TE OGH 1988/12/6 2Ob132/88

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Veröffentlicht am 06.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Alexander L***, Hauptschüler, 9371 Brückl, St. Walburgen 77, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan, Jugendamt, als Amtsvormund, diese vertreten durch Dr. Dieter Havranek, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1.) Walter M***, Verkaufsberater, 9125 St. Lorenzen 6, 2.) prot. Fa. A*** Werke Wien, Gesellschaft mbH, 1040 Wien, Prinz Eugenstraße 72, und 3.) A*** E*** V*** AG, 1010 Wien, Bösendorferstraße 15, alle vertreten durch Dr. Johann Tischler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert S 1,600.000 s.A.), infolge Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13. Juni 1988, GZ 4 b R 57/88-35, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. März 1988, GZ 25 Cg 349/87-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Die Revision der beklagten Parteien wird, soweit sie die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes (Punkt I 4.) und

5.) und II) bekämpft, zurückgewiesen.

2.) zu Recht erkannt:

Im übrigen wird keiner der Revisionen Folge gegeben. Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 18.568,93 (darin keine Barauslagen und S 1.688,08 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Hingegen sind die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 11.075,70 (darin keine Barauslagen und S 1.006,88 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten seiner Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. Oktober 1984 gegen 14 Uhr wurde der im 11. Lebensjahr stehende Kläger als Fußgänger beim Überqueren der Görtschitztal-Bundesstraße von einem vom Erstbeklagten gelenkten Kastenwagen, dessen Halter die Zweitbeklagte ist und für den bei der Drittbeklagten eine Haftpflichtversicherung bestand, erfaßt, zur Seite geschleudert und schwer verletzt. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalles wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 2 StGB rechtskräftig verurteilt, weil er diesen Unfall bei starkem Regen und Annäherung an eine linksseitige Autobushaltestelle, aus welcher gerade ein Autobus herauskam, zufolge Einhaltens einer überhöhten Geschwindigkeit verschuldet hatte.

Der Kläger begehrte die Bezahlung von Schmerzengeld in der Höhe von zuletzt S 1,500.000,- sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden mit der Behauptung, den Erstbeklagten treffe am Zustandekommen dieses Verkehrsunfalles das Alleinverschulden, weil er sich der Postautobushaltestelle trotz des aus dieser ausfahrenden Postautobusses und der zufolge starken Regens eingeschränkten Sicht mit überhöhter Geschwindigkeit genähert und zufolge Unaufmerksamkeit auf das Überqueren der Fahrbahn durch den Kläger auch verspätet reagiert habe, so daß er in weiterer Folge mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug den Kläger erfaßt und ihn auf die Fahrbahn geschleudert habe, wodurch dieser schwere Verletzungen erlitt.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, den Kläger treffe am Zustandekommen dieses Verkehrsunfalles das überwiegende Mitverschulden, weil er, ohne auf den Verkehr zu achten, vor dem herannahenden, vom Erstbeklagten gelenkten VW Kastenwagen bindlings über die Fahrbahn gelaufen sei; der Kläger sei bei diesem Verkehrsunfall zwar schwer verletzt worden, doch sei das von ihm begehrte Schmerzengeld unangemessen und überhöht. Dauerfolgen seien beim Kläger nicht vorhanden, weshalb das Feststellungsbegehren unbegründet sei.

Der Kläger bestritt diese Einwendungen und brachte vor, daß er zufolge der bei diesem Unfall erlittenen Verletzungen lebenslänglich behindert sei und immer auf fremde Hilfe angewiesen sein werde. Das Erstgericht sprach dem Kläger S 599.000 s.A. zu und stellte die Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Unfallschäden des Klägers im Ausmaß von zwei Dritteln fest, wobei die Haftung der Drittbeklagten auf die Höhe der für das Fahrzeug der Zweitbeklagten bestehenden Haftpflichtversicherungssumme eingeschränkt wurde; das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 901.000 s.A. sowie das Feststellungsmehrbegehren wurden abgewiesen.

