TE OGH 1988/11/10 7Ob694/88

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Veröffentlicht am 10.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***

B***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei L***, vertreten durch Dr. Kurt Asamer und Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 189.397,82 S s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17.Juni 1988, GZ 2 R 164/88-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26.Februar 1988, GZ 2 Cg 278/86-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.691,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.230,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Ersuchen der Marktgemeinde St. Johann im Pongau haben die Österreichischen Bundesbahnen im Jahre 1959 im Bereich des Kilometers 60,211 der Strecke Salzburg-Wörgl ein Unterführungsbauwerk errichtet. Mit Übereinkommen vom 14.1./24.4.1959 zwischen der Marktgemeinde St. Johann und der Republik Österreich (Österreichische Bundesbahnen) hat sich die Marktgemeinde verpflichtet, die Kosten der Errichtung der Straßenunterführung allein zu tragen und dieses Bauwerk auf ihre alleinigen Kosten in aller Zukunft gegenüber den unterführenden Bahnanlagen vollkommen sicher zu erhalten. Die Österreichischen Bundesbahnen waren berechtigt, die Beseitigung der an der Unterführung auftretenden Mängel oder Schäden zu Lasten der Marktgemeinde zu veranlassen, falls diese nicht binnen zwei Monaten oder bei Gefahr im Verzug sofort der Aufforderung, die Mängel zu beheben, nachkommt.

Die durch das Unterführungsbauwerk führende Straße war zu diesem Zeitpunkt Gemeindestraße.

Mit Landesgesetz vom 16.5.1962, LGBl. 129/1962, wurde die gegenständliche Straße zur Landesstraße erklärt. Mit Zusatzübereinkommen zwischen den Österreichischen Bundesbahnen einerseits und dem Land Salzburg (Landesstraßenverwaltung) andererseits vom 1.3./5.2.1965 trat das Land Salzburg in den bestehenden Vertrag vom 14.1./24.4.1959 ein. Es übernahm die Erhaltungspflichten der Marktgemeinde St. Johann im Pongau zu seinen Lasten.

Mit dem Bundesstraßengesetz 1971 BGBl. Nr. 286 wurde die Straße mit Wirkung vom 1.9.1971 zur Bundesstraße erklärt. Bezüglich der Erhaltungspflicht kam es zu keinen weiteren Vereinbarungen mehr. Mit Verwaltungsübereinkommen zwischen dem Bundesministerium für Bauten und Technik und den Österreichischen Bundesbahnen vom 25.8./20.10.1983, Zl. A-3353-71/1983, haben die beiden Vertragsparteien verschiedene Probleme im Zusammenhang mit Kreuzungen von Bundesstraßen und Bahnanlagen geregelt. Bestehende Anrainerverpflichtungen wurden dadurch nicht berührt. Im Jahre 1984 war eine Sanierung der Bahnanlagen im Zusammenhang mit der oben erwähnten Unterführung notwendig. Da sich die Beklagte weigerte, diese Arbeiten durchzuführen, wurden sie von den ÖBB durchgeführt, wofür 189.397,82 S aufliefen. Diesen Betrag begehrt die Klägerin unter Berufung auf das abgeschlossene Übereinkommen. Während das Erstgericht das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen hat, das Erhaltungsübereinkommen betreffend die vorliegende Unterführung sei durch die Erklärung der Straße zur Bundesstraße hinfällig geworden, weil sich § 8 Abs. 1 BStG 1971 nicht auf Verpflichtungen des bisherigen Erhalters der Straße beziehe, hat das Berufungsgericht dem Klagebegehren stattgegeben. Es vertrat hiebei die Rechtsansicht, § 8 Abs. 1 BStG 1971 betreffe schlechthin jedes Übereinkommen bezüglich die Erhaltung einer Straße. Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Über die von der Beklagten im Verfahren erster Instanz erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges hat das Erstgericht zwar nicht spruchmäßig erkannt, jedoch in seinen Entscheidungsgründen die Zulässigkeit des Rechtsweges ausdrücklich bejaht. Im Berufungsverfahren war diese Frage nicht mehr Gegenstand einer der im Rechtsmittelverfahren erstatteten Schriftsätze, weshalb das Berufungsgericht ohne weiters von der Zulässigkeit des Rechtsweges ausgegangen ist.

Unbeschadet der Frage, ob durch die bisherige Vorgangsweise ein neuerliches Aufrollen der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges in der Revision überhaupt noch möglich wäre, kann darauf verwiesen werden, daß die Straßenverwaltung in das Gebiet der Wirtschaftsverwaltung fällt, weshalb Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Erhaltung von Straßen privatwirtschaftliche Verträge sind, bezüglich derer Streitigkeiten im ordentlichen Rechtsweg ausgetragen werden müssen (SZ 54/12, SZ 45/134 u.a.). Dies gilt auch für von den Bundesbahnen abgeschlossene Verträge. Mit Recht wurde daher die von der Beklagten behauptete Unzulässigkeit des Rechtsweges verneint.

