TE OGH 1988/5/18 1Ob544/88

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Veröffentlicht am 18.05.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*** S***, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 1,099.670,80 S sA und Feststellung (Streitwert 400.000 S), infolge von Rekursen der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10. Dezember 1987, GZ 5 R 220/87-23, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 20. August 1987, GZ 16 Cg 88/86-17, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Keinem der beiden Rekurse wird Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

In Verträgen, die für die klagende Partei von den Bezirkshauptmännern der im L*** S*** gelegenen Bezirkshauptmannschaften und für die beklagte Partei von der Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz in den Jahren 1964 bis 1969 abgeschlossen wurden, wurde die klagende Partei berechtigt und verpflichtet, bei den Bezirkshauptmannschaften und ihren Exposituren Stempelmarken gemäß dem Stempelmarkengesetz, BGBl. 1964/24, und der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 11.Mai 1964, BGBl. 1964/89, zum Nennwert zu verkaufen. Der Verkäufer hat nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse einen Vorrat mindestens in Höhe eines Wochenbedarfes für den Verkauf bereitzuhalten. Gemäß § 6 der Verträge beträgt die Provision des Verkäufers 3 %. Der beklagten Partei wurde das Recht eingeräumt, die Höhe der Provision neu festzusetzen. Im Falle einer Herabsetzung der Provision hat die Finanzlandesdirektion den Verkäufer hievon drei Monate vor dem Inkrafttreten der neu festgesetzten Provision schriftlich zu verständigen. Jeder Vertragsteil ist gemäß § 8 der Verträge berechtigt, den Vertrag dreimonatig jeweils zum Monatsende mittels eingeschriebenen Briefes zu kündigen. Die beklagte Partei änderte mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1986 den Provisionssatz dahin ab, daß die Provision bis zu einem Jahresbezug von 300.000 S 3,5 %, vom Mehrbetrag über 300.000 S bis 600.000 S 2 % und vom Mehrbetrag über 600.000 S 1 % beträgt. Die gestaffelte Provision wird jeweils vom Umsatz jeder Bezirkshauptmannschaft berechnet. Im Jahre 1986 wurde bei den insgesamt 18 Stempelmarkenverschleißstellen der klagenden Partei ein Umsatz von 133,737.003 S erzielt. Hiefür gewährte die beklagte Partei der klagenden Partei eine Provision von 1,715.310 S. Unter Zugrundelegung des Provisionssatzes von 3 % würde die Provision 4,012.110 S betragen. Die Auszahlung der Provision erfolgt in der Weise, daß die Provision bei einem Bezug von Stempelmarken sofort vergütet wird. Mit Entscheidung vom 21.März 1985, P 111-4/1984, sprach der Berufungssenat der Finanzlandesdirektion für Steiermark aus, daß die Tätigkeit der klagenden Partei in den 18 Stempelmarkenverschleißstellen bei den Bezirkshauptmannschaften und politischen Exposituren als gewerblicher Betrieb einzustufen sei. Die Körperschaftssteuer für das Jahr 1982, der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag für das Jahr 1982, die Vorauszahlung an Körperschaftssteuer und der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag für Vorauszahlungen für das Jahr 1984 und die Folgejahre wurde in diesem Bescheid mit null Schilling festgesetzt. Die Bruttoprovision der klagenden Partei aus dem Verschleiß der Bundesstempelmarken betrug im Jahre 1982 3,079.176,41 S.

