TE OGH 1988/12/6 2Ob59/88

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Veröffentlicht am 06.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Melber und Dr.Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei WIENER G***, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien, vertreten durch Dr.Robert Amhof, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz D***, Geschäftsführer, derzeit Häftling im landesgerichtlichen Strafgefangenenhaus II, Hernalser Gürtel 6-12, 1080 Wien, vertreten durch Dr.Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 307.619,92 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10.März 1988, GZ 5 R 23/88-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28.Dezember 1987, GZ 5 Cg 194/85-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.990,-- bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin Barauslagen von S 38,-- und Umsatzsteuer von S 1.632,--) und die mit S 14.606,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 3.840,-- und Umsatzsteuer von S 978,75) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Grund eines Rückstandsausweises der Klägerin vom 29.9.1981 besteht für den Zeitraum Dezember 1980 bis April 1981 ein offener Rückstand an Sozialversicherungsbeiträgen samt Nebengebühren zu Lasten der F*** Handelsgesellschaft mbH in der Höhe von S 307.619,92.

Der Beklagte, damals Geschäftsführer der F*** Handelsgesellschaft mbH, ist mit der Klägerin gegenüber abgegebener schriftlicher Erklärung vom 1.10.1980 der Schuld der F*** Handelsgesellschaft mbH an Sozialversicherungsbeiträgen bis einschließlich August 1980 und an ab September 1980 auf der Beitragskonten der F*** Handelsgesellschaft mbH neu auflaufenden Sozialversicherungsbeiträgen samt Nebengebühren, Nachtragsvorschreibungen und Beitragszuschlägen als Bürge und Zahler vorbehaltslos und unwiderruflich beigetreten. Er verpflichtete sich, seine Bürgschaftsschuld bezüglich der bis August 1980 aufgelaufenen Sozialversicherungsbeiträge ab 1.11.1980 in monatlichen Raten von S 10.000,-- zu bezahlen, die ab September 1980 neu auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge bei Fälligkeit. Es wurde unter anderem vereinbart, daß die Haftung des Beklagten erlischt, wenn keine wie immer gearteten Rückstände an Kapital und Nebengebühren auf sämtlichen Beitragskonten aushaften ("d.h. wenn Saldo Null eintritt") und daß, wenn die Verjährung der Einforderung festgestellter Beitragsschulden gemäß § 68 Abs 2 ASVG unterbrochen wird, diese Unterbrechung auch gegen den Bürgen gilt (Beilage B). Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin (die Klage wurde am 1.7.1981 eingebracht) die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 307.619,92 sA aus dem Rechtsgrund der von ihm für die Beitragsschuld der F*** Handelsgesellschaft mbH übernommenen Bürgschaft.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, die Klagsforderung sei nicht fällig; er sei seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer der F*** Handelsgesellschaft mbH nachgekommen und habe Zahlungen geleistet, die dem Beitragskonto dieser Gesellschaft gutgeschrieben hätten werden müssen. Infolge Rückziehung der Anmeldung der Forderung der Klägerin aus der vom Beklagten übernommenen Bürgschaft im Konkurs über das Vermögen des Beklagten sei anzunehmen, daß die Klägerin auf die eingeklagte Forderung verzichtet habe. Im übrigen sei die eingeklagte Forderung verjährt, insbesondere deshalb, weil die Klägerin den vorliegenden Rechtsstreit nach seiner Unterbrechung durch das Konkursverfahren über das Vermögen des Beklagten erst nach mehr als neun Monaten nach der Konkursaufhebung fortgesetzt habe. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es traf im wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und Feststellungen zur Frage der Verjährung, deren Wiedergabe im einzelnen unterbleiben kann, weil das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung diesbezüglich zu umfangreicheren Sachverhaltsfeststellungen gelangte.

