TE OGH 1988/6/28 4Ob549/88

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Veröffentlicht am 28.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Othmar S***, Angestellter, 2. Annemarie S***, Hausfrau, beide Wien 13., Stranzenberggasse 5/21, beide vertreten durch Dr. Ludwig Riemer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Anton A***, Kaufmann, Santa Ponsa, Tornardes Campanes 78, Mallorca (Spanien), vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 195.865,-- (Streitwert im Rekursverfahren S 120.865,-- samt Anhang) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Dezember 1987, GZ 18 R 261/87-43, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Juli 1987, GZ 1 Cg 226/84-38, teilweise aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird. Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 27.965,25,-- (darin enthalten S 1.629,75,-- Umsatzsteuer und S 10.038,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger kauften vom Beklagten am 4. April 1984 die verbundenen Wohnungen Nr. 21 und 22 im Haus Wien 13., Stranzenberggasse 5. Nach Punkt VIII des Kaufvertrages übernahm der Beklagte keinerlei Gewähr (u.a.) für ein bestimmtes Ausmaß des Kaufobjektes. Zur Vermittlung des Verkaufes hatte sich der Beklagte der Ernst K*** Gesellschaft mbH bedient, der er unter anderem angegeben hatte, daß die Wohnfläche ca. 170 m2 und die Fläche der Terrasse ca. 60 m2 betrage. In einer Zeitungsannonce dieses Vermittlungsunternehmens, waren die Wohnfläche mit 172 m2 und die Größe der Terrasse mit 65 m2 angegeben worden. Die Kläger hatten die Wohnung vor dem Abschluß des Kaufvertrages zusammen mit dem Vermittler besichtigt; über das Ausmaß der Wohnung und der Terrasse hatte zwischen den Parteien kein Gespräch stattgefunden. Die Kläger begehrten vom Beklagten wegen diverser Mängel insgesamt S 195.865,-- samt 4 % Zinsen seit dem Klagetag (ON 33 S 140), davon S 120.865,-- als "Kaufpreisminderung" mit der Behauptung daß - entgegen der Ankündigung im Inserat die Wohnfläche - nur 158 m2 und die Fläche der Terrasse nur 50 m2 betrage.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Kläger hätten die Eigentumswohnung vor dem Abschluß des Kaufvertrages besichtigt; er selbst habe keine Gewähr für ein bestimmtes Ausmaß übernommen. Das wahre Ausmaß sei ihm selbst nicht bekannt gewesen; die Kläger hätten es aber ermitteln können. Soweit in den Vermittleranzeigen unrichtige Angaben enthalten gewesen seien, sei ihnen durch Punkt VIII des Kaufvertrages begegnet worden. Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab. Die Kläger hätten in Punkt VIII des Kaufvertrages auf Gewährleistungsansprüche verzichtet. Das Zeitungsinserat des Vermittlungsunternehmens habe keine ausdrückliche Zusage einer bestimmten Größe enthalten. Das tatsächliche Ausmaß des Kaufobjektes hätte bei der Besichtigung leicht festgestellt werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Begehrens im Umfang von S 75.000,-- samt Anhang; im übrigen - also bezüglich des "Preisminderungsbegehrens" von S 120.865,-- s.A. - hob es das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurück. Das Vorbringen der Kläger über die Größenangaben im Inserat und die tatsächliche Größe der Wohnung sowie der Terrasse sei nicht bloß in Richtung eines - wegen des ausdrücklichen vertraglichen Verzichtes nicht bestehenden - Gewährleistungsanspruches zu beurteilen; es enthalte - richtig verstanden - auch die Geltendmachung eines Irrtums, den die Kläger allerdings nicht als wesentlich ansähen, weil sie sonst mit der Anfechtung des Vertrages vorgegangen wären; offensichtlich strebten sie nur die Vertragsanpassung an. Über diesen Anspruch könne aber noch nicht entschieden werden, weil Feststellungen über die richtigen Ausmaße der Wohnung, über eine allfällige Absicht der Parteien, mit Punkt VIII des Kaufvertrages auch die Geltendmachung eines unterlaufenen Irrtums auszuschließen, über den (hypothetischen) Willen des Beklagten, die Wohnung bei Kenntnis ihres tatsächlichen Ausmaßes auch um einen niedrigeren Kaufpreis zu verkaufen, sowie über die - nach der "relativen Berechnungsmethode" - zu ermittelnde Höhe der Vergütung fehlten. Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kläger haben sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Beklagte wendet sich in erster Linie gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Kläger im Verfahren erster Instanz nicht nur Preisminderung aus dem Titel der Gewährleistung, sondern auch einen (unwesentlichen) Geschäftsirrtum über das Ausmaß der Wohnung geltend gemacht und daraus den Anspruch auf Vertragsanpassung abgeleitet hätten.

