TE OGH 1988/5/11 9ObA84/88

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Veröffentlicht am 11.05.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Stefan Seper und Anton Tauber als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Bruno P***, Pensionist, Linz, Spatzenhofstraße 1, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei H*** Baugesellschaft mbH, Linz, Bürgerstraße 11, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wegen 201.025 S brutto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Dezember 1987, GZ 12 Ra 1115/87-13, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18. August 1987, GZ 15 Cga 15/87-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 17.928,25 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 720,75 S Umsatzsteuer und 10.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 9. Juli 1925 geborene Kläger war bei der beklagten Partei vom 1. Mai 1950 bis 31. August 1957 und vom 1. April 1959 bis 31. Dezember 1982 als Angestellter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 1982 durch Kündigung des Arbeitgebers. Bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bezog der Kläger ein Gehalt inklusive Überstundenpauschale von 81.890 S. Am 23. November 1965 schloß der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei einen Pensionsvertrag ab. Die Pensionsberechnungsgrundlage aus diesem Vertrag beträgt 62.737 S. Der Kläger bezieht seit 1. Juli 1986 eine Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung von derzeit monatlich 17.826 S. Der Kläger begehrt für die Zeit ab 1. Juli 1986 eine monatliche Firmenpension von 40.206 S (mit dem Klagsbetrag von 201.025 S werden die Pensionsansprüche für Juli bis November 1986 geltend gemacht). Gemäß Punkt 6 des Pensionsvertrages stehe dem Kläger die Firmenpension zu, sobald aus der gesetzlichen Pensionsversicherung Leistungen gewährt werden. Eine die Interessen der beklagten Partei verletzende Konkurrenztätigkeit habe der Kläger nicht entfaltet; überdies gelte die Konkurrenzklausel im Punkt 13 des Vertrages nur für den Fall, daß der Begünstigte Leistungen aus dem Vertrag beziehe, nicht aber für den Zeitraum zwischen dem Ausscheiden bei der beklagten Partei und dem Anfall der Firmenpension. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe gegen Punkt 13 des Pensionsvertrages (Unterlassen jeder Konkurrenztätigkeit ohne Zustimmung der beklagten Partei) verstoßen, indem er nach seinem Ausscheiden aus den Diensten der beklagten Partei bei der Konkurrenzfirma D*** & W*** eingetreten sei und deren Linzer Niederlassung geleitet habe. Außerdem führe die Tätigkeit bei der Konkurrenzfirma wegen vorsätzlicher Schädigung wichtiger Interessen der beklagten Partei gemäß Punkt 13 Absatz 2 des Pensionsvertrages zum Erlöschen sämtlicher Ansprüche aus diesem Vertrag. Die Pension stehe dem Kläger auch deshalb derzeit noch nicht zu, weil gemäß Punkt 5 der Anfall der Pension entweder von einer dauernden Berufsunfähigkeit oder von der Vollendung des 65. Lebensjahres abhängig sei. Schließlich sei für die Pensionsbemessung erst die Zeit ab 1. Jänner 1953 zu berücksichtigen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger war ab 1959 Leiter der Filiale der beklagten Partei in Steyr. Im Jahr 1965 war die wirtschaftliche Entwicklung bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, der Ernst H*** Tief- und Hochbau OHG, gut. Daraufhin wurde für mehrere Mitarbeiter der beklagten Partei, unter anderem auch für den Kläger, ein Pensionsvertrag vom Personalchef Hermann S*** vorbereitet. Dieser Vertrag wurde dem Kläger von Ernst H*** übergeben, ohne daß die einzelnen Formulierungen besprochen wurden. Der Kläger, Ernst H*** und Hermann S*** gingen davon aus, daß der Kläger bis zu seinem 65. Lebensjahr bei der Firma H*** bleiben, dann in Pension gehen und die Firmenpension erhalten werde. Was bei einem Ausscheiden des Klägers aus dem Unternehmen gelten sollte und wie der Kläger nach einer allfälligen Kündigung durch den Arbeitgeber beruflich tätig sein dürfe, ohne den Anspruch aus dem Pensionsvertrag zu verlieren, wurde bei der Unterzeichnung des Pensionsvertrages nicht besprochen. Der Geschäftsführer der Firma H*** OHG, Ernst H***, und Hermann S*** gingen

davon aus, daß eine Pension, außer im Falle eines Unfalles, erst mit dem 65. Lebensjahr anfallen werde. Der Kläger meinte, daß er im Falle der Kündigung durch die beklagte Partei die Firmenpension mit dem Anfall der gesetzlichen Pension erhalte. Der Pensionsvertrag diente für beide Teile auch dazu, eine gewisse Sicherstellung dafür zu erhalten, daß nicht ein Teil vorzeitig das Dienstverhältnis beende. Der Pensionsvertrag bedeutete in den Zeiten der damaligen Hochkonjunktur einen gewissen Gehaltsverzicht des Klägers zugunsten einer Sicherstellung seines Pensionseinkommens. Punkt 13 der Vereinbarung wurde von Ernst H*** so verstanden, daß der Kläger nicht berechtigt sei, gegen die Interessen der Firma H*** zu handeln, insbesondere daß er nicht in den Diensten eines anderen Unternehmens die Erfahrungen und Kenntnisse, die er bei der beklagten Partei erworben hatte, zum Schaden der Firma H*** einsetze. Der Kläger verstand den Punkt 13 Absatz 1 der Pensionsvereinbarung so, daß diese Konkurrenzklausel erst dann wirksam werde, wenn Zahlungen aus dem Pensionsvertrag erfolgen. Über Absatz 2 dieses Punktes wurde bei Abschluß der Vereinbarung ebenfalls nichts gesprochen.

Der am 23. Dezember 1965 zwischen dem Rechtsvorgänger der beklagten Partei und dem Kläger abgeschlossene Pensionsvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"........

                              2.

Die Pension beträgt nach 10 pensionsfähigen Dienstjahren 40 %

(40 vH) der Pensionsbemessungsgrundlage und steigt vom 11. bis zum

20. anrechenbaren pensionsfähigen Jahr um 3 % (3 vH) je Jahr, im 21.

bis 30. Jahr jährlich um 2 % (2 vH) und vom 31. bis 40.

anrechenbaren Jahr jährlich um 1 % (1 vH), so daß die Pension nach

20 pensionsfähigen Jahren 70 % (70 vH), nach 30 Jahren 90 % (90 vH)

und nach 40 Jahren 100 % der Bemessungsgrundlage erreicht. Darüber

hinaus findet ein weiteres Steigen der Pension nicht mehr statt.

.........

                              4.

Die für die Bemessung anzurechnende Zeit zählt vom 1. Jänner

1953 ......

5.

Der Anfall der in diesem Vertrag geregelten Pension setzt die Auflösung des Dienstverhältnisses von Seiten der Firma H*** oder die dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne der Angestelltenversicherung (die durch einen Bescheid oder durch ein Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten bestätigt wird) oder die Vollendung des 65. Lebensjahres voraus. Bei Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 27 AngG gilt der Pensionsanspruch als verwirkt. Eine durch Krankheit oder Unglücksfall bedingte längere Dienstverhinderung gilt jedoch nicht als ein dem Dienstnehmer schädlicher Tatbestand.

Im Falle der Berufsunfähigkeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres gebührt die Pension insoferne und insolange ein Anspruch auf eine gleichartige Rente aus der gesetzlichen

Pensionsversicherung der Angestellten besteht.

6.

Wird das Dienstverhältnis von der Firma H*** gekündigt, ohne daß gleichzeitig eine Rente aus der gesetzlichen Pensionsversicherung der Angestellten anfällt, so bleibt dem Dienstnehmer bzw. dessen Angehörigen die Pensionsanwartschaft, wie sie im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses bestand, gewahrt. Die Pension fällt daher erst dann an, sobald eine Pension aus der gesetzlichen Pensions- oder Unfallversicherung gewährt wird.

.......

                             12.

Die jeweiligen Pensionen werden um den Betrag, den der

Pensionsberechtigte aus der gesetzlichen Sozialversicherung erhält,

gekürzt.

.........

                             13.

Herrn Dipl.Ing. P*** und dessen pensionsberechtigten

Angehörigen ist es nicht gestattet, ohne ausdrückliche Genehmigung

der Firma H*** selbständig oder unselbständig im Geschäftszweig

der Firma H*** tätig zu werden. Bei Nichteinhaltung dieses

Vertragspunktes ist die Firma H*** berechtigt, die

Pensionszahlungen endgültig einzustellen.