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß die Verpflichtung der beklagten Partei zur Bezahlung einer Provision in Höhe von 3 % über den 1. Jänner 1986 hinaus fortbesteht. Sie begehrt weiters den Zuspruch des Betrages von 1,099.670,80 S sA. Die klagende Partei brachte vor, die beklagte Partei habe durch die einseitig verfügte Kürzung der Provision um 57 % der klagenden Partei, die beim Verschleiß der Stempelmarken bisher nur knapp kostendeckend gearbeitet habe, die Betriebskosten einseitig aufgelastet, sich selbst im entsprechenden Ausmaß finanziell entlastet und das ihr vertraglich in Ansehung der Provisionshöhe eingeräumte Gestaltungsrecht in unbilliger Weise ausgeübt. Wäre das der beklagten Partei eingeräumte Gestaltungsrecht dahin zu verstehen, daß es die beklagte Partei willkürlich ausüben könne, wäre diese Vertragsbestimmung gemäß § 879 ABGB sittenwidrig. Der klagenden Partei stehe daher weiterhin ein Anspruch auf Provision in der Höhe von 3 % des Umsatzes zu. Für das erste Halbjahr 1986 betrage der Provisionsentfall 1,099.670,80 S.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die geänderten Provisionssätze hätten nur der wesentlichen Erhöhung der in Form von Stempelmarken zu entrichtenden Gebühren Rechnung getragen. Die den Gebietskörperschaften gewährten Vergütungen seien jenen der privaten Stempelmarkenverkäufer angeglichen worden, womit eine sachlich nicht zu vertretende Besserstellung der Gebietskörperschaften beseitigt worden sei. Die Stempelmarkenverschleißstellen der klagenden Partei würden unwirtschaftlich geführt, könnten doch Privatpersonen mit den zugestandenen Provisionssätzen weiterhin Gewinne erwirtschaften. Die Vorgangsweise der beklagten Partei sei weder sittenwidrig noch habe sie die Maßstäbe von Treu und Glauben verletzt, vielmehr habe sie nach billigem Ermessen gehandelt. Die klagende Partei habe auch nach dem 1. Jänner 1986 weiterhin Stempelmarken übernommen und vertrieben, die Vergütungen vorbehaltslos zur Zahlung angenommen und damit schlüssig einer Vertragsänderung zugestimmt.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:

Der der klagenden Partei für den Vertrieb der Stempelmarken zuzurechnende Aktiv- und Pensionsaufwand habe im Jahre 1982 2,665.000 S und der Sachaufwand 216.000 S betragen. Im Jahre 1982 habe die klagende Partei Gewerbesteuer im Betrag von 455.936 S zu entrichten gehabt, so daß sich insgesamt ein Verlust aus dem Gewerbebetrieb in der Höhe von 257.779,59 S ergeben habe. Unter Berücksichtigung des Entfalls der Verpflichtung zur Bezahlung von Gewerbesteuer verbleibe für das Jahr 1982 ein Gewinn in der Höhe von 198.156,41 S, das sind 6,435 % der Bruttoprovision. Oberregierungsrat Dr. Franz K*** von der klagenden Partei habe gegenüber der beklagten Partei bei mehreren mündlichen Vorsprachen im Herbst 1985 auf die Unstatthaftigkeit der Änderung der Provisionssätze hingewiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, der beklagten Partei sei vertraglich in Ansehung der Festsetzung der Provisionshöhe ein Gestaltungsrecht eingeräumt worden. Bei Ausübung dieses Rechtes dürfe der im Vertrag selbst gesetzte Rahmen nicht überschritten werden; das Ergebnis der Festsetzung dürfe auch nicht offenbar unbillig sein. Nach der seinerzeitigen Vertragsregelung habe die klagende Partei Bundesstempelmarken gerade kostendeckend verschleißen können. Nach der einseitig verfügten Änderung der Provisionssätze stünden der klagenden Partei nur mehr Provisionsansprüche in der Höhe von 42,75 % der seinerzeitigen Provision zu, so daß ein kostendeckender Verschleiß nicht mehr gegeben sei. Die Gebühren seien im selben Maß wie die Löhne gestiegen; eine Änderung der Verhältnisse, die ein Abgehen von der seinerzeitigen Provisionsregelung rechtfertige, sei nicht zu erkennen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Sache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Festlegung der Gegenleistung für eine Leistung könne nicht nur beim Kauf, sondern bei jedem Rechtsgeschäft iS des § 1056 ABGB einer der Parteien übertragen werden; die von der Partei getroffene Bestimmung der Gegenleistung unterliege insofern richterlicher Kontrolle, als eine Partei an eine grob unbillige Preisfestsetzung der anderen Partei nicht gebunden sei. Dieser Grundsatz habe auch für das der beklagten Partei in den mit der klagenden Partei über den Vertrieb von Stempelmarken abgeschlossenen Verträgen eingeräumte Gestaltungsrecht zu gelten. Offenbar unbillig sei ein Ergebnis dann, wenn die Maßstäbe von Treu und Glauben in gröbster Weise verletzt werden und die Unrichtigkeit der Festsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar sei. Ob die beklagte Partei das ihr eingeräumte Gestaltungsrecht in grob unbilliger Weise ausgeübt habe, könne noch nicht abschließend beurteilt werden. Es stehe nicht einmal fest, welche Gegebenheiten auf Seiten der klagenden Partei im Zeitpunkt der Vertragserrichtung vorgelegen waren, welchen Geschäftszweck sie voraussetzte und welche kostenmäßigen Überlegungen sie veranlaßte, die Verträge zu schließen. Die Beurteilung der Angemessenheit der von der beklagten Partei vorgenommenen Änderung der Provisionssätze könne sich auch nicht an einem im Finanzverfahren errechneten steuerlichen Gewinn orientieren. Das Erstgericht werde vielmehr das Gutachten eines Sachverständigen aus dem Fach der Betriebswirtschaft bzw. Betriebsführung zur Ermittlung des betriebswirtschaftlichen Gewinns aus dem Vertrieb der Stempelmarken einzuholen haben. Dabei werde von einer sachlich fundierten Kostensituation zumindest im letzten Jahr der Vertragserrichtung, also im Jahre 1969, auszugehen sein. Die Kosten und der Umsatz des Jahres 1969 seien den Kosten und dem Umsatz des Jahres 1986 gegenüberzustellen. Erst auf dieser Grundlage werde sich beurteilen lassen, ob die nunmehr festgesetzte Provision nach dem im allgemeinen anzuerkennenden Prinzip der Degression den Vertrieb für die klagende Partei unrentabel gestalte. Nach den Ergebnissen des zu ergänzenden Beweisverfahrens komme unter Umständen auch eine nur teilweise Korrektur der Provisionssätze in Betracht. Von einer vorbehaltslosen Zustimmung der klagenden Partei zur Neuregelung könne nicht gesprochen werden, weil Oberregierungsrat Dr. Franz K*** von der klagenden Partei der beklagten Partei gegenüber mehrmals die Neufestsetzung der Provisionen als unzulässig bezeichnet habe. Auch die im Vertrag der klagenden Partei eingeräumte Kündigungsmöglichkeit hindere die klagende Partei nicht daran, am Vertrag festzuhalten und die gesetzmäßige Ausübung des der beklagten Partei eingeräumten Gestaltungsrechtes gerichtlich überprüfen zu lassen.

Rechtliche Beurteilung

Den gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekursen der Streitteile kommt Berechtigung nicht zu.

Es ist in Rechtsprechung und Lehre unbestritten, daß die Festlegung der Gegenleistung für eine Leistung nicht nur beim Kauf, sondern bei jedem Rechtsgeschäft im Sinne des § 1056 ABGB nicht nur einer dritten Person, sondern auch einer der Parteien des Rechtsgeschäftes überlassen werden kann (NZ 1986, 207; SZ 56/32;

JBl. 1980, 151; HS 9474/13; Mayer-Maly in Klang, Komm.2, IV 2, 257;

Koziol-Welser, Grundriß8 I 307; Aicher in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1056). Das ABGB normiert keine Grenzen, innerhalb derer dem zur Preisbestimmung Berufenen ein Gestaltungsrecht eingeräumt wäre. Gleichwohl ist es einhellige Auffassung, daß die Leistungsbestimmung nicht der Willkür des Berufenen überlassen bleibt (Aicher aaO Rz 8 zu § 1056). Nach der Rechtsprechung unterliegt die Preisbestimmung durch eine Partei insoferne der richterlichen Kontrolle, als eine Partei an eine grob unbillige - und nicht, wie die klagende Partei meint, an eine schlicht unbillige - Preisfestsetzung durch die andere Partei nicht gebunden ist (RdW 1987, 325; SZ 56/32; SZ 55/44;

