TE OGH 1988/6/28 15Os66/88 (15Os67/88)

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Veröffentlicht am 28.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Forsthuber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Janos J*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde (ON 509) des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26.Jänner 1987, GZ 6 d Vr 8435/80-442, sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (ON 470) des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26.Jänner 1987, GZ 6 d Vr 8435/80-443, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beide Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen, ebenso die mit der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil ON 442 verbundene Beschwerde gegen den Kostenpunkt sowie die gegen das Urteil ON 443 erhobene Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld. Zur Entscheidung über die (nur angemeldete) Berufung wegen des Strafausspruches gegen das Urteil ON 443 werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagte auch die durch seine Nichtigkeitsbeschwerden verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

In der am 19., 20. und 26.Jänner 1987 (ON 427, 429 und 440) gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung wurde am letzten Verhandlungstag vorerst das Verfahren in Ansehung der Fakten laut der ausgedehnten (S 349 f./X) Anklageschrift vom 30.Juli 1986 (ON 53 in Band VIII) gemäß § 57 StP ausgeschieden (S 351/X) und sodann über vier noch unerledigte Fakten aus der Anklageschrift vom 18. September 1979 (ON 93) das Urteil gefällt (ON 442). Im Anschluß daran setzte das Schöffengericht die Hauptverhandlung bezüglich der ursprünglich ausgeschiedenen Anklagevorwürfe fort, über die es noch am selben Tag mit einem weiteren Urteil entschied (ON 443). Das zuletzt bezeichnete Urteil (ON 443) wurde dem seinerzeit Angeklagten beigegebenen Verteidiger am 20.August 1987 zugestellt und wird mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bekämpft (ON 470). Das zuerst gefällte Urteil (ON 442) wurde einem vom Angeklagten mittlerweile gewählten Verteidiger am 22.Februar 1988 zugestellt und wird mit (auch gegen den Kostenpunkt gerichteter) Nichtigkeitsbeschwerde (ON 509) sowie mit (nur angemeldeter) "Berufung gegen die Kostenentscheidung" (S 352/X) angefochten.

Zu den Rechtsmitteln gegen das Urteil ON 442:

In diesem Urteil wurde der Angeklagte des (in zwei Fällen, und zwar am 7.April 1977 und am 25.April 1978, begangenen) Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (Fakten V*** und R***) schuldig

erkannt, jedoch wurde gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das (hier in Ablichtung unter ON 117 erliegende) Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28.März 1980, GZ 6 d Vr 7537/78-213, von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen; von der Anklage bezüglich zweier weiterer Betrugsvorwürfe (Fakten K.W*** Financial-Corporation Inc. sowie J*** E*** und K***) wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO

freigesprochen. Seitens der Anklagebehörde wurde dagegen kein Rechtsmittel erhoben.

Der auf § 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 8 und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Soweit er sich mit der Begründung, dem Erstgericht stehe es nicht zu, "auf Grund der aufgezeigten Nichtigkeiten und insbesondere Sperrwirkungen selbst Freisprüche zu fällen" (Z 9 lit b) gegen den freisprechenden Teil des Urteils wendet und auch insoweit den Antrag stellt, "das angefochtene Urteil zu vernichten", fehlt ihm überhaupt die Beschwerdelegitimation (Mayerhofer/Rieder, StPO2 E 2 zu § 280). Seine Einwände gegen den Schuldspruch indessen gehen fehl. Die Beschwerdebehauptung, über die Ablehnung von "zwei von den drei Schöffen" (einschließlich der Ersatzschöffin) durch den Angeklagten (ON 435) sei bis zum Ende der Hauptverhandlung nicht entschieden worden (Z 1, "hilfsweise" Z 4), ist unzutreffend. Der (nach § 74 a zweiter Fall StPO hiezu berufene) Vorsitzende des Schöffensenates entschied über diesen (mit 21.Jänner 1987 datierten und am 22.Jänner 1987, also während des Laufes der mehrtägigen Hauptverhandlung, beim Präsidium des Landesgerichtes für Strafsachen Wien eingegangenen) Antrag am 26.Jänner 1987 (S 279/X) und verkündete den die Ablehnung als unzulässig erklärenden Beschluß zu Beginn der am selben Tag fortgesetzten Hauptverhandlung (S 281/X). Die eine mit Nichtigkeit bedrohte Verletzung von Verfahrensvorschriften (§§ 221, 244 StPO) behauptenden Ausführungen des Beschwerdeführers (Z 3) aber betreffen entgegen seiner Meinung gar nicht die "gegenständlichen", also jene Fakten, über die mit dem hier angefochtenen Urteil ON 442 entschieden wurde, sondern Verfahrensvorgänge zu einem Zeitpunkt, als dieses Urteil bereits verkündet war (S 352 f./X). Ein derartiges Vorbringen hätte daher nur mit der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das (früher zugestellte) Urteil ON 443 erstattet werden können.