Weiters erlischt der Anspruch auf Pensionsbezüge, wenn der

Bezugsberechtigte oder Personen, denen nach ihm Versorgungsbezüge

zustehen, wichtige Interessen der Firma H*** vorsätzlich

schädigen sollte.

.........

17.

Abänderungen des vorliegenden Pensionsübereinkommens sind nur dann rechtswirksam, wenn sie von allen offenen Gesellschaftern schriftlich bestätigt werden."

Am 25. Februar 1974 schloß die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei mit dem Kläger einen Dienstvertrag mit nachstehendem wesentlichen Inhalt ab:

"Wir haben mit Ihnen, Herr

Direktor Dipl.Ing. P*** Bruno, geb. 9.7.1925, wohnhaft 4020 Linz,

Spatzenhofstraße 1,

vorliegenden

D I E N S T V E R T R A G

mit Wirkung vom 1. Jänner 1974 als Fortführung ihres bisherigen Dienstvertrages vom 21. November 1967 abgeschlossen.

......

                             18.

Ihre Vordienstzeit wird Ihnen ab 1. Juli 1950 ohne Unterbrechung

für alle dienstrechtlichen und kollektivvertraglichen Regelungen

voll anerkannt. Dies gilt auch für den mit Ihnen abgeschlossenen

Pensionsvertrag vom 23.12.1965.

......"

Dieser Dienstvertrag wurde von Ernst H*** samt Stampiglie der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei "Bauunternehmung Ernst H*** Hoch- und Tiefbau OHG" sowie vom Kläger unterfertigt. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1981 wurde der Kläger von der beklagten Partei zum 31. Dezember 1982 unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer Umstrukturierung im Rahmen der Geschäftsführung gekündigt.

Seit 1953 war der Kläger auch als Ziviltechniker tätig. Aus dieser Tätigkeit bezog er nur ein vergleichsweise geringes Einkommen; sie diente primär der Unterstützung seiner unselbständigen beruflichen Tätigkeit. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses mit der beklagten Partei trat der Kläger in die Dienste der Firma D*** & W*** Österreich Gesellschaft mbH, einem selbständigen Unternehmen, dessen Geschäftsführer in Deutschland am Stammsitz des Unternehmens tätig sind. Der Kläger war Leiter der beiden österreichischen Niederlassungen in Wien und Linz. Nach dem Ausscheiden des Klägers kam es zu keinen Kontakten mehr mit der beklagten Partei. Daß der Kläger Kunden zur Firma D*** & W*** abgeworben oder in anderer Form gegen die beklagte Partei gearbeitet hätte, kann nicht festgestellt werden. Arbeitsgebiet der beklagten Partei ist der Wohnbau, der Tiefbau und in kleinerem Ausmaß der Industriebau. Hauptbetätigungsgebiet der Firma D*** & W*** ist der Industriebau und Tiefbau, weiters die Tätigkeit als Bau-Generalunternehmer. Die Firma D*** & W*** war bereits vor dem Eintritt des Klägers bei Brückensanierungen tätig. Wegen der zufriedenstellenden Sanierung einer Autobahnbrücke in Niederösterreich wurde sie auch der oberösterreichischen Landesbaudirektion empfohlen. Sie beteiligte sich an öffentlichen Ausschreibungen ebenso wie die beklagte Partei. Diese hat keinen einzigen Auftrag deshalb nicht erhalten, weil sie nach der Firma D*** & W*** zweitbester Bieter gewesen wäre. Die Firma D*** & W*** wurde im Jahre 1985 häufig zu Autobahnsanierungen in Oberösterreich herangezogen, weil sie der Bestbieter war. Der Kläger war im Rahmen seiner aquisitorischen Tätigkeit für die Firma D*** & W*** bemüht, Auftraggeber des deutschen Stammhauses auch für Österreich zu gewinnen; in diesem Bereich war die beklagte Partei überhaupt nicht tätig. Während des Arbeitsverhältnisses mit der Firma D*** & W*** war der Kläger weiterhin auch als Ziviltechniker tätig. Die Tätigkeit als Zivilingenieur wurde dem Kläger während der Tätigkeit bei der beklagten Partei ausdrücklich genehmigt. Diese Genehmigung wurde nach dem Ausscheiden des Klägers nicht widerrufen. Den Eintritt des Klägers bei der Firma D*** & W*** hat die beklagte Partei nicht genehmigt.

