TE OGH 1988/12/15 6Ob739/88

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Veröffentlicht am 15.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erich F***, Rechtsanwalt, Klagenfurt, Sterneckstraße 52, als Masseverwalter im Konkurs der A.J. W*** Gesellschaft mbH & Co. KG, Klagenfurt, Raiffeisenstraße 12 H, wider die beklagte Partei S*** Handelsgesellschaft mbH mit dem Sitz in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Alois Siegl, Rechtsanwalt in Graz, wegen Herausgabe einer Urkunde (Streitwert 50.000 S), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7.September 1988, GZ 2 R 145/88-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22.April 1988, GZ 20 Cg 309/87-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird stattgegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Masseverwalter im Konkurs einer Gesellschaft mbH & Co. KG. Diese hatte im März 1984 einen fabriksneuen Lastkraftwagen gekauft, in ihr Eigentum übernommen und ihrem Betriebsvermögen gewidmet. Der Lastkraftwagen wurde auch nach Ausstellung eines Einzelgenehmigungsbescheides polizeilich unter dem Zulassungsbesitz der GesmbH & Co. KG zum Verkehr zugelassen. Anfang Juli 1984 hatte die GesmbH & Co. KG das gesamte in drei Niederlagen befindliche Warenlager ihrer Komplementärgesellschaft übertragen. Der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft errichtete eine mit 28.September 1984 datierte und von ihm sowohl namens der GesmbH als Käuferin als auch der GesmbH & Co. KG als Verkäuferin unterschriebene Kaufvertragsurkunde, nach deren Inhalt die GesmbH & Co. KG ihrer Komplementärgesellschaft den LKW um 216.000 S verkaufe. (Nach dem Prozeßstandpunkt des Klägers habe es sich um eine Scheinbeurkundung gehandelt, nach dem Prozeßstandpunkt der beklagten Partei um die Beurkundung eines wirklichen Rechtsgeschäftes, das die Käuferin auch durch Zahlung des Kaufpreises ihrerseits erfüllt habe.)

Mit einem am 2.Januar 1985 geschlossenen Vertrag hatte die GesmbH & Co. KG ihr gesamtes Unternehmen zur Weiterführung an ihre Komplementärgesellschaft übertragen.

Mit Wirkung vom 3.April 1985 wurde über das Vermögen der GesmbH & Co. KG der Konkurs eröffnet.

Mit dem am 21.Mai 1985 in Notariatsaktsform gekleideten Pachtvertrag überließ die Komplementärgesellschaft das ehemals von der GesmbH & Co. KG betriebene Unternehmen mit dem gesamten Anlage- und Umlaufvermögen (ausgenommen die bestehenden Beteiligungen) zur pachtweisen Nutzung rückwirkend ab 1.Mai 1985 unter Vereinbarung einer erstmaligen Kündigungsmöglichkeit zum 1.Mai 2035 der beklagten Partei. In einer Anlage zu diesem Unternehmenspachtvertrag war neben anderen Kraftfahrzeugen auch der eingangs erwähnte Lastkraftwagen als Bestandteil des verpachteten Unternehmens angeführt.

Andererseits hatte die Komplementärgesellschaft der beklagten Partei am 20.Mai 1985 der Errichtung des Unternehmenspachtvertrages den erwähnten Lastkraftwagen verkauft.

Am 20.Juni 1985 wurde auch über das Vermögen der Komplementärgesellschaft der Konkurs eröffnet und ein vom Kläger verschiedener Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt. Dieser focht den Unternehmenspachtvertrag an, wie zuvor schon der Kläger gegenüber der Komplementärgesellschaft die von diesen Gesellschaften abgeschlossenen Verträge zur Unternehmensübertragung angefochten hatte. Im Anfechtungsstreit des Masseverwalters im Konkurs der Komplementärgesellschaft mit der beklagten Partei schlossen die Streitteile am 30.August 1985 einen gerichtlichen Vergleich, mit dem der Unternehmenspachtvertrag vom Mai 1985 als aufgehoben erklärt wurde und sich die beklagte Partei zur Herausgabe des gepachteten Unternehmens samt seiner Bestandteile an den Masseverwalter im Konkurs der Komplementärgesellschaft verpflichtete. (Die Kraftfahrzeuge und damit auch der eingangs erwähnte Lastkraftwagen waren im Vergleichstext nicht ausdrücklich erwähnt worden.) Der Masseverwalter im Konkurs der Komplementärgesellschaft anerkannte außergerichtlich den vom Kläger als Masseverwalter im Konkurs der GesmbH & Co. KG geltend gemachten Anfechtungsanspruch und stellte das ehemals von der GesmbH & Co. KG betriebene Unternehmen an den Kläger zurück. Nach einer kurzfristigen Fortführung des Unternehmens wurde der Betrieb stillgelegt. Das Vermögen ist konkursmäßig zu verwerten.

