TE OGH 1988/9/6 10Ob524/87

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Veröffentlicht am 06.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vositzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier, Dr. Angst, Dr. Bauer und Dr. Kellner als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Lukretia S***, Pensionistin, Wickenburggasse 17/5, 1080 Wien, vertreten durch Dr. Kurt Scheffenegger, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Ing. Hans Jörg S***, Angestellter, Wickenburggasse 17/5, 1080 Wien, vertreten durch Dkfm.Dr. Heinrich Jandl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Benützungsregelung und Benützungsentgeltregelung, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 17. September 1987, GZ 43 R 491/87-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Juni 1987, GZ 9 Nc 387/86-11, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen Punkt 6. des angefochtenen Beschlusses richtet, zurückgewiesen. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrt mit dem Vorbringen, sie selbst und der Antragsgegner seien Mitmieter der Wohnung Wickenburggasse 17/5 die Regelung der Benützung der einzelnen Räume der Wohnung (Punkte 1 bis 5 des Antrages), der Benützung eines Biedermeierkastens (Punkt 6 des Antrages) sowie der Aufteilung der Gemeinkosten der Wohnung (Punkt 7 des Antrages) und den Ausspruch, daß die Regelung ab Antragstellung zu gelten habe (Punkt 8 des Antrages). Das Erstgericht traf im wesentlichen eine Benützungsregelung entsprechend den Punkten 1 bis 5 und 7 des Antrages und wies den Antrag auf Benützungsregelung an einem Biedermeierkasten (Punkt 6) ab. Über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Benützungsregelung sprach es nicht ab. Es ging im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Über die Wohnung in Wien 8., Wickenburgasse 17/5 besteht ein schriftlicher Mietvertrag nur mit der bereits verstorbenen Mutter der Antragstellerin, Frau Maria K***, welche am 20. Mai 1978 verstorben ist. Zu diesem Zeitpunkt waren sowohl die Antragstellerin als auch deren Sohn, der Antragsgegner, mit seiner insgesamt vierköpfigen Familie an dieser Adresse gemeldet. Zumindest der Antragsgegner wohnte mit seiner Familie ständig in dieser Wohnung. Die Antragstellerin, die seit ihrer Geburt in der Wohnung gewohnt hatte, benützte die Wohnung seit ihrer Eheschließung nur mehr fallweise, da sie sich besonders in den Sommermonaten hauptsächlich in ihrer Bad Ischler Eigentumswohnung aufhielt.

Mit Schreiben vom 23. Mai 1978 an die Hausverwaltung machte der Antragsgegner seine Eintrittsrechte geltend, da er bis zum Tod der Vormieterin Maria K*** im gemeinsamen Haushalt mit dieser gelebt habe und der Enkel der Verstorbenen sei. Seitdem wurden die Zinsvorschreibungen an ihn gerichtet.

Erst mit Schreiben vom 28. Mai 1980 machte auch die Antragstellerin ihre Eintritstrechte gegenüber der Hausverwaltung geltend und wird zumindest seither von dieser als gleichberechtigte Hauptmieterin der Wohnung geführt. Die Mietzinsvorschreibungen gehen sowohl an die Antragstellerin als auch an den Antragsgegner. Rechtlich führte das Erstgericht aus, nach der Auskunft der Angestellten der Hausverwaltung sei davon auszugehen, daß die Antragstellerin Hauptmieterin der strittigen Wohnung sei. Die getroffene Regelung entspreche den beiderseitigen Interessen. Die Eigentumsverhältnisse an dem Biedermeierkasten seien mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens nicht zu klären gewesen, der Antrag auf Benützungsregelung hinsichtlich dieses Kastens sei daher abzuweisen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin, der sich gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses und das Unterbleiben eines Ausspruches über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Regelung richtete, keine Folge. Hingegen gab es dem Rekurs des Antragsgegners gegen den stattgebenden Teil des Beschlusses Folge und änderte diesen im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Antrages ab.

Es traf aus dem unbestrittenen Sachverhalt die weitere Feststellung, daß die Familie des Antragsgegners aus ihm, seiner Ehefrau und zwei minderjährigen "nun" (offenbar 1986, vgl. AS 10) 16 und 12 Jahre alten Kindern besteht.

