TE OGH 1988/5/31 4Ob17/88

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Veröffentlicht am 31.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gerhard Z***, Rechtsanwalt in Kitzbühel, Posthof, als Masseverwalter im Konkurs der Edith G***, Gastwirtin, Reith 241 (S 99/87 des Landesgerichtes Innsbruck), wider die beklagte Partei Caroline E***, Gastwirtin, Klagenfurt, Universitätsstraße 25, vertreten durch Dr. Gerhard Kochwalter und Dr. Wilhelm Watzke, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung, Beseitigung und Schadenersatz (Streitwert im Provisorialverfahren 200.000,- S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 18. September 1987, GZ 1 R 166/87-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. Juli 1987, GZ 19 Cg 142/87-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.360,65 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 669,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Edith G*** betreibt nach ihren eigenen Behauptungen seit 11 Jahren in Kitzbühel, Kirchberg, Kössen und Saalfelden "English Pubs" unter der "Firma" (gemeint wohl: Geschäftsbezeichnung) "THE L***". Zu ihren Gunsten ist beim Österreichischen Patentamt mit der (Anmeldungs-)Priorität vom 20. März 1986 und dem Beginn der Schutzdauer am 21. Oktober 1986 die nachstehende Wort-Bild-Marke Nr. 114282 für Dienstleistungen der Klasse 42 (Lieferung von fertig zubereiteten Speisen oder Getränken) eingetragen:

Edith G*** bedient sich in ihrem Werbematerial, auf Speisen- und Getränkenkarten, Aufklebern, Aufnähern, Visitenkarten, Briefpapier und ähnlichem dieser Wort-Bild-Marke, deren Bildteil eine "John Bull"-Figur darstellt.

Die Beklagte betreibt in Klagenfurt ein "English Pub" unter der Bezeichnung "THE M***" in einem dem Wortbestandteil der Marke Edith G*** ähnlichen Schriftzug (gleiche Schrifttype). Auch sie verwendet im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes das Bild einer Figur, und zwar:

Zur Sicherung eines im wesentlichen gleichlautenden Unterlasssungsanspruches beantragte Edith G*** die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Beklagten das Führen eines Betriebes

"unter dem Namen 'M***' in Anlehnung an 'THE L***'

English Pubs, insbesondere ist das Lokal ebenso mit einer langgezogenen Bar ausgestattet, mit großzügigem Bewegungsraum für das Bedienungspersonal, mit eng angeordneten niedrigen Tischchen, Bänken und Hockern. Die Ausstattung ist in dunklem, warmen Grün, dazwischen rotes Schottenmuster, so an den Säulen. Wände und Bar sind mit allerlei Dekorationsstücken mit Bezug auf Großbritannien versehen, über der Bar steht eine Balustrade, an denen Biergläser hängen, die Flaschen sind offen an der Wand angeordnet, Ähnlichkeit besteht bis zu der Zapfsäule in der Art des Jugendstiles und den Dekorationsgegenständen, wie Fähnchen und Mützen. In völliger Identität werden auch die Leistungen durch an die Wände geheftete und von der Bar hängenden Schildern angeboten, darunter auch besondere Veranstaltungen, wie zum Beispiel ebenfalls in genauer Anlehnung ein 'Musik der 60iger Jahre-Abend'. Die angebotenen Leistungen sind ebenso Getränke aller Art, sowie Snacks. Ebenso wird die Popmusik in gleicher Lautstärke als Hintergrundmusik gespielt," verboten werden möge. Die von ihr geführten "Londoner Pubs" hätten eine ganz charakteristische Einrichtung und seien längst zu einem Begriff geworden. Der Mittelpunkt sei eine langgestreckte Bar mit Barhockern über deren ganze Länge und mit ausreichender Bewegungsfreiheit für die Barbedienung. An den hinteren Wandstellagen oder auch auf den darüber befindlichen Balustraden stünden jede Menge Flaschen, Gläser hingen an Haken. Im übrigen Gastraum fügten sich kleine Tischchen, Bänke und Hocker eng aneinander. Die Einrichtung sei - in Anlehnung an die englischen Nationalfarben - vorwiegend rot gehalten; ansonsten herrschten - wegen der "Pub-Atmosphäre" - warme, dunkle Farben vor. Über Wände und Bar sei allerlei Zierwerk - ebenfalls mit britischem und internationalem Bezug - verteilt. Es werde Faßbier und auch sonst jede Art von Getränken - von Limonaden über Cocktails, Spirituosen, Wein und Exportbier, sowie Bier im Maßkrug oder in noch größerer Menge - serviert. Über Tonträger werde Popmusik - zwar nicht in Diskothekenlautstärke, aber lauter als nur Hintergrundmusik - gespielt. Den Gästen sei in der Art ihrer Unterhaltung keine Beschränkung auferlegt. "THE L***" vermittle eine ganz spezifische Atmosphäre des Sich-Wohlfühlens, Unterhaltens, des zwanglosen Beisammenseins, des "good live".

