TE OGH 1988/9/27 2Ob96/88

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Veröffentlicht am 27.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Willibald W***, Frührentner, 9562 Hochegg 15, vertreten durch Dr. Roland Zika, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wider die beklagte Partei I*** U***- UND S***-AG, Landesdirektion

für Kärnten und Osttirol, 9020 Klagenfurt, Burggasse 14, vertreten durch Dr. Gert Tschernitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 535.410,-- (Leistungsbegehren S 330.210,-- und Rentenbegehren S 205.200), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11.Mai 1988, GZ 1 R 53/88-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 12.November 1987, GZ 21 Cg 376/85-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.973,70 (darin keine Barauslagen und S 1.452,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 16.Oktober 1979 als Insasse eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW schwer verletzt. Er hat am Zustandekommen dieses Unfalles ein Mitverschulden von einem Drittel zu vertreten. Die Beklagte haftet dem Kläger für sämtliche aus diesem Unfall entstehenden Ansprüche dem Grunde nach zu zwei Dritteln.

Nach Fällung eines Teilurteiles, das dem Kläger Schmerzengeld zusprach, ist nur noch der geltend gemachte Verdienstentgang streitverfangen.

Der Kläger brachte dazu vor, daß er in den Jahren vor dem Unfall als Mechaniker auf Baustellen beschäftigt gewesen sei und im Monatsdurchschnitt netto S 15.000,-- verdient habe. Unmittelbar vor dem Unfall sei er arbeitslos gewesen. Nach dem Unfall habe er bis einschließlich Jänner 1982 Sozialversicherungsleistungen in Höhe von monatlich durchschnittlich S 7.500,-- bezogen, sodaß unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens ein monatlicher Verdienstentgang von S 2.500,-- (S 10.000,-- - S 7.500,--) erwachsen sei. Für diese Periode belaufe sich daher sein Verdienstentgang auf S 67.500,-- (27 Monate a S 2.500,--). Seit Feber 1982 erhalte er vom Sozialversicherer lediglich S 4.300,--monatlich,sodaßder Sozialversicherer lediglich S 4.300,-- monatlich, sodaß der Verdienstentgang bis einschließlich Oktober 1985 S 5.700,-- monatlich und insgesamt S 250.800,-- (44 Monate a S 5.700,--) betrage. Da er erwerbsunfähig sei, begehre er ab 1.November 1985 eine monatliche Verdienstentgangsrente von S 5.700,--. Bei normalem Lauf der Dinge hätte er auch nach dem Unfall monatlich durchschnittlich S 15.000,-- verdienen können. Er begehrte daher aus dem Titel Verdienstentgang insgesamt S 330.210,-- samt 4 % Zinsen ab 2. Dezember 1985 und dazu ab 1.November 1985 eine monatliche Rente von S 5.700,--.

Die Beklagte wendete ein, daß der Kläger keinen Verdienstentgang erlitten habe. Er habe Leistungen von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern bezogen und beziehe diese auch derzeit. Diese Leistungen deckten - unter Bedachtnahme auf das Mitverschulden von einem Drittel - den Verdienstentgang des Klägers zur Gänze ab. Der Kläger habe bis Jänner 1982 mehr als S 7.500,-- monatlich und ab Feber 1982 mehr als S 4.300,-- monatlich an Sozialversicherungsleistungen bezogen. Im Zeitpunkt des Unfalles sei er arbeitslos gewesen. Er sei auch vorher nicht ständig einer Arbeit nachgegangen. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre vor dem Unfall habe er lediglich 10,5 Monate jährlich gearbeitet.

Mit dem Urteil (Endurteil) vom 12.November 1987 wies das Erstgericht das gesamte Verdienstentgangsbegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Sachverhaltsfeststellungen ausging:

Der Kläger ist gelernter Mechaniker und war vor dem Unfall als Baumaschinenmechaniker auf Baustellen beschäftigt. Es war sein Bestreben, Stellen bei Baufirmen in anderen Bundesländern anzunehmen, um einen höheren Verdienst zu erzielen. Er war nur während gewisser Zeiträume beschäftigt, weil er nur ihm passende Arbeitsangebote annahm. Unter Zugrundelegung der Zeiten der Beschäftigung, der Arbeits- und Beschäftigungslosigkeit und der damit verbundenen Einkünfte (Nettoeinkommen aus Arbeitsverhältnissen und Bezug von Arbeitslosengeld) ergibt sich, bezogen auf die Jahre 1976, 1977, 1978 bis 16.Oktober 1979 (Unfall) ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 7.401,--. Nach Abzug des Mitverschuldensanteiles des Klägers von einem Drittel (= S 2.467,--) errechnet sich ein Betrag von S 4.934,--. Der Kläger bezieht zwei Renten, und zwar seit 16.April 1980 eine Rente von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern und seit 15.April 1980 eine Invaliditätspension von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter. Der durchschnittliche monatliche Rentenbezug beträgt S 5.092,83 (für beide Renten und für die Zeit vom 15.April 1980 bis 31. Oktober 1985), sodaß sich für diese Zeit kein Verdienstentgang errechnet. Im Jahre 1979 war der Kläger nur vom 3.September 1979 bis 8. Oktober 1979 bei der A*** T*** B*** beschäftigt. Zu Bezügen des Klägers vom Unfall (16.Oktober 1979) bis 16.April 1980 konnte dieser keine Urkunden vorlegen. Es gibt diesbezüglich auch keine Aufzeichnungen der Gebietskrankenkasse. Die Bezüge an Krankengeld und anderen Leistungen der Sozialversicherer sind erfahrungsgemäß unmittelbar nach dem Unfall höher als die danach gewährten Renten. Auf Grund der oben geschilderten Einstellung des Klägers und des vor dem Unfall erzielten durchschnittlichen Verdienstes lasse sich auch für die Zukunft eine Einkommensprognose erstellen. Aus diesen Gründen sei ein berufskundlicher Sachverständiger nicht beizuziehen gewesen. Aus der Darstellung des Klägers, daß er im Ausland eine hochdotierte Arbeitsstelle hätte annehmen können, wenn sein Bruder nicht tödlich verunglückt wäre, lasse sich für die Erstellung der Einkommensprognose nichts gewinnen. Es könne daher nur vom Einkommen im aufgezeigten Umfang ausgegangen werden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Kläger keinen Verdienstentgang erlitten habe, sodaß sein Begehren einschließlich des Rentenbegehrens abzuweisen gewesen sei. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und für die abschließende Beurteilung ausreichend und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, bei Beurteilung der Frage, ob ein Verdienstentgang entstanden sei, sei darauf Bedacht zu nehmen, welchen Verdienst der Geschädigte ohne Unfall bei einem gewöhnlichen Verlauf der Dinge voraussichtlich erzielt hätte. Welches Einkommen er bei Ausnützung seiner Erwerbsfähigkeit ohne die Unfallsfolgen erzielt hätte, könne nur auf Grund hypothetischer Feststellungen über einen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Geschehensablauf beurteilt werden. Infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung seien aber Feststellungen in dieser Richtung unterblieben. Insbesondere sei der beantragte Sachverständigenbeweis nicht aufgenommen worden. Das Berufungsgericht habe hierin keinen Verfahrensmangel erblickt. Es liege aber in der Natur der Sache, daß im Falle einer Erwerbsunfähigkeit theoretische Überlegungen angestellt werden müßten, welches Einkommen ohne Eintritt des Schadensfalles erzielt hätte werden können. Da infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung die Aufnahme des Sachverständigenbeweises unterblieben sei, sei das Verfahren auch mangelhaft geblieben und eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache nicht möglich. Bei Aufnahme des beantragten Sachverständigenbeweises hätte festgestellt werden müssen, daß der Kläger bei einem gewöhnlichen Lauf der Dinge nach dem Unfall ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 15.000,-- hätte erzielen können und es hätte ihm daher der beantragte Verdienstentgang und die Rente zugesprochen werden müssen.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß mit der Rüge der Unterlassung der Einvernahme eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Berufskunde durch das Erstgericht ein angeblicher Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens geltend gemacht wird, den das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtete. Derartige angebliche Verfahrensmängel der ersten Instanz können aber nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (SZ 41/8, EvBl 1968/344 uva.). Der vom Kläger inhaltlich geltend gemachte Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt daher nicht vor.