Der Lastkraftwagen ist zur Verfügung des Klägers abgestellt, der dieses Kraftfahrzeug betreffende Einzelgenehmigungsbescheid befindet sich in den Händen des Vertreters der beklagten Partei. Der Kläger begehrte von der Beklagten die Herausgabe des kraftfahrgesetzlichen Einzelgenehmigungsbescheides über den Lastkraftwagen mit der Begründung, daß die beklagte Partei nie Eigentum an dem immer im Unternehmen verbliebenen Kraftfahrzeug erworben habe.

Die beklagte Partei ihrerseits behauptete, aufgrund eines aufrechten, im Konkurs nicht angefochtenen Kaufvertrages Eigentümer des Fahrzeuges geworden und deshalb nicht zur Herausgabe des Einzelgenehmigungsbescheides verpflichtet zu sein.

Nach den erstrichterlichen Feststellungen sei die Kaufvertragsurkunde vom 28.September 1984 über einen Verkauf des Lastkraftwagens von der GesmbH & Co. KG an deren Komplementärgesellschaft nur zum Schein errichtet worden, um die behördliche Anmerkung des Zulassungsbesitzes der Komplementärgesellschaft in dem den LKW betreffenden Einzelgenehmigungsbescheid zu erwirken, und auch die Kaufvertragsurkunde vom Mai 1985 über einen Weiterverkauf des Lastkraftwagens von der Kapitalgesellschaft an die beklagte Partei sei nur zum Schein errichtet worden. Das Fahrzeug sei in Wahrheit Bestandteil des Pachtunternehmens geblieben und sei als solches nach der Aufhebung des Pachtvertrages auch zurückgestellt worden. Der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft habe - ohne gesellschaftsrechtliche Funktion - bestimmenden Einfluß auf die beklagte Partei ausgeübt, für sie wirtschaftliche Entscheidungen getroffen und durch seine nunmehrige Ehefrau als Geschäftsführerin der beklagten Partei ausführen lassen.

Das Prozeßgericht erster Instanz folgerte aus seinen Feststellungen, die beklagte Partei habe den Lastkraftwagen nur als Pächterin und nicht als Käuferin übernommen und besessen und nach Aufhebung des Unternehmenspachtvertrages jeden Titel zum fortdauernden Besitz des Fahrzeuges verloren. Die beklagte Partei sei verpflichtet, den Einzelgenehmigungsbescheid dem Kläger als dem Masseverwalter im Konkurs der Fahrzeugeigentümerin herauszugeben. Das Erstgericht gab aus diesen Erwägungen dem Klagebegehren statt.

In ihrer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung bemängelte die beklagte Partei unter anderem die Ablehnung ihrer Beweisanträge zum Nachweis einer auch ordnungsgemäß verbuchten Zahlung des LKW-Kaufpreises durch die Komplementärgesellschaft an die GesmbH & Co. KG sowie zum Nachweis darüber, daß der Weiterverkauf des Fahrzeuges durch die Komplementärgesellschaft an die beklagte Partei bereits im April 1985 besprochen worden sei und kein bloßes Scheingeschäft dargestellt habe.

