TE OGH 1988/11/16 3Ob176/88

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Veröffentlicht am 16.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S*** & Co Bankaktiengesellschaft, Wien 1., Renngasse 1-3, vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Christine H***, Lehrerin, Wilhelmsburg,

Rametzbergstraße 3, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 6 Mill S sA (Rekursinteresse 1,500.000 S), infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 10. August 1988, GZ R 435/88-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 6. Juli 1988, GZ 4 E 26/87-35, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die der verpflichteten Partei auferlegte Sicherheitsleistung auf 500.000 S herabgesetzt wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen..

Text

Begründung:

Ing. Helmut R*** und die Verpflichtete haben in einem Notariatsakt vom 1. Dezember 1986 ihre Zustimmung gegeben, daß dieser in Ansehung der darin von ihnen anerkannten Schuld im Sinne der §§ 3 und 3a der Notariatsordnung vollstreckbar ist. In der dem Notariatsakt beigehefteten Privaturkunde bestätigte Ing. Helmut R***, von der betreibenden Partei ein Darlehen von 6 Mill S zugezählt erhalten zu haben. Die Verpflichtete bestellte der betreibenden Partei zur Sicherstellung des Darlehensbetrages zuzüglich Zinsen, Zinseszinsen und Verzugszinsen sowie einer Nebengebührenkaution die Liegenschaft EZ 185 KG Kreisbach zum Pfand und erteilte ihre ausdrückliche Einwilligung, daß dieses Pfandrecht für die Darlehensforderung der betreibenden Partei im Lastenblatt der Liegenschaft einverleibt wird.

Auf Grund des Notariatsaktes vom 1. Dezember 1986 wurde der betreibenden Partei zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 6 Mill S samt 9 % Zinsen vom 1. April 1987 bis 30. Juni 1987 und 15 % Zinsen seit 1. Juli 1987 sowie der Antragskosten die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 185 KG Kreisbach bewilligt.

Auf Grund der Schätzung wurde diese Liegenschaft (einschließlich eines Zubehörs im Wert von 40.000 S) unter Berücksichtigung eines behaupteten Mietrechtes mit 2,454.000 S bewertet.

Die Verpflichtete hat gegen den Betrag des Schätzwertes Einwendungen erhoben, weil dieser zu hoch sei. Ein endgültiger Beschluß im Sinne des § 31 Abs 2 der Realschätzordnung ist noch nicht gefaßt worden.

Zum AZ 3 C 1360/88 des Erstgerichtes hat die verpflichtete Partei eine Klage eingebracht. Sie begehrt damit (Punkte 1 und 3) die Feststellung, der Notariatsakt vom 1. Dezember 1986 sei ungültig bzw. nicht vollstreckbar, die bewilligte Exekution sei unzulässig; (Punkte 2 und 4) die Aufhebung des Notariatsaktes vom 1. Dezember 1986 und Einstellung bzw. Unzulässigerklärung der Exekution. Die Verpflichtete stützt ihre Klage auf § 39 Abs 1 Z 1 EO und Art. XVII EGEO sowie auf § 35 EO. Die betreibende Partei habe die Verpflichtete - die die Exekutionskraft des Notariatsaktes auch aus formellen Gründen bekämpft - bei Unterfertigung des Notariatsaktes darüber in Irrtum geführt, daß die Vereinbarungen zwischen der betreibenden Partei und der Ing. R. H*** Gesellschaft mbH - deren Geschäftsführer Ing. Helmut R*** sei - betreffend die Finanzierung dieses Unternehmens eingehalten würden. Mit ihrer Klage verband die Verpflichtete den Antrag, die Exekution aufzuschieben. Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab.