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß die Beitragsschulden der F*** Handelsgesellschaft mbH bei der Klägerin nie abgedeckt worden, sondern vielmehr bis auf den jetzt noch aushaftenden Rückstand von S 307.619,92 angewachsen seien. Der Verjährungseinwand des Beklagten sei unberechtigt.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes erhobenen Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht stellte nach Beweisergänzung zusätzlich im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Über das Vermögen der F*** Handelsgesellschaft mbH wurde am 14.8.1981 zu S 170/81 des Handelsgerichtes Wien der Konkurs eröffnet. In diesem Konkurs wurde die der Klage zugrundeliegende Forderung der Klägerin an Beitragsrückständen gemäß ihrer Anmeldung teils in der ersten, teils in der zweiten Klasse festgestellt und (unbestritten) im Anmeldungsverzeichnis eingetragen. Die Aufhebung des Konkurses über die F*** Handelsgesellschaft mbH mangels kostendeckenden Vermögens im Sinne des § 166 Abs 2 KO erfolgte mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 6.4.1983, der der Gemeinschuldnerin zu Handen des Geschäftsführers (also des Beklagten) am 22.4.1983 zugestellt wurde. Mangels einer Anfechtung wurde der Konkursaufhebungsbeschluß am 6.5.1983 rechtskräftig. Am 24.6.1982 war mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien zu S 83/82 über das Vermögen des Beklagten der Anschlußkonkurs eröffnet worden. In diesem Verfahren meldete die Klägerin am 17.8.1982 die (bereits am 1.7.1981 im vorliegenden Rechtsstreit eingeklagte) auf die Bürgschaft des Beklagten gestützte Forderung an. Bei der Prüfungstagsatzung vom 26.8.1982 wurde diese Forderung mangels eines vorliegenden Titels vom Masseverwalter bestritten. Mit Beschluß vom 26.8.1982 verständigte das Landesgericht für ZRS Wien die Klägerin von der Bestreitung der im Konkurs geltend gemachten Forderung und setzte der Klägerin eine Frist von zwei Monaten zur klagsweisen Geltendmachung ihrer Forderung. Dieser Beschluß wurde der Klägerin am 22.9.1982 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 15.10.1982 zog die Klägerin daraufhin die Anmeldung ihrer Forderung im Konkurs über das Vermögen des Beklagten zurück. Dieser Konkurs wurde mit Beschluß vom 25.10.1984 (an der Gerichtstafel angeschlagen am 17.1.1985) aufgehoben. Einen Antrag auf Fortsetzung des durch die Konkurseröffnung über das Vermögen des Beklagten unterbrochenen vorliegenden Rechtsstreites gab die Klägerin erst am 29.7.1985 zur Post; dieser Fortsetzungsantrag langte beim Erstgericht am 30.7.1985 ein.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, daß für Bürgschaftsschulden die allgemeine Verjährungszeit von 30 Jahren gelte. Die Bürgschaft erlösche aber, wenn sie zur Sicherung einer der kurzen Verjährung unterliegenden Forderung eingegangen worden sei, mit der Verjährung der Hauptschuld. Der Grundsatz der Akzessorietät bewirke, daß sich der Bürge auf die vor der Verjährung der Bürgschaftsschuld bereits tatsächlich eingetretene Verjährung der einer besonderen Verjährungszeit unterliegenden Hauptschuld berufen könne. Trete diese wegen einer Unterbrechung der Verjährung nicht ein, so sei damit noch keine Erweiterung oder Erschwerung der Haftung des Bürgen verbunden, da diese grundsätzlich, soweit nichts anderes zulässigerweise vereinbart worden sei, bis zum Ablauf der dreißigjährigen Verjährungsfrist aufrecht bleibe.

Im vorliegenden Rechtsstreit sei daher bei der Beurteilung des Verjährungsproblems sowohl auf die Rechtsverfolgung der Klägerin gegen den beklagten Bürgen als auch auf die Frage der Verjährung der mit der Bürgschaft gesicherten Beitragsschuld der F*** Handelsgesellschaft mbH nach dem ASVG einzugehen.