Die gegen die Abweisung von Beweisanträgen des Angeklagten (S 346 f./X) gerichtete Verfahrensrüge (Z 4) beschränkt sich auf die Behauptung, es liege "auf der Hand, daß der komplexe historische Sachverhalt nur durch diese, die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Verfahrens wahrende Beweisanträge aufgeklärt hätte werden können".

Mit dieser unsubstantiierten Floskel wird weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung angeführt, welche Umstände den angerufenen Nichtigkeitsgrund gebildet haben sollen, inwiefern also durch das bekämpfte Zwischenerkenntnis (S 351/X) Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers beeinträchtigt worden sein sollen; mit der die im Urteil nachgetragene Begründung (US 23 f) betreffende Behauptung, das Erstgericht habe die Ablehnung der Beweisaufnahme nur damit zu begründen vermocht, "daß sie nicht zielführend gewesen sei", setzt er sich jedenfalls über die ohnehin detaillierenden Gründe dieser resümierenden Einleitung vollends hinweg. Insoweit ist demnach die Beschwerde einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich. Die eine Anklageüberschreitung (Z 8) behauptenden Beschwerdeausführungen hinwieder, die allein darauf abstellen, daß die den Gegenstand des angefochtenen Urteils (ON 442) bildenden Fakten nicht in der Anklageschrift vom 30.Juli 1986 (ON 53 in Band VIII) enthalten seien, gehen daran vorbei, daß sich die Hauptverhandlung auch auf die Anklageschrift vom 18.September 1979 (ON 93) erstreckte (S 89/X; in diesem Sinn auch der Bericht des Vorsitzenden des Schöffensenates, S 329 a/XI), in der jene vier Fakten - A 1 c, d und e sowie 2 - enthalten sind, über die mit dem Urteil ON 442 entschieden wurde.

Nicht gesetzmäßig ausgeführt schließlich ist die auf der Beschwerdeansicht, das Anklagerecht sei "verbraucht und/oder verschwiegen" worden, beruhende Rechtsrüge (Z 9 lit b) mit der Behauptung, "jedenfalls das gegenständliche Urteilsfaktum 1" sei am 18. September 1987 (gemeint: 1979) durch Teileinstellung gemäß § 109 StPO erledigt worden und mit dem Hinweis darauf, daß der im Urteil des Erstgerichtes vom 28.März 1980, GZ 6 d Vr 7537/78-213, ausgesprochene Verfolgungsvorbehalt nicht auch "die gegenständlichen Urteilsfakten" betreffe.

Denn zum einen erstreckte sich die relevierte Teileinstellung (S 37 in Verbindung mit S 33, 35/I) keineswegs auf eines der beiden hier aktuellen Schuldspruch-Fakten (V*** oder R***), sondern lediglich (unter anderem) auf den Verdacht eines zum Nachteil des Walter R*** begangenen weiteren Betruges, zum anderen übergeht der Beschwerdeführer, daß das Verfahren betreffend die mit dem nunmehr bekämpften Urteil erledigten Anklagevorwürfe seinerzeit schon vor der zitierten Vorentscheidung gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden waren (S 235/IV), sodaß diese Anklagepunkte als Gegenstand des Verfolgungsvorbehaltes (§ 263 Abs 2 StPO) gar nicht mehr in Betracht kamen. Prozessuale Verfolgungshindernisse können aber nur mit Bezug auf den gesamten maßgebenden Verfahrensablauf prozeßordnungsgemäß dargestellt werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde (ON 509) gegen das Urteil ON 442 war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 und Z 1 in Verbindung mit § 285 a Z 1 und Z 2 StPO). Damit ist auch der mit ihr verbundenen - als "Berufung in die Kostenentscheidung" angemeldeten (S 352/X) - Beschwerde über den Kostenpunkt (§ 392 Abs 2 StPO) der Boden entzogen.

