TE OGH 1988/11/10 7Ob709/88

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Veröffentlicht am 10.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna Margaretha I***, Hausfrau, Innsbruck, Resselstraße 13, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Klaus I***, Flugverkehrsleiter, Ampass, Römerstraße 44, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterhalt (Streitwert S 73.440,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26.April 1988, GZ 1 a R 158/88-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hall vom 1.Februar 1988, GZ 2 C 87/87-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen und dem Berufungsgericht eine Verfahrensunterbrechnung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Streitteile haben am 12.12.1964 geheiratet. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11.9.1986 (3 C 24/85-19 des BG Innsbruck) war der Klägerin ein monatlicher Unterhalt von S 5.500 ab 1.4.1986 zuerkannt worden. Mit der am 16.1.1987 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin eine Unterhaltserhöhung auf monatlich S 7.540. Bereits im Zeitpunkt der Einbringung der Klage war die Ehe der Streitteile infolge Teilrechtskraft des die Scheidung aus einem Verschulden des Beklagten aussprechenden Urteils des Landesgerichtes Innsbruck vom 22.4.1986 rechtskräftig geschieden. Zu klären ist im Scheidungsstreit noch die Frage einer allfälligen Mitschuld der Klägerin und die allfällige Gewichtung der Verschuldensanteile. Nach dem Standpunkt der Klägerin ergibt sich aus dem Verschuldensausspruch des Scheidungsurteils jedenfalls eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten.

Der Beklagte behauptet, daß die Klägerin aufgrund einer ihr zumutbaren Erwerbstätigkeit in der Lage sei, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen maturierte die Klägerin im Juli 1962. Von 1962 bis 1966 war sie bei der Post- und Telegraphenverwaltung für Tirol und Vorarlberg erwerbstätig. Seit 1966 war die Klägerin nur mehr mit der Haushaltsführung und der Kindererziehung beschäftigt. Sie hat kein eigenes Einkommen. Die 1943 geborene Klägerin ist zwar gesundheitlich uneingeschränkt arbeitsfähig, derzeit besteht jedoch am Arbeitsmarkt für sie keine Vermittlungschance. Die Klägerin konnte auch aufgrund von Zeitungsinseraten keine passende Beschäftigung finden.

Der Ehe der Streitteile entstammen die Kinder Michael, geboren am 20.6.1965, Armin, geboren am 27.12.1967 und Roswitha, geboren am 23.8.1969. Die Kinder Armin und Roswitha, die im Haushalt der Klägerin leben, bereiten dieser Probleme, die sich aus der Auflösung des Lehrverhältnisses der Tochter Roswitha und dem Austritt des Sohnes Armin aus dem Gymnasium ergeben. Die Unterhaltspflicht des Beklagten für die Kinder Armin und Roswitha ist im Jahre 1986 weggefallen. Für den Sohn Michael, der Rechtswissenschaften studiert, ist der Beklagte noch zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet. Der Beklagte bezog im Jahre 1987 als Flugverkehrsleiter des Flughafens Innsbruck ein monatliches Nettoeinkommen von S 32.827,27. Er ist mit einer monatlichen Kreditverpflichtung von S 3.712 für einen während der Ehe aufgenommenen Kredit belastet. Monatlich hat er S 1.000 für Unterkunft und Verpflegung bei seinen Eltern zu leisten. Für den Autokauf bezahlt er seit 1986 monatlich S 1.500. Mangels geeigneter öffentlicher Verkehrsverbindungen muß der Beklagte monatlich mindestens 20 Fahrten mit dem PKW von Ampass zum Flughafen Innsbruck machen. Die berufsbedingten PKW-Kosten betragen monatlich S 2.000. Nach der Ansicht des Erstgerichtes sei der Unterhaltsanspruch der Klägerin wie bei aufrechter Ehe zu beurteilen. Da die Klägerin den Haushalt führe, leiste sie ihren Beitrag zur Deckung der gemeinsamen Bedürfnisse und sei nicht verpflichtet, einem Erwerb nachzugehen. Davon abgesehen könne sie ohnehin keinen Arbeitsplatz finden. Der von der Klägerin insgesamt begehrte Unterhaltsbetrag entspreche der Leistungsfähigkeit des Beklagten.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision unzulässig ist. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes könne nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe Unterhalt nicht mehr nach den für die aufrechte Ehe geltenden gesetzlichen Bestimmungen verlangt werden. Stehe zwar fest, daß den beklagten Ehemann ein Verschulden an der Scheidung treffe, fehle aber der für eine abschließende Beurteilung des Unterhaltsanspruches der Ehefrau erforderliche vollständige Verschuldensausspruch, könne nur ein vorläufiger Unterhalt begehrt werden. Dieser sei aber mittels eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und nicht mit Klage geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene ao. Revision der Klägerin ist zulässig, weil die Frage des Unterhaltsanspruches eines rechtskräftig geschiedenen Ehegatten bei offenem, vollständigem Verschuldensausspruch nicht zum Bemessungskomplex gehört und zu dieser Frage, sofern es sich nicht um den Zuspruch eines einstweiligen Unterhaltes nach § 382 Z 8 lit.a EO handelt, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Die Revision ist auch berechtigt.

Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Eheverfahrens gilt in Österreich nach herrschender Ansicht nur in sehr eingeschränktem Umfang, sodaß eine partielle Rechtskraft des die Scheidung aussprechenden Urteils eintreten kann. Hat, wie hier, der beklagte Ehemann den Ausspruch der Scheidung aus seinem Verschulden nicht bekämpft, so ist das Urteil insoweit in Teilrechtskraft erwachsen (EFSlg.43.646; vgl. auch EvBl.1986/179 mwN). Ob dem klagenden Ehegatten, über dessen allfälliges Mitverschulden und dessen Gewichtung noch nicht abgesprochen ist, nach Rechtskraft des die Scheidung aus einem Verschulden des beklagten Ehegatten aussprechenden Urteils für die Zeit ab Eintritt der Teilrechtskraft bis zur endgütligen Entscheidung über die Verschuldensfrage ein Unterhaltsanspruch zusteht und allenfalls nach welcher gesetzlichen Vorschrift, ist gesetzlich nicht geregelt. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, daß der klagende Ehegatte in einem solchen Fall jedenfalls einen provisorischen Unterhalt nach § 382 Z 8 lit.a EO begehren kann. Die ältere Auffassung erblickte die materiellrechtliche Grundlage dieses Anspruchs in § 91 ABGB aF. Erst mit der Entscheidung über die Verschuldensfrage sei der Scheidungsstreit beendet, sodaß erst ab diesem Zeitpunkt Unterhalt nach § 66 EheG, vorher aber nach § 91 ABGB aF (nunmehr § 94) zuzusprechen sei. Diese Rechtsansicht wurde aber in der Folge vom Obersten Gerichtshof nicht aufrecht erhalten. Nach neuerer Rechtsprechung sind mit der (partiellen) Rechtskraft des die Scheidung aus einem Verschulden eines Ehegatten aussprechenden Urteils die beiderseitigen Rechte und Pflichten erloschen. Auch ein Unterhalt kann daher von diesem Zeitpunkt an nicht mehr nach den für die aufrechte Ehe geltenden gesetzlichen Bestimmungen verlangt werden. Es sind vielmehr die Bestimmungen der §§ 66 bis 68 EheG heranzuziehen. Angesichts des aber noch fehlenden abschließenden Verschuldensausspruchs sind die anspruchsbegründenden Voraussetzungen im Rahmen des Provisorialverfahrens glaubhaft zu machen, wobei es genügt, daß das Verschulden des beklagten Ehegatten bereits rechtskräftig ausgesprochen ist (EvBl.1986/179; JBl.1984, 198; EFSlg.36.926, 30.637; 6 Ob 821,822/82). Auch das Berufungsgericht ist dieser Rechtsansicht gefolgt und hat daraus den Schluß gezogen, daß ein auf die bezeichnete Art geschiedener Ehegatte nur einen provisorischen Unterhaltsanspruch habe, der nicht mit Klage, sondern nur mittels eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden könne. Ein Klagebegehren auf Leistung eines endgültigen Unterhalts sei mangels eines solchen Anspruchs abzuweisen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Wie schon oben dargelegt wurde, richtet sich der Unterhaltsanspruch des mit Teilurteil rechtskräftig geschiedenen Ehegatten nach den §§ 66 ff EheG. Wird die Ehe nach dem endgültigen Verschuldensausspruch aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden des beklagten Ehegatten