Im Verhältnis der Streitteile sei davon auszugehen, daß die Klägerin ihre Forderung bereits am 1.7.1981 eingeklagt habe, also zu einem Zeitpunkt, als ihre Forderung gegenüber der F*** Handelsgesellschaft mbH aus der Zeit von Dezember 1980 bis April 1981 mit Rücksicht auf die zweijährige Verjährungsfrist des § 68 ASVG jedenfalls noch nicht verjährt gewesen sei. Der vorliegende Rechtsstreit sei durch die Konkurseröffnung über das Vermögen des Beklagten am 24.6.1982 gemäß § 7 KO unterbrochen worden; er habe gemäß § 7 Abs 3 KO erst nach der Prüfungstagsatzung vom 26.8.1982 wieder aufgenommen werden können. Da der Masseverwalter die Forderung der Klägerin bestritten habe, gelte sie im Konkurs über das Vermögen des Beklagten als nicht festgestellt. Die Klägerin hätte daher ihre Forderung gemäß § 110 KO einklagen können. Dazu habe sie eine Frist von zwei Monaten ab der am 22.9.1982 erfolgten Verständigung von der Bestreitung ihrer Forderung durch den Masseverwalter, also bis zum 22.11.1982, gehabt. Da die Forderung der Klägerin im Konkurs über das Vermögen des Beklagten nicht festgestellt worden sei, sei die Verjährung der geltend gemachten Bürgschaftsforderung nicht unterbrochen worden, sondern sei gemäß § 9 Abs 2 KO nur eine Hemmung der Verjährung für den Zeitraum von der Anmeldung der Forderung im Konkurs (17.8.1982) bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruchs bestimmten Frist (22.11.1982), also insgesamt für 98 Tage, eingetreten. Der im Gesetz selbst geregelte Zeitraum der Hemmung der Verjährung werde durch die am 15.10.1982 erfolgte Rückziehung des im Konkurs angemeldeten Anspruches seitens der Klägerin nicht verkürzt. Diese Zurückziehung sei im übrigen nicht als ein Verzicht auf den Anspruch durch die Klägerin, sondern nur als ein Verzicht auf die Geltendmachung des Anspruches im Konkurs aufzufassen, habe also lediglich klargestellt, daß die Klägerin nicht gegenüber der Masse, sondern allenfalls gegenüber dem weiter haftenden Gemeinschuldner ihre Ansprüche verfolgen werde.

Ab dem 15.10.1982 sei die Klägerin jedenfalls in der Lage gewesen, den vorliegenden Prozeß gemäß § 7 Abs 3 KO wieder aufzunehmen. Tatsächlich habe sie von dieser Möglichkeit allerdings erst mit ihrem Fortsetzungsantrag vom 29.7.1985, der am 30.7.1985 beim Erstgericht eingelangt sei, Gebrauch gemacht.

Zur Verjährung der Hauptschuld sei folgendes zu erwägen:

Durch den Rückstandsausweis vom 29.9.1981, mit dem die rückständigen Beitragsschulden für die Monate Dezember 1980 bis August 1981 festgestellt worden seien, habe die Klägerin ihr Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen gewahrt; dieses Recht, das nach § 68 Abs 1 ASVG in zwei Jahren verjähren würde, sei jedenfalls nicht verjährt. Das Recht auf Einforderung der mit dem Rückstandsausweis festgestellten Beiträge könne weitere zwei Jahre nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung (also dem Rückstandsausweis) gemäß § 68 Abs 2 ASVG verjähren. Die Verjährung der Einforderung werde unter anderem auch nach den Vorschriften der Konkursordnung unterbrochen, womit § 68 Abs 2 ASVG auf § 9 Abs 1 KO verweise. Da die Klägerin ihre Beitragsforderung innerhalb von zwei Jahren nach der Erlassung des Rückstandsausweises im Konkurs über das Vermögen der F*** Handelsgesellschaft mbH angemeldet habe und die Forderung der Klägerin im Konkurs bereits am 16.10.1981 festgestellt worden sei, sei tatsächlich eine Unterbrechung im Sinne des § 9 Abs 1 KO eingetreten. Die Zweijahresfrist zur Einforderung beginne daher gemäß § 9 Abs 1 KO erst ab der Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses. Die Zweijahresfrist des § 68 Abs 2 ASVG gegen die F*** Handelsgesellschaft mbH sei daher vom 7.5.1983 bis zum 6.5.1985 gelaufen.

Die Forderung der Klägerin auf Zahlung der Beiträge durch die F*** Handelsgesellschaft mbH sei bereits durch den Rückstandsausweis vom 29.9.1981 tituliert gewesen. Die Feststellung im Konkurs des Handelsgerichtes Wien durch Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis würde im Sinne des § 61 KO einen (weiteren, in Wirklichkeit aber nur wiederholten) Exekutionstitel bilden. Durch die Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis habe sich am Wesen der geltend gemachten Forderung als einer Beitragsforderung im Sinne des ASVG nichts geändert. § 68 Abs 2 ASVG, der auf den Fall einer Konkursteilnahme von Beitragsforderungen Rücksicht nehme, stelle bezüglich der von ihm geregelten Verjährungszeit von zwei Jahren auch nicht darauf ab, ob die Forderung im Konkurs mangels Bestreitung durch die Aufnahme in das Anmeldungsverzeichnis festgestellt oder nicht festgestellt worden sei. Er lasse vielmehr die zweijährige Verjährungsfrist nach der Konkursbeendigung, also nach einem Tatbestand, der die Unterbrechung der Verjährung nach sich ziehe, neu beginnen. Da § 68 Abs 2 ASVG auch gegenüber der übrigen Rechtsordnung als lex specialis gewertet werden müsse, komme es durch die Feststellung einer bereits titulierten Beitragsforderung im Konkurs zu keiner Verlängerung der Verjährungszeit auf 30 Jahre, wie dies mit Ausnahme von urteilsmäßig festgestellten wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 1480 ABGB generell für Judikatsschulden gelte.

Am 6.5.1985, als die Hauptschuld verjährt sei, habe die Klägerin den Prozeß gegen den Beklagten noch nicht wieder aufgenommen gehabt, weil ihr Fortsetzungsantrag erst vom 29.7.1985 stamme. Der aus der Anmeldung der Forderung der Klägerin im Konkurs über das Vermögen des Beklagten resultierende Zeitraum der Hemmung der Verjährung von 98 Tagen sei nach dem 6.5.1985 nicht hinzuzurechnen. Zunächst liege der Zeitraum der Hemmung der Verjährung der bereits klagsmäßig geltend gemachten Bürgschaftsforderung im Ausmaß von 98 Tagen eben in der Zeit zwischen dem 17.8.1982 und dem 22.11.1982; er falle damit zeitlich mit dem Zeitraum der Unterbrechung der Verjährung der Beitragsforderung gegenüber der F*** Handelsgesellschaft mbH zusammen. Die Verlängerung der Verjährung von 98 Tagen betreffe ausschleßlich die Verlängerung der Verjährungsfrist zur Geltendmachung der Bürgschaft, die normalerweise 30 Jahre betrage, sodaß im vorliegenden Fall also die 30 Jahre dauernde Verjährungsfrist nach dem Ablauf des Hemmungszeitraumes mit dem 22.11.1982 weiter laufe. Dem Bürgen komme aber im Sinne des § 1363 ABGB eine Verjährung der Hauptschuld zugute. Diese Hauptschuld sei im vorliegenden Fall mit Ablauf des 6.5.1985 als verjährt anzusehen. Die Klägerin hätte es in der Hand gehabt, ab dem 15.10.1982 einen Fortsetzungsantrag zu stellen. Selbst wenn sie das Ergebnis des Konkurses über das Vermögen der Hauptschuldnerin abwarten habe wollen, obwohl aus sämtlichen Berichten des Masseverwalters im Verfahren S 170/81 des Handelsgerichtes Wien schon sehr bald klar geworden sei, daß eine Befriedigung der Konkursgläubiger erster Klasse nicht zu erwarten sei, hätte die Klägerin unmittelbar nach der Beendigung des Konkurses über das Vermögen der F*** Handelsgesellschaft mbH, also ab dem 7.5.1983, den vorliegenden Prozeß wieder aufnehmen können. Der Klägerin falle somit eine besonders lange Untätigkeit zur Last. Als sie am 29./30.7.1985 den vorliegenden Prozeß wieder aufgenommen habe, sei die Hauptschuld schon verjährt gewesen. Wegen der Akzessorietät der Bürgschaftsforderung im Verhältnis zur Beitragsschuld könne sich der Beklagte also tatsächlich erfolgreich auf die Verjährung berufen. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig und auch sachlich berechtigt. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner in SZ 54/82 veröffentlichten Entscheidung, auf deren eingehende Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen im einzelnen verwiesen werden kann, ausgeführt hat, enthält das Gesetz keine Sonderbestimmungen über die Verjährung der Bürgschaftsschuld als solche. Da die Eingehung einer Bürgschaft nicht zu den "Geschäften des täglichen Lebens" gehört, findet die besondere Verjährungszeit des § 1486 ABGB keine Anwendung. Für Bürgschaftsschulden als solche gilt vielmehr die allgemeine Verjährungszeit von 30 Jahren (§§ 1478, 1479 ABGB). Da aber die Verbindlichkeit des Bürgen verhältnismäßig mit der Verbindlichkeit des Schuldners aufhört (§ 1363 ABGB), erlischt die Bürgschaft, wenn sie zur Sicherung einer der kurzfristigen Verjährung unterliegenden Forderung eingegangen worden ist, mit der Verjährung der Hauptschuld (so außer den in SZ 54/82 angeführten Belegstellen auch Mayerhofer in Ehrenzweig, System3, Schuldrecht, Allgemeiner Teil 137; Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1353 und Rz 2 und 3 zu § 1363).

