TE OGH 1988/9/27 5Ob609/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otto F. J. L***, Kaufmann, Margaretenstraße 82/8a, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) IBV Industrieausrüstungs-Vertriebsgesellschaft mbH, Schwarzstraße 2, D-6200 Wiesbaden, Bundesrepublik Deutschland, 2.) Gerhard R***, auch Mohammed Ali Gerhard R***, ebendort, beide vertreten durch Dr. Armin Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 340.800,-- samt Anhang infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 1. Juli 1988, GZ 3 R 83/88-32, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 28. März 1988, GZ 33 Cg 28/86-28, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das klageabweisende Urteil des Erstgerichtes vom 5. August 1987, ON 20, wurde dem Klagevertreter am 23. November 1987 zugestellt. Am 29. Dezember 1987 erteilte das Erstgericht die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit.

Am 7. Jänner 1988 langte beim Erstgericht die Berufung des Klägers ein. Mit Schriftsatz vom 17. März 1988, beim Erstgericht eingelangt am 21. März 1988, beantragte der Kläger gemäß § 7 Abs 3 EO, die zu Unrecht erteilte Bestätigung "der Rechtskraft des Urteils" aufzuheben.

Das Erstgericht wies die Berufung als verspätet zurück (Punkt 1) und den Antrag, die Bestätigung "der Vollstreckbarkeit" aufzuheben, ab (Punkt 2). Der auf dem Briefumschlag angebrachte Freistempel weise zwar das Datum 21. Dezember 1987 auf, enthalte aber keinen Poststempel. Damit sei der Nachweis, daß die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist zur Post gegeben wurde, nicht erbracht. Die Erhebungen, die zum Postweg und zur Beförderung durch die Post gepflogen worden seien, hätten keinen eindeutigen Nachweis der rechtzeitigen Erhebung der Berufung erbracht.

Das Rekursgericht behob den Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses und änderte dessen Punkt 2 dahin ab, daß er zu lauten habe: "Die am 29. Dezember 1987 erteilte Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Urteils des Handelsgerichtes Wien vom 5. August 1987, GZ 33 Cg 28/86-20, wird aufgehoben". Es führte aus:

Nach dem Akteninhalt weist der Briefumschlag, mit welchem die Berufung zur Post gegeben wurde, einen Freistempelabdruck des Klagevertreters mit dem Datum 21. Dezember 1987 auf. Nach den Angaben der vom Rekursgericht als Auskunftsperson vernommenen Marietta J*** wurde dieser Brief am Montag, dem 21. Dezember 1987, in der Kanzlei des Klagevertreters mit dem Freistempelabdruck versehen und anschließend in den Postkasten Ecke Amerlingstraße/Schadekgasse eingeworfen. Nicht festgestellt werden kann, aufgrund welcher Umstände die Berufung erst am 7. Jänner 1988 beim Erstgericht einlangte.

Die Berufung müsse als rechtzeitig angesehen werden. Nach § 32 Postordnung idF BGBl. 1981/2 seien Sendungen mit Freistempelabdrucken am Postschalter aufzugeben. Einzelne nichtbescheinigte Briefsendungen mit Freistempelabdrucken dürften aber auch in Briefkasten eingelegt werden. Freistempelabdrucke, deren Datumsangabe mit dem Datum der Aufgabe nicht übereinstimmen, seien ungültig; diese Sendungen seien dem Absender zurückzugeben. Das Überwachungspostamt habe unter anderem die Aufgabe, die Orts- und Datumsangabe auf dem Freistempel zu überprüfen (Schaginger-Trpin, Postgesetz und Postordnung 252), weil die auf dem Freistempelabdruck befindliche Datumsangabe denselben Zweck wie die Datumsangabe auf dem von der Post angebrachten Orts- und Tagesstempel erfülle (Schaginger-Trpin aaO 249). Da im vorliegenden Fall eine Rücksendung des Schriftstückes durch die Post an den Absender nicht erfolgte und nicht unterstellt werden könne, daß eine Überprüfung der Richtigkeit der Datumsangabe auf dem Freistempelabdruck durch das Überwachungspostamt unterblieben ist, müsse in Zusammenhalt mit den Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens davon ausgegangen werden, daß die fragliche Sendung an dem aus dem Freistempelabdruck ersichtlichen Datum (21. Dezember 1987) der Post durch Einwurf in einen Briefkasten zur Beförderung übergeben wurde. Die Berufung sei daher zufolge der Bestimmung des § 89 GOG als rechtzeitig anzusehen (siehe auch VwGH in ÖVA 1981, 20).

