TE OGH 1988/9/6 11Os100/88

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Veröffentlicht am 06.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian E*** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.März 1988, GZ 12 e Vr 14.003/87-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Frysak, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate herabgesetzt wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Juni 1964 geborene Sicherheitswachebeamte Christian E*** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Zeitraum vom 13.Dezember 1986 bis 23. Oktober 1987 in Wien wiederholt in insgesamt neun Fällen als Sicherheitswachebeamter der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Vereinnahmung der (gemeint: auf die Einnahmen aus den) in Vollziehung der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrzeuggesetzes eingehenden Geldstrafen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte durch Ausstellung von Organstrafmandaten vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbrauchte, daß er über insgesamt neun Personen Organstrafmandate verhängte (obwohl er in Fällen wie diesen sonst von der Verhängung eines Strafmandates abzusehen pflegte - S 125 d.A) und die darin festgesetzten Strafbeträge von je 100 S kassierte, sie jedoch für eigene Zwecke verwendete, anstatt sie dem Bundesschatz abzuführen. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

In gemeinsamer Ausführung der formellen Rügen nach den Z 5 und 5 a wendet sich der Beschwerdeführer gegen die - für die rechtliche Beurteilung entscheidende - Feststellung zur subjektiven Tatseite, daß er neun Organstrafmandate ausstellte, um die inkassierten Strafbeträge für sich zu verwenden, daß demnach seine Handlungsweise bereits bei der Ausstellung der Organstrafmandate vom Vorsatz der Unterlassung der Weiterleitung der inkassierten Strafgeldbeträge getragen war (US 6 = S 126 d.A). Diese Feststellung sei unrichtig (Z 5 a).

Rechtliche Beurteilung

Begründungsmängel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO vermag der Beschwerdeführer konkret nicht zu bezeichnen. Seine die Darstellung der genannten Nichtigkeitsgründe einleitenden Erörterungen sind rechtlicher Natur und zur Ausführung der behaupteten formellen Nichtigkeitsgründe ungeeignet.

Das Erstgericht leitete in freier Beweiswürdigung aus dem Gesamtverhalten des Angeklagten, insbesondere der Wiederholung seines Tuns ohne vorangegangene Ablieferung des bereits für Organmandate vereinnahmten Geldes ab, daß er eben schon seine Befugnis zur Vollziehung der Gesetze, nämlich zur Ausstellung von Organstrafmandaten, wissentlich mißbrauchte, indem er solche zur Deckung seiner eigenen finanziellen Bedürfnisse ausstellte (US 8 ff insbes 10 = S 128 ff d.A). Nach eingehender Prüfung der vom Beschwerdeführer hiegegen vorgebrachten Einwände (unter 1/ bis 3/ der formellen Rügen) und des Akteninhaltes ergeben sich gegen die Richtigkeit dieser, dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsache - bei Bedachtnahme auf den § 258 Abs. 2 StPO - keine erheblichen Bedenken.

Mit seinen - formal auch dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 zugeordneten - Rechtsausführungen macht der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend, daß er lediglich bei Verhängung und Inkasso der Organstrafmandate eine Befugnis als Organ des Bundes in Vollziehung der Gesetze ausgeübt habe, nicht bei der Unterlassung der Abrechnung der Strafgelder. Mit diesem Vorbringen entfernt er sich jedoch von den eben erörterten Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite und führt die Rechtsrüge schon deshalb nicht gesetzmäßig aus. Wenn ein Organ nicht zu dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Zweck, sondern zur Deckung seines Geldbedarfes Organmandate verhängt und Strafen einhebt, so handelt es mißbräuchlich. Der Umstand allein, daß ein die Ausstellung eines Strafmandats deckender Verwaltungsstraftatbestand vorlag (US 10), macht dieses Verhalten nicht unter allen Umständen gesetzmäßig, besteht doch ein Ermessensspielraum des Amtsorganes, das in geeigneten Fällen auch von einer Bestrafung absehen kann (§ 21 Abs. 2 VStG), vorliegend aber nach den Urteilsfeststellungen sich nicht vom pflichtgemäßen Ermessen leiten ließ, sondern allein von der Absicht, sich zu bereichern (vgl RZ 1979/21).

In seiner Rechtsrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO bestreitet der Beschwerdeführer das Vorliegen jeder strafbaren Handlung, weil die für die Erfüllung des Tatbestandes nach dem § 302 StGB erforderliche Wissentlichkeit ebensowenig festgestellt sei, wie der von § 133 StGB vorausgesetzte Bereicherungsvorsatz. Dazu genügt es, zur Wissentlichkeit auf US 6 (wonach sich der Angeklagte der konkreten Rechtswidrigkeit seines Vorgehens "bewußt" war) zu verweisen. Es geht aber auch der neuerliche Versuch des Beschwerdeführers fehl, diese von ihm übergangene Feststellung als unbegründet und unrichtig (§ 281 Abs. 1 Z 5 und 5 a StPO) zu bekämpfen (vgl US 10 mit der allgemeiner Lebenserfahrung entsprechenden Bezugnahme auf die Ausbildung als Sicherheitswachebeamter). Ein Bereicherungsvorsatz schließlich - an sich zur Verwirklichung des Verbrechens nach dem § 302 Abs. 1 StGB nicht erforderlich - liegt nach den Urteilsfeststellungen (Verwendung der eingenommenen Geldbeträge für eigene Zwecke des Angeklagten) ebenfalls vor.

Die (teilweise nicht gesetzmäßig ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 302 Abs. 1 StGB eine gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die gewerbsmäßigen Tatwiederholungen, als mildernd die Unbescholtenheit des Angeklagten, sein Tatsachengeständnis und die Schadensgutmachung.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe (unter Anwendung des § 41 StGB) und ihre Umwandlung in eine Geldstrafe (unter Aufrechterhaltung der bedingten Strafnachsicht) an.

Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Zu den Strafzumessungserwägungen der ersten Instanz ist zu bemerken, daß weder die Urteilsfeststellungen noch die Aktenlage die Annahme gewerbsmäßigen Vorgehens des Angeklagten rechtfertigen. Auch benimmt der Umstand, daß er sich in einer finanziell prekären Situation befand, mag diese Notlage auch nicht unverschuldet eingetreten sein, dem Angeklagten noch nicht den Milderungsgrund des ordentlichen Lebenswandels. Schließlich darf auch nicht völlig vernachlässigt werden, daß der mit dem strafbaren Verhalten des Angeklagten verbundene materielle Schaden als gering einzustufen ist. Unter diesen korrigierten Aspekten erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß als überhöht. Insoweit war daher der Berufung Folge zu geben.

Dagegen läßt insbesondere die Tatwiederholung (über einen längeren Zeitraum) eine Heranziehung des § 37 StGB schon aus spezialpräventiven Gründen nicht zu.

Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E15314

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00100.88.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19880906_OGH0002_0110OS00100_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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