Edith G*** und Ehemann seien bestrebt, mit dem Namen und der besonderen Ausstattung der "L***"-Betriebe ein Franchising-Netz aufzubauen. Die Beklagte habe sich bei ihr als Interessentin gemeldet; sie habe im Rahmen einer Betriebsbesichtigung Fotografien angefertigt und sei über das "System" und darüber informiert worden, daß das gesamte Paket "THE L***" geschützt sei. Dennoch habe sie nunmehr in Klagenfurt unter dem Namen "M***" ein English Pub in "ganz offenbar sklavischer Nachahmung" des "L***" errichtet. Durch die Verwendung des gleichen Schriftzuges und einer dem "John Bull" nachgebildeten Figur verstoße sie gegen das Markenschutzgesetz. Im übrigen weise ihr Lokal nicht nur exakt die gleiche Einrichtung und Betriebsart wie "THE L***" auf; es versuche auch, die "gleiche Lebensart" zu vermitteln. Damit verstoße die Handlungsweise der Beklagten auch gegen § 1 UWG. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ohne vorherige Anhörung der Beklagten ab. Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als bescheinigt an und verneinte in rechtlicher Hinsicht einen Eingriff der Beklagten in die Markenrechte Edith G***. Weder sei die Bezeichnung "THE M***" verwechselbar ähnlich mit "THE L***", noch treffe solches im Verhältnis zwischen der "John Bull"-Figur und der von der Beklagten verwendeten Figur zu. Bei den Lokalausstattungen handle es sich um "Charakteristika eines Pubs". Eine solche übliche Ausstattung für eine bestimmte Art von Lokalen sei nicht schützbar; auch hier müsse die Verwechslungsgefahr verneint werden.

Das Rekursgericht verbot der Beklagten mit einstweiliger Verfügung

"das Führen eines Gastgewerbeunternehmens unter dem Namen 'M***' unter Verwendung einer dem 'John Bull' ähnlichen Figur in Anlehnung an das Unternehmen 'THE L***' in der für dieses typischen Ausstattungs- und Betriebsform (Ausstattung mit einer langgezogenen Bar mit großzügigem Bewegungsraum für das Bedienungspersonal, mit eng angeordneten niedrigen Tischen, Bänken und Hockern, Ausstattung in dunklem warmen Grün, dazwischen rotes Schottenmuster, so an Säulen, Anbringung von allerlei Dekorationsstücken mit Bezug auf Großbritannien an den Wänden und der Bar, Anbringung einer Balustrade über der Bar, an der Biergläser hängen, Anordnung offener Flaschen an der Wand, Ausbildung der Zapfsäule in Art des Jugendstils, Verwendung von Dekorationsgegenständen wie Fähnchen und Mützen, Anbot von Leistungen durch an die Wände geheftete von der Bar hängende Schilder, darunter auch besonderer Veranstaltungen, wie z.B. in genauer Anlehnung an die Lokale der Klägerin ein 'Musik der 60iger Jahre-Abend', Anbieten von Getränken aller Art sowie Snacks in dieser Art, Abspielen von Popmusik in gleicher Lautstärke wie in den Lokalen der Klägerin als Hintergrundmusik)".

Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 15.000,- S nicht aber 300.000,- S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Folgenden Sachverhalt nahm das Gericht zweiter Instanz noch ergänzend als bescheinigt an:

Die von der Beklagten verwendete Figur trägt ebenso wie der von Edith G*** verwendete "John Bull" die englische Flagge. Ansonsten ist die Kleidung der von der Beklagten verwendeten Figur ebenso wie jene des "John Bull" in Rot und Gelb gehalten. Das Gesicht der - einen Clown darstellenden - Figur der Beklagten strahlt ebenso wie jenes des "John Bull" Lebensfreude aus. Die Beklagte verwendet in ihrem Betrieb ebenso wie Edith G*** ein blau-rot umrandetes Kärtchen mit den Worten in schwarzer Blockschrift: "PLEASE DON'T T*** G*** FOR PEE PEE". Auf den Kärtchen beider Parteien ist die von ihnen verwendete Figur abgebildet. Ausstattung und Betriebsform des Lokals der Beklagten sind im übrigen ebenfalls weitgehend jener des Lokals der Edith G*** ähnlich.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Rekursgericht die verwechselbare Ähnlichkeit der von der Beklagten verwendeten Bezeichnung "THE M***" sowie der von ihr verwendeten Figur mit der Wort-Bild-Marke Edith G***. Die Beklagte habe insofern gegen § 9 Abs 3 UWG verstoßen. Darüber hinaus habe sie auch durch die planmäßige Nachahmung der Ausstattung und Betriebsform die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 UWG erfüllt.

Noch vor Zustellung der Rekursentscheidung wurde am 2. Oktober 1987 zu S 99/87 des Landesgerichtes Innsbruck der Konkurs über das Vermögen Edith G*** eröffnet. Das unterbrochene Verfahren wurde durch Aufnahmebeschluß des Erstgerichtes vom 23. Dezember 1987, ON 13, auf Grund der vom Masseverwalter gemäß § 7 Abs 2 KO abgegebenen Aufnahmeerklärung wieder aufgenommen. Mit diesem - mittlerweile in Rechtskraft erwachsenen - Beschluß wurden auch der während der Dauer der Unterbrechung von der Beklagten erhobene Revisionsrekurs und Widerspruch sowie die Revisionsrekursbeantwortung des Masseverwalters zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Der nunmehr von der Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt, die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers ist verspätet.

Das Rekursgericht hat an sich richtig erkannt, daß eine Unterlassungsklage wegen Verletzung eines Markenrechtes nach österreichischem Recht nicht auf das Markenschutzgesetz, sondern nur auf den § 9 UWG gestützt werden kann (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 136; ÖBl 1971, 21; vgl. auch ÖBl 1974, 84; 4 Ob 367/81). Für den Unterlassungsanspruch nach dieser Gesetzesstelle genügt objektive Verwechslungsgefahr, welche dann vorliegt, wenn durch den Gebrauch der Marke oder des ihr ähnlichen Zeichens die Annahme einer Unternehmensidentität oder von Nahebeziehungen wirtschaftlicher oder organisatorischer Art zwischen den beiden Unternehmen hervorgerufen werden könnte (ÖBl 1983, 80 mwN). Gemäß § 14 MSchG sind Zeichen ähnlich im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn die Gefahr besteht, daß sie im geschäftlichen Verkehr verwechselt werden. Die Verwechslungsgefahr besteht bei Wortbezeichnungen dann, wenn sie entweder im Wortklang oder im Wortbild oder im Wortsinn einander so nahe kommen, daß Verwechslungen im Verkehr entstehen können; es kommt dabei auf den Gesamteindruck, nicht aber auf eine zergliedernde Betrachtung an. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Zeichenadressaten die beiden Bezeichnungen fast niemals gleichzeitig wahrnehmen, sondern nur mehr oder weniger verschwommene Erinnerungsbilder mit den konkret wahrgenommenen Bezeichnungen vergleichen können. Im allgemeinen wird Verwechslungsgefahr schon dann angenommen, wenn sie nach einem der drei Ähnlichkeitskriterien (Wortbild, Wortklang, Wortsinn) gegeben ist; ein deutlich verschiedener Begriffsinhalt kann aber akustische und/oder optische Ähnlichkeit in den Hintergrund drängen (ÖBl 1986, 92 und 129 mwN). Bei einer Wort-Bild-Marke ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem Kennwort, soweit es unterscheidungskräftig ist, zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (ÖBl 1985, 105 mwN). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, daß die Bezeichnung "THE M***" und die oben wiedergegebene Clown-Figur der Wort-Bild-Marke der Gemeinschuldnerin nicht verwechselbar ähnlich sind. In beiden Fällen sind zwar die Wortbestandteile der Zeichen englischsprachige Bezeichnungen; jene der Klägerin bedeutet übersetzt "Der Londoner", nimmt also Bezug auf die britische Landeshauptstadt und bezeichnet einen Einwohner dieser Stadt. "THE M***" bedeutet "Das Manchester"; es nimmt zwar Bezug auf eine andere britische Großstadt, nicht aber unmittelbar auf deren Einwohner. Auch wenn die angesprochenen Publikumskreise diesen Unterschied überwiegend mangels entsprechender Sprachkenntnisse nicht vollständig erkennen werden, sind doch die beiden Bezeichnungen sowohl nach dem Wortbild als auch nach dem Wortklang und dem Wortsinn so verschieden, daß von einer Verwechslungsgefahr keine Rede sein kann; sie weisen nämlich deutlich auf zwei verschiedene britische Großstädte hin. Im Zusammenhang mit den von den Parteien betriebenen Gastwirtschaftsbetrieben wird das Publikum zwar ein Lokal im Stil eines englischen Pubs, also einer aus "public house" abgeleiteten englischen Gaststätte (Kneipe, Wirtshaus; vgl. zum Stichwort "Pub":

