TE OGH 1988/12/20 2Ob656/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Melber und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef A***, Landwirt, 4141 Pfarrkirchen, Mairing 3, vertreten durch Dr.Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D*** G*** F*** W*** V*** K*** m.b.H.,

Hannover 1, Hamburger Allee 4, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Kurt Heller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15.Juni 1987, GZ 4 R 93, 94/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14.Jänner 1987, GZ 7 Cg 248/86-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat der beklagten Partei die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 1.443,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 76 KG Ollendorf, Gerichtsbezirk Lembach. Rund 150 km von dieser Liegenschaft entfernt liegt der Taxöldener Forst bei Wackersdorf in der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Forst hat die beklagte Partei im Dezember 1985 mit dem Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage für bestrahlte Kernbrennstoffe (= W*** Wackersdorf) begonnen. Diese Anlage dient der Verwirklichung eines bundesweiten Energiekonzeptes der Bundesrepublik Deutschland und soll im Jahre 1995 den Betrieb aufnehmen.

Nach den Behauptungen des Klägers wird es beim Betrieb der W*** Wackersdorf zu Emissionen von radioaktiven Substanzen kommen, wobei Aerosole über einen rund 200 m hohen Schornstein in die Atmosphäre und nicht flüchtige Schadstoffe über die Abwässer in die Nab und von dieser in die Donau und solcherart auf beiden Wegen auf die Liegenschaft des Klägers gelangen können. Aus der Häufung von Erkrankungen im Nahebereich von Kernkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen für Kernbrennstoffe und aus wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Langzeitwirkung ionisierender Strahlen gehe hervor, daß diese Schadstoffe gesundheitsgefährdend und lebensbedrohend seien. Da sich die Republik Österreich - nicht zuletzt durch das Atomsperrgesetz vom 15. Dezember 1978 - das Ziel gesetzt habe, jede unnatürliche Strahlenbelastung zu vermeiden, überschritten die von der W*** Wackersdorf schon im Normalbetrieb drohenden Emissionen das ortsübliche Maß; ein jederzeit möglicher Störfall werde sich überhaupt zur europaweiten Katastrophe auswachsen. Der Kläger werde seine Liegenschaft nicht mehr in ortsüblicher Weise (für Landwirtschaftszwecke) nutzen können und jedenfalls eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Nutzungsmöglichkeiten erleiden. Es stehe ihm daher gemäß § 31 IPRG, § 364 Abs 2 ABGB der Anspruch auf Untersagung der von der W*** Wackersdorf ausgehenden Emissionen zu, welcher auch durch eine Genehmigung der Anlage durch die Verwaltungsbehörden der Bundesrepublik Deutschland nicht verloren gehen könne. Dieser Anspruch ziele auf die Abwehr jeglicher radioaktiver Emissionen und zwar auch im Normalbetrieb der W*** Wackersdorf ab und lasse sich technisch nur dadurch verwirklichen, daß die Anlage nicht gebaut werde.

Unter Berufung auf den Gerichtsstand für Streitigkeiten um unbewegliches Gut (§ 81 JN) stellte der Kläger den Urteilsantrag, die beklagte Partei sei schuldig, die Errichtung der Wiederaufarbeitungsanlage für bestrahlte Kernbrennstoffe aus Leichtwasserreaktoren und der Mischoxyd-Brennelementfabrik im Taxöldener Forst bei Wackersdorf, insbesondere auf den im einzelnen bezeichneten Flurstücken, sofort zu unterlassen.

Die beklagte Partei wendete den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit für diese Rechtssache ein und erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes sowie unter Hinweis auf eine beim Bezirksgericht Lembach zu C 3/86 anhängige Bauverbotsklage auch jene der Streitanhängigkeit. Da die Voraussetzungen für eine vorbeugende Unterlassungsklage fehlten, ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung von Emissionen gegenüber der beklagten Partei nicht bestehe und die Klage überhaupt unschlüssig erscheine, sei diese zudem aus sachlichen Gründen abzuweisen. Im einzelnen wurde vorgebracht: Der Urteilsantrag stehe mit dem Klagsvorbringen in Widerspruch. Ob der Betrieb ohne Emissionen "rein technisch" aufrecht erhalten werden könne oder nicht, sei Sache der beklagten Partei. Es sei jedenfalls unzulässig, ihr in einem Immissionsverfahren aufzutragen, Bauführungen zu unterlassen. Die beklagte Partei sei auch nicht passiv legitimiert, denn sie sei nicht Eigentümerin der im Klagebegehren angeführten Liegenschaften und die Anlage werde nach der frühestens im Jahre 1995 zu erwartenden Fertigstellung nicht von ihr, sondern von der D***-Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf Ges.m.b.H., einer Gesellschaft mit dem Sitz in Wackersdorf, betrieben werden. Eine vom Bau selbst ausgehende Immissionsgefahr werde vom Kläger nicht behauptet. Der künftige Betreiber der Anlage habe derzeit noch nicht einmal um die erforderlichen Betriebsbewilligungen angesucht, sodaß nicht feststehe, unter welchen Auflagen diese erteilt würden. Im Sinne des § 364 a ABGB bestünden hinsichtlich einer in Zukunft betriebenen und bewilligten Anlage wohl Schadenersatz-, aber nicht Unterlassungsansprüche. Im übrigen fehlten in der Klage auch substantiierte Behauptungen über die mit dem künftigen Betrieb der Anlage konkret verbundenen Emissionen. Der Kläger stelle nämlich nur in genereller Weise seine Ansicht über die Gefahren nuklearer Strahlungen dar, ohne Fakten zu nennen, die sich auf die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf bezögen. Seine aus diversen anderen Anlagen gezogenen Rückschlüsse seien unterheblich, er hätte aktuelle und drohende Immissionsgefahren aus der gegenständlichen Bauführung dartun müssen. Beim Betrieb der W*** Wackersdorf würden keine wie immer gearteten radioaktiven Strahlungen entstehen, die sich auf österreichisches Bundesgebiet auswirken könnten. Das Erstgericht verwarf die Prozeßeinreden der beklagten Partei und wies das Klagebegehren ab. Es legte als unstrittig zugrunde, daß die beklagte Partei lediglich mit dem Bau der W*** Wackersdorf beauftragt ist und die Anlage von der D*** (richtig: D***; siehe Beilage ./14)-Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf Ges.m.b.H. betrieben werden soll, welche auch Eigentümerin der Betriebsliegenschaft ist. Das Ansuchen um Betriebsgenehmigung werde frühestens in den Jahren 1993/94 gestellt und die Anlage selbst nicht vor dem Jahre 1995 in Betrieb genommen werden. Davon ausgehend vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, daß es an einer unmittelbar drohenden Gefährdung des Klägers und damit einer materiellrechtlichen Voraussetzung der vorbeugenden Unterlassungsklage fehle. Darüberhinaus erscheine die beklagte Partei für den behaupteten Klagsanspruch passiv nicht legitimiert und das auf Baueinstellung gerichtete Urteilsbegehren sei als Vorwegnahme der Immissionsabwehr von vornherein verfehlt. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß über die Verwerfung der erhobenen Prozeßeinreden und vertrat die Ansicht, ein inländischer Urteilsspruch könne im Sinne des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrages vom 6.Juni 1959, BGBl 1960/105, über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen grundsätzlich vollstreckt werden, wobei die Vorbehaltsklausel der Artikel 2 und 3 des Vertrages Gewähr dafür biete, daß keine den innerstaatlichen Ordnungen zuwiderlaufende Entscheidung des ausländischen Gerichts vollstreckt werden müsse. Auf Fragen des Vollstreckungsrechtes sei daher im Erkenntnisverfahren nicht weiter einzugehen. Ein mangelndes Rechtsschutzinteresse des Klägers läge nur vor, wenn die Vollstreckung der begehrten Entscheidung von vornherein nicht in Betracht käme.

Die gegen das erstgerichtliche Urteil aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Berufung des Klägers hielt das Berufungsgericht insgesamt nicht für gerechtfertigt. Auf die vom Berufungswerber in Zusammenhang mit der dem Klagsantrag widersprechenden Klagebehauptung, durch Aufwendung sehr hoher Kosten könne bei der W*** Wackersdorf eine schadenverursachende Emission von Schadstoffen hintangehalten werden, behauptete erstgerichtliche Verletzung der Anleitungspflicht nach § 182 ZPO ging es mangels Erheblichkeit dieser Verfahrensfrage nicht ein. Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nahm es unter Hinweis auf die grundsätzlich für richtig befundene erstgerichtliche Rechtsansicht wie folgt Stellung:

Auszugehen sei davon, daß der Kläger unter Berufung auf § 364 Abs 2 ABGB eine Vorbeugungsmaßnahme gegen drohende Immissionen begehre. Zu den materiellrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen eines solchen Unterlassungsanspruches gehöre, daß der Eigentumseingriff unmittelbar drohe und daß die Abwehrbefugnisse des betroffenen Eigentümers noch intakt seien. Eine behördliche Genehmigung der emittierenden Anlage auf dem nachbarlichen Grund würde nämlich den Immissionsschutz des Grundeigentümers auf Schadenersatzansprüche wegen teilweiser Enteignung reduzieren. Da jeder hoheitliche Rechtssetzungsakt den Schranken des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips unterliege, könne eine Betriebsbewilligung für die W*** Wackersdorf nur auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland unmittelbare Geltung beanspruchen. Das Völkerrecht verbiete jedoch nicht, einem ausländischen Genehmigungsakt auch Wirkung für den Bereich inländischer Privatrechtsbeziehungen zuzuerkennen. Ob im konkreten Fall grenzüberschreitender Immissionen eine aus dem Völkerrecht ableitbare Verpflichtung bestehe, die im Nachbarstaat erlaubten Umweltbeeinträchtigungen auch im innerstaatlichen Bereich als genehmigt zu betrachten, soferne sie nicht nach völkerrechtlichen Maßstäben unzulässig erschienen, könne aber dahingestellt bleiben; denn selbst ohne solche Verpflichtung stehe es dem Immissionsstaat frei, den Genehmigungsakt der ausländischen Behörde für den innerstaatlichen Bereich mit Rechtswirkungen auszustatten, in dem ihm zB Tatbestandswirkung für die Entscheidung nachbarrechtlicher Streitigkeiten zuerkannt werde.

Die Bestimmung des § 364 a ABGB mache den direkten Immissionsabwehranspruch davon abhängig, daß keine behördliche Genehmigung der emittierenden Anlage vorliege. Die Rechtskraftwirkung des Genehmigungsbescheides gehe dabei über den Kreis der im Genehmigungsverfahren Beteiligten hinaus und wirke zB selbst gegenüber Personen, die erst nachträglich Anrainer der emittierenden Anlage geworden seien und im Genehmigungsverfahren gar keine Parteistellung gehabt hätten. Es werde sogar die Ansicht vertreten, ein verwaltungsbehördlicher Betriebsanlagengenehmigungsbescheid bewirke gegenüber jedermann den Verlust des direkten Immissionsabwehranspruchs, weil ein dem Genehmigungsverfahren nicht beigezogener, weit entfernter Emissionsgeschädigter nicht das begehren könne, was dem unmittelbaren Nachbarn der emittierenden Anlage trotz größerer Beeinträchtigung verwehrt werde. Jedenfalls sei der privatrechtliche Immissionsschutz der §§ 364, 364 a ABGB so konzipiert, daß die verwaltungsbehördliche Genehmigung einer emittierenden Anlage von einem vorweg gar nicht bestimmbaren Personenkreis zu respektieren sei und zum Verlust individueller