Zu den Rechtsmitteln gegen das Urteil ON 443:

Mit diesem Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens des teils (in sieben Fällen) vollendeten, teils (in einem Fall) versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall sowie § 15 StGB schuldig erkannt (Fakten A*** I***esmbH, R*** GesmbH, B***

S*** & CO, G***, Z*** UND K*** W***

sowie - teils vollendet und teils versucht - M***); von

weiteren zehn Anklagepunkten (Fakten O***, S***, H***, erneut

B*** S*** & CO, S***, B*** FÜR W*** UND F***

B*** AG, C*** W*** UND K***, F***, M***,

Dr.G***) wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen; hinsichtlich weiterer Anklagepunkte (jeweils weitere Fakten M***, B*** S*** & CO, erneut B*** FÜR W*** UND

F*** B*** AG sowie Vorenthalten von Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung) wurde gemäß § 263 Abs 2 StPO dem öffentlichen Ankläger die selbständige Verfolgung vorbehalten.

Der gegen dieses Urteil gerichteten, auf die Z 1, 2, 3, 4, 5, 9 lit a und b sowie Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten kommt gleichfalls keine Berechtigung zu.

Dem Vorbringen (Z 1), ein Nichtigkeitsgrund liege deshalb vor, weil die wegen Befangenheit abgelehnten Berufsrichter und Schöffen teils vor Zustellung einer Entscheidung über die Ablehnungsanträge an den Beschwerdeführer, teils ohne eine Entscheidung darüber, an der Hauptverhandlung mitgewirkt hätten, ist vorerst entgegenzusetzen, daß nur die Teilnahme ausgeschlossener Richter (§§ 67 und 68 StPO) den angerufenen Nichtigkeitsgrund verwirklichen könnte, nicht aber jene befangener Richter (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 11 zu § 74). Nur in der Abweisung eines im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Befangenheitsgrundes gestellten Vertagungsantrages könnte eine Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) gelegen sein (Mayerhofer/Rieder, aaO, E 16 zu § 74); ein derartiger Antrag wurde aber nicht gestellt.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß der Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien über den vor der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsantrag bezüglich des Vorsitzenden am 19.Jänner 1987, also vor oder spätestens während des ersten Verhandlungstages, entschied (S 85/X), daß hinsichtlich des beisitzenden Richters über den mit 21.Jänner 1987 datierten und am 22. Jänner 1987 beim Präsidium des Landesgerichtes für Strafsachen Wien eingelangten Ablehnungsantrag (S 267/X) am 23.Jänner 1987, also vor dem nächsten Verhandlungstag, eine Entscheidung des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erging (S 275/X) und daß die dem Vorsitzenden des Schöffensenates obliegende Entscheidung über den genannten Ablehnungsantrag hinsichtlich der Schöffen (S 267/X) eingangs des dritten Verhandlungstages (26.Jänner 1987) verkündet wurde (S 279, 281/X).

Auf die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung dieser Entscheidungen kommt es - schon angesichts der Unzulässigkeit eines Rechtsmittels dagegen (§ 74 Abs 3 und § 74 a letzter Satz StPO) - nicht an.

Auch die Beschwerdebehauptung (Z 2) einer trotz Verwahrung des Beschwerdeführers vorgenommenen Verlesung eines nichtigen Voruntersuchungsaktes hält einer Prüfung nicht stand. Zum ersten erfolgte nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, dessen Berichtigung vom Beschwerdeführer nicht begehrt worden war, keine für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderliche Verwahrung gegen Verlesung des mit dem - nach den Polizeierhebungen (S 227/X) zur Zeit der Hauptverhandlung unauffindbaren - Zeugen Peter G*** vor dem Untersuchungsrichter aufgenommenen Protokolls (S 334/X in Verbindung mit S 193/VIII). Zum anderen wurde, wie aus dem verlesenen Vernehmungsprotokoll ersichtlich ist, jene Vernehmung des Zeugen G*** von einem Rechtspraktikanten nach Anleitung der Untersuchungsrichterin Dr. K*** vorgenommen, ohne daß der Beschwerdeführer vorzubringen vermag, diese Beurkundung sei unrichtig; die Aussage des Zeugen wurde daher vor Gericht abgelegt (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 34 zu § 150; EvBl 1983/161 = Ö*** 1983/46 und 47) und ist keineswegs nichtig.