Das Erstgericht ging bei seiner Entscheidung von folgenden Feststellungen aus:

Die Unfallstelle befindet sich auf der Görtschitztal-Bundesstraße B 92 im Freilandgebiet im Gemeindegebiet von St. Walburgen im Bereich der sogenannten Hollerkurve. Die Görtschitztal-Bundesstraße verläuft im Bereich der Unfallstelle in Fahrtrichtung des Erstbeklagten mit einem Gefälle von rund 2 % im wesentlichen von Norden nach Süden. Aus dieser Anfahrtsrichtung beschreibt sie vorerst eine langgezogene Linkskurve, die ungefähr 170 m nördlich des südlich des Einmündungstrichters der von Südwesten her in die Bundesstraße einmündenden Zufahrtsstraße zur sogenannten "Hollermühle" befindlichen Leitpflockes (Fixpunkt) endet. In weiterer Folge verläuft die Fahrbahn bis zu einer Stelle 125 m nördlich des Fixpunktes gerade. Ab dieser Stelle beschreibt die Straße dann mit einer Richtungsänderung von 30 Grad eine enger gezogene Rechtskurve, die 33 m nördlich des Fixpunktes in einem größeren Kurvenradius, wobei nur mehr eine Richtungsänderung von 8 Grad erfolgt, übergeht. Die Rechtskurve endet schließlich auf Höhe des Fixpunktes und die Straße verläuft dann in Richtung Süden über mehrere hundert Meter gerade. An beiden Fahrbahnrändern sind weiße Randlinien bzw. im Bereich der Einmündungen der Zufahrtsstraßen und Haltestellenbuchten Begrenzungslinien angebracht. Im unmittelbaren Bereich der Unfallstelle ist die asphaltierte Fahrbahn - gemessen zwischen den Innenkanten der weißen Rand- bzw. Bregrenzungslinien - 5,8 m breit und durch eine Leitlinie in zwei Fahrbahnhälften unterteilt. Die Zufahrtsstraße zur "Hollermühle" mündet in einem spitzen Winkel von ungefähr 45 Grad 1 m nördlich des als Fixpunkt bestimmten Straßenleitpflockes in die Görtschitztal-Bundesstraße ein. Der nördliche Einmündungstrichter dieser Zufahrtsstraße geht rund 10 m nördlich des Fixpunktes in eine Busbucht über, die an den westlichen Fahrbahnrand angrenzt. Diese Busbucht endet 51 m nördlich des Fixpunktes. An den östlichen Fahrbahnrand schließt ebenfalls eine ungefähr 3 m breite Busbucht an, die auf Höhe des Fixpunktes beginnt und rund 33 m nördlich desselben endet. An diese Busbucht schließt im Süden unmittelbar ein Einmündungstrichter, in den ein asphaltierter Zufahrtsweg von Südosten und eine Hauszufahrt von Osten her einmünden, an. An den westlichen Fahrbahnrand schließt ein ungefähr 3 m breiter Rasenstreifen an. Im Anschluß daran befindet sich ein Maisacker. Im Westen verläuft südlich des Fixpunktes, parallel zur Bundesstraße, in einem Abstand von 1,5 m ein Maschendrahtzaun, der 29 m südlich des Fixpunktes endet; dieser Maschendrahtzaun grenzt das Areal des Hauses St. Walburgen 55 ein. Am Unfallstag reichte das Maisfeld bis zum Grünstreifen; der angebaute Mais hatte eine Höhe von 1,8 m über dem Fahrbahnniveau. Für einen in Richtung Süden fahrenden Fahrzeuglenker stellte der Maisacker damals insofern eine Sichtbehinderung dar, als aus Anfahrtsrichtung Norden erstmals 115 m nördlich des Fixpunktes Sicht auf die östliche Begrenzung der Bundesstraße im Bereich der Busbucht und 110 m nördlich des Fixpunktes Sicht auf die gesamte östliche Fahrbahnhälfte im Bereich der Busbucht bestand. Zur Unfallszeit herrschte starker Regen; die Fahrbahn war naß. Nach dem 2. Oktober 1984 wurde 135 m nördlich des Fixpunktes das Gefahrenzeichen "Achtung Kinder!" aufgestellt. Gegen 14 Uhr stiegen aus dem aus Richtung Süden gekommenen und in der östlichen Haltestellenbucht anhaltenden Postautobus der Kläger und die Schüler Wolfgang O*** und Erich S*** aus. Als der Postautobus aus der Haltestellenbucht heraus wieder in die Bundesstraße einfuhr, begann der Kläger, während die Schüler Wolfgang O*** und Erich S*** an der Ostseite der Bundesstraße in Richtung Süden gingen, knapp hinter dem Heck des Postautobusses, ohne auf den Verkehr zu achten, im Laufschritt die Fahrbahn der Görtschitztal-Bundesstraße in westliche Richtung zu überqueren. Ungefähr in der Mitte der Straße verzögerte er kurz seinen Lauf, ohne ihn allerdings zu unterbrechen, und lief dann in Richtung Westen weiter. Zur selben Zeit näherte sich der Erstbeklagte mit dem VW Kastenwagen 251 D mit dem amtlichen Kennzeichen K 202.484 mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 60 km/h; er hatte am Fahrzeug die Abblendlichter eingeschaltet. Er nahm den die Fahrbahn laufend überquerenden Kläger hinter dem soeben aus der Haltestellenbucht ausfahrenden Postautobus wahr, der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt ungefähr 2 m östlich der Leitlinie. Nach Erkennen des mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 8,5 km/h die Fahrbahn überquerenden Klägers reagierte der Erstbeklagte sofort durch Auslenken des Fahrzeuges nach rechts und ungefähr 21 m vor dem Kläger durch eine starke Bremsung. Trotzdem gelang es dem Erstbeklagten nicht mehr, das von ihm gelenkte Fahrzeug vor dem Kläger anzuhalten. Dieses erfaßte vielmehr mit der linken vorderen Begrenzung mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 54 km/h 0,8 m bis 1 m westlich der Leitlinie den Kläger, der hiedurch in südöstliche Richtung geschleudert wurde und ungefähr in der Mitte der Fahrbahn, und zwar mit dem Kopf 2,7 m nördlich des Fixpunktes und 3,8 m