Dem muß beigepflichtet werden:

Klagegrund ist das tatsächliche Vorbringen, aus dem der Kläger sein Klagebegehren ableitet (§ 226 ZPO; Fasching ZPR Rz 1038;

SZ 44/21; ÖBl 1987, 132). Allein dieses Vorbringen ergibt das Substrat, aus dem die Berechtigung des Begehrens abzuleiten ist;

andere Tatsachen dürfen vom Gericht nicht unterstellt werden (RZ 1977/165). Den aus diesen Tatsachen abzuleitenden Rechtssatz muß der Kläger nicht angeben; darüber, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der Klageanspruch gerechtfertigt und aus den Klagebehauptungen ableitbar ist, entscheidet nicht die vom Kläger gewählte juristische Qualifikation, sondern das sich aus ihnen ergebende vom Gericht unabhängig von der Ansicht der Parteien zu beurteilende Rechtsverhältnis (JBl 1950, 342). Das Gericht ist allerdings nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (§ 405 ZPO); ein aliud liegt auch dann vor, wenn der verlangte und der zugesprochene Leistungsgegenstand zwar gleichartig sind, aber aus verschiedenen Sachverhalten abgeleitet werden (Fasching aaO Rz 1450).

Die Geltendmachung der Anpassung eines Kaufvertrages wegen eines unwesentlichen Geschäftsirrtums (§ 872 ABGB) erfordert nicht nur die Behauptung der konkreten unrichtigen Vorstellung von der Wirklichkeit und einer der im § 871 Abs 1 ABGB genannten Anfechtungsvoraussetzungen; der Kläger muß insbesondere auch behaupten und beweisen, daß bestimmte Faktoren - hier ein bestimmtes Ausmaß des Kaufobjektes - für die Preisbestimmung maßgebend waren und der Vertrag bei Kenntnis der wahren Umstände mit einem anderen Inhalt - hier mit einem anderen Kaufpreis - abgeschlossen worden wäre (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 872;

SZ 53/107 = MietSlg. 32.096).

Die Kläger haben in der vorliegenden Klage nur behauptet, daß sie auf Grund der Angaben im Inserat von einer bestimmten Wohnungsgröße augegangen seien, die in Wahrheit nicht vorliege; daraus haben sie einen Anspruch auf "Kaufpreisminderung" abgeleitet, der nach § 932 ABGB zu beurteilen wäre, im vorliegenden Fall aber vertraglich ausgeschlossen wurde. Die Kläger haben jedoch in ihrer Klage nicht dargelegt, daß die im Inserat angegebene Wohnungsgröße überhaupt als preisbestimmender Faktor angesehen und der Kaufvertrag bei Kenntnis der wahren Größe - nicht nur von ihnen, sondern auch vom Beklagten - zu einem geringeren Kaufpreis abgeschlossen worden wäre. Da sie somit nur die Preisminderung aus dem Titel der Gewährleistung, nicht aber einen (unwesentlichen) Geschäftsirrtum geltend gemacht haben, darf nicht geprüft werden, ob ihnen die Herabsetzung des Kaufpreises im Wege der Vertragsanpassung wegen eines solchen Irrtums zustünde. Wegen des vertraglichen Verzichtes auf die Gewährleistung aber ist die Sache im Sinne des (abweisenden) Urteiles des Erstgerichtes bereits spruchreif.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14646

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00549.88.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19880628_OGH0002_0040OB00549_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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