TE OGH 1988/9/13 4Ob69/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Angst, Dr. Kodek und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***- UND S*** Handelsgesellschaft mbH, Salzburg-Bergheim, Metzgerstraße 48, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei M***-Schuh- und Sporthandelsgesellschaft mbH, Seewalchen, Steindorferstraße 7, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer und Dr. Stefan Hoffmann, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 25. April 1988, GZ 3 R 110/88-10, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 10. März 1988, GZ 4 Cg 43/88-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.198,65 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 927,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Inhaberin der unter Nr. 115 476 beim Österreichischen Patentamt mit der Priorität vom 7. Oktober 1986 für die Warenklasse 25 (Bekleidungsstücke, insbesondere Sportbekleidung, Schuhwaren) registrierten, nachstehend abgebildeten Wort-Bild-Marke:

Die Klägerin vertreibt seit Herbst 1987 über die Firma U***-VERSAND unter der Marke "new line" Basketball- und Freizeitschuhe sowie Nylonstiefel mit der Bezeichnung "Snow-Jogger". Der Schriftzug "new line" befindet sich an der Außenseite der Schuhe teils mit, teils ohne Umrandung auf einem annähernd rechteckigen Leder- oder Stoff-Fleck.

Die Beklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der H*** P*** MAYER-Schuh- und Sportgesellschaft mbH & Co KG. Diese hat im November 1987 in einem Prospekt Nylon-Stiefel unter der Bezeichnung "Super-City-Moonboot" mit der Aufschrift "NEW LINE" zum Verkauf angeboten. In diesem Werbetext findet sich folgender Schriftzug:

Eine gleichartige Aufschrift findet sich an der Außenseite des Stiefelschaftes.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte durch die Verwendung der Bezeichnung "New Line" das Markenrecht der Klägerin verletze, begehrt diese zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu untersagen, Bekleidungsstücke, insbesondere Sportbekleidung und Schuhwaren, unter Verwendung der Wort-Bild-Marke Nr. 115 476 oder eines ähnlichen Zeichens zu vertreiben und in den geschäftlichen Verkehr zu setzen, insbesondere auch durch Verwendung von Etiketten mit dem Wortbestandteil "New Line". Die Klägerin verwende ihre Marke österreichweit vor allem zur Kennzeichnung der von ihr vertriebenen Schuhwaren. Auch der Wortbestandteil "New Line" genieße für die von ihr vertriebenen Produkte innerhalb der beteiligten Verkehrskreise, insbesondere der von ihr österreichweit belieferten Zwischen- und Detailhändler, Verkehrsgeltung. Durch die Verwendung des Wortbestandteils der Marke führe die Beklagte eine unmittelbare Verwechslungsgefahr herbei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages. Der Wortbestandteil "New Line" genieße keine Verkehrsgeltung (gemeint: für die Klägerin). Die Beklagte selbst vertreibe keine Schuhwaren. Als Gesellschafterin der "H*** P*** MAYER-Schuh- und Sportgesellschaft mbH & Co KG" sei sie nicht passiv legitimiert; sie habe die Wort-Bild-Marke der Klägerin nicht verwendet. Der Wortbestandteil "New Line" sei für sich allein mangels Unterscheidungskraft nicht schutzfähig. Zudem bestehe für diesen Ausdruck ein Freihaltebedürfnis, weil die "neue Linie" im Bereich der Mode ein sprachgängiger Ausdruck sei, der nicht monopolisiert werden dürfe.

Der Erstrichter erließ die einstweilige Verfügung. Zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt nahm er noch als bescheinigt an, daß die Klägerin ein Großhandelsunternehmen ist und daß die von beiden Parteien angebotenen Moonboots auch wenn man sie gleichzeitig betrachte, dem äußeren Anschein nach von ein und demselben Hersteller stammen.