Es ist also nicht so, daß für Hauptschuld und Bürgschaft stets eine gemeinsame und gegenseitig abhängige Verjährungsfrist zu gelten hätte; für die Bürgschaftsschuld als solche gilt eine allfällige kürzere Verjährungsfrist der Hauptschuld nicht. Nur der Grundsatz der Akzessorietät bewirkt, daß sich der Bürge auf das vor der Verjährung der Bürgschaftsschuld eintretende Erlöschen seiner Verpflichtung infolge eingetretener Verjährung der einer besonderen Verjährungszeit unterliegenden Hauptschuld berufen kann. Daraus folgt für den vorliegenden Fall zunächst, daß die Frage, ob die Klägerin den vorliegenden Rechtsstreit im Sinne des § 1497 ABGB gehörig fortgesetzt hat, keiner Erörterung bedarf, weil die für die am 1.10.1980 vom Beklagten gegenüber der Klägerin übernommene Bürgschaftsverpflichtung geltende dreißigjährige Verjährungsfrist noch keinesfalls abgelaufen ist.

Zu prüfen bleibt nur, ob die Hauptschuld, also die Beitragsschuld der F*** Handelsgesellschaft mbH an die Klägerin, für die der Beklagte die Bürgschaft übernommen hat, verjährt ist. Dies ist entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsmeinung zu verneinen.

§ 68 Abs 2 ASVG ordnet an, daß das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung verjährt. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie zum Beispiel durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) unterbrochen; sie wird durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung gehemmt. Bezüglich der Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung im Falle des Konkurses oder Ausgleiches des Beitragsschuldners gelten die einschlägigen Vorschriften der Konkursordnung und der Ausgleichsordnung. Im vorliegenden Fall erfolgte die Anmeldung der hier in Frage stehenden Beitragsforderung der Klägerin gegen die F*** Handelsgesellschaft mbH in dem über deren Vermögen eröffneten Konkursverfahren nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes innerhalb der im § 68 Abs 2 ASVG normierten zweijährigen Verjährungsfrist. Damit wurde im Sinne des § 9 Abs 1 KO die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen; sie begann gegen die Gemeinschuldnerin von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig wurde, zu laufen.