In der Rechtsrüge werden auf angeblich unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhende Feststellungsmängel geltend gemacht, weil nicht festgestellt worden sei, daß der Kläger bei einem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohne den Unfall ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 15.000,-- hätte erzielen können. Auch diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Geschädigten ein Verdienstentgang im Sinne des § 1325 ABGB entstanden ist, ist darauf Bedacht zu nehmen, welchen Verdienst der Geschädigte ohne Unfall bei gewöhnlichem Lauf der Dinge voraussichtlich erzielt hätte (ZVR 1979/232 ua.). Welches Einkommen der Geschädigte bei Ausnützung seiner Erwerbsfähigkeit ohne die Unfallsfolgen erzielt hätte, kann nur auf Grund hypothetischer Feststellungen über einen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Geschehensablauf beurteilt werden. Derartige Feststellungen betreffen aber trotz ihres hypothetischen Charakters ausschließlich den Tatsachenbereich (SZ 25/280; SZ 26/155, 8 Ob 8/86 ua.) und können daher im Revisionsverfahren nicht mit Erfolg bekämpft werden, es sei denn, sie beruhten auf Schlußfolgerungen, die mit den Denkgesetzen unvereinbar wären, in welchem Fall sie mit der Rechtsrüge angefochten werden könnten (RZ 1967, 105 ua.). Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes hat der Kläger unter Zugrundelegung der Zeiten der Beschäftigung, der Arbeits- und Beschäftigungslosigkeit und der damit verbundenen Einkünfte (Nettoeinkommen aus Arbeitsverhältnissen und Bezug von Arbeitslosengeld), bezogen auf die Jahre 1976, 1977, 1978 bis 16. Oktober 1979 (Unfall) ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 7.401,--, woraus sich nach Abzug des Mitverschuldensanteiles des Klägers ein Betrag von netto S 4.934,-- monatlich ergibt. Das Erstgericht hat weiters festgestellt, daß mit Rücksicht auf die Einstellung des Klägers, nur ihm zusagende Arbeitsangebote anzunehmen und nur während gewisser Zeiträume zu arbeiten, für die Zukunft nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohne den Unfall nur dieses Nettoeinkommen vom Kläger zu erzielen gewesen wäre. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, sind Möglichkeiten der Erlangung eines Arbeitsplatzes, für deren Eintritt hinlängliche Anhaltspunkte fehlten, nicht zu berücksichtigen; nur wenn dem durch den Unfall Geschädigten bereits vorher ein Dienstposten fest zugesagt und von ihm auch angnommen worden war, besteht Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges.

Nach den auf den Angaben des Klägers beruhenden Feststellungen kam es zur Auflösung des Dienstverhältnisses mit der A*** B*** am 8.Oktober 1979 deshalb, weil er mit seinem Bruder Klaus W*** vereinbart hatte, daß dieser ihm eine Stelle als Schlosser auf einer Baustelle einer deutschen Firma im Ausland beschafft. Sein Bruder hatte ihm zugesagt, daß er jederzeit bei dieser Firma zu arbeiten beginnen könne. Sein Bruder hatte als Schlosser S 60.000,-- verdient. Bei welcher Firma sein - am 13.Oktober 1982 tödlich verunglückter - Bruder beschäftigt war, wußte der Kläger nicht anzugeben. Auf Grund dieser Feststellungen ergibt sich aber, daß ihm eine bestimmte Arbeitsstelle auf einer Baustelle im Ausland weder fest zugesagt noch von ihm angenommen worden war. Soweit die Revision von diesen Tatsachenfeststellungen abweicht und ein Monatseinkommen von S 15.000,-- behauptet, das der Kläger ohne den Unfall hätte erzielen können, weicht sie von den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen der Vorinstanzen ab und bringt in diesem Umfang die Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Ausgehend von den Feststellungen der Vorinstanzen kann aber in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die festgestellten Rentenbezüge das fiktive Einkommen, das der Kläger ohne den Unfall hätte erzielen können, übersteigen und ihm daher kein Verdienstentgang entstanden sei, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E15382

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00096.88.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19880927_OGH0002_0020OB00096_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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