TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/26 2004/04/0205

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Veröffentlicht am 26.09.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §68 Abs1;
GewO 1994 §340 Abs1 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §363 Abs4 idF 2003/I/048;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des H in H, vertreten durch Piccolruaz und Müller, Anwaltspartnerschaft in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. März 2004, Zl. VIb-201.00/0009, betreffend die Zurückweisung der Anzeige einer weiteren Betriebsstätte nach der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. März 2004 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (BH) Bludenz vom 19. Dezember 2003, betreffend Zurückweisung der Verlegung des Betriebes einer weiteren Betriebsstätte für die Ausübung des Gewerbes "Durchführung erlaubter Kartenspiele ohne Bankhalter" von K. nach B. gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z. 17 und Z. 24 Gewerbeordnung (GewO) 1994, als unbegründet abgewiesen. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, Glücksspiele seien gemäß dem Glücksspielgesetz (GSpG) Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig seien. Diese Spiele unterlägen dem Glücksspielmonopol und seien somit in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund zugewiesen. Ausgenommen vom Glücksspielmonopol seien nicht in Form einer Ausspielung durchgeführte Glücksspiele, wenn kein Bankhalter mitwirke oder der Einsatz 0,5 Euro nicht übersteige. Geschicklichkeitsspiele sowie die so genannten "kleinen Glücksspiele" gemäß dem Verfassungsgerichtshoferkenntnis vom 17. Juni 1975, VfSlg. Nr. 7567, unterlägen gemäß Art. 15 Abs. 1 iVm Abs. 3 B-VG (Veranstaltungswesen) dem Kompetenzbereich der Länder. Somit könnten Tätigkeiten mit dm Wortlaut "Halten von erlaubten Kartenspielen, bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig ist, ohne Bankhalter" sowie allgemein das Halten von Spielen, die vom Glücksspielmonopol ausgenommen seien, mangels "Bundeskompetenz" nicht im Rahmen der Gewerbeordnung ausgeübt werden. Denn Spiele, die keine Glücksspiele im Sinne des GSpG seien, seien in den Kompetenzbereich der Länder fallende Geschicklichkeitsspiele.

Diese Rechtsansicht sei auch mit dem Verständnis der Begriffe "Gewerbe und Industrie" gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 8 BV-G sowie der einfachgesetzlichen Rechtslage (GewO 1859) im Versteinerungszeitpunkt 1925 zu begründen. Die GewO 1859 habe kein Gewerbe umfasst, das unter den heutigen Begriff des "Haltens erlaubter Spiele" subsumierbar gewesen sei. Lediglich § 16 Abs. 1 lit. g GewO 1859 habe den Begriff "Halten erlaubter Spiele" enthalten, dies jedoch nicht als eigenständiges Gewerbe sondern nur als Nebenrecht zum Gastgewerbe. § 16 Abs. 1 lit. g GewO 1859 habe als eine der Berechtigungen, in die das Gast- und Schankgewerbe zerfiel, die "Haltung von erlaubten Spielen" angeführt. Zur "Haltung erlaubter Spiele" seien all jene Spiele gezählt worden, die nicht durch § 522 StG verboten gewesen seien. Unter diese verbotenen Spiele sei jedes Spiel gefallen, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abgehangen hätten oder das durch Verordnung namentlich verboten gewesen sei. Zu den erlaubten Spielen hätten Kartenspiele wie Tarock, Bridge, Rummy, Brettspiele wie Schach, Dame, Mühle, ferner Billard, Tischtennis und Kegelspiele gezählt. Die derzeit in Geltung stehende Nachfolgebestimmung des § 16 Abs. 1 lit. g GewO 1859, § 11 Abs. 4 Z. 2 GewO 1994 regle das Halten von solchen erlaubten Spielen als Nebenrecht des Gastgewerbes. Die im erstinstanzlichen Bescheid zitierte Stammgewerbeberechtigung des Beschwerdeführers sei nach wie vor als aufrecht im Gewerberegister eingetragen, jedoch könne diese Tätigkeit auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage nicht auf Basis dieser Gewerbeberechtigung ausgeübt werden. Deshalb habe auch die Anzeige über die Standortverlegung der weiteren Betriebsstätte von der Gewerbebehörde als unzuständige Behörde zurückgewiesen werden müssen.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser ihre Behandlung abgelehnt hatte (Beschluss vom 6. Oktober 2003, B 493/04), gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den für die Entscheidung relevanten Umständen jenem, der bereits mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2004/04/0002 bis 0005, entschieden wurde. In diesem Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Gewerbebehörde bis zum Eintritt der Rechtskraft eines Bescheides, mit dem die Löschung einer Gewerbeberechtigung aus dem Gewerberegister durch die Oberbehörde gemäß § 363 Abs. 4 GewO 1994 in der hier anzuwendenden Fassung des Öffnungszeitengesetzes 2003, BGBl. I Nr. 48, verfügt wird, an bestehende Eintragungen im Gewerberegister gebunden und es ihr verwehrt ist, diese außer Acht zu lassen und die Anzeige des Beschwerdeführers zurückzuweisen.

Daher war auch der vorliegend angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.

Wien, am 26. September 2005

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004040205.X00

Im RIS seit

22.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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