JBl. 1980, 151; HS III/16; SZ 25/46). Die Preisbestimmung hat sich an der Austauschgerechtigkeit im Einzelfall zu orientieren, für die wieder die Interessenlage beider Parteien von Bedeutung ist (Aicher aaO Rz 8 zu § 1056). Dem Vertragsteil, dem die Festsetzung einer Leistung überlassen wird, soll damit gewiß auch ein Spielraum eingeräumt werden, innerhalb dessen ein (der gerichtlichen Überprüfung zugänglicher) Ermessensfehler nicht vorliegt. Wird die Ermessensgrenze überschritten, kann die verfehlte - grob unbillige - Preisfestsetzung durch den Richter korrigiert werden (vgl. JBl. 1980, 151; in diesem Sinne wohl auch Franz Bydlinski in JBl. 1975, 248).

Die klagende Partei macht zunächst geltend, daß in den abgeschlossenen Verträgen ein richterliches Kontrollrecht nicht vereinbart worden sei und ein solches, wenn überhaupt, nur bei Zielschuldverhältnissen anzuerkennen sei, nicht aber bei einem Dauerschuldverhältnis wie dem vorliegenden. Diese Ausführungen gehen daran vorbei, daß die klagende Partei selbst die richterliche Überprüfung der von der beklagten Partei vorgenommenen Neufestsetzung der Provisionen auf ihre Angemessenheit begehrt. Es besteht auch kein Grund, eine richterliche Überprüfung der einer Partei eingeräumten Möglichkeit zur einseitigen Leistungsfestsetzung auch bei Dauerschuldverhältnissen nicht anzuerkennen. Die klagende Partei meint nur, daß dann, wenn die Neufestsetzung der Provisionssätze grob unbillig ist, es bei der bisherigen vertraglichen Regelung zu verbleiben hat. Dieser Auffassung ist jedoch nicht beizutreten. In einem solchen Fall ist vielmehr auch eine bloß teilweise Korrektur der Provisionssätze möglich. Da die Angemessenheit der seinerzeit in den Verträgen gewährten Provision von 3 % von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, ist von der Angemessenheit der seinerzeitigen Regelung auszugehen. Es ist der klagenden Partei darin zu folgen, daß die Bestimmung des § 6 der abgeschlossenen Verträge gemäß § 914 ABGB dahin zu verstehen ist, daß eine Änderung des Provisionssatzes nur insoweit erfolgen darf, als für die klagende Partei daraus kein (offenbar) unbilliges Ergebnis resultiert. Das wäre dann der Fall, wenn die Neufestsetzung der Provision nicht etwa der Relation zwischen Aufwendungen und Provisionserträgen entspräche, wie sie zur Zeit der Vertragsabschlüsse gegeben war. Die Neufestsetzung wäre hingegen nicht unbillig, wenn die beklagte Partei damit nur ein Auseinanderklaffen des bei Vertragsabschluß bestandenen Verhältnisses zwischen dem mit dem Vertrieb der Kostenmarken verbundenen Aufwand und den Provisionseinkünften vermeiden wollte. Eine solche Entwicklung könnte durch eine seit dem Vertragsabschluß vorgenommene unverhältnismäßige Erhöhung der Gebühren eingetreten sein; die klagende Partei selbst verwies darauf (ON 3, Pkt. VI), daß die Gebühr für eine Eingabe am 1. Mai 1965 15,-- S, am 1. Mai 1986 aber 120,-- S betragen habe. Von einer unbilligen Ausübung des Gestaltungsrechtes durch die beklagte Partei könnte nicht gesprochen werden, wenn sie nur das überproportionale Ansteigen der Einnahmen der klagenden Partei verhindern wollte. Es könnte dann auch die erstmals vorgenommene Abstufung der Provisionssätze akzeptiert werden. Die klagende Partei behauptet allerdings, daß sich auch die Bruttobezüge der Bediensteten im selben Ausmaß wie die Gebühren erhöht hätten.

Daß der klagenden Partei durch die Neuregelung im ersten Halbjahr 1986 Provisionen im Betrag von 1,099.670,80 S entgangen sind bzw. die Provisionseingänge auf 42,75 % gesenkt wurden, läßt für sich allein noch nicht den Schluß zu, daß die Änderung des Provisionssatzes in unbilliger Weise erfolgte. Zur Prüfung der Unbilligkeit des Vorgehens der beklagten Partei bedarf es der Feststellung des Verhältnisses des Aufwandes beim Vertrieb zum Erlös im Zeitpunkt nach Abschluß der Verträge und im Zeitpunkt der von der beklagten Partei verfügten Änderung. Eine gesonderte Prüfung des Aufwandes bei sämtlichen 18 Verwaltungsstellen wird von den Streitteilen nicht gewünscht. Bei den Gerichten erfolgt der Vertrieb von Gerichtskostenmarken, soweit nicht private Kostenmarkenverkäufer tätig werden, durch Bedienstete der Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppe D bzw. d (§ 29 Abs. 5 Geo; nunmehr mittlerer Dienst). Höhere Anforderungen an die mit dem Stempelmarkenverkauf befaßten Bediensteten sind auch nicht an die mit dem Vertrieb von Stempelmarken befaßten Bediensteten zu stellen, so daß der Feststellung der Aufwandsentwicklung seit Abschluß der Verträge die Bezugsansätze eines Bediensteten der genannten Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppe mit mittlerer Dienstzeit zugrundezulegen sein werden. Die seither eingetretene Erhöhung des Sachaufwandes wird an Hand eines Indexwertes zu erfolgen haben; die Frage, welcher Index die Steigerung des Sachaufwandes am zutreffendsten wiedergibt, wird mit den Parteien zu erörtern sein. Auch Kapitalkosten, die durch die vorschußweise Bestreitung des Aufwandes für den Einkauf der Stempelmarken auflaufen, werden angemessen (§ 273 ZPO) zu berücksichtigen sein. Auf die Ergebnisse einer steuerlichen Gewinnermittlung beim Vertrieb der Stempelmarken kommt es hingegen nicht an. Daß die beklagte Partei bisher von der im Vertrag eingeräumten Möglichkeit der Kündigung keinen Gebrauch gemacht hat, läßt einen Schluß darauf, daß sie mit der Gestion der klagenden Partei (Einsatz von Bediensteten höherer Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppen) einverstanden gewesen wäre, nicht zu; auch kann aus der unterlassenen Aufkündigung des Vertrages durch die klagende Partei nicht auf ihr Einverständnis mit der von der beklagten Partei verfügten Änderung geschlossen werden.

Den Ausführungen der beklagten Partei, die Ausübung des Gestaltungsrechtes könne eine Vertragsauflösung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der geänderten Provisionshöhe beinhalten, ist entgegenzuhalten, daß beide Streitteile, ungeachtet der Neuregelung der Provision, vom Weiterbestand des Vertrages ausgehen. Das Gestaltungsrecht war auch in den Verträgen vorgesehen und bedeutet daher keine Vertragsauflösung, sondern Anpassung.

Ob das Erstgericht die ergänzenden Feststellungen nur an Hand des Gutachtens eines Sachverständigen zu treffen vermag, wird es selbst zu beurteilen haben; eine umfassende betriebswirtschaftliche Prüfung ist jedenfalls nicht erforderlich. Sollte das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zum Ergebnis gelangen, daß die Herabsetzung der Provision nicht in vollem Ausmaß gebilligt werden kann, wird dies bei der Entscheidung über das Leistungsbegehren zu berücksichtigen sein. Grundsätzlich ist zwar nach Rechtsprechung und Lehre auch bei Feststellungsklagen der Zuspruch eines minus zulässig (JBl. 1960, 154; JBl. 1957, 132; JBl. 1956, 563 u.a.; Fasching, Kommentar III 650), doch läßt das gestellte Feststellungsbegehren, das ausdrücklich auf die Feststellung des Fortbestandes der von der beklagten Partei in den mit der klagenden Partei abgeschlossenen Verträgen übernommenen Verpflichtung zur Zahlung einer Provision in der Höhe von 3 % über den 1.Jänner 1986 hinaus gerichtet ist, eine teilweise Stattgebung nicht zu.

Demzufolge ist beiden Rekursen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E14325

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00544.88.0518.000

Dokumentnummer

JJT_19880518_OGH0002_0010OB00544_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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