Auch die Beschwerdebehauptung, dem Erstgericht seien mit Nichtigkeit bedrohte Verfahrensverstöße unterlaufen (Z 3), ist unzutreffend.

Die Bestimmung über die Einräumung der Vorbereitungsfrist (§ 221 Abs 1 StPO) wird nicht verletzt, wenn, wie hier, über den Vorwurf einer weiteren strafbaren Handlung des Angeklagten (hier: Fakten M***) auf Grund einer in der Hauptverhandlung vorgenommenen Ausdehnung der Anklage (S 349/X) verhandelt und entschieden wird. In einem solchen Fall kommt ausschließlich die Bestimmung des § 263 StPO zur Anwendung (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 25 a zu § 281 Abs 1 Z 3); nach dieser Vorschrift hinwieder bedürfte es einer Zustimmung des Angeklagten zur Verhandlung und Entscheidung auch über den von der Ausdehnung umfaßten Anklagevorwurf nur dann, wenn er bei einer Verurteilung wegen dieser Tat unter ein strengeres als jenes Strafgesetz fiele, das auf die (schon bisher) in der Anklageschrift angeführte strafbare Handlung anzuwenden wäre. Daß diese Voraussetzungen hier gegeben gewesen wären, vermag der Beschwerdeführer nicht zu behaupten; sie liegen auch nicht vor. Ein Antrag hinwieder, zu einer allfälligen besseren Vorbereitung der Verteidigung die Hauptverhandlung zu vertagen (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) wurde nicht gestellt.

Mit der (unzutreffenden: vgl S 329 a/XI iVm S 89/X) Behauptung, "in der Hauptverhandlung am 19.Jänner 1987" - dem ersten Verhandlungstag - sei wohl die dem angefochtenen Urteil (ON 443) zugrunde liegende Anklageschrift (ON 53 in Band VIII), nicht aber jene vom 18.September 1979 (ON 93), verlesen worden, vermag der Beschwerdeführer keine das Urteil ON 443 treffende Nichtigkeit aufzuzeigen, das allein Gegenstand der Anfechtung durch die Rechtsmittelschrift ON 470 ist.

Mit dem Vorbringen, das Protokoll über den ersten Verhandlungstag sei nicht von der Schriftführerin unterfertigt, wird ebenfalls kein Nichtigkeitsgrund dargetan. Abgesehen davon, daß diese Unterfertigung mittlerweile nachgeholt wurde (S 329 a/XI), steht nur die gänzliche Unterlassung der Protokollierung unter Nichtigkeitssanktion (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 22 zu § 271), nicht aber der prinzipiell jederzeit behebbare Formfehler der unterlassenen Unterfertigung; zudem wäre auch unzweifelhaft erkennbar, daß das Fehlen der Unterschrift der Schriftführerin keinen Nachteil für den Angeklagten bedeuten konnte, weil weder der Akteninhalt noch das Beschwerdevorbringen Anhaltspunkte dafür bieten, daß das Hauptverhandlungsprotokoll anders ausgefallen wäre, wenn die Schriftführerin es (gleich) unterfertigt hätte (9 Os 109/85 = JUS EXTRA 1985, 11, S 16; 15 Os 102/87; 12 Os 84/87; 11 Os 46/86 ua).

Sowohl in der Verfahrensrüge (Z 4) als auch in der Mängelrüge (Z 5) wird mit dem Vorbringen, daß die I***, die