Nach dem Pensionsvertrag errechnet sich die Höhe der monatlichen Pension für das Jahr 1986 mit 38.637,30 S, bei Zugrundelegung der Ergänzung durch den Dienstvertrag vom 25. Februar 1974 mit 40.206 S monatlich.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die mit Punkt 13 des Pensionsvertrages vereinbarte Konkurrenzklausel nur für den Zeitraum gelte, ab dem die beklagte Partei Pensionszahlungen zu leisten habe, weil darin von einer "Einstellung" der Pensionszahlungen die Rede sei. Beziehe man aber die Konkurrenzklausel auch auf den Zeitraum zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der beklagten Partei und dem Beginn der Pensionszahlungen, komme man zu keinem anderen Ergebnis, weil die Vereinbarung nach § 37 Abs 2 AngG wegen Kündigung durch den Arbeitgeber und wegen unbilliger Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers unwirksam sei. Die Pension stehe dem Kläger schon vor dem 65. Lebensjahr, nämlich ab dem Zeitpunkt des Anfalles der Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung zu. Bezüglich der im Punkt 5 des Pensionsvertrages als Voraussetzung für den Pensionsanfall alternativ zur Berufsunfähigkeit des 65. Lebensjahres genannten Auflösung des Arbeitsverhältnisses von Seiten der Firma H*** werde in Punkt 6 näher festgelegt, daß dem Kläger die Pensionsanwartschaft erhalten bleibe, die Pension aber erst anfalle, sobald eine Pension aus der gesetzlichen Pensions- oder Unfallversicherung gezahlt werde. Der Einwand, der Dienstvertrag vom 25. Februar 1974 sei nicht von allen persönlich haftenden Gesellschaftern gezeichnet worden, sei nicht stichhaltig, weil persönlich haftender Gesellschafter des Vertragspartners "Bauunternehmung Ernst H*** Hoch- und Tiefbau OHG" Ernst H*** und die H*** Bau KG gewesen seien. Einziger