Das Berufungsgericht räumte zwar ein, daß nach der rechtlichen Beurteilung durch das Prozeßgericht erster Instanz zur strittigen Frage nach dem Vorliegen der einem wirklichen Abschlußwillen entsprechenden Rechtsgeschäftserklärungen oder eines bloßen Scheingeschäftes zum Lastkraftwagenverkauf vom 28.September 1984 die gerügten Verfahrensmängel vorlägen, erachtete diese aber mit Rücksicht auf die weder von den Streitteilen, noch vom Prozeßgericht erster Instanz und auch in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht erörterte Ansicht als nicht entscheidungswesentlich, daß der Kaufvertrag durch den Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft in organschaftlicher Doppelvertretung der Käuferin und der Verkäuferin abgeschlossen worden und deshalb ungültig sei. Das Berufungsgericht ließ aus dieser Erwägung die in der Berufung der beklagten Partei ausgeführte Beweis- und Tatsachenrüge unerledigt und bestätigte das erstinstanzliche Urteil aus der rechtlichen Erwägung der Ungültigkeit des Fahrzeugverkaufes von der GesmbH & Co. KG an die Komplementärgesellschaft im Zusammenhang mit dem Fehlen einer in erster Instanz aufgestellten Behauptung über einen gutgläubigen Erwerb der beklagten Partei von der Komplementärgesellschaft.

Das Gericht zweiter Instanz sprach in seinem bestätigenden Berufungsurteil aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt; es sprach weiters aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach dem § 502 Abs.4 Z 1 ZPO nicht vorliege.

Die beklagte Partei rügt in ihrer außerordentlichen Revision die Begründung der Berufungsentscheidung mit der ohne Parteieneinwendung und ohne Erörterung der konkreten Tatumstände angenommenen Ungültigkeit eines Vertrages wegen unzulässiger Doppelvertretung als eine qualifiziert unrichtige Lösung einer Frage des Verfahrensrechtes.

Der Kläger erachtet die Voraussetzung für die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision als nicht gegeben und strebt in erster Linie die Zurückweisung des Rechtsmittels aus diesem Grunde an; hilfsweise begehrt er die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist im Sinne ihrer Ausführungen zulässig und auch berechtigt.

Die organschaftliche Doppelvertretung bei dem in der Kaufvertragsurkunde vom 28.September 1984 festgehaltenen Fahrzeugverkauf durch die GesmbH & Co. KG und ihrer Komplementärgesellschaft durch deren Geschäftsführer ist aktenkundig (Beilage EE). Doppelvertretung ist nicht absolut unzulässig. Der Kläger konnte als Masseverwalter der Verkäuferin nur eine aus der Doppelvertretung zu besorgende Gefährdung der Interessen der Verkäuferin geltend machen. Schon deshalb durfte das Berufungsgericht diese Frage nicht ohne jede Erörterung mit den Parteien zur rechtlichen Beurteilung des Streitfalles heranziehen. Das Berufungsgericht hat durch seine Vorgangsweise der beklagten Partei auch die Möglichkeit genommen, Umstände geltend zu machen, die jede denkbare Gefährdung der Interessen der Verkäuferin ausgeschlossen hätten. Das Berufungsgericht hat die Parteien mit einer rechtlichen Wertung von Umständen überrascht, die zwar aktenkundig, aber unter dem vom Gericht herangezogenen rechtlichen Gesichtspunkt nicht geltend gemacht waren und zur abschließenden Beurteilung einer Erörterung mit den Parteien bedurften. Die Unterlassung dieser Erörterung widerspricht dem Grundsatz der Wahrung des rechtlichen Gehörs im Rahmen eines fair trial. Schon aus diesem Grunde war das angefochtene Berufungsurteil in Stattgebung der außerordentlichen Revision aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Diesem muß es vorbehalten bleiben, sein Verfahren allenfalls zu ergänzen, um den aufgezeigten Verfahrensmangel zu beheben, oder aber auch eine Entscheidung zu fällen, die der Beurteilung der Wirksamkeit des Fahrzeugverkaufes durch die GesmbH & Co. KG an ihre Komplementärgesellschaft unter dem herangezogenen Gesichtspunkt der Doppelvertretung zu entraten vermöchte.

Zu den auf § 116 Z 5 KO gestützten Ausführungen des Berufungsgerichtes ist darauf hinzuweisen, daß die Erreichung der in dieser Gesetzesstelle erwähnten Wertgrenze geprüft und festgestellt werden müßte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E16378

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00739.88.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19881215_OGH0002_0060OB00739_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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