TE OGH 1988/7/7 6Ob597/88

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Veröffentlicht am 07.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ingeborg M***, Lehrerin, 9500 Villach, Bahnhofplatz 8/502, vertreten durch Dr. Kuno Ther und Dr. Reinhard Köffler, Rechtsanwälte in Villach, wider den Antragsgegner Günther M***, Werkmeister, 9710 Feistritz an der Drau, Grubenweg 310, vertreten durch Dr. Wilfried Aichinger, Rechtsanwalt in Villach, wegen Benützungsregelung, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 17.März 1988, GZ 2 R 105/88-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 2.Februar 1988, GZ 10 Nc 13/87-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen sind die Parteien in aufrechter Ehe verheiratet. Ein Scheidungsverfahren ist nicht anhängig. Der Ehe entstammt der am 17.6.1971 geborene Sohn Michael. Die Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ 842 KG Feistritz an der Drau mit dem darauf errichteten Wohnhaus in 9710 Feistritz an der Drau, Grubenweg 310. Die Frau hat den Mann verlassen und lebt seither in Villach bei ihrem Lebensgefährten, dem sie im November 1987 eine Tochter geboren hat.

Die Frau beantragte eine Benützungsregelung der Hausliegenschaft in der Weise, daß ihr ausschließlich die alleinige Benützung des Obergeschoßes und des halben Kellers sowie der Garage, dem Manne aber die Benützung des Erdgeschoßes und der zweiten Kellerhälfte in natura zur jeweiligen Alleinbenützung zugewiesen werde. Für den Fall, daß dem Mann weiterhin die alleinige Nutzung der Gesamtliegenschaft verbleibe, möge ihm die Entrichtung der Hälfte des für die Gesamtnutzung der Liegenschaft angemessenen Mietzinses an die Frau auferlegt werden. Die Frau brachte vor, sie habe den Mann aus Gründen, die in seiner Person lägen, verlassen müssen. Die Ehe sei unheilbar zerrüttet. Der Mann stehe zwar auf dem Standpunkt, das Verschulden treffe die Frau, bringe aber keine Scheidungsklage ein. Die Antragstellerin habe Anspruch auf die von ihr angestrebte Benützungsregelung, weil sie ansonsten als Miteigentümerin der Liegenschaft von deren Nutzung auf Jahre hinaus völlig ausgeschlossen wäre, währenddessen der Mann das gesamte gemeinschaftliche Gut nützen könne. Das Haus habe einschließlich Keller drei gesondert benützbare Etagen, weshalb durch die beantragte Form der Benützungsregelung für den Mann und den gemeinsamen Sohn keinerlei Unbequemlichkeiten entstünden. Der Mann hielt dem entgegen, daß das gesamte Wohnhaus die seinerzeitige Ehewohnung darstelle, welche die Frau freiwillig verlassen und ein ehebrecherisches Verhältnis mit Johann K*** aufgenommen habe.

Das Erstgericht wies den Antrag der Frau auf Benützungsregelung zurück. Es stellte fest, daß das auf der gemeinsamen Liegenschaft der Parteien befindliche Wohnhaus deren gemeinsame Ehewohnung war, aus der die Frau am 13.12.1986 ausgezogen ist. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus, daß eine nach sachenrechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgende Benützungsregelung an der Ehewohnung während des aufrechten Bestandes der Ehe unzulässig sei. Es seien daher die Voraussetzungen der Verfügbarkeit und der Rechtsgestaltungsmöglichkeit für eine gerichtliche Benützungsregelung nicht gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und übernahm die Feststellung des Erstgerichtes, wonach das gesamte Wohnhaus die Ehewohnung der Parteien dargestellt habe. Es billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß während des aufrechten Bestandes der Ehe eine Benützungsregelung der Ehewohnung nach sachenrechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen sei. Über diesen Umweg könne nicht eine dem Gesetz widersprechende Absonderung des Wohnortes zwischen Ehegatten herbeigeführt werden und es fehle auch die für eine Benützungsregelung notwendige Voraussetzung der Verfügbarkeit der Räume. Diese Rechtsmeinung stelle keine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentumsrechtes dar.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Frau gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes wegen Aktenwidrigkeit, offenbarer Gesetzwidrigkeit und Nullität erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Eine solche ist nur dann gegeben, wenn das Rekursgericht den Inhalt einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben und dadurch ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen hat (EFSlg47.272, 50.005, 52.812 ua). Die Rechtsmittelwerberin vermeint aber lediglich, die vom Rekursgericht übernommene Feststellung des Erstgerichtes in der Gegenwartsform, das gesamte Wohnhaus auf der gemeinschaftlichen Liegenschaft der Parteien stelle deren Ehewohnung dar, stehe nicht nur mit den Sachbehauptungen des Mannes im erstinstanzlichen Verfahren, sondern auch mit den Parteiaussagen im Widerspruch. Soweit sie damit nicht überhaupt in unzulässiger Weise den Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung unternimmt, übersieht die Rechtsmittelwerberin, daß die Vorinstanzen mit dieser Feststellung ungeachtet der Gegenwartsform nur zum Ausdruck bringen wollten, daß das gesamte Wohnhaus auf der gemeinschaftlichen Liegenschaft von den Parteien zur Ehewohnung gewidmet und als solche verwendet worden ist. Das Rekursgericht hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Rechtsansicht vertreten, daß eine solche Widmung nur durch den übereinstimmenden Willen beider Ehegatten wieder aufgehoben worden sein könnte, was aber hier nicht der Fall gewesen sei, weil die Frau die Ehewohnung (einseitig) verlassen habe. Diese Auffassung kann im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 90 f ABGB nicht offenbar gesetzwidrig sein, sollen doch die Ehegatten gemäß § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft in allen Belangen einvernehmlich gestalten, was dahin zu verstehen ist, daß sie sich um das Einverständnis zu bemühen haben und eine gesetzliche Verpflichtung zu einer solchen einverständlichen Gestaltung besteht (Schwimann in ÖJZ 1976, 365, 370 f; 2 Ob 652,653/87; 4 Ob 533/88). Eine Nichtigkeit und offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt die Rechtsmittelwerberin darin, daß die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und gegen die verfassungsgesetzliche Eigentumsgarantie nach Art.5 StGG verstoße. Dem kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nicht nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103;