Komplementär der Kommanditgesellschaft sei wieder (Dipl.Ing.) Ernst H*** gewesen. Mit der Zeichnung durch Ernst H*** sei daher Punkt 17 des Pensionsvertrages vom 23. Dezember 1965 entsprochen worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, daß üblicherweise die in einem Pensionsvertrag enthaltene Treueklausel auch für die Zeit der Pensionsanwartschaft gelten solle. Punkt 13 des Pensionsvertrages sei im Hinblick auf die Formulierung in Absatz 2 "weiters erlischt der Anspruch" in seiner Gesamtheit so zu verstehen, daß ein Zuwiderhandeln gegen die Treueverpflichtung im Sinne des Absatzes 1 ebenso wie die vorsätzliche Verletzung von Interessen des Arbeitgebers unabhängig davon, ob der Pensionsbezug schon aktualisiert sei, das Erlöschen des Anspruches bewirke. Da der Pensionsvertrag ein einseitig verbindlicher Vertrag sei, komme die Auslegungsregel des § 915 erster Fall ABGB zum Tragen, wonach im Zweifel anzunehmen sei, daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wolle. Treuepflichtklauseln in Pensionszusagen seien weiters nicht nach den §§ 36 und 37 AngG zu beurteilen, weil sie nicht die Wettbewerbsfreiheit des Ruhegeldempfängers beschnitten, sondern an dessen Konkurrenztätigkeit "lediglich" das Recht des Zahlungspflichtigen knüpften, die Pensionszusage zu widerrufen. Im Gegensatz zur echten Konkurrenzklausel könne die Pflicht des Ruhegeldempfängers, Konkurrenztätigkeiten zu unterlassen, nicht durchgesetzt werden; die Verletzung einer derartigen Treuepflichtklausel löse auch keine Schadenersatzforderungen aus, sondern bewirke "lediglich" die Entziehung des Ruhegeldes oder den Verlust der Anwartschaft. Eine Treuepflichtklausel sei nur dann sittenwidrig, wenn sich ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch sie verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergebe. Vor abschließender Beurteilung der Zulässigkeit der Treuepflichtklausel sei im fortgesetzten Verfahren die Höhe der Abfertigungszahlung, die der Kläger erhalten habe, sowie die Frage zu prüfen, ob der Kläger eine nicht gegen die Konkurrenzklausel verstoßende Beschäftigung hätte aufnehmen können. Die übrigen Rechtsfragen seien vom Erstgericht richtig gelöst worden. Die Formulierung im Punkt 13 Absatz 2 des Pensionsvertrages sei im Sinne eines bewußt schädigenden Verhaltens auszulegen; daß dem Kläger ein solches Verhalten zur Last falle, sei nicht erwiesen. Auch darin, daß das Erreichen des 65. Lebensjahres nur eine der alternativen Möglichkeiten für den Anfall des Pensionsbezuges sei, sei dem Erstgericht zu folgen; andernfalls hätte es einer gesonderten Regelung des Anspruches auf Betriebspension ab dem Zeitpunkt der Leistung gesetzlicher Pensionszahlungen im Punkt 6 des Pensionsvertrages nicht bedurft.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, durch Urteil in der Sache selbst im Sinne des Klagebegehrens zu erkennen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat eine in einer Pensionsvereinbarung enthaltene Treuepflichtklausel bisher lediglich in der Entscheidung vom 12. Februar 1970, 1 Ob 20/70 (= Arb. 8.703 = ZAS 1973/16 mit Anmerkung von Holzer), beurteilt. In dieser Entscheidung setzte sich der Oberste Gerichtshof mit der Anwendbarkeit der §§ 36 und 37 AngG nicht auseinander; er befaßte sich im Hinblick auf das auf den Einwand der Sittenwidrigkeit beschränkte Vorbringen des Klägers - ein Vorbringen in Richtung der §§ 36, 37 AngG war nicht erstattet worden - lediglich mit der Frage, ob die getroffene Vereinbarung als sittenwidrig im Sinne des § 879 ABGB zu qualifizieren sei. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen - eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung ist auch im ungekürzten Text der Entscheidung nicht enthalten -, daß der als Vorstandsmitglied der beklagten Partei tätige Kläger hiefür seine Arbeitskraft nicht voll einsetzte und auch in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens tätig war. Bis zur Einbeziehung der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in das Angestelltengesetz mit der Novelle BGBl. 418/1975 war die Anwendbarkeit des Angestelltengesetzes gemäß § 1 Abs 1 letzter Halbsatz der alten Fassung davon abhängig, daß das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Angestellten hauptsächlich in Anspruch nahm (vgl. Martinek-Schwarz AngG6 69). Auch Holzer erkannte dieses Hindernis für die Anwendbarkeit des Angestelltengesetzes auf jenen Fall, setzte sich darüber aber in seiner Entscheidungsbesprechung ZAS 1973, 135 hinweg ("Mithin ist weiters davon auszugehen, daß der Kläger dem Angestelltengesetz unterlag, wenngleich eine Wendung in der Entscheidung, derzufolge der Kläger seine Arbeitskraft der Beklagten nicht voll widmen konnte, Zweifel hinsichtlich der hauptsächlichen Inanspruchnahme erwecken könnte. Dem kann aber mangels jedweder näherer Umschreibung in der Entscheidung nicht weiter nachgegangen werden. Im übrigen kann unterstellt werden, daß die Tätigkeit eines Vorstandsmitgliedes eine hauptsächliche Inanspruchnahme mit sich bringt. Damit stellt sich die Frage, ob die gegenständliche Wettbewerbsabrede den Beschränkungen des § 36 AngG unterliegt"). Er folgerte ganz allgemein aus dieser Entscheidung die Unanwendbarkeit der in § 36 AngG getroffenen Regelung auf Ruhegeldversprechen auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis dem Angestelltengesetz zu unterstellen ist. Dieser durch die Begründung der Entscheidung ZAS 1973/16 nicht gedeckte Rechtssatz fand in der Folge unter Hinweis auf die Besprechung Holzers Eingang in die Lehre (siehe Schwarz-Holzer, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre künftige Gestaltung, 115, Anm. 69; Martinek-Schwarz AngG6, 700 f und Petrovic in Runggaldier/Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung, 327 Anm. 91).

Da sich demnach aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung nichts über die Anwendbarkeit der §§ 36 und 37 AngG auf eine in einer mit einem Angestellten im Sinne dieses Gesetzes getroffene Pensionsvereinbarung enthaltene Treuepflichtklausel gewinnen läßt, bedarf diese erstmals an den Obersten Gerichtshof herangetragene Frage einer eingehenden Prüfung unter Bedachtnahme auf die Qualität einer in einer Pensionsregelung enthaltenen Wettbewerbsbeschränkung, die als Sanktion den Verfall von Pensionsanwartschaften oder Pensionsansprüchen vorsieht, sowie auf den Zweck der in den §§ 36 und 37 AngG getroffenen Regelung.