Das Rekursgericht bewilligte die Aufschiebung der Exekution unter der Voraussetzung, daß zur Sicherstellung des Anspruches der betreibenden Partei ein Betrag von 1,500.000 S zu Gericht erlegt wird. Zwar bestünden zwischen der im Exekutionsverfahren und der im Zivilverfahren vorgelegten Ausfertigung des Notariatsaktes Unterschiede, weil bei der im Zivilverfahren vorgelegten - später datierten - Ausfertigung die Unterschriften der Vertreter der betreibenden Partei und der Beisatz "Filiale St. Pölten" fehlten. Diese Unterschiede seien jedoch nicht geeignet, Bedenken gegen die Gültigkeit des Exekutionstitels zu erwecken, weil die Unterfertigung des in Wiener Neustadt errichteten und auch dort von der Verpflichteten und Ing. Helmut R*** unterschriebenen Notariatsaktes seitens der betreibenden Partei einige Tage nach jener durch die Verpflichtete und Ing. Helmut R*** bei einem öffentlichen Notar in Wien erfolgt sei, sodaß dieser Teil der Urkunde in der bei dem öffentlichen Notar in Wiener Neustadt erliegenden Urschrift nicht aufscheinen könne. Die Voraussetzungen für eine Aufschiebung der Exekution nach Artikel XVII EGEO (§ 4 Abs 2 NO) lägen daher nicht vor; einer Aufschiebung nach § 42 Abs 1 Z 5 EO stünden die geringen Erfolgsaussichten der formellen Anfechtungsgründe entgegen. Derzeit nicht beurteilt werden könnten allerdings die Erfolgsaussichten der Klage, soweit die Verpflichtete wesentlichen Irrtum geltend mache. Die Voraussetzungen für eine Aufschiebung der Exekution nach § 42 Abs 1 Z 1 EO lägen daher vor. Die Gefahr eines schwerwiegenden Vermögensnachteiles (§ 44 Abs 1 EO) sei bei einer Zwangsversteigerung offenkundig. Die Aufschiebung sei jedoch von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, weil die Verpflichtete einerseits ihre Klage auch auf § 35 EO stütze und sich auf Art. XVII EGEO berufe, der die sinngemäße Anwendung des § 36 EO normiere, und weil andererseits die Aufschiebung der Exekution die Befriedigung des betreibenden Gläubigers zu gefährden geeignet sei (§ 44 Abs 2 Z 1 und 3 EO). Eine Sicherheitsleistung von 1,500.000 S erscheine den Umständen angemessen. In ihrem Revisionsrekurs wendet sich die Verpflichtete dagegen, daß ihr der Erlag einer Sicherheitsleistung von 1,500.000 S als Voraussetzung für die Aufschiebung der Exekution aufgetragen wurde. Sie beantragt die Abänderung des Beschlusses der zweiten Instanz dahin, daß vom Erlag einer Sicherheitsleistung abgesehen oder diese doch in wesentlich geringerer, 100.000 S keinesfalls übersteigender Höhe bemessen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zum Teil berechtigt.

Nicht gerechtfertigt erscheinen allerdings die Bedenken der Verpflichteten gegen das rechtmäßige Zustandekommen des Notariatsaktes in formeller Hinsicht. Der Oberste Gerichtshof schließt sich den Ausführungen der zweiten Instanz darüber an, daß und aus welchen Gründen die von der Verpflichteten aufgezeigten Umstände den Notariatsakt, auf Grund dessen die Exekution bewilligt wurde, in keiner Weise bedenklich machen. Im besonderen ist der unterschiedliche Inhalt der beiden Ausfertigungen leicht dadurch zu erklären, daß die ältere Ausfertigung in Wien durch die Beglaubigung weiterer Unterschriften ergänzt wurde, während die jüngere vom Wr. Neustädter Original stammt. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß der Notariatsakt iS des Art. XVII EGEO (§ 4 Abs 2 NO) mit Verletzung solcher Vorschriften aufgenommen oder ausgefertigt worden sei, von deren Beobachtung die Kraft des Aktes als einer öffentlichen Urkunde oder seine Exekutionsfähigkeit in der Notariatsordnung abhängig gemacht sind.

