TE OGH 1988/4/27 3Ob512/88

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Veröffentlicht am 27.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Pflegschaftssache für die mj. Kinder 1.) Sarita S***, geb. 17. Juni 1978 und 2.) Tania S***, geb. 12. Dezember 1979, wohnhaft beim Vater, infolge Revisionsrekurses des Vaters Amos S***, Angestellter, Wien 18, Gustav-Tschermak-Gasse 11/I/2, vertreten durch Dr. Otto Kern ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. Jänner 1988, GZ 47 R 56/88-135, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 4. Dezember 1987, GZ 1 P 106/83-129, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die elterlichen Rechte und Pflichten für die Kinder Sarita S***, geb. 17. Juni 1978, und Tania S***,

geb. 12. Dezember 1979, stehen dem Vater zu. Der Mutter war bisher ein Besuchsrecht an jedem zweiten Samstag von 10 bis 18 Uhr und an jedem folgenden Sonntag von 9 bis 18 Uhr eingeräumt. Da die Mutter jetzt in Schweden wohnt, konnte sie in letzter Zeit ihr Besuchsrecht nur etwa alle sechs Wochen ausüben.

Nunmehr stellt sie den Antrag, das Besuchsrecht dahin zu ändern, daß sie gegen rechtzeitige Anmeldung in Abständen von etwa sechs Wochen die beiden Kinder von Samstag 10 Uhr bis Sonntag 18 Uhr zu sich nehmen kann.

Der Vater spricht sich gegen diesen Antrag aus, wobei er vor allem darauf hinweist, daß die Mutter ihre Adresse in Schweden nicht bekannt gibt, sodaß sie nicht zur Unterhaltsleistung herangezogen werden könne, auf die die Kinder wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Lage angewiesen seien. Weiters macht er geltend, es bestehe die Gefahr, daß die Mutter die Kinder ins Ausland verbringe. Das Erstgericht wies den Antrag der Mutter ab. Es verwies auf die Stellungnahme des Jugendamtes, wonach die Auswirkungen einer Nächtigung bei der Mutter, die in Österreich keinen Wohnsitz habe, auf das Wohl der Kinder nicht beurteilt werden könnten. Den Kindern könne zugemutet werden, am Samstag abends jeweils nach Hause zum Vater zu fahren und am Sonntag früh wider die Mutter zu treffen. Dadurch blieben die Kinder in ihrer gewohnten Umgebung. Es liege nicht in ihrem Interesse, sie bei der Mutter übernachten zu lassen. Im Zusammenhang mit der Begründung der Abweisung eines Besuchsrechtes für die Zeit vom 27. Dezember 1987 bis 3. Jänner 1988 (nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens) führte das Erstgericht aus, die Befürchtung des Vaters, die Kinder könnten ins Ausland verbracht werden, sei unwiderlegt. Wenn die Mutter schon ihre Adresse nicht angebe, weil sie Repressalien des Vaters befürchte, müsse sie gegen sich auch die Befürchtung des Vaters gelten lassen, sie könnte Schritte in die Wege leiten, die Kinder seiner Pflege und Erziehung zu entziehen.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Mutter das Besuchsrecht in Abständen von sechs Wochen in der von ihr beantragten Form gewährt wird. Es vertrat die Auffassung, daß die Kinder jetzt ein Alter erreicht hätten, in dem ihnen eine Übernachtung außer Hauses alle sechs Wochen zugemutet werden könne. Dies gelte auch für den gegebenen Fall, daß die Mutter nicht mehr bei einer Freundin, sondern in einem Hotel wohne, wenn sie in Österreich weilt. Gerade wenn die Mutter wegen ihres Auslandsaufenthaltes die Kinder nur selten besuchen könne, sollten die Besuche nicht während der Nacht unterbrochen werden. Eine Entführung ins Ausland wäre auch möglich, wenn keine Übernachtung stattfinde. Da die Mutter aber in den letzten zwei Jahren nie Anstalten zu einer Entführung gemacht habe, sei diese Gefahr zu vernachlässigen. Die früher angenommene Gefahr, die Mutter könnte die Nachtzeit mit irgendwelchen Vergnügungen verbringen, bestehe bei den jetzt nur zum Zwecke der Ausübung des Besuchsrechtes vorgenommenen Österreichaufenthalten nicht. Auf den Umstand, daß sie ihre Adresse nicht bekannt gebe, sei bei der Regelung des Besuchsrechtes nicht Bedacht zu nehmen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt. Hinweise auf frühere Verhaltensweisen der Mutter, als diese über ihre eigene Zukunft und das künftige Schicksal der Kinder noch im unklaren war, sind nicht zielführend. Wenn sich die Mutter nach den Behauptungen des Vaters zuletzt am 30. April 1985 um die Ausstellung von Reisepässen für die Kinder bemüht hat, muß eine solche Absicht nicht auch noch jetzt bestehen. Die vom Vater immer wieder hervorgehobene Gefahr, die Mutter könne die Kinder außer Landes bringen, ist zwar abstrakt gegeben; konkrete Anhaltspunkte für eine solche Gefahr liegen aber nicht vor. Wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vaters jetzt so schlecht sind, wie er selbst immer betont, besteht auch keine Erpressungsgefahr. Richtig an der Argumentation des Vater ist nur, daß die theoretisch immer schon gegebene Gefahr erhöht wird, wenn die Kinder künftig am Samstag abends nicht mehr in seine Wohnung zurückkommen müssen, weil der Mutter eine längere Zeit zur Verfügung stünde. Die Besorgnisse des Vaters sind aber letzten Endes nicht begründet; denn die Mutter hat nun schon zwei Jahre lang ihr Besuchsrecht nicht mißbraucht. Ob die Mutter ihren Wohnort in Schweden berechtigterweise verheimlicht, spielt für das Besuchsrecht keine Rolle. Der Anspruch auf persönlichen Verkehr mit dem Kind besteht unabhängig von der Erfüllung der Unterhaltspflicht durch den Besuchsberechtigten (EFSlg 43.228).

Im Interesse einer Aufrechterhaltung der persönlichen Beziehungen der Kinder zu ihrer Mutter entspricht aber die Ausdehnung des Besuches um eine Nächtigung dem Wohl der Kinder. Sie sollen die Mutter alle sechs Wochen auch einmal beim Einschlafen erleben und beim Aufwachen vorfinden und etwas länger als nur zweimal etliche Stunden mit ihr zusammen sein. Die mit einer Nächtigung an einem fremden Ort verbundenen Irritationen spielen bei einem Kind im schulpflichtigen Alter keine besondere Rolle mehr (3 Ob 572/85, 7 Ob 628/86, 7 Ob 593/87). Anhaltspunkte dafür, daß sich die Kinder in einem von der Mutter gemieteten Hotelappartement nicht wohl fühlen könnten, liegen nicht vor.

Anmerkung

E14150

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00512.88.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19880427_OGH0002_0030OB00512_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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