C*** Flugverkehrs-GesmbH und die C*** Restaurant-Betriebs-GesmbH beim Handelsgericht Wien registriert seien, sie "daher" nicht vermögenslos seien, wozu Beweisanträge gestellt, Beweise "angeboten" und die "Nichtöffnung und Ausfolgung" von 5 Kartons mit "Unterlagen" vom Angeklagten begehrt worden seien (Z 4), was zudem aus vom Erstgericht nicht erörterten Kontobewegungen hervorgehe (Z 5), ausschließlich die Feststellung des Schöffengerichtes bekämpft, daß die genannten Gesellschaften, als deren Repräsentant der Angeklagte auftrat, um sich "den äußeren Rahmen eines Unternehmens und eines Unternehmesführers zu verschaffen" (US 18) vermögenslos waren (US 10 bis 12, 25, 27 und 37), jedoch die weiteren Urteilsfeststellungen über die Vortäuschung eines in Wahrheit nicht gegebenen Zahlungswillens des Angeklagten bei jedem der Schuldspruchsfakten (US 12, 13, 15, 21, 23, 24, 26, 29, 30, 31, 35, 38, 39, 41 und 42) unbekämpft gelassen. Wurde aber solcherart unangefochten die Täuschung über den Zahlungswillen festgestellt, dann ist die zusätzliche Feststellung einer Täuschung über die Zahlungsfähigkeit des Angeklagten oder der von ihm gesteuerten Gesellschaften (nicht mehr) entscheidungswesentlich (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 33 zu § 281 Abs 1 Z 5 uva), womit sich ein weiteres Eingehen auf die Beschwerdeausführungen erübrigt.

Zu den Rechtsrügen (Z 9 lit a und b sowie Z 10) ist zunächst die Klarstellung angebracht, daß die Ausführung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe vom festgestellten Urteilssachverhalt auszugehen und diesen mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen hat. Demgemäß liegt keine prozeßordnungsgemäße Darstellung solcher Beschwerdegründe vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsachen bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird. Eine Bezugnahme auf vorgebliche Beweisergebnisse kann in diesem Zusammenhang nicht insoweit fehlende oder anders lautende Urteilsfeststellungen ersetzen. Diesen Grundsätzen handelt der Beschwerdeführer zuwider, indem er (zur Z 9 lit a und b) aus dem "bisher Gesagten", das ist zu den Ausführungen zu den prozessualen Nichtigkeitsgründen, die im übrigen auch inhaltlich keine materiellrechtliche Rüge enthalten, die Schlußfolgerung zieht, das Gericht habe die Rechtsfrage unrichtig gelöst, und behauptet, "das ganze Beweisverfahren" habe keine Anhaltspunkte für eine Täuschungsabsicht ergeben. Desgleichen weicht er in seiner Subsumtionsrüge (Z 10) mit der Behauptung, die Überziehungskredite der Schuldspruchfakten 4 und 6 hätten nicht für ihn, "sondern, wie aus dem Beweisverfahren" hervorgehe, für seine Unternehmen gedient, von der Urteilsfeststellung ab, daß sie - ebenso wie die betrügerisch erlisteten Lieferungen - nach dem Tatplan des Angeklagten (der unmittelbaren Zugriff darauf hatte) auch dazu dienten, die Mittel für seinen Unterhalt zu sichern (US 56).

Auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil ON 443 war somit teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt sofort bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 und Z 1 in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO).

In der nach Verkündung des Urteils ON 443 angemeldeten Berufung erklärte der Angeklagte nicht, worin er sich beschwert erachte (S 354/X). In der Rechtsmittelschrift wurde in dem als Berufung bezeichneten Abschnitt lediglich ausgeführt, der Angeklagte habe als Organ der von ihm vertretenen Unternehmen gehandelt, seine Tätigkeiten stets korrekt abgeführt und während des gesamten Verfahrens den Vorwurf betrügerischer Handlungen stets zurückgewiesen; beantragt wird im Anschluß daran, der Berufung Folge zu geben und den Angeklagten von der wider ihn erhobenen Anklage freizusprechen (S 176/XI).

Nach dem Inhalt dieser Berufungsausführung und dem Berufungsantrag handelt es sich insoweit unverkennbar um eine im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehene und daher unzulässige Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld, die als solche zurückzuweisen war. Die Entscheidung über die demnach bloß angemeldete, jedoch nicht ausgeführte Berufung mit dem ersichtlichen Ziel einer Anfechtung des Ausspruches über die Strafe hingegen (vgl 11 Os 33,34/88 = Jus Extra 1988 Nr 41 S 27) fällt angesichts der erfolgten Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerden in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien (§ 285 i StPO).

Da vom Obersten Gerichtshof ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung nicht anzuordnen war, sind die in beiden Rechtsmittelschriften gestellten Anträge auf Vorführung des verhafteten Angeklagten hiezu gegenstandslos.

Anmerkung

E14312

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00066.88.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19880628_OGH0002_0150OS00066_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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