Rechtlich führte das Rekursgericht aus, nach dem hier noch anzuwendenden § 19 Abs. 2 Z 11 MG träten nach dem Tod des bisherigen Mieters dessen nahe Angehörige, (der Ehegatte, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und der Geschwister) die schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt hätten in den Mietvertrag ein, falls sie nicht binnen 14 Tagen nach dem Tode des Mieters bekannt gäben, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollten. Mehrere nahe Angehörige träten gemeinsam in den Mietvertrag ein. Dieser Eintritt erfolge kraft Gesetzes, ohne daß eine Bekanntgabe an den Vermieter oder sogar dessen Anerkennung des Eintrittes erforderlich sei. Nach den Feststellungen hätten zum Zeitpunkt des Todes der Mieterin Maria K*** jedenfalls der Antragsgegner, dessen Ehefrau und deren beide minderjährige Kinder mit der bisherigen Mieterin im gemeinsamen Haushalt gelebt. Minderjährige lebten mit jener Person im gemeinsamen Haushalt, die ihre Erziehung leite und deren Pflege sie anvertraut seien. Sei diese Person der verstorbene Mieter selbst, sei das minderjährige Kind bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eintrittsberechtigt, sei der Erziehungsberechtigte eine andere Person, so hänge das Eintrittsrecht des Kindes davon ab, ob diese Person mit dem verstorbenen Mieter im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Weil das Eintrittsrecht des Antragsgegners unbestritten sei, seien aber auch dessen Kinder in die Mietrechte als Mitmieter eingetreten. Auf Anträge auf Benützungsregelung seien die Grundsätze der einheitlichen Streitpartei anzuwenden und sämtliche Mitberechtigte in das Verfahren einzubeziehen. Da die Antragstellerin den Antrag nur gegen den Antragsgegner, nicht aber auch gegen dessen beide Kinder gerichtet habe, sei ihr Antrag jedenfalls abzuweisen, ohne daß es einer Prüfung bedürfe, ob sie tatsächlich Mitmieterin der Wohnung sei.

Die Antragstellerin habe ausdrücklich behauptet, Alleineigentümerin des Biedermeierkastens zu sein, dessen Benützung durch die Familie des Antragsgegners erfolge gegen ihren Willen. Abhilfe sei in einem solchen Fall nur, gestützt auf das Alleineigentum, im streitigen Rechtsweg, nicht aber im Rahmen einer Benützungsregelung möglich.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, ihn im Sinne einer gänzlichen Antragsstattgebung abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Soweit im Revisionsrekurs auch eine Abänderung der abweislichen Entscheidung über die Benützungsregelung an dem Biedermeierkasten begehrt wird, ist die Antragstellerin darauf zu verweisen, daß in diesem Umfang eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes vorliegt. Nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 hat auch für den Bereich der §§ 14 und 16 AußStrG bei teilweise bestätigenden, teilweise abändernden (aufhebenden) Entscheidungen des Rekursgerichtes der Grundsatz zu gelten, daß gegen den bestätigenden Teil nur ein außerordentlicher Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG erhoben werden kann. Die Grenzlinie ist dort zu ziehen, wo dem Rekurs einer Partei in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben wurde (SZ 57/119 uva). Dies trifft hier zu. Eine offenbare Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder eine begangene Nullität aber ist den Revisionsausführungen und auch dem gesamten Akteninhalt in keiner Weise zu entnehmen, sodaß der Revisionsrekurs in diesem Umfange zurückzuweisen ist.

Das Berufungsgericht ist im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis gelangt, daß auch die beiden minderjährigen Kinder des Antragsgegners neben diesem als Mitmieter in die Mietrechte der Maria K*** eingetreten sind. Als deren Nachkommen in gerader Linie sind sie nach § 19 Abs. 2 Z 11 MG eintrittsberechtigt, wenn sie schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung wohnten und ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung haben. Unter diesen Voraussetzungen erfolgt, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, die Nachfolge in das Hauptmietverhältnis schon ex lege, nur auflösend bedingt durch eine binnen 14 Tagen abzugebende Erklärung der zum Eintritt Berufenen, das Mietverhältnis nicht fortsetzen zu wollen. Alle Angehörigen, auf die die Voraussetzungen zutreffen, treten mit dem Tode des Mieters zur ungeteilten Hand in das Mietverhältnis des Verstorbenen ein (Würth in Rummel, ABGB Rz 3 und 4 zu § 14 MRG und die dort zitierte Judikatur). Daß zwischen mehreren Eintrittsberechtigten keine Rangordnung stattzufinden hat und das Lebensalter der Eintrittsberechtigten unbeachtlich ist, wird auch im Revisionsrekurs ausgeführt. Es ist ebensowenig strittig, daß die Eintrittsvoraussetzungen - gemeinsamer Haushalt mit dem verstorbenen Mieter, dringendes Wohnbedürfnis - auf den Antragsgegner selbst zutreffen, wie daß dessen Kinder in seinem Haushalt lebten und leben und ihnen eine andere Wohnmöglichkeit nicht zur Verfügung steht. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (MietSlg. 21.545, 27.400 mwN) leben minderjährige Kinder mit jener Person im gemeinsamen Haushalt, die ihre Erziehung leitet und deren Pflege sie anvertraut sind. Es kommt also bei Kindern darauf an, ob dem Mieter selbst die Pflege und Erziehung des Kindes oblag oder ob die die Erziehung und Pflege leitende Person mit dem verstorbenen Mieter ihrerseits im gemeinsamen Haushalt lebte. Wenn dies der Fall ist, kann das Kind eintrittsberechtigt sein. Das bedeutet, daß es für die Eintrittsberechtigung genügt, wenn der gemeinsame Haushalt mit dem verstorbenen Mieter nur abgeleitet, also über den Erziehungs- und Pflegeberechtigten bestand.