Da durch die rechtzeitige Erhebung der Berufung der Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit gehemmt werde, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Dabei schade es nicht, daß der Kläger lediglich die Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft beantragt hat. Der Hinweis auf § 7 Abs 3 EO ergebe eindeutig, daß damit auch die Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Urteils beantragt worden sei.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die beklagten Parteien machen zusammengefaßt geltend, daß der Briefkasten, in den die Berufungsschrift nach den Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens am 21. Dezember 1987 eingelegt worden ist, laut Auskunft der Post- und Telegraphendirektion Wien vom 23. März 1988, ON 27, an diesem Tag um 9 Uhr und um 13 Uhr geleert worden ist. Der für die Rechtzeitigkeit der Erhebung des Rechtsmittels erforderliche Nachweis, daß die Berufungsschrift am 21. Dezember 1987 vor 13 Uhr in den Briefkasten eingeworfen worden ist, sei nicht erbracht worden. Es bestehe kein sachlicher Grund, eine mit einer Briefmarke frankierte Postsendung anders zu behandeln als eine mit einem Freistempelabdruck versehene; wäre die Berufungsschrift des Klägers am 21. Dezember 1987 nach 13 Uhr in den Briefkasten eingeworfen worden, so hätte sie für den Fall einer Gebührenentrichtung in Form von Briefmarken nicht den Poststempel 21. Dezember 1987 aufweisen können; die Berufung wäre diesfalls als verspätet anzusehen gewesen; dies müsse auch für eine mit einem Freistempelabdruck versehene Postsendung gelten. Die Regel, daß der Tag der Postaufgabe grundsätzlich durch den Poststempel nachgewiesen wird, sei auf den Fall der Freimachung der Postsendung durch eine Absender-Freistempelmaschine nicht anwendbar.

Zu diesen Ausführungen ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Nach § 89 GOG ist der Postenlauf in prozessuale Fristen nicht einzurechnen. Das bedeutet, daß es genügt, wenn das an das zuständige Gericht adressierte Schriftstück am letzten Tag der Frist zur Post gegeben worden ist (Fasching, Kommentar II 671 und Lehrbuch Rz 549). Das trifft zu, wenn das Schriftstück noch an diesem Tag in postalische Behandlung genommen worden ist (Fasching, Kommentar II 671). Der Nachweis hiefür wird in der Regel dadurch erbracht, daß das Schriftstück den Postaufgabevermerk bzw. Poststempel des letzten Tages der Frist erhält (Fasching, Kommentar II 671 und Lehrbuch Rz 549).

Im vorliegenden Fall der Verwendung einer Absender-Freistempelmaschine hat das Rekursgericht als letzte Tatsacheninstanz aus der Aussage der Marietta J***, sie habe die Berufungsschrift am 21. Dezember 1987 in den Briefkasten Ecke Amerlingstraße/Schadekgasse eingeworfen (aus welcher Aussage allerdings nicht hervorgeht, ob dies vor oder nach 13 Uhr geschehen ist), und aus dem Umstand, daß diese Postsendung dem Rechtsvertreter des Klägers nicht gemäß § 32 PO wegen Nichtübereinstimmung der Datumsangabe auf dem Freistempelabdruck mit dem tatsächlichen Aufgabedatum zurückgegeben worden ist, geschlossen, daß die Berufungsschrift tatsächlich am 21. Dezember 1987 der Post (offenbar zu ergänzen: so rechtzeitig) zur Beförderung übergeben worden ist (offenbar zu ergänzen: daß sie noch an diesem Tag in postalische Behandlung genommen worden ist). Dem kann der Oberste Gerichtshof als Rechtsinstanz nicht entgegentreten. Im übrigen hat ein Rechtsmittel nach ständiger Rechtsprechung in dem Sinne die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, als es jedenfalls entgegenzunehmen und sachlich zu erledigen ist, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist (welcher Fall hier nicht vorliegt); die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit wirkt sich zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers aus (SZ 46/86 uva, zuletzt etwa EFSlg 47.090, RZ 1986/40, 6 Ob 525/88).

Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E15444

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00609.88.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19880927_OGH0002_0050OB00609_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten