 23). In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils brachte das Oberlandesgericht zum Ausdruck, daß der Meinung der Oberstaatsanwaltschaft Wien zuwider die beiden Unterhaltszahlungen des Angeklagten vom 30.März und 13.Mai 1987 die Annahme einer Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB im gesamten aktuellen Deliktszeitraum nicht hinderten und insoweit keine Maßnahme nach §§ 477 Abs. 1, 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO zugunsten des Verurteilten geboten sei. Das Berufungsgericht ließ sich dabei von der Überlegung leiten, daß die erste Zahlung nicht einmal annähernd dem monatlichen Unterhaltsbetrag entsprochen habe und beide Zahlungen ohne Widmung geleistet worden seien. Zufolge des Fehlens von Widmungen und angesichts des erheblichen Unterhaltsrückstandes könne darin keine vom Zahlungspflichtigen beabsichtigte Leistung des laufenden Unterhaltes, sondern lediglich eine "geringfügige Schadensgutmachung" erblickt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Schuldspruch des Wolfgang H*** wegen Verletzung der Unterhaltspflicht auch in Ansehung des Zeitraumes vom 30.März bis 30. Juni 1987 steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Die Strafbestimmung des § 198 Abs. 1 StGB richtet sich gegen gröbliche Unterhaltspflichtverletzungen und demgemäß nicht gegen jegliche rechtswidrige Unregelmäßigkeit bei der Unterhaltsleistung, sondern gegen qualifizierte Verstöße. Eine tatbestandsmäßige Verletzung liegt vor, wenn der leistungsfähige Täter seiner Verpflichtung geraume Zeit überhaupt nicht oder nur zum Teil nachkommt, wobei das für die Subsumtion entscheidende zeitliche oder betragliche Ausmaß des Verzuges keiner Schematisierung zugänglich ist (SSt. 55/66, EvBl. 1979/150). Anläßlich der Beurteilung von nicht näher gewidmeten Leistungen eines Unterhaltspflichtigen für den Unterhaltsberechtigten ist bei mehreren rechtlich zulässigen Verrechnungsmöglichkeiten jedenfalls nach der für den Verpflichteten günstigsten Möglichkeit abzurechnen (SSt. 37/44), ohne daß es dabei darauf ankommt, ob ein Zahlungsrückstand besteht und welche Höhe er erreicht hat.

Im Anlaßfall entsprach die Zahlung von 1.000 S am 30.März 1987 etwa dem Unterhaltsbetrag für einen halben Monat und war demnach vom Ausmaß her nicht so geringfügig, daß sie bei der rechtlichen Beurteilung gänzlich außer Betracht bleiben konnte. Diese Leistung war ebenso wie die Zahlung von 3.000 S am 13.Mai 1987 mangels festgestellter Hinderungsgründe zugunsten des Angeklagten als Erbringung des laufenden Unterhalts zu werten. Gewiß hat Wolfgang H*** auch damals dadurch, daß seine erste Zahlung die Höhe des festgesetzten Monatsbetrages nicht erreichte und die nächste Leistung überhaupt erst etwa vier Wochen nach dem betragsmäßig abgedeckten Unterhaltszeitraum erfolgte, seine Unterhaltspflicht verletzt, jedoch ist bei Gesamtwürdigung der zeitlichen Zusammenhänge und Berücksichtigung des Ausmaßes der zweiten Zahlung eine Gröblichkeit der darin gelegenen Verstöße in der spezifisch tatbestandsmäßigen Bedeutung nicht anzunehmen (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 198 RN 15). Vielmehr muß dem Unterhaltsverpflichteten unbeschadet der Unvollständigkeit und Verspätung seiner Leistungen zugebilligt werden, ab 30.März 1987 im Gegensatz zu seinem früheren Verhalten durch Erbringung der beiden in Rede stehenden Zahlungen in der Gesamtsumme von 4.000 S seiner Unterhaltspflicht für die folgenden drei Monate bis 30.Juni 1987 zum überwiegenden Teil und in einem Umfang nachgekommen zu sein, der die Annahme einer gröblichen Unterhaltspflichtverletzung noch nicht zuläßt.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren daher die aufgezeigten Gesetzesverletzungen festzustellen und gemäß § 292 letzter Satz StPO (nach Aufhebung des gesetzwidrigen Teiles des betroffenen Schuldspruchs und des Strafausspruchs) zu beheben.

Auf Grund der vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe und unter Bedacht darauf, daß beim Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht (Punkt II) nun ein kürzerer Tatzeitraum vorliegt, erscheint die verhängte Freiheitsstrafe in der im Spruch bezeichneten (etwas herabgesetzten) Höhe als der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) angemessen.

Der Gewährung bedingter Strafnachsicht bzw. der Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB standen angesichts der (beim Vergehen nach § 198 StGB) wiederholten einschlägigen Delinquenz des Angeklagten wichtige Gründe der Spezialprävention entgegen.

Anmerkung

E14100

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00054.88.0420.000

Dokumentnummer

JJT_19880420_OGH0002_0140OS00054_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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