Zutreffend hat daher das Rekursgericht die Aufschiebung der Exekution nur wegen der Anfechtung der materiellen Gültigkeit des Notariatsaktes bewilligt.

Zur Frage der Bewilligung der Exekutionsaufschiebung und deren Abhängigmachung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung (§ 44 Abs 1 und 2 EO) hat die Verpflichtete lediglich vorgebracht, die betreibende Partei weise "keinen dementsprechenden Verlust" auf, weil ein Pfandrecht im Lastenblatt der Liegenschaft einverleibt sei. Die Sicherheitsleistung nach § 44 Abs 2 EO dient aber nicht nur dazu, dem betreibenden Gläubiger für die volle Befriedigung seines zu vollstreckenden und durch die Aufschiebung gefährdeten Anspruches eine Sicherheit zu bieten, sondern auch zur Deckung des Anspruches auf Ersatz des Schadens, der dem betreibenden Gläubiger dadurch erwächst, daß die Exekution nicht sofort vollzogen, sondern durch eine Aufschiebung verzögert und erst in einem späteren Zeitpunkt durchgeführt wird (SZ 51/48 ua). Bei Aufschiebung einer Zwangsversteigerung kann von einer Sicherheitsleistung deshalb auch nicht dann Abstand genommen werden, wenn die betreibende Partei an der zu versteigernden Liegenschaft eine voraussichtlich zum Zuge kommende Hypothek besitzt (SZ 28/59; 3 Ob 91/83; Heller-Berger-Stix 551).

Die volle Befriedigung der betreibenden Partei ist allerdings nach dem Schätzwert der zu versteigernden Liegenschaft unter Berücksichtigung der Vorhypotheken unwahrscheinlich. Bei Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung ist deshalb nicht von der vollen Höhe der Forderung der betreibenden Partei, sondern von der ungefähr zu erwartenden Zuweisung an sie auszugehen; diese wird selbst ohne Bedachtnahme auf das von der Verpflichteten geltend gemachte - fragwürdige - Mietrecht voraussichtlich kaum mehr als 2 Mio S betragen. Nicht zu berücksichtigen sind derzeit die von der Verpflichteten erhobenen, noch ungeprüften und auch nicht von vornherein überzeugenden Einwendungen gegen den Schätzwert der Liegenschaft.

Geht man von diesen Erwägungen aus, erscheint die mit dem angefochtenen Beschluß aufgetragene Sicherheit überhöht. Konkrete Hinweise für den Eintritt einer Wertminderung der Pfandliegenschaft in absehbarer Zeit durch den Ausbau einer an der Liegenschaft vorbeiführenden Straße sind nicht vorhanden. Für einen durch die Aufschiebung möglicherweise entstehenden Schaden, etwa durch Beschädigung der Pfandliegenschaft, durch Abschluß neuer Mietverträge oder durch Zinsenverlust während der mit etwa einem Jahr zu veranschlagenden Dauer des Verfahrens C 1360/88 des Bezirksgerichtes St. Pölten erscheint eine Sicherheitsleistung von 500.000 S angemessen und ausreichend.

Die wirtschaftliche Lage des Verpflichteten oder Billigkeitserwägungen sind hingegen bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheit unmaßgeblich (3 Ob 66/71). Auch die Gewährung von Verfahrenshilfe befreit nicht von der Sicherheitsleistung nach § 44 EO (EvBl 1951/148 ua). Da die Sicherheit nicht wegen angeblicher Schwierigkeiten, sie zu beschaffen, erlassen werden kann (3 Ob 32/78), ist ebenso das Argument der Verpflichteten, die von der zweiten Instanz gesetzte Bedingung für die Exekutionsaufschiebung kommt fast einer Rechtsverweigerung gleich, verfehlt.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 40, 50 ZPO, § 78 EO (Heller-Berger-Stix 719). Ein Zwischenstreit liegt hier nicht vor (Heller-Berger-Stix 704).

Anmerkung

E15963

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00176.88.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19881116_OGH0002_0030OB00176_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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