östlich der westlichen Begrenzungslinie, schwer verletzt liegenblieb. Der Erstbeklagte brachte den von ihm gelenkten Kastenwagen, nachdem das rechte Vorderrad 16 m nördlich des Fixpunktes den rechten Fahrbahnrand überfahren hatte, schließlich - bezogen auf die Hinterräder - 27,5 m südlich des Fixpunktes zum Stillstand. Von dem vom Erstbeklagten gelenkten VW Kastenwagen haben sich auf dem Rasenstreifen eine 32,5 m lange Fahr- bzw. Driftspur abgezeichnet. Auf der Fahrbahn lagen 9,65 m nördlich des Fixpunktes und 3 m östlich der westlichen Begrenzungslinie ein Plastikteil des Stoßstangenendes des VW Kastenwagens, 6,2 m nördlich des Fixpunktes und 2,1 m östlich der westlichen Begrenzungslinie der abgerissene Kopfschutz der Überjacke des Klägers, 4,2 m nördlich des Fixpunktes der Gummiring des Außenspiegels und Splitter der Stoßstange des VW Kastenwagens (1 m bzw. 1,5 m östlich der westlichen Begrenzungslinie), 1,5 m nördlich des Fixpunktes und 2 m östlich der westlichen Begrenzungslinie ein Schuh des Klägers, 1 m nördlich des Fixpunktes und 0,95 m westlich der westlichen Begrenzungslinie die Schultasche des Klägers, 5,95 m südlich des Fixpunktes und 1 m östlich der westlichen Randlinie der Glasspiegel des VW Kastenwagens. Der VW Kastenwagen wurde durch die Kollision im Bereich des linken Fahrzeughecks leicht eingedellt. Außerdem wurde auch die linke Fahrzeugseite beschädigt, insbesondere der Glasspiegel abgerissen. Der VW Kastenwagen ist 4,57 m lang und 1,85 m breit. In einer Sekunde werden bei einer Geschwindigkeit von 8,5 km/h 2,36 m und bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h 16,67 m zurückgelegt. Bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von höchstens 39,5 km/h wäre dem Kläger bei einer mittleren Bremsverzögerung von 6 m/sec2 und einer Sekunde Reaktions- und Bremsansprechzeit das Anhalten auf einer Strecke von 21 m möglich gewesen. Die Kollision mit dem Kläger wäre zeitlich auch vermeidbar gewesen, wenn der Erstbeklagte sich der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von 43 km/h genähert hätte; in diesem Falle wäre er erst 0,76 Sekunden später zur Unfallstelle gekommen und der Kläger hätte zu diesem Zeitpunkt den Gefahrenbereich bereits verlassen gehabt. Der am 4. August 1974 geborene Kläger erlitt bei diesem Unfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, eine Grünholzfraktur des rechten Unterkiefers und mehrere Schnitt- bzw. Schürfwunden im Gesicht. Der Kläger wurde sofort nach dem Unfall in tief bewußtlosem Zustand mit der Rettung in das Landeskrankenhaus Klagenfurt eingeliefert. In der Intensivstation, wo er vom 2. Oktober 1984 bis 25. Oktober 1984 war, wurde er sediert sowie therapeutisch beatmet und es wurde ihm zur Messung des Schädelinnendruckes eine intracraniale Druckmessungssonde angelegt. Auf Grund der Fraktur des rechten Unterkiefers wurde ihm eine intermaxilläre Fixaktion angelegt, die jedoch durch starke Kaubewegungen gesprengt wurde. Der Kläger wurde zuerst parenteral (Infusionen), später enteral (über den Darm) und schließlich oral mit flüssigen und breiigen Speisen ernährt. Das schwere Schädel-Hirn-Trauma war mit vorübergehender Lebensgefahr verbunden, die jedoch durch die intensive medizinische Betreuung abgewandt werden konnte. Beim Kläger war anfangs eine langzeitige Bewußlosigkeit vorhanden; danach entwickelte sich ein apallisches Syndrom - ein Zustand in völliger geistiger Umnachtung bei Wachheit. Dieser Zustand ist einer Bewußtlosigkeit gleichzusetzen. Der Kläger wurde in diesem Zustand am 25. Oktober 1984 in die Neuro-psychiatrische Abteilung für Kinder und Jugendliche überstellt, wo er bis zum 16. November 1984 verblieb. In der Zeit vom 15. November 1984 bis 8. Jänner 1985 war er in der kinderchirurgischen Abteilung, wo am 20. November 1984 wegen Verdachtes eines blutenden Streß-Ulcus eine Gastrokopie durchgeführt wurde, bei welcher jedoch weder ein Ulcus noch sonst eine Blutungsquelle gefunden werden konnte. Am 8. Jänner 1985 wurde der Kläger zur weiteren ergotherapeutischen und logopädischen Behandlung und Betreuung wieder auf die Neuropsychiatrische Abteilung für Kinder und Jugendliche überstellt. Erst allmählich trat dann Mitte Jänner 1985 im Zustand des Klägers eine Besserung zu einem hochgradigen organischen Psychosyndrom hin ein; ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger auch allmählich Fortschritte beim Lesen und Schreiben machen. Der Kläger wurde am 22. Februar 1985 in depressivem Zustand zu seiner Großmutter Sophie S*** vorläufig in häusliche Pflege entlassen. Am 4. März 1985 erfolgte seine neuerliche stationäre Aufnahme in der Neuropsychiatrischen Abteilung für Kinder und Jugendliche zur weiteren therapeutischen Behandlung. Der Kläger hatte am 12. März 1985 noch immer mit der Aufnahme fester Nahrung Schwierigkeiten. Am 26. März 1985 konnte er erstmals wieder ein Wort sprechen; am 2. April 1985 war seine Stimmstärke jedoch noch immer gering. Ende März 1985 war seine Harn- und Stuhlkontrolle noch immer ungenügend bzw. teilweise überhaupt nicht vorhanden. Vom 5. April 1985 bis 14. April 1985 war der Kläger wieder bei seiner Großmutter Sophie S*** in häuslicher Pflege (Urlaub); er wurde am 14. April 1985 wieder zur weiteren Behandlung in der Neuropsychiatrischen Abteilung für Kinder und Jugendliche stationär aufgenommen. Beim Kläger trat in der Folge eine weitere Besserung seines starken beeinträchtigten psychischen Krankheitsbildes ein und dieses entwickelte sich über ein mittelgradiges organisches Psychosyndrom ungefähr im Mai 1985 zu einem leichten psychoorganischen Psychosyndrom. Nach einer Wiederaufnahme am 14. April 1985 besserte sich auch seine Harn- und Stuhlkontrolle und er wurde ab 23. April 1985 in der Nacht nicht mehr gewickelt. Ab Mai 1985 ist der Kläger auch zunehmend gehfähig geworden, nachdem die anfänglich starken Spasmen und beginnenden Gelenkskontrakturen therapeutisch gebessert wurden. Aber auch danach bestanden beim Kläger nach wie vor Koordinationsschwierigkeiten, die sich auch beim Schreiben in der Feinmotorik äußerten; die Schreibschrift selbst hatte der Kläger vollkommen vergessen bzw. verlernt; er mußte sie neu erlernen. Seine Belastbarkeit war bei Tätigkeiten deutlich herabgesetzt; am 26. Juni 1985 war er beim Lesen und Schreiben höchstens acht Minuten lang belastbar; zufolge der massiven Sprachstörung war der Kontakt mit ihm noch immer mühsam. Der Kläger wurde nach Urlauben vom 5. Juni 1985 bis 19. Juni 1985 und vom 26. Juli 1985 bis 12. August 1985 nach Versorgung mit einer Ober- und Unterschenkelschiene mit Kniegelenk zur Stabilisierung des linken Kniegelenks und einer Armschiene für den linken Arm am 30. August 1985 endgültig aus der stationären Behandlung der Neuropsychologischen Abteilung für Kinder und Jugendliche entlassen. Der Kläger leidet auch nunmehr bei Wetterumschwüngen an Kopfschmerzen. Die erlittenen Verletzungen waren bis 24. März 1987 kontinuierlich mit ungefähr 105 Tagen starken Schmerzen, ungefähr 120 Tagen mittelstarken Schmerzen und ungefähr 300 Tagen leichten Schmerzen verbunden. Ab diesem Zeitpunkt werden mit den erlittenen Verletzungen in den nächsten Jahren, komprimiert auf den 24-Stunden-Tag, jährlich ungefähr 60 bis 90 Tage leichte Schmerzen verbunden sein. Das Schädel-Hirntrauma, das der Kläger beim Unfall erlitten hat, ist schwerer als eine Querschnittlähmung zu beurteilen. Der Kläger war vor dem Unfall ein normales Kind, er besuchte seit Beginn des Schuljahres 1984/85 mit sehr gutem Erfolg die erste Klasse der Hauptschule in Brückl. Seit Herbst 1985 ist der Kläger im Behindertenförderungszentrum des Landes Kärnten aufgenommen. Von einem dreiwöchigen Aufenthalt im Rehabilitationszentrum Meidling abgesehen, besuchte er dort die Schule für mehrfach Behinderte und wohnte auch in dem der Schule angeschlossenen Heim. Während der Sommerferien 1986 war er vier Wochen zur weiteren Behandlung im Sonderkrankenhaus Hermagor. Seit Schulbeginn 1986 besucht er wiederum die Schule für mehrfach Behinderte im Behindertenförderungszentrum des Landes Kärnten und wohnt auch seither wieder in dem der Schule angeschlossenen Heim. Am 24. März 1987 war beim Kläger nach wie vor ein deutlich nachweisbares organisches Psychosyndrom mit herabgesetzter Auffassungsgabe und Konzentration, herabgesetzter Kritikfähigkeit, umständlichem, rigidem Denken, Perseveration und Merkfähigkeitsstörungen vorhanden. Der Kläger ist dadurch auch in der Schule stark behindert und erbringt in der Sonderschule nur mäßige Leistungen. In den nächsten Jahren ist zwar eine Besserung seines Zustandes, jedoch keine Heilung desselben zu erwarten. Der Kläger litt als Folge der Unfallsverletzungen an schwersten Koordinationsstörungen; diese erfaßten anfangs alle vier Extremitäten, haben sich aber nunmehr, allerdings mit Linksüberwiegen, etwas gebessert; weiters leidet er an einer spastischen halbseitigen armbetonten Lähmung der linken Extremitäten mit praktischen Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes sowie an stark herabgesetzter Gebrauchsfähigkeit des linken Beines. Er kann nur mit der speziell für ihn angefertigten Beinschiene gehen. Auf Grund der zusätzlichen Koordinationsschwierigkeiten kann er selbständig nur in Räumen auf ebenem Boden gehen. Weiters bestehen als Unfallsfolgen noch immer Sprachstörungen (Dysarthrie und Dysphonie), die anfangs stark im Vordergrund standen, sich aber seit dem Jahre 1987 gebessert haben. Am 24. März 1987 war seine Sprache noch umständlich, kloßig, verwaschen, undeutlich und einfach strukturiert. An diesem Tag betrug auch seine Maximalbelastung nur die Hälfte. Derzeit liegt beim Kläger aus neurologischer und psychiatrischer Sicht eine hundertprozentige Minderung der Erwerbsfähigkeit vor.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß das Verschulden des Erstbeklagten (Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit) infolge Bindung des Zivilrichters an die strafgerichtliche Verurteilung feststehe. Das Mitverschulden des blindlings die Straße überquerenden Klägers sei zwar grundsätzlich gleich schwer zu werten, jedoch sei es mit Rücksicht auf die Minderjährigkeit des Klägers milder zu beurteilen, weshalb eine Verschuldensteilung von 2 : 1 zu seinen Gunsten gerechtfertigt wäre. Das Schmerzengeld sei mit S 900.000,- den erlittenen Verletzungen angemessen, mit Rücksicht auf das Mitverschulden des Klägers und einem im Strafverfahren zugesprochenen Teilbetrag von S 1.000,-

ergab sich der zugesprochene Betrag.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge; hingegen wurde der Berufung der Beklagten teilweise Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes unter Einbeziehung des unbekämpft gebliebenen Teiles dahin abgeändert, daß dem Kläger S 449.000,- s.A. zugesprochen und die Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallschäden des Klägers im Umfang von 50 % festgestellt wurde; das Mehrbegehren auf Bezahlung von S 1,001.000 s.A. und das Feststellungsmehrbegehren wurden abgewiesen.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte aber hinsichtlich der Schadensteilung zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Der Erstbeklagte sei wegen des Verkehrsunfalles rechtskräftig verurteilt worden. Daran sei der Zivilrichter gemäß § 268 ZPO gebunden, und zwar auch in der Frage des Bestehens des Rechtswidrigkeitszusammenhanges zwischen dem Normenverstoß des Beschuldigten und dem vom Strafgericht zu beurteilenden Unfallsgeschehen. Es sei daher davon auszugehen, daß das Verschulden des Erstbeklagten in der Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit bestehe. Allerdings sei auch nicht zu bezweifeln, daß dem Kläger eine grobe Mißachtung der Bestimmungen des § 76 Abs.4 lit.b StVO anzulasten sei. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe starker Regen geherrscht, insbesondere in einer derartigen Situation müsse ein Fußgänger vor dem Überqueren der Fahrbahn die Verkehrslage besonders sorgfältig prüfen und eher ungünstig beurteilen. Bei Erreichen der Mitte einer breiteren Fahrbahn (im vorliegenden Fall 5,8 m) habe er sich nötigenfalls neuerlich zu vergewissern, ob sich nicht inzwischen ein Fahrzeug genähert habe, und müsse stehen bleiben, wenn ein Fahrzeug schon so nahe sei, daß er die Fahrbahn nicht mehr vor diesem gefahrlos überqueren könne. Daß dies dem Kläger aus welchen Gründen immer, nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, sei nicht behauptet worden. Nach der Rechtsprechung müsse auch bei Vorbeifahren an einer - überdies in Fahrtrichtung des Erstbeklagten links gelegenen - Autobushaltestelle nicht von vornherein mit dem verkehrswidrigen Verhalten aussteigender Fahrgäste beim Überqueren der Fahrbahn gerechnet werden. Es müsse nur damit gerechnet werden, daß ein Fußgänger kurz hinter dem Autobus hervortritt, um sich über die Möglichkeit der Überquerung der Fahrbahn zu informieren. Unter Bedachtnahme darauf und unter Berücksichtigung der in vergleichbaren Fällen vorgenommenen Verschuldensteilung sei daher grundsätzlich eine Teilung des Verschuldens im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Klägers, der geradezu blindlings die Straße überquerte, gerechtfertigt. Da aber das Verschulden unmündiger Minderjähriger in der Regel milder zu beurteilen sei als sonst unter gleichen Umständen das Verschulden Erwachsener, erachte das Berufungsgericht im Hinblick auf das Alter des Klägers eine Verschuldensteilung von 1 : 1 als noch angemessen.