geschieden, wirkt dieser Ausspruch auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils zurück, sodaß der klagende Ehegatte ab diesem Zeitpunkt einen Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG unter den dort bezeichneten Voraussetzungen hat. Wird schon vor endgültigem Verschuldensausspruch Klage auf Unterhalt erhoben, hängt die Entscheidung in der Hauptsache von einem den Anspruch bedingenden Rechtsverhältnis, dem Ausspruch des alleinigen oder überwiegenden Verschuldens des Beklagten, somit von einer Vorfrage ab, über die bereits ein Rechtsstreit anhängig ist. Soweit das Gesetz nicht Grenzen zieht oder Ausnahmen anordnet oder Grundprinzipien der Kompetenzverteilung der Lösung einer Vorfrage durch das angerufene Gericht entgegenstehen, kann jedes strittige Rechtsverhältnis, wenn es der Feststellung in einem anderen Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zugänglich ist, als Vorfrage entschieden werden (Fasching II 921; SZ 52/62; vgl. auch EvBl.1970/281). Nach diesen Grundsätzen kann über die Gültigkeit einer Ehe nicht als Vorfrage in einem anderen Rechtsstreit, sondern nur im besonderen Eheverfahren entschieden werden (RG 161/3). Nichts anderes kann aber auch für die Frage gelten, ob einen der Ehegatten das alleinige oder das überwiegende Verschulden an der Scheidung der Ehe trifft, weil der Schuldausspruch bei der Scheidung wegen Verschuldens ausschließlich im Scheidungsurteil zu treffen ist. Daraus folgt, daß der Unterhaltsprozeß bei offenem endgültigen Verschuldensausspruch zu unterbrechen ist. Die Unterbrechung kann auch im Revisionsverfahren erfolgen (SZ 47/100). Es ist aber auch zulässig, dem Berufungsgericht eine Unterbrechnung aufzutragen (1 Ob 123/54). Letzteres ist hier deshalb geboten, weil im Falle des Ausspruchs des alleinigen oder überwiegenden Verschuldens des Beklagten jedenfalls eine Aufhebung in die zweite Instanz erforderlich wäre. Der Umstand, daß die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren auf den aufrechten Bestand der Ehe stützte, stünde einem Unterhaltszuspruch ebensowenig entgegen wie der aufgrund der rechtskräftigen Scheidung der Ehe und des damit verbundenen Erlöschens des Exekutionstitels (SZ 27/116; SZ 24/75) verfehlte Urteilsantrag. Bei der Tagsatzung am 5.11.1987 (AS 47 f ON 15) machte nämlich die Klägerin unter den Voraussetzungen des § 235 Abs.2 letzter Satz ZPO einen neuen Klagegrund geltend. Bei Fassung des Urteilsspruches ist das Gericht nicht an den Wortlaut des Begehrens gebunden, sondern kann diesem eine dem Inhalt der Klage entsprechende Fassung geben (SZ 37/28; SZ 27/12 ua). Letzteres wird allenfalls bei Fortsetzung des Verfahrens zu beachten sein.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E16266

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00709.88.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19881110_OGH0002_0070OB00709_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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