TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/11 2003/21/0205

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2005
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des W G in G, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/10/40, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 31. Juli 2003, Zl. FR 807/2003, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Weißrussland, reiste - seinen Angaben zufolge - am 25. Juni 2001 nach Österreich ein. Sein unmittelbar danach gestellter Asylantrag wurde mit dem Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. April 2003 rechtskräftig abgewiesen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 17. Dezember 2002 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe und mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 5. Juni 2003 wegen teils vollendeten, teil versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt.

Im Hinblick darauf wurde gegen den Beschwerdeführer mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Juli 2003 gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.

Begründend verwies die belangte Behörde vor allem auf die angeführten Verurteilungen und traf nähere Feststellungen hinsichtlich der ihnen zugrundeliegenden Tathandlungen. Nach dem ersterwähnten Urteil habe der Beschwerdeführer am 16. November 2002 versucht, zwei Herrenhosen im Gesamtwert von etwa EUR 55,-- zu stehlen. Der zweiten Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer Ende April/Anfang Mai 2003 zwei Packungen Parfüm gestohlen und am 8. Mai 2003 in einem Drogeriemarkt unter Verwendung einer präparierten, die Diebstahlssicherung außer Funktion setzenden Einkaufstasche Parfümartikel im Gesamtwert von etwa EUR 550,-- zu stehlen versucht habe, wobei er in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften folgerte die belangte Behörde rechtlich, es sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt, weil der Beschwerdeführer zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten und mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen verurteilt worden sei. Angesichts dessen und weil das "neuerlich an den Tag gelegte" strafbare Verhalten insofern eine Steigerung erfahren habe, dass es gewerbsmäßig begangen wurde, sei eine Wiederholungsgefahr "nicht gänzlich auszuschließen". An dieser Einschätzung ändere auch das in der Berufung geltend gemachte Einkommen aus der seit vier Monaten betriebenen Tätigkeit als Zeitungskolporteur nichts, habe der Beschwerdeführer doch auch in der Vergangenheit trotz des Bezuges von Sozialhilfe "offensichtlich permanent" versucht, durch die Begehung von Eigentumsdelikten "zusätzlich finanzielle Mittel zu lukrieren". Im Übrigen sei auch der Zeitraum seit der letzten Verurteilung "noch viel zu kurz", um eine positive Zukunftsprognose erstellen zu können.

Ausgehend von der Feststellung, der Beschwerdeführer sei verheiratet und lebe gemeinsam mit seiner Frau in einer "Caritasunterkunft" in Graz, wobei der Lebensunterhalt durch Sozialhilfe bestritten werde, vertrat die belangte Behörde die Ansicht, durch das Aufenthaltsverbot komme es zu einem relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Trotzdem sei die aufenthaltsbeendende Maßnahme angesichts der wiederholten strafbaren Handlungen gegen fremdes Eigentum, wobei die gewerbsmäßige Begehung eine Steigerung des kriminellen Verhaltens bedeute, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes scheinen - so die belangte Behörde zusammenfassend im Rahmen der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG - wesentlich schwerer zu wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und "seiner Familie". Ansätze einer beruflichen und sozialen Integration des Beschwerdeführers, die durch die noch nicht allzu lange Dauer seines (nur bis 4. März 2003 rechtmäßigen) Aufenthalts bedingt seien, wären nicht in einem solchen Ausmaß erkennbar, dass sie der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegenstünden. Mit ähnlichen Erwägungen begründete die belangte Behörde auch die zum Nachteil des Beschwerdeführers vorgenommene Ermessensübung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z 1 FrG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die Beschwerde bestreitet nicht die - auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandende - Annahme der belangten Behörde, im Hinblick auf die erwähnten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen sei der dritte und vierte Fall des zitierten Tatbestandes des § 36 Abs. 2 FrG erfüllt.

Auch gegen die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, es sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, hegt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das den erwähnten Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers angesichts der einschlägigen Tatwiederholung, das auch zur Annahme der gewerbsmäßigen Tatbegehung führte, keine Bedenken. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Kolporteur ins Treffen führt und meint, der Beschwerdeführer sei deshalb "nicht mehr dazu veranlasst", kriminelle Handlungen zu begehen, kann auf die zutreffende Argumentation der belangten Behörde verwiesen werden. Zeigte sich in der Vergangenheit, dass der Beschwerdeführer trotz der ihm gewährten finanziellen Unterstützungen und trotz einer bedingt ausgesprochenen Verurteilung neuerlich einschlägig gewerbsmäßig und in weitaus größerem Umfang straffällig wurde, muss auch in Zukunft befürchtet werden, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Verfügung stehenden Mittel für nicht ausreichend hält und neuerlich Einkommensdelikte begehen wird.