Hinsichtlich der Höhe des Schmerzengeldes billigte das Berufungsgericht die vom Erstgericht vorgenommene Bemessung mit einem rechnerischen Gesamtbetrag von S 900.000,-.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen des Klägers und der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Während der Kläger, ausgehend vom Alleinverschulden des Erstbeklagten und einem Schmerzengeld im Gesamtbetrag von S 1,000.000,- Abänderung im Sinne des Zuspruches weiterer S 551.000,- s.A. unter Feststellung der Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallschäden des Klägers zur Gänze beantragt, streben die Beklagten unter Zugrundelegung einer Schadensteilung im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten des Klägers sowie einer Bemessung des Schmerzengeldes mit einem Gesamtbetrag von S 600.000,- Abänderungen im Sinne des Zuspruches eines Betrages von S 199.000,- s.A. an den Kläger und Feststellung der Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallschäden des Klägers im Ausmaß von einem Drittel sowie die Abweisung des Leistungs- und Feststellungsmehrbegehrens an.

In seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision der Beklagten hinsichtlich der Bekämpfung der Kostenentscheidung als unzulässig zurückzuweisen, im übrigen dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Die Beklagten streben hingegen in ihrer Revisionsbeantwortung an, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Revision der Beklagten:

Soweit die Beklagten die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes bekämpfen, stehen der Zulässigkeit ihres insoweit als Rekurs zu beurteilenden Rechtsmittels die Bestimmungen des § 528 Abs.1 Z 2 und 3 ZPO entgegen; in diesem Umfang war das Rechtsmittel daher zurückzuweisen.

Im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.