In der Sache selbst ist vorerst zu beachten, daß sich die vorliegende Klage offenbar gar nicht auf Erhaltungsarbeiten an der Straße, sondern an Bahnanlagen bezieht. Schon deshalb erscheint es fraglich, ob die Beklagte mit ihrem Hinweis auf sich aus dem Bundesstraßengesetz ergebenden Erhaltungsverpflichtungen Erfolg haben könnte. Das Verwaltungsübereinkommen aus dem Jahre 1983 besagt jedenfalls für den Rechtsstandpunkt der Beklagten überhaupt nichts, weil es sich hiebei um ein Übereinkommen handelt, an dem die Beklagte nicht einmal mittelbar beteiligt war. Dieses Übereinkommen könnte lediglich die Aktivlegitimation der Klägerin begründen, doch war diese im gesamten Verfahren ohnedies nie strittig. Auch wenn man von den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes ausgeht, erweisen sich die Einwendungen der Beklagten als nicht gerechtfertigt. § 8 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:

"Der Bau und die Erhaltung der Bundesstraßen erfolgt aus Bundesmitteln, insbesondere aus den hiefür zweckgebundenen Einnahmen aus der Mineralölsteuer, insoweit sich nicht aus den folgenden Bestimmungen etwas anderes ergibt oder aufgrund eines besonderen Rechtstitels Verpflichtungen zu Leistungen für diese Zwecke bestehen. Falls derartige Verpflichtungen bei einer vom Bund (Bundesstraßenverwaltung) zu übernehmenden öffentlichen Straße bestehen, bleiben sie auch nach der Umwandlung in eine Bundesstraße aufrecht."

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist der Wortlaut der aufgezeigten Gesetzesbestimmung derart eindeutig, daß besondere Analogieerwägungen nicht in Frage kommen. Die gegenteiligen Erwägungen des Erstgerichtes übersehen, daß die erwähnte Bestimmung nur von besonderen Rechtstiteln spricht. Die allgemeine, sich aus Gesetzen ergebende Verpflichtung eines Straßenerhalters ist kein besonderer Rechtstitel. Vielmehr handelt es sich hiebei um Verpflichtungen, die aus Vereinbarungen abgeleitet werden. Es ist nun keinesfalls zwingend, daß bezüglich jeder vom Bund übernommenen Straße Erhaltungsvereinbarungen bestehen. Demnach geht die Erwägung des Erstgerichtes, eine Auslegung, wie sie die Klägerin vornimmt, würde dazu führen, daß bei der Übernahme von Straßen durch den Bund stets die bisherigen Erhaltungspflichten aufrecht bleiben, ins Leere. Gerade der vorliegende Fall zeigt die Richtigkeit der Auslegung durch das Berufungsgericht. Die Unterführung wurde ausschließlich im Interesse der Marktgemeinde St. Johann im Pongau errichtet. Die Bauführung konnte nur unter Inanspruchnahme von Einrichtungen der Österreichischen Bundesbahnen erfolgen. Demnach war die Errichtung der Unterführung nur mit Zustimmung der Österreichischen Bundesbahnen zulässig. Die Österreichischen Bundesbahnen haben sich daher durch das mit der Marktgemeinde St. Johann im Pongau abgeschlossene Übereinkommen dagegen abgesichert, daß ihnen aus der ausschließlich im fremden Interesse errichteten Unterführung Kosten erwachsen. In dieses Übereinkommen ist die Beklagte gegenüber der Republik Österreich (nunmehr Österreichische Bundesbahnen) eingetreten. Am Zweck des Übereinkommens hat sich bis heute nichts geändert. Nach wie vor dient die Unterführung in erster Linie Zwecken der Marktgemeinde St. Johann im Pongau. Der Umstand, daß das Land Salzburg diese Marktgemeinde durch den Eintritt in die Vereinbarung entlasten wollte, ändert nichts daran, daß die Österreichischen Bundesbahnen nicht für die durch die Unterführung verursachten Mehrkosten aufzukommen haben. Häufig werden Straßen oder Straßenanlagen nur im Interesse bestimmter Rechtssubjekte errichtet. Übereinkommen betreffend die Erhaltung derartiger Anlagen haben den Zweck, mit den Kosten dieser Anlagen den Hauptinteressenten zu belasten. Dem trägt § 8 Abs. 1 Bundesstraßengesetz 1971 dadurch Rechnung, daß es durch derartige Vereinbarungen geschaffene besondere Rechtstitel betreffend die Erhaltung übernommener Straßen nach wie vor aufrecht erhält. Die Übernahme öffentlicher Straßen durch den Bund erfolgt meist zum Zwecke der Entlastung anderer Rechtsträger. Mit der erwähnten Gesetzesbestimmung sollte sichergestellt werden, daß wenigstens jene Lasten den Bund nicht treffen sollen, zu deren Tragung sich bereits vorher ein anderes Rechtssubjekt vertraglich verpflichtet hatte. Wenn daher eine solche vertragliche Verpflichtung zum Zeitpunkt der Übernahme der Straße durch den Bund besteht, bleibt sie aufgrund der Bestimmung des § 8 Abs. 1 BStG aufrecht, falls sie nicht durch eine andere Vereinbarung zwischen dem Bund und dem aus der Vereinbarung Verpflichteten abgeändert wird.

Aus den aufgezeigten Erwägungen erübrigt sich demnach eine weitere Prüfung der Frage, ob Erhaltungsarbeiten an Bahnanlagen überhaupt den durch das Bundesstraßengesetz geregelten Erhaltungsarbeiten zuzurechnen sind. Wäre dies nämlich nicht der Fall, so könnte die Übernahme der Straße durch den Bund keinesfalls einen Einfluß auf eine Vereinbarung betreffend die Erhaltungsarbeiten an Bahnanlagen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E15794

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00694.88.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19881110_OGH0002_0070OB00694_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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