SZ 44/180; SZ 46/98; NZ 1980, 46; NZ 1981, 8;

EFSlg 49.930, 52.757; MietSlg38.818, 6 Ob 10/88; 6 Ob 11/88 ua), sondern auch dann, wenn sich eine Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechtes in Widerspruch setzt (SZ 23/289;

EFSlg 44.647, 52.758 uva). Eine solche Verletzung von Grundprinzipien des Rechtes läge auch dann vor, wenn die Rechtsansicht des Rekursgerichtes auf einer verfassungswidrigen Auslegung einer Gesetzesvorschrift beruht oder wenn gegen die Verfassungsmäßigkeit einer vom Rekursgericht angewendeten Rechtsnorm Bedenken bestünden. In einem solchen Fall ist die Anfechtung eines Gesetzes als verfassungswidrig auch anläßlich der Erledigung eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 Abs1 AußStrG möglich (JBl 1981, 423).

Im vorliegenden Fall beruhte die ältere Rechtsprechung über die Unzulässigkeit einer Benützungsregelung an einem im Miteigentum der Ehegatten stehenden Haus als Ehewohnung während des aufrechten Bestandes der Ehe im wesentlichen darauf, daß eine solche Regelung mit den Bestimmungen der §§ 92, 93 (alt) ABGB unvereinbar wäre, weil die Ehegatten danach während des Bestehens der Ehe zur Aufnahme und Aufrechterhaltung der Wohngemeinschaft nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet seien (SZ 37/7). Das Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (EheRwG.) BGBl. Nr.412/1975 hielt nicht nur den § 44 ABGB voll aufrecht, sondern ordnete auch im neu formulierten § 90 ABGB weiterhin ausdrücklich an, daß die Ehegatten einander zur umfassenden Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, verpflichtet sind. Eine vorübergehende abgesonderte Wohnungsnahme ist zwar nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen gestattet (§ 92 Abs2 ABGB), sie ändert aber nichts an einer zuvor vorgenommenen Widmung einer Wohnung zur Ehewohnung und den sich daraus ergebenden Verbindlichkeiten (MietSlg30.075). Mit einer solchen Maßnahme sollten die allgemeinen Grundsätze des § 90 ABGB in Ansehung der Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen nicht völlig aufgehoben, sondern nur aus triftigen Gründen auf Zeit ausgesetzt werden (EFSlg44.823). Dazu kommt,daß seit dem Eherechtsänderungsgesetz BGBl. Nr.280/1978 auch die Teilungsklage nach § 830 ABGB regelmäßig so lange ausgeschlossen ist, als nicht das nacheheliche Aufteilungsverfahren gemäß den §§ 81 ff EheG Platz greift, weil danach vom Gesetzgeber der Aufteilung durch den Außerstreitrichter nach Billigkeitsgrundsätzen eindeutig der Vorrang eingeräumt wurde (SZ 54/36). Die Rechtsprechung hat daher auch nach dem Inkrafttreten des EheRwG. BGBl. Nr.412/1975 daran festgehalten, daß eine Benützungsregelung der Ehewohnung während des aufrechten Bestandes der Ehe im außerstreitigen Verfahren nicht zulässig ist, weil sie mit § 90 ABGB unvereinbar wäre (Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 831; MietSlg35.002; EFSlg 46.015). Diese Auffassung könnte daher nur dann mit den Grundprinzipien des Rechtes nicht im Einklang stehen, wenn die im § 90 ABGB normierte Verpflichtung der Ehegatten zum gemeinsamen Wohnen gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz des Art.7 B-VG und Art.2 StGG. und/oder gegen die verfassungsgesetzliche Eigentumsgarantie nach Art.5 StGG. verstößt. Dies ist jedoch aus nachstehenden Gründen nicht der Fall:

Der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz verpflichtet Gesetzgebung und Vollziehung bloß, an gleiche Tatbestände die gleichen Rechtsfolgen zu knüpfen. Dieser Grundsatz verbietet demnach wohl willkürliche Differenzierungen, läßt aber unterschiedliche Regelungen dort zu, wo sie durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen sachlich gerechtfertigt sind (Walter-Mayr, Bundesverfassungsrecht6, Rz 1347 ff; VfSlg 4392, 7786, 7947 uva; SZ 49/101; EvBl1982/107; ArbSlg.10.221). Es verstößt daher eine ungleiche Behandlung von verheirateten Miteigentümern eines als Ehewohnung gewidmeten Hauses gegenüber sonstigen Miteigentümern eines gemeinschaftlichen Gutes nur dann gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn hiefür keine sachlichen Erwägungen bestimmend waren (vgl. JBl 1981, 423). Hiebei ist es zulässig, von einer durchschnittlichen Betrachtung auszugehen und auf den Regelfall abzustellen. auch wenn sich Härtefälle ergeben könnten und das Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, hat dies noch keinen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot zur Folge (SozM. I D 823; VfSlg 5318; ArbSlg.10.221; EFSlg34.009; 8Ob512/87&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">8 Ob 512/87 ua). Unter diesen Gesichtspunkten ist aber die gesetzliche Verpflichtung der Ehegatten zum gemeinsamen Wohnen nicht unsachlich, weil die Ehe eine grundsätzlich auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau ist und zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Auch die Ehe genießt insoferne verfassungsgesetzlichen Schutz, als im Art.12 MRK das Recht gewährleistet ist, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Die Familie als rechtliche Institution ist ein wesentliches Element der rechtlichen Ordnung menschlicher Beziehungen (Pichler in Rummel, ABGB Rz 1 zu § 90; VfSlg 4678; JBl 1981, 423). Schon daraus folgt, daß die gesetzlich angeordnete Verpflichtung der Ehegatten zum gemeinsamen Wohnen während der Dauer der Ehe nicht auf unsachlichen Erwägungen beruhen kann, ebensowenig die Auffassung, die Zulassung einer Benützungsregelung an einem als Ehewohnung gewidmeten, im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Haus käme im Ergebnis einer Bewilligung des abgesonderten Wohnortes bei bestehender Ehe außerhalb eines Ehescheidungsverfahrens gleich (SZ 37/7; MietSlg35.002).

Die Frage, ob die Frau durch den Ausschluß einer Benützungsregelung an dem als Ehewohnung gewidmeten, im Miteigentum der Ehegatten stehenden Haus im Außerstreitverfahren nach § 835 ABGB enteignet wurde, stellt sich nicht, weil dadurch keine Vermögensverschiebung eintritt (vgl. Spielbüchler in Rummel, ABGB Rz 2 zu § 365). Im Ausschluß von der Benützungsregelung während der Dauer der aufrechten Ehe könnte daher nur eine bloße Eigentumsbeschränkung liegen. Dem einfachen Gesetzgeber ist aber durch Art.5 StGG nur verwehrt, solche Eigentumsbeschränkungen vorzusehen, durch die er den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in einer anderen Weise gegen einen bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (VfSlg 8212;

1 Ob 5/88). Durch das einer Eheschließung zugrundeliegende Prinzip einer auf Dauer angelegten umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, welches vor allem auch das gemeinsame Wohnen der Ehegatten umfaßt und daher eine Benützungsregelung an dem als Ehewohnung gewidmeten, im Miteigentum der Ehegatten stehenden Haus während des aufrechten Bestandes der Ehe ausschließt, wird aber in das Grundrecht des (Mit-)Eigentums schon wegen der sachlich berechtigten Differenzierung nicht eingegriffen.

Somit kann sich der außerordentliche Revisionsrekurs insgesamt auf keinen zulässigen Rechtsmittelgrund stützen, weshalb er zurückzuweisen war.

Anmerkung

E14878

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00597.88.0707.000

Dokumentnummer

JJT_19880707_OGH0002_0060OB00597_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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