Was die Frage anlangt, ob sich an der für die Beitragsschuld der F*** Handelsgesellschaft mbH gegenüber der Klägerin geltenden Verjährungsfrist durch die Feststellung dieser Forderung im Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin und ihre unbestrittene Eintragung im Anmeldungsverzeichnis etwas änderte, ist auf die in EvBl 1964/242 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu verweisen, in der mit ausführlicher Begründung, auf die gleichfalls zur Vermeidung von Wiederholungen im einzelnen verwiesen werden kann, dargestellt wurde, daß auch bei durch vollstreckbare Rückstandsausweise vorgeschriebenen Forderungen von Sozialversicherungsbeiträgen die Verjährungsfrist auf 30 Jahre verlängert wird, wenn sie durch unbestrittene Eintragung im Anmeldungsverzeichnis im Sinne des § 61 KO gerichtlich festgestellt werden. Die dagegen ins Treffen geführten Argumente des Berufungsgerichtes schlagen nicht durch. Wie bereits in EvBl 1964/242 ausgeführt wurde, liegt in der vom Obersten Gerichtshof vertretenen Rechtsansicht kein Widerspruch zu § 9 Abs 1 KO (auf welche Bestimmung im § 68 Abs 2 ASVG verwiesen wird), weil sich aus dieser Anordnung keineswegs ergibt, daß nach Aufhebung des Konkurses eine gleich lange Verjährungsfrist beginnen müsse. Vielmehr beginnt, auch wenn die Forderung vorher einer kürzeren Verjährung unterlag, nach Aufhebung des Konkurses die ordentliche Verjährungsfrist zu laufen, wenn die Forderung inzwischen durch unbestrittene Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis in eine "Judikatsobligation" im Sinne der JMV RGBl 1858/105 umgewandelt wurde. Daß es sich bei der Vorschrift des § 68 Abs 2 ASVG um eine lex specialis handelt, mag insoweit zutreffen, als dort Verjährungsbestimmungen für eine ganz bestimmte Art von Verbindlichkeiten getroffen wurden; sie schließt es aber keineswegs aus, der unbestrittenen Eintragung durch Rückstandsausweise von Sozialversicherungsträgern titulierter Forderungen im Anmeldungsverzeichnis im Sinne des § 61 KO hinsichtlich der Verjährungsfrist die gleiche Wirkung zuzuerkennen wie der Eintragung anderer einer kürzeren Verjährungsfrist unterliegenden Forderungen. Der erkennende Senat hält daher an der vom Obersten Gerichtshof in EvBl 1964/242 vertretenen Rechtsansicht fest.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß auch die durch die Bürgschaft des Beklagten besicherte Forderung der Klägerin gegen die F*** Handelsgesellschaft mbH nicht durch Verjährung erloschen ist.

Mit der mit der Umwandlung der Hauptschuld in eine Judikatsobligation verbundenen Verlängerung der Verjährungsfrist ist ebensowenig eine Erweiterung oder Erschwerung der Haftung des Bürgen verbunden wie mit einer Unterbrechung der für die Hauptschuld geltenden Verjährungsfrist, weil die Haftung des Bürgen grundsätzlich, soweit nichts anderes zulässigerweise vereinbart wurde (§ 1502 ABGB), bis zum Ablauf der dreißigjährigen Verjährungsfrist aufrecht bleibt (vgl SZ 54/82).

Der Beklagte kann sich daher im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg darauf berufen, daß seine Verpflichtung als Bürge und Zahler infolge Verjährung der Hauptschuld erloschen sei.

Daß in der Rückziehung der Forderungsanmeldung der Klägerin im Konkurs über das Vermögen des Beklagten kein Verzicht auf die Klagsforderung zu erblicken ist, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt. Die übrigen Einwendungen des Beklagten gegen den Bestand der Klagsforderung haben sich vom festgestellten Sachverhalt her als unzutreffend erwiesen.

Die Rechtssache ist somit spruchreif im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens.

Es war daher in Stattgebung der Revision der Klägerin das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15936

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00059.88.1206.000

Dokumentnummer

JJT_19881206_OGH0002_0020OB00059_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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