Rechtlich bejahte der Erstrichter die Passivlegitimation der Beklagten. Die Marke der Klägerin sei nach § 9 Abs 3 UWG infolge der sich aus den "U***-VERSAND"-Katalogen ergebenden Verkehrsgeltung schutzfähig. Das von der Beklagten verwendete Zeichen sei dieser Marke verwechselbar ähnlich und verletze damit das Markenrecht der Klägerin.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteige. Der Beweisrüge der Beklagten trug es insofern Rechnung, als es die Feststellung, daß die von den Streitteilen angebotenen Moonboots bei gleichzeitiger Betrachtung dem äußeren Anschein nach von ein- und demselben Hersteller stammten, als unrichtig bezeichnete und demgegenüber als bescheinigt annahm, daß sich sowohl die Moonboots als auch der Schriftzug "new line" so deutlich voneinander unterschieden, daß dies zumindest bei gleichzeitiger Betrachtung auffalle. Die Frage, ob die Klägerin ein Großhandelsunternehmen sei, habe keine rechtliche Bedeutung. Die Beklagte sei passiv legitimiert, weil die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft mit dieser zusammen eine einheitliche Unterlassungspflicht träfe. Auch der Einwand, daß sich die Klägerin zur Begründung ihres Sicherungsantrages nicht auf das Klagevorbringen berufen habe, sei unberechtigt. Der Beklagten sei aber darin beizupflichten, daß der Wortbestandteil "new line" nicht unterscheidungskräftig sei und nicht monopolisiert werden dürfe und daß die Klägerin eine Verkehrsgeltung ihrer Marke nicht bescheinigt habe. Die Wörter "new line" entstammten der englischen Sprache und bedeuteten "neue Linie". Sie gehörten der allgemeinen Umgangssprache an und seien, da es für sie keine Ersatzwörter gebe, auch bei - hier gar nicht bescheinigter - Verkehrsgeltung absolut schutzunfähig. Wie weit die Wortverbindung "new line" in Form der registrierten Wort-Bild-Marke der Klägerin durch die graphische Gestaltung des Schriftzuges und der ovalen Umrandung, möglicherweise auch durch die verwendeten Farben, Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft habe, könne auf sich beruhen, weil die Beklagte die Bezeichnung "NEW LINE" in einer völlig anderen Form verwende und aus der Marke lediglich die nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteile entlehnt habe. Der Beklagten könne nicht zur Last fallen, wenn die Klägerin ihre Marke nicht in der registrierten Form, sondern so verwende, daß sie mit dem Zeichen der Beklagten verwechselt werden könne. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstrichters wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 2, § 528 Abs 2 ZPO), weil der Bewertungsausspruch (§ 500 Abs 2 Z 3, § 526 Abs 3 ZPO), bei dem das Rekursgericht die durch § 500 Abs 2 (§ 526 Abs 3) ZPO gezogenen Grenzen nicht überschritten und insbesondere auch nicht die sinngemäße Anwendung der §§ 54 bis 60 JN (§ 500 Abs 2 Satz 2 ZPO) unterlassen hat, unanfechtbar (§ 500 Abs 4 Satz 1 ZPO, § 526 Abs 3 ZPO) und daher - entgegen der Meinung der Beklagten - für den Obersten Gerichtshof bindend ist (ÖBl 1987, 63 mwN).

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor (§ 528 a, 510 Abs 3 ZPO). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rechtliche Ausführungen zur Verwechslungsgefahr macht, wird darauf bei Behandlung der Rechtsrüge einzugehen sein. Die Klägerin meint, für das Provisorialverfahren sei "ausschließlich das Faktum der Registrierung rechtlich relevant"; die Frage der Verkehrsgeltung wäre daher nicht zu prüfen. Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht bei der Beurteilung des wettbewerbsrechtlichen Schutzes einer registrierten Marke an die Entscheidung des Patentamtes nicht gebunden; es hat vielmehr die Verwendung der Marke unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechtes selbständig zu prüfen. Soweit dabei Rechtsfragen zu beurteilen sind, muß sie das Gericht unabhängig von der Markenregistrierung lösen; für die Feststellung der tatsächlichen Grundlagen des Markenschutzes schafft hingegen die Registrierung im Prozeß einen sogenannten "prima-facie-Beweis", welchen der Beklagte durch einen Gegenbeweis - im Provisorialverfahren durch eine Gegenbescheinigung - widerlegen kann (SZ 49/65, ÖBl 1981, 69, ÖBl 1987, 63 u.v.a.). Ist eine Marke auf Grund eines Verkehrsgeltungsnachweises registriert worden, dann hat das Gericht bis zum Beweis (zur Bescheinigung) des Gegenteils davon auszugehen, daß eine solche Verkehrsgeltung im Prioritätszeitpunkt tatsächlich vorhanden war (ÖBl 1982, 160). Das trifft aber hier schon deshalb nicht zu, weil sich für das Patentamt die Frage der Verkehrsgeltung gar nicht gestellt hatte: Die Klägerin hatte ja ein Kombinationszeichen angemeldet, für welches das Eintragungshindernis der Deskriptivität nach § 4 Abs 1 Z 2 MSchG nicht gilt (PBl. 1983, 29).

Es trifft zwar zu, daß registrierte Marken - ebenso wie die in § 9 Abs 1 UWG aufgezählten Kennzeichen - grundsätzlich den Schutz des § 9 UWG unabhängig davon genießen, ob sie innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Zeichen einer bestimmten Person gelten. Eine solche Verkehrsgeltung ist nur für die Schutzfähigkeit sonstiger Geschäftsabzeichen (§ 9 Abs 3 UWG) in jedem Fall Voraussetzung; alle anderen Kennzeichen sind ohne Rücksicht auf die Verkehrsgeltung schutzfähig, wenn sie Unterscheidungs- (Kennzeichnungs-)kraft besitzen, also etwas Besonderes, Individuelles an sich haben, das sich schon ihrer Art nach dazu eignet, ihren Träger von anderen Personen zu unterscheiden (Hohenecker-Friedl 47, Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 147; ÖBl 1979, 48; ÖBl 1979, 78 ua) oder - bei Marken - eine Ware (Dienstleistung) als aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb stammend zu kennzeichnen (Koppensteiner aaO). Bezeichnungen, denen an sich keine solche Unterscheidungskraft zukommt, können den Schutz nach § 9 UWG nur erlangen, wenn und soweit sie Verkehrsgeltung besitzen (Hohenecker-Friedl aaO; Koppensteiner aaO 149).

Die Beklagte verwendet nur den Wortbestandteil der für die Klägerin registrierten Wort-Bild-Marke. Die Wortfolge "new line" ist aber für sich allein nicht unterscheidungskräftig, weil sie nur zum Ausdruck bringt, daß die damit bezeichneten Waren der neuesten Mode entsprechen. Es handelt sich dabei somit um eine Angabe über die Beschaffenheit der Ware (§ 4 Abs 1 Z 2 MSchG), die - für sich allein, ohne eine bestimmte graphische Gestaltung - nicht registrierbar wäre; die Registrierung wäre in einem solchen Fall nur zuzulassen, wenn das Zeichen in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen der Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens des Anmelders gilt (§ 4 Abs 2 MSchG). Daß die Bezeichnung "new line" in diesem Sinne für die Klägerin Verkehrsgeltung erlangt hätte, ergibt sich aber nach dem oben Gesagten nicht aus der Registrierung der Marke und wurde auch nicht bescheinigt. Ob die Worte "new line" zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich sind (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG) und demnach auch bei Verkehrsgeltung nicht registriert werden könnten, kann deshalb auf sich beruhen.

Daß die Bezeichnung "new line" aus der englischen Sprache stammt, ist ohne Bedeutung, weil sie von breitesten Kreisen der österreichischen Bevölkerung, vor allem aber von so gut wie allen Angehörigen der jüngeren Generation verstanden wird, die als Käufer von Bekleidungsstücken der jeweils "neuen Linie" vor allem in Frage kommen (vgl. ÖBl 1977, 126; ÖBl 1988, 41).

Bei der Wortgruppe "new line" handelt es sich - entgegen der Meinung der Klägerin - auch keinesfalls um eine eigenartige sprachliche Neubildung, in der die sonst übliche Bedeutung der einzelnen Wörter so in den Hintergrund träte, daß die Wortverbindung zur Kennzeichnung geeignet wäre, sondern um eine durchaus gängige Bezeichnung für neue Mode.

Die Klägerin mißversteht offenbar den Begriff der Verkehrsgeltung, wenn sie auch in dritter Instanz darauf beharrt, daß sie diese durch die Vorlage von Ablichtungen aus "U***-V***"-Katalogen (Beilagen C bis E) bescheinigt hätte. Daraus ergibt sich nur, daß die Firma "U***-V***"

verschiedene Schuhe angeboten hat, die die Aufschrift "new line" tragen; jeglicher Hinweis auf die Klägerin fehlt. Daß auch nur ein Teil der beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen der Bezeichnung "new line" und der Klägerin herstellt, läßt sich hieraus nicht ableiten.

War aber schon mangels Unterscheidungskraft die Schutzfähigkeit des Wortbestandteils der für die Klägerin registrierten Marke zu verneinen, so braucht auf die von ihr unter dem Rechtsmittelgrund der "Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtigen Sachverhaltsfeststellung" aufgeworfene Frage der Verwechslungseignung nicht eingegangen zu werden.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E15436

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00069.88.0913.000

Dokumentnummer

JJT_19880913_OGH0002_0040OB00069_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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