Enzyclopaedia Britannica, Bd VIII; Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd 5; Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd 5), erwarten; damit ist aber weder eine Verwechslungsgefahr im engeren noch eine solche im weiteren Sinn verbunden, weil die angesprochenen Verkehrskreise - so wie bei den zahlreichen Pubs in Großbritannien selbst - auch im Ausland von vornherein ohne besondere weitere Hinweise nicht auf den Gedanken verfallen werden, zwischen diesen einzelnen Gaststätten bestehe eine Unternehmensidentität oder zumindest ein organisatorischer oder wirtschaftlicher Zusammenhang.

Dasselbe gilt für die beiden Bildzeichen. Das Markenbild der Klägerin zeigt einen in heftiger Tanzbewegung nach hinten geneigten, lachenden Mann im vorne weit offen stehenden Cut; das linke Bein ist abgewinkelt und nach vorne hochgehoben, die beiden Arme sind nach hinten gerissen und von den Ellbogen an jeweils nach unten (rechts) bzw. nach oben (links) abgewinkelt; in der rechten Hand schwingt er einen Spazierstock, in der linken einen Zylinderhut. Die Figur der Beklagten stellt dagegen - auf den ersten Blick erkennbar - einen lachenden Clown mit aufgesetztem Hut in ruhender Frontstellung dar. Er steht mit beiden Beinen am Boden, seine Füße in überdimensionalen Schuhen sind nach außen abgewinkelt; beide Hände sind V-förmig nach oben ausgestreckt, die anatomisch viel zu großen Handflächen waagrecht abgewinkelt. Auf der rechten Handfläche steht ein volles Bierglas. Bei dieser Sachlage kann von einer Verwechslungsgefahr keine Rede sein; die beiden Figuren unterscheiden sich vielmehr bereits auf den ersten Blick so deutlich, daß auch die vom Rekursgericht hervorgehobene, von ihnen ausgestrahlte Lebensfreude und die teilweise ähnliche Fargebung ihrer Kleidung keinerlei Ähnlichkeitsvorstellungen zu wecken vermag. Auf die in beiden Fällen auf der Weste der Figuren sichtbare britische Staatsfahne kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil diese als solche nicht schützbar ist (§ 4 Abs 1 Z 1 lit a MSchG) und im übrigen wiederum nur eine Assoziation an eine englische Gaststätte im oben dargelegten Sinn erwecken könnte.

Mangels einer täuschungsfähigen Benützung der Wort-Bild-Marke der Gemeinschuldnerin durch die Beklagte ist daher ein Unterlassungsanspruch nach § 9 Abs 3 UWG zu verneinen. Die von der Gemeinschulnderin in ihrem Sicherungsantrag im einzelnen näher umschriebene Lokalausstattung und Betriebsart könnte zwar eine zur Unterscheidung des Unternehmens von anderen Unternehmen bestimmte Einrichtung im Sinne des § 9 Abs 3 UWG sein (vgl. Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 46 f;

Koppensteiner aaO 142; ÖBl 1984, 106 ua), den Schutz dieser Gesetzesstelle aber nur unter der dort normierten Voraussetzung der Verkehrsgeltung genießen. Eine solche Verkehrsgeltung wurde jedoch im erstinstanzlichen Verfahren weder behauptet, noch ist eine solche entgegen den Ausführungen des Rekursgerichtes bescheinigt. Aus der bloßen Behauptung der Gemeinschuldnerin - die von den Vorinstanzen im übrigen in keiner Weise als bescheinigt angenommen worden ist -, sie betreibe bereits seit geraumer Zeit mehrere Lokale in den Bundesländern Tirol und Salzburg, kann nämlich eine nach § 9 Abs 3 UWG erforderliche Verkehrsgeltung für ihre Geschäftseinrichtung und Betriebsform noch keineswegs zwingend abgeleitet werden.