Gleichgültig, ob man mit der herrschenden österreichischen Lehre

und Judikatur die Betriebspension als Entgelt für bereits erbrachte

Dienste oder als Entgelt vor allem dafür ansieht, daß sich der

Arbeitnehmer während seines ganzen oder eines erheblichen Teiles

seines Berufslebens in die Dienste (dieses einen) Arbeitgebers

gestellt hat (vgl. Petrovic aaO 318 mwH insbesondere in Anm. 43),

ist eine Pensionsvereinbarung als entgeltliches Geschäft zu

qualifizieren, bei dem der Arbeitnehmer vorgeleistet hat und nun

seinem Partner gleichsam "auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist"

(vgl. Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis 134). Scheidet

der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, nach Absolvierung der

Wartezeit, aber vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Unternehmen

aus, dann verfügt er über eine voll entstandene, bloß noch nicht

fällige Forderung, die unter der auflösenden Bedingung seines

vorzeitigen Todes steht (vgl. Petrovic aaO 324). Der Verlust einer

derartigen Forderung ist, wie Steindl in Runggaldier/Steindl,

Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung, 391 f überzeugend

darlegt, als Vertragsstrafe zu qualifizieren, die das Ausmaß der

üblicherweise in Konkurrenzklauseln gemäß § 37 Abs 3 AngG

vereinbarten Konventionalstrafen im allgemeinen bei weitem

übertrifft. Nimmt man weiters darauf Bedacht, daß bei Vereinbarung

einer Konventionalstrafe für den Fall des Zuwiderhandelns gegen die

Konkurrenzklausel der Arbeitgeber nur die verwirkte

Konventionalstrafe nicht aber Erfüllung der Unterlassungspflicht

verlangen kann und die Konventionalstrafe dem richterlichen

Mäßigungsrecht unterliegt, dann versagt das von Holzer gegen die

Anwendbarkeit der §§ 36 und 37 AngG ins Treffen geführte Argument,

bei der Treuepflichtklausel handle es sich gegenüber der durch ein

Wettbewerbsverbot begründeten Unterlassungspflicht um eine

Rechtspflicht minderer Intensität. Qualifiziert man daher den

Verfall der vom Kläger erworbenen Pensionsanwartschaft als eine die

Konkurrenzierung der beklagten Partei sanktionierende

Vertragsstrafe, dann sind die §§ 36 und 37 AngG unmittelbar auf die

gegenständliche Treuepflichtklausel anwendbar, und zwar für den

Zeitraum vor Anfall der Pension, in dem der Kläger auf die

Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen war. Das Argument des

Erstgerichtes, die Verwirkung nach Punkt 13 Absatz 1 der

Pensionsvereinbarung setze eine Konkurrenztätigkeit während der

Pensionszahlungen voraus, weil nur dann solche Zahlungen eingestellt werden könnten, hat - zusätzlich - viel für sich, weil die Parteien nach den Feststellungen grundsätzlich von einem Pensionsanfall nach Erreichen des 65. Lebensjahres ausgingen. Da die beklagte Partei das Arbeitsverhältnis gekündigt hat und weder behauptet noch bewiesen wurde, daß der Kläger hiezu durch schuldbares Verhalten Anlaß gegeben hätte, ist es der beklagten Partei gemäß § 37 Abs 2 AngG verwehrt, die Rechte aus der vereinbarten Treuepflichtklausel gegen den Kläger geltend zu machen.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß die von der beklagten Partei nicht bekämpfte Ansicht des Berufungsgerichtes, aus den in den Punkten 5 und 6 des Pensionsvertrages getroffenen Regelungen ergebe sich, daß die Betriebspension auch dann gebühre, wenn die gesetzliche Alterspension vor Erreichen des 65. Lebensjahres gewährt werde, auch vom Obersten Gerichtshof geteilt wird.

Damit erweist sich die Sache als im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils spruchreif, ohne daß es der vom Berufungsgericht vermißten weiteren Feststellungen bedürfte. Dem Rekurs war daher Folge zu geben und durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen (§ 519 Abs 2 zweiter Satz ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00084.88.0511.000

Dokumentnummer

JJT_19880511_OGH0002_009OBA00084_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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