TE OGH 1988/11/24 12Os102/88

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Veröffentlicht am 24.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Ing. Wolfgang H*** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (erster Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 10. März 1988, GZ 11 d Vr 765/86-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Spreitzhofer zu Recht erkannt:

Spruch

I/ Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 1 des Urteilssatzes sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Ing. Wolfgang H*** wird von der Anklage, er habe im März 1985 oder Anfang April 1985 in Gänserndorf als Forstaufsichtsorgan (forsttechnischer Konsulent) der Stadtgemeinde Gänserndorf ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, nämlich den von ihm im Zuge von Holzverkäufen kassierten Rechnungsbetrag aus dem Inkasso bei einer unbekannten Person im Betrage von (weiteren) 7.000 S dadurch, daß er das Geld nicht an die Stadtgemeinde Gänserndorf abführte, sondern behielt und für sich verwendete, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs (Punkt 2 des Urteilssatzes) weiterhin zur Last fallende Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (erster Fall) StGB wird Ing. Wolfgang H*** nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

II/ Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. III/ Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die zu I/ getroffene Entscheidung verwiesen.

IV/ Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 28-jährige Forstbeamte Ing. Wolfgang H*** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (erster Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Gänserndorf als Forstaufsichtsorgan (forsttechnischer Konsulent) der Stadtgemeinde Gänserndorf ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, nämlich von ihm im Zuge von Holzverkäufen kassierte Rechnungsbeträge von insgesamt 46.716,60 S dadurch, daß er sie nicht an die Stadtgemeinde Gänserndorf abführte, sondern behielt und für sich verwendete, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. im März 1985 oder Anfang April 1985 aus dem Inkasso bei einer nicht auszuforschenden Person 7.000 S;

2.

aus dem Inkasso bei Peter Z***

a)

am 18.Dezember 1985 11.484 S,

b)

am 16.Jänner 1986 28.232,60 S.

Von der darüber hinausgehenden Anklage, im März 1985 oder Anfang April 1985 aus dem Inkasso bei einer unbekannten Person weitere 3.500 S veruntreut zu haben, wurde Ing. H*** unter einem (rechtskräftig) freigesprochen.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - teilweise, nämlich soweit sie gegen Punkt 1 des Urteilssatzes (Veruntreuung von 7.000 S) gerichtet ist, aus dem letztbezeichneten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zukommt. Zum Schuldspruchfaktum 1 hat das Schöffengericht festgestellt, daß der Angeklagte im März 1985 oder Anfang April 1985 namens der Stadtgemeinde Gänserndorf insgesamt 20 Raummeter Holz an einen nicht mehr eruierbaren Käufer veräußerte, wofür er von diesem den Kaufpreis von 7.000 S bar ausbezahlt erhielt. Da er zum Zeitpunkt des Verkaufes noch keinen Rechnungsblock zur Verfügung hatte, stellte er die Rechnung (Nr. 1) erst am 21.Mai 1985 aus. Das kassierte Geld führte er nicht unverzüglich an die Stadtgemeinde Gänserndorf ab, sondern behielt es für sich und verwendete es für eigene Zwecke. Den zuständigen Bediensteten der Stadtgemeinde Gänserndorf verschwieg er das Inkasso der 7.000 S; erst am 4. September 1985 zahlte er den Betrag von 7.000 S mittels Zahlscheines auf das Konto der Stadtgemeinde Gänserndorf ein. Eine Strafanzeige war zu diesem Zeitpunkt gegen den Angeklagten noch nicht erstattet worden; sie wurde erst am 2.April 1986 wegen der zu Punkt 2 des Schuldspruchs bezeichneten Veruntreuungshandlungen des Angeklagten erstattet.

Das Gericht bejahte der Sache nach sowohl die Freiwilligkeit als auch die Rechtzeitigkeit der Einzahlung der 7.000 S und ging auch davon aus, daß es sich bei den einzelnen Veruntreuungshandlungen des Angeklagten nicht um ein fortgesetztes (oder zumindest auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhendes) Delikt handelt; die Annahme tätiger Reue im Sinn des § 167 StGB lehnte es aber deshalb ab, weil der Angeklagte nur das Kapital, nicht aber die Zinsen ersetzt und demnach nicht den ganzen Schaden gutgemacht habe, wobei es darauf verwies, daß die Stadtgemeinde Gänserndorf mit Krediten arbeite und allfällige Guthaben sparbuchmäßig verzinst würden (S 286).

In seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. b) wendet der Beschwerdeführer dagegen ein, daß mangels "besonderer Widmung" der 7.000 S im vorliegenden Fall "keine die Stadtgemeinde Gänserndorf zusätzlich schädigenden Begleitumstände" vorgelegen seien, weshalb schon die Rückerstattung des Kapitals die Gutmachung des gesamten aus der Tat entstandenen Schadens bewirkt habe.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist bei der gegebenen Fallkonstellation beizupflichten. Richtig ist, daß strafaufhebende tätige Reue gemäß § 167 Abs. 2 Z 1 StGB nur demjenigen zugute kommt, der (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden gutgemacht hat, worunter die Zurückversetzung in den vorigen Stand im Sinn des § 1323 ABGB zu verstehen ist (SSt. 20/139; Leukauf-Steininger Komm.2 § 167 RN 16; Liebscher im Wr. Komm. § 167 Rz 25). Dabei kommt es zum einen nur auf den deliktstypischen Schaden an (SSt. 52/36 = EvBl. 1981/225 = RZ 1981/62 mit Anm. von Kienapfel; Foregger-Serini StGB4 413); zum anderen bezieht sich der Ausdruck "Tat" im gegebenen Zusammenhang nicht nur auf die Veruntreuung an sich, sondern auf alle diese strafbare Handlung begleitenden Umstände, sodaß gänzliche Schadensgutmachung nur vorliegt, wenn außer dem durch die Tat im engeren Sinn entstandenen Schaden auch der Schaden gutgemacht worden ist, der durch allfällige Begleitumstände der Tat entstanden ist (SSt. 27/76; SSt. 47/20; vgl. auch RZ 1987/37 mit Anm. von Kienapfel). Dabei deckt sich allerdings die von § 167 StGB normierte Schadenersatzverpflichtung nicht mit dem zivilrechtlich zu fordernden Schadenersatz: Während letzterer bei vorsätzlich verursachtem Schaden "volle Genugtuung" verlangt (§ 1324 ABGB), genügt für erstere - der kriminalpolitischen Zielsetzung der tätigen Reue entsprechend - idR der Ersatz des positiven Schadens auf Grund objektiv-abstrakter Schadensberechnung (Brandstetter in JBl. 1987, 548 f), wobei der Ersatz eines indirekten Schadens nicht zu fordern ist (Kienapfel BT II2 § 167 Rz 31 a). Die zusätzliche Belastung mit Zinsen, die der Geschädigte deshalb auf sich genommen hat, weil er ersatzweise einen Kredit aufgenommen hat, stellt aber einen solchen indirekten (Folge-)Schaden dar, dessen Gutmachung § 167 StGB nach dem Gesagten nicht voraussetzt. Daß die Stadtgemeinde Gänserndorf "mit Krediten arbeitet, wobei der Zinssatz 12 % beträgt" (Ersturteil S 286) und der Angeklagte diese Zinsen, bezogen auf den von ihm veruntreuten Betrag von 7.000 S, nicht (auch) ersetzt hat, steht somit der Annahme gänzlicher Schadensgutmachung im Sinn des § 167 StGB nicht entgegen.

Aber auch der Zinsenverlust, den die Stadtgemeinde Gänserndorf dadurch erlitten haben mag, daß sie das ihr geschuldete Kapital von 7.000 S über einen Zeitraum von rund 5 Monaten nicht zinsenbringend anlegen konnte, ist nach Lage des Falles kein (zusätzlicher) deliktstypischer (direkter) Schaden aus der Veruntreuung des Kapitals, dessen Ersatz gemäß § 167 StGB geboten war. Daß zur Gutmachung des ganzen aus der Tat entspringenden Schadens nicht die Zahlung von Verzugszinsen (§ 1333 ABGB) gehört, hat der Oberste Gerichtshof schon in KH 627 ausgesprochen. Der Entscheidung EvBl. 1961/236 (= SSt. 32/23 = RZ 1961,118) hinwieder, auf welche sich das Erstgericht beruft, lag ein besonders gelagerter Sachverhalt zugrunde, der mit dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist; ging es doch damals darum, daß ein Sparvereinsobmann ihm anvertraute Gelder veruntreut hatte, wobei ihm auf Grund seiner Funktion der exakte Zinsenverlust, der durch sein Verhalten entstand, bekannt war. Für den Regelfall hingegen ist davon auszugehen, daß der Entgang von Zinsen, der darauf zurückzuführen ist, daß das Opfer infolge der Veruntreuung um die Möglichkeit gebracht wurde, das veruntreute Geld zinsenbringend anzulegen, keinen durch die Veruntreuung bewirkten (zusätzlichen direkten) Schaden darstellt, weil die solcherart entgangene Nutzung des Kapitals nicht als ein Begleitumstand der Tat zu beurteilen ist, den der Täter bei einer objektiv-abstrakten Schadensberechnung in Rechnung stellen müßte (idS auch Kienapfel BT II2 § 167 Rz 31 a aE, sowie Brandstetter aaO 549; im Ergebnis auch EvBl. 1970/74, in welcher Entscheidung der Oberste Gerichtshof bei der Veruntreuung von Gemeindegeldern die Rückzahlung des Kapitals für die Annahme tätiger Reue genügen ließ). Um einen solchen Regelfall handelt es sich aber vorliegend nach den Urteilsfeststellungen, welchen im übrigen nur zu entnehmen ist, daß die Stadtgemeinde Gänserndorf, sofern ein Guthaben vorhanden ist, dieses mit 6 % Sparbuchzinsen verzinsen läßt (vgl. abermals Urteil S 286), ohne daß in Ansehung der urteilsgegenständlichen 7.000 S ein effektiver Entgang derartiger Zinsen konstatiert worden wäre.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war demnach der Schuldspruch zu Punkt 1 des Urteilssatzes zu kassieren und sogleich in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen, ohne daß auf die zu diesem Schuldspruchfaktum überdies erhobene Mängelrüge (Z 5) eingegangen zu werden braucht.

Nicht berechtigt ist hingegen die Tatsachenrüge (Z 5 a) zum Schuldspruch zu Punkt 2 des Urteilssatzes. Mit dem bezüglichen Beschwerdevorbringen unternimmt der Angeklagte lediglich den Versuch, nach Art einer Schuldberufung einzelne im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung angestellte Erwägungen abwertend in Zweifel zu ziehen, um auf diese Weise seiner vom Schöffengericht als unglaubwürdig erkannten leugnenden Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen, wonach er die inkassierten Gelder nur aus Nachlässigkeit zufolge beruflicher Überlastung bzw. aus Ärger über das Verhalten seines Auftraggebers vorerst bei sich verwahrt und erst später abgeliefert, sie sich aber nicht zugeeignet habe. Aktenkundige Umstände, aus welchen sich für den Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem bekämpften Ausspruch über die Schuld des Beschwerdeführers zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben könnten, werden damit nicht aufgezeigt.

Im bezeichneten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Bei der infolge der getroffenen Sachentscheidung notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Begehung der Tat unter Ausnützung einer Amtsstellung und die zweimaligen Angriffe, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel in Verbindung damit, daß die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch steht, sowie die vollständige Schadensgutmachung.

In Abwägung dieser besonderen Strafzumessungsgründe und unter entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung ist eine Freiheitsstrafe in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe tatschuldangemessen. Diese Strafe war - so wie schon in erster Instanz und von der Anklagebehörde

unangefochten - gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen (§ 290 Abs. 2 StPO). Die Verhängung einer unbedingten Geldstrafe (§ 37 Abs. 1 StGB) an Stelle einer bedingten Freiheitsstrafe kam mangels einer Erklärung des Angeklagten - der in seiner Berufung lediglich die Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt hat - im Sinne des § 295 Abs. 2 letzter Satz StPO (nF) nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E16714

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00102.88.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19881124_OGH0002_0120OS00102_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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