Das Rekursgericht ist in diesem Zusammenhang im Sinne des Antragsvorbringens von einer über die Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs 3 UWG hinausreichenden Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG ausgegangen und hat - allerdings nur global - eine bewußte Nachahmung der Ausstattung und Betriebsform der English Pubs der Gemeinschuldnerin durch die Beklagte als bescheinigt angenommen. Voraussetzung für die Sittenwidrigkeit einer gegen § 1 UWG verstoßenden Nachahmung von Geschäftseinrichtungen und Betriebsformen ist - wie auch in den sonstigen Fällen einer sogenannten sklavischen Nachahmung eines fremden Produktes oder einer fremden Werbung -, daß die Nachahmung bewußt erfolgt, dadurch auch die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wurde und eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre (ÖBl 1981, 154 mwN;

ÖBl 1982, 64; ÖBl 1983, 70 und 134; ÖBl 1984, 95; ÖBl 1985, 24;

ÖBl 1986, 43; ÖBl 1987, 156 ua). Hinsichtlich des Nachahmungsgegenstandes ist daher wettbewerbliche Eigenart und damit zusammenhängend - zumindest in der Regel - eine gewisse Verkehrsbekanntheit erforderlich. Wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, daß der Nachahmungsgegenstand bestimmte Gestaltungen und Merkmale aufweist, die geeignet sind, dem Verkehr die Unterscheidung von gleichartigen Erzeugnissen oder von Einrichtungen anderer Herkunft zu ermöglichen. Es ist daher - in Abgrenzung zum Ausstattungsschutz nach § 9 Abs 3 UWG - zwar keine Verkehrsgeltung, aber doch eine gewisse Verkehrsbekanntheit des Nachahmungsgegenstandes erforderlich (ÖBl 1987, 156 ua). Bei der Beurteilung sowohl der wettbewerblichen Eigenart einer Geschäftseinrichtung im Rahmen des Gastgewerbes als auch ihrer Verwechslungsfähigkeit muß aber mit Rücksicht darauf, daß sich hier - funktionsbedingt - bestimmte Einrichtungsformen entwickelt haben, die entweder für die Gastronomie im allgemeinen oder doch für spezifische Arten von Gastgewerbebetrieben typisch sind und daher allgemein vorausgesetzt werden, um ein Lokal einer solchen Betriebstype zuzuordnen (z.B. Wiener Kaffeehaus, Bar, Landgasthaus, aber auch China-Restaurant oder englisches Pub etc.), ein bedeutendes Freihaltebedürfnis des Geschäftsverkehrs angenommen und schon deshalb ein strenger Maßstab angelegt werden. In diesem Sinne gehören die von der Gemeinschuldnerin im Sicherungsantrag gesondert inkriminierten einzelnen "Nachahmungen" der Beklagten entweder zu den bereits funktionsbedingt für jeden Gastgewerbebetrieb erforderlichen Einrichtungen oder Leistungen (langgezogene Bar mit großzügigem Bewegungsraum für das Bedienungspersonal, Flaschen an der Wand, Anbieten von Getränken aller Art sowie von Snacks) oder in bezug auf die übrigen genannten Einrichtungs- und Betriebsformen doch zu einem typischen Lokal im Stil eines englischen Pubs. Irgendwelche konkrete, über die für die Zuordnung des Gastgewerbebetriebes zum Typ eines englischen Pubs hinausgehende charakteristische und individuelle Besonderheiten vermag entweder schon das Sachvorbringen der Gemeinschuldnerin nicht aufzuzeigen, oder sie sind durch die globale Bescheinigungsannahme des Rekursgerichtes nicht gedeckt (Zapfsäule in der Art des Jugendstils, Anbieten eines "Musik der 60iger Jahre-Abends"). In bezug auf die übrigen "Nachahmungen" können die für einen Gastgewerbebetrieb mit Bar im allgemeinen oder eines Lokals im Stil eines englischen Pubs im besonderen funktionell erforderlichen und typischen Geschäftseinrichtungen und Leistungen schon mangels der ihnen zuzubilligenden wettbewerblichen Eigenart zu keinen Verwechslungen führen; dies insbesondere auch dann nicht, wenn sich die Lokale - wie hier - nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe, sondern in verschiedenen Bundesländern befinden.

Auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Verstoßes der Beklagten gegen § 1 UWG liegen daher nicht vor. Demgemäß war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Revisionsrekurs wurde dem Kläger am 22. Jänner 1988 zugestellt. Seine erst am 8. Februar 1988 - und damit nach Ablauf der 14tägigen Frist (§ 402 Abs 1, letzter Satz, EO) - zur Post gegebene Revisionsrekursbeantwortung war daher als verspätet zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO und die §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E14428

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00017.88.0531.000

Dokumentnummer

JJT_19880531_OGH0002_0040OB00017_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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