Hinsichtlich der Schadensteilung vertreten die Beklagten die Auffassung, unter Berücksichtigung des gesamten Unfallsherganges, (nämlich lediglich 60 km/h Fahrgeschwindigkeit des Erstbeklagten, zeitliche Vermeidbarkeit des Unfalles erst bei einer Geschwindigkeit von 43 km/h, prompte und richtige Reaktion des Erstbeklagten, eingeschaltetes Abblendlicht, Vorbeifahrt an einer linksseitig gelegenen Autobushaltestelle, gerade wegfahrender, nicht als Schülerbus gekennzeichneter Linienbus der Post, Überqueren der Fahrbahn durch den Kläger im Laufschritt, ohne im geringsten auf den Verkehr zu achten,) könne dem Erstbeklagten ein Mitverschulden von höchstens einem Viertel angelastet werden. Wenn nunmehr in Entsprechung der ständigen Judikatur ein Fehlverhalten eines Minderjährigen verschuldensmäßig milder beurteilt werde als jenes eines erwachsenen Verkehrsteilnehmers unter denselben Umständen, so sei das Mitverschulden des Erstbeklagten mit höchstens einem Drittel zu bemessen. Es dürfe nicht übersehen werden, daß ein an einem anhaltenden Autobus vorbeifahrender Kraftfahrer seine Fahrweise nicht von vornherein darauf einstellen müsse, daß ein hinter dem anhaltenden Bus hervortretender Fußgänger die Fahrbahn ohne Rücksicht auf den Fahrzeugverkehr überqueren werde. Zur Höhe des Schmerzengeldes führen die Beklagten aus, daß die schweren Verletzungen des Klägers erfreulicherweise soweit ausgeheilt seien, daß er zu seiner Person, zur Situation, zum Ort und zur Zeit voll orientiert erscheine, das Bewußtsein nicht gemindert, sondern vollkommen klar und der Gedankenablauf wieder geordnet und flüssig sei. Dem Kläger sei es wiederum möglich, eine Sonderschule zu besuchen und sich in die Gesellschaft zu integrieren. Ferner habe der Sachverständige festgestellt, daß eine weitere Besserung keinesfalls auszuschließen sei. Weder die Umstände des Einzelfalles noch ein Vergleich mit vergleichbaren Fällen vermögen einen Schmerzengeldbetrag von S 900.000,- zu begründen. Die Verletzungen des Klägers rechtfertigten daher den Zuspruch eines Schmerzengeldes in der rechnerischen Gesamthöhe von höchstens S 600.000,-. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung entscheidet bei der Verschuldensabwägung die Wichtigkeit der verletzten Vorschrift für die Verkehrssicherheit im allgemeinen und im konkreten Fall sowie das Ausmaß des Verschuldens und der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers (ZVR 1967/11; ZVR 1980/333). Aufgrund der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Erstbeklagten steht dessen Verschulden durch Einhaltung einer für die Verkehrs- und Sichtverhältnisse (starker Regen, Annäherung an die linksseitige Omnibushaltestelle, aus welcher gerade ein Omnibus herausfuhr) überhöhten Fahrgeschwindigkeit, gemäß § 268 ZPO für das Zivilgericht bindend fest.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes begann der im Unfallzeitpunkt im 11. Lebensjahr stehende Kläger, als der Postomnibus, aus dem er ausgestiegen war, gerade aus der Haltestellenbucht wieder in die Bundesstraße einfuhr, knapp hinter dem Heck des Omnibusses, ohne auf den Verkehr zu achten, im Laufschritt die Fahrbahn der Görtschitztal-Bundesstraße zu überqueren. Ungefähr in der Mitte der Straße verzögerte er kurz seinen Lauf, ohne diesen allerdings zu unterbrechen, und lief dann weiter, worauf er auf der in Fahrtrichtung des Erstbeklagten rechten Fahrbahnhälfte von dem vom Erstbeklagten gelenkten Kastenwagen erfaßt wurde.

Fußgänger dürfen an Stellen, wo der Verkehr weder durch Arm- noch durch Lichtzeichen geregelt wird, wenn ein Schutzweg nicht vorhanden ist, erst dann auf die Fahrbahn treten, wenn sie sich vergewissert haben, daß sie hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährden (§ 76 Abs.4 lit.b StVO). Sie haben die Fahrbahn in angemessener Eile zu überqueren. Außerhalb von Schutzwegen haben sie den kürzesten Weg zu wählen; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht behindern (§ 76 Abs.5 StVO). Die Regelung des Abs.5 ist von dem Grundsatz beherrscht, daß die Fahrbahn in erster Linie für den Fahrzeugverkehr bestimmt ist (SZ 45/37 ua). Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, muß ein Fußgänger insbesondere bei Regen oder Dunkelheit vor dem Überqueren der Fahrbahn die Verkehrslage besonders sorgfältig prüfen. Bei Erreichung der Fahrbahnmitte muß er sich neuerlich vergewissern, ob sich ihm von rechts ein Fahrzeug nähert, und er hat stehenzubleiben, wenn ein Fahrzeug so nahe ist, daß ein gefahrloses Überqueren der Fahrbahn vor diesem nicht mit Sicherheit möglich ist (ZVR 1988/28, ZVR 1985/107; ZVR 1979/302 je mwN). Gegen diese Vorschriften hat der Kläger in schwerwiegender Weise verstoßen. Bei der Beurteilung des Verschuldens des Erstbeklagten ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, daß ein Kraftfahrer seiner Fahrweise nicht von vornherein darauf einstellen muß, daß ein vor oder hinter einem anhaltenden Autobus hervortretender Fußgänger die Fahrbahn ohne Rücksicht auf den Fahrzeugverkehr überqueren werde. Er braucht lediglich damit zu rechnen, daß ein Fußgänger so weit hervortreten werde, daß er sich einen Überblick von der Fahrbahn verschaffen kann (vgl. ZVR 1979/155, ZVR 1975/156 ua). In vergleichbaren Fällen hat der Oberste Gerichtshof eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten

des - erwachsenen - Fußgängers gebilligt (vgl. ZVR 1988/28, ZVR 1985/107, ZVR 1979/155 ua).

Im vorliegenden Fall ist aber darüber hinaus zu berücksichtigen, daß nach ständiger Rechtsprechung das Mitverschulden von Kindern und unmündigen Minderjährigen geringer zu werten ist als jenes von Erwachsenen (vgl. ZVR 1987/80, ZVR 1984/130 ua). Dennoch müssen aber auch Kinder die für Fußgänger geltenden Bestimmungen beachten, sofern dieses Verhalten von ihnen nach Maßgabe ihres Einsichtvermögens und ihrer körperlichen und geistigen Reife erwartet werden darf (ZVR 1984/321 ua). Ausgehend von diesen Grundsätzen kann in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Auch soweit die Revision die Höhe des Schmerzengeldes bekämpft und ein Gesamtschmerzengeld im Betrage von S 600.000,- für gerechtfertigt erachtet, kann ihr nicht beigepflichtet werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Schmerzengeld die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (vgl. ZVR 1983/200 uva). Hieraus folgt einerseits, daß bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits aber zur Vermeidung einer Ungleichmäßigkeit in der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht5 175 ff; ZVR 1982/392 uva).

Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet, ist zu berücksichtigen, daß der Kläger durch den Unfall überaus schwer verletzt wurde und für ihn durch einige Zeit hindurch Lebensgefahr bestand. Besonders wiegen jedoch die eingetretenen Verletzungsfolgen, bei denen nur insoferne eine Besserung eingetreten ist, als sich sein Zustand von völliger geistiger Umnachtung durch intensive medizinische Betreuung zu einem organischen Psychosyndrom mit herabgesetzter Auffassungsgabe und Konzentration, herabgesetzter Kritikfähigkeitsstörungen hin entwickelte. Dadurch ist der Kläger auch in der von ihm besuchten Sonderschule stark behindert, eine weitere Besserung (wenn auch nicht Heilung) kann jedoch noch erwartet werden, auch die schweren Sprachstörungen haben sich seit dem Jahre 1987 gebessert, wobei Anfang 1987 jedoch noch immer eine 100 %-ige Minderung der Erwerbsfähigkeit vorlag. Der Oberste Gerichtshof hat etwa in einem Fall, in dem beim Verletzten ein apallisches Syndrom vorlag und die Verletzungsfolgen beträchtlich schwerwiegender waren als beim Kläger (ZVR 1987/93), ein Schmerzengeld von S 1,000.000,- zugesprochen. Hingegen wurde auch in Fällen kompletter Querschnittlähmungen (vgl. ZVR 1988/11, 2 Ob 23/84 ua) das Schmerzengeld mit S 900.000,- bemessen. Bei Berücksichtigung der Umstände des gegenständlichen Falles kann daher auch unter Bedachtnahme auf vergleichbare Zusprüche in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Bemessung des Schmerzengeldes mit dem rechnerischen Gesamtbetrag von S 900.000,- keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Der Revision der Beklagten war daher im übrigen ein Erfolg zu versagen.

2.) Zur Revision des Klägers:

Soweit der Kläger in seiner Revision darlegen will, daß vom Alleinverschulden des Erstbeklagten an dem Unfall auszugehen sei, ist er mit seinen Ausführungen auf die bei Erledigung der Revision der Beklagten vom Revisionsgericht angestellten Erwägungen zu verweisen. Dasselbe gilt auch für das Revisionsvorbringen, mit dem die Berechtigung eines Schmerzengeldes im Gesamtbetrag von S 1,000.000,- dargetan werden soll. Wie schon bei Erledigung der Revision der Beklagten ausgeführt wurde, waren in jenen Fällen, in denen bisher ein Schmerzengeldzuspruch von S 1,000.000,- erfolgte, die Verletzungsfolgen sowie die psychischen und physischen Beeinträchtigungen doch wesentlich schwerwiegender als beim Kläger. Es mußte daher auch der Revision des Klägers ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16186

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00132.88.1206.000

Dokumentnummer

JJT_19881206_OGH0002_0020OB00132_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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