Es fehlt für eine Eintrittsberechtigung der Kinder des Antragsgegners hier jedoch am dringenden Wohnbedürfnis. Bei dessen Prüfung ist von den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Todes des Mieters auszugehen. Nachträgliche Änderungen sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie schon zum Zeitpunkt des Todes des Mieters für die nächste Zeit zu erwarten waren. Ein dringendes Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen ist nur dann zu bejahen, wenn die unabweisliche Notwendigkeit besteht, den anderwärts in rechtlich gleichwertiger Weise nicht gedeckten Wohnbedarf des Eintrittsberechtigten zu befriedigen (MietSlg. 38.316/19 mwN). Ein eintrittsberechtigter naher Angehöriger, der über keine eigene Wohnung verfügt, kann dann auf seine familienrechtlichen Ansprüche verwiesen werden, wenn er auf Grund dieses Anspruches über eine ausreichende Unterkunft verfügt und diejenigen, gegen welche ein Anspruch auf Einräumung eines solchen Wohnrechtes besteht, keine anerkennenswerten Gründe haben, ihm dieses Wohnrecht zu versagen. Nun waren aber die Kinder des Antragsgegners zum Zeitpunkt des Todes ihrer Urgroßmutter erst 3 und 7 Jahre alt, hatten also ihrem Vater gegenüber einen Unterhaltsanspruch, der auch die Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses umfaßte. Nur bei bereits selbsterhaltungsfähigen Kindern kann eine Verweisung auf familienrechtliche Ansprüche dann nicht erfolgen, wenn der Wohnungsgewährende triftige Gründe hat, das Wohnrecht zu versagen (vgl. MietSlg. 25.326). Dies war zum Zeitpunkt des Todes der Mieterin - und auch noch während dieses Verfahrens - aber nicht der Fall. Die Minderjährigen verfügten auf Grund ihres Unterhaltsanspruches, den ihr Vater auch unbestritten voll befriedigte, über eine ausreichende Wohnmöglichkeit. Es darf auch nicht übersehen werden, daß gemeinsam in den Mietvertrag Eintretende nach § 19 Abs. 2 Z 11 MG für den Mietzins zur ungeteilten Hand zu haften hätten. Auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Situation ist daher davon auszugehen, daß den Kindern des Antragsgegners eine gleichwertige Unterkunft zur Verfügung stand. Auf allfällige künftige Entwicklungen aber ist nicht Bedacht zu nehmen.

Damit aber fällt der vom Rekursgericht allein herangezogene Abweisungsgrund der fehlenden Antragslegitimation, weil der Antrag auf Benützungsregelung nicht gegen alle übrigen Mitmieter gestellt wurde, weg.

Für eine Entscheidung in der Sache selbst reichen die Feststellungen des Erstgerichtes aber nicht aus. Wie schon ausgeführt, ist Voraussetzung für das Eintrittsrecht naher Angehöriger, daß diese einerseits schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung wohnten und andererseits ein dringendes Wohnbedürfnis haben. Anhand der bisher getroffenen Feststellungen kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob diese Voraussetzungen auf die Antragstellerin zutreffen. Im Verfahren ist hervorgekommen, daß die Antragstellerin jedenfalls über eine Eigentumswohnung in Bad Ischl verfügt und auch die überwiegende Zeit des Jahres dort gewohnt hat. Es wird daher zu prüfen und festzustellen sein, ob und inwieweit die Antragstellerin mit der verstorbenen Maria K*** überhaupt im gemeinsamen Haushalt wohnte und ob sie mit ihrer Eigentumswohnung nicht über eine ausreichende Wohnmöglichkeit verfügt. Die Rechtsansicht der Hausverwaltung über den Eintritt der Antragstellerin in die Mietrechte ist jedenfalls für die rechtliche Beurteilung der Streitsache nicht von Relevanz, weil selbst ein vom Hauseigentümer mit anderen Personen geschlossener Mietvertrag oder Mitmietvertrag dem ex lege eingetretenen Mieter gegenüber unwirksam wäre. Es muß aber noch festgestellt und beurteilt werden, ob der Antragsgegner, selbst wenn der Antragstellerin wegen Fehlens der Voraussetzungen des gemeinsamen Haushaltes mit der Vormieterin oder des dringenden Wohnbedürfnisses kein Eintrittsrecht zustehen sollte, deren Eintritt als Mitmieterin nicht - ebenso wie die Hausverwaltung - ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hat, wie dies die Antragstellerin schon in ihrem Antrag auf Benützungsregelung behauptet hat (MietSlg. 21.523/60).

Es war daher dem Rekurs Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.

Anmerkung

E15294

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0100OB00524.87.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19880906_OGH0002_0100OB00524_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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