In der Beschwerde wird - offenbar als Ermessensgesichtspunkt -

behauptet, der Beschwerdeführer habe keine staatliche Unterstützung erhalten, sondern lediglich von der Caritas EUR 102,-

- monatlich bezogen und er habe daher "gar keine andere Wahl" gehabt, als straffällig zu werden. Diese Ausführungen sind schlichtweg nicht nachvollziehbar, weil sie realitätswidrig unterstellen, alle Asylwerber wären - trotz Gewährung von Unterkunft und finanzieller Unterstützung - zur Begehung von Straftaten gezwungen. Vielmehr fällt in diesem Zusammenhang negativ ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen während des offenen Asylverfahrens begangen, also die (Straf)Vorschriften eines Landes missachtet hat, das er um Schutz vor Verfolgung ersucht hatte und in dem ihm während des Asylverfahrens eine Lebensgrundlage gewährt wurde. Die in der Beschwerde auch noch vertretene Meinung, das bei der zweiten Verurteilung verhängte Strafausmaß sei als "bei weitem überschießend" anzusehen, wird nicht näher begründet und ist vom Verwaltungsgerichtshof angesichts der Bindung an das rechtskräftige Strafurteil auch nicht zu hinterfragen. Die dargestellte Beschwerdeargumentation ist daher nicht geeignet, die Straftaten des Beschwerdeführers zu relativieren.

Die Beschwerde kritisiert die Ausführungen der belangten Behörde, wonach (wörtlich) "die Verhinderung des Aufenthaltes undokumentierter, mittelloser, illegal ins Bundesgebiet gelangter und sich hier nicht rechtmäßig aufhaltender und straffällig gewordener Fremder dringend geboten ist", als teilweise aktenwidrig. Der Beschwerdeführer verfüge nämlich über Dokumente, sei seit acht Monaten als Kolporteur beschäftigt und halte sich im Inland "gemäß der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu AW 2003/20/0281-6" rechtmäßig auf.

Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass der zuletzt erwähnte Beschluss, mit dem der gegen den negativen Berufungsbescheid im Asylverfahren erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, erst vom 2. September 2003 datiert. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - die Zustellung an den Beschwerdeführer erfolgte am 5. August 2003 -

kam dem Beschwerdeführer auf Grund der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens aber keine Aufenthaltsberechtigung zu. Die belangte Behörde ist daher zu Recht von einem unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ausgegangen. Auch wenn der Beschwerdeführer über Dokumente verfügt und ein Einkommen als Kolporteur die Mittellosigkeit in Frage stellen könnte, so führen die insoweit gegenteiligen Annahmen der belangten Behörde im Ergebnis aber noch nicht zur Unrichtigkeit der Ermessenentscheidung, handelt es sich doch offenkundig nur um einen teilweise unpassend verwendeten Textbaustein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2005, Zl. 2005/21/0280).

Vorrangig in Bezug auf die Ermessensentscheidung, erkennbar aber auch unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG führt die Beschwerde weiters ins Treffen, die Trennung des Beschwerdeführers von seiner im Inland aufhältigen Ehefrau stelle einen enormen Eingriff in das Privat- und Familienleben dar. In Abwägung mit den "lediglich geringfügigen kriminellen Handlungen" könne die gesetzmäßige Ermessensübung nur dazu führen, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nicht zulässig sei.

Zunächst ist dem zu entgegnen, dass die wiederholt und zuletzt gewerbsmäßig begangenen Diebstahlshandlungen insgesamt nicht als "geringfügig" einzustufen sind und daher auch im vorliegenden Fall das große öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen zum Tragen kommt. In Bezug auf den Aufenthalt der Ehefrau des Beschwerdeführers übersieht die Beschwerde, dass auch deren Asylverfahren im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtskräftig (negativ) beendet war und ihr nach dem AsylG kein (vorläufiges) Aufenthaltsrecht zukam. Es sind daher keine Gründe ersichtlich, die gegen eine gemeinsame Ausreise sprechen könnten. Auch die Beschwerde führt dazu nichts ins Treffen. Eine maßgebliche Änderung der Interessenlage zu Gunsten des Beschwerdeführers wäre aber auch dann nicht gegeben, wenn er - wie in der Beschwerde behauptet - über "hervorragende Deutschkenntnisse" verfügte, sodass insoweit jedenfalls kein Feststellungsmangel vorliegt.

Eine dem Beschwerdeführer im Heimatland (angeblich) drohende Verfolgungsgefahr ist - wie den gegenteiligen Beschwerdeausführungen abschließend zu erwidern ist - für die Entscheidung betreffend ein Aufenthaltsverbot ohne Belang (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 2004, Zl. 2004/21/0258).

Es ist somit weder die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG noch deren Interessenabwägung nach § 37 FrG zu beanstanden. Aber auch die von der belangten Behörde zum Nachteil des Beschwerdeführers getroffene Ermessenentscheidung kann nicht als fehlerhaft angesehen werden, ohne dass es dabei auf die in der Beschwerde auch relevierte Frage, ob und inwieweit dem Beschwerdeführer die illegale Einreise vorwerfbar sei, ankommt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 und erfolgte im ausdrücklich verzeichneten Umfang.

Wien, am 11. Oktober 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003210205.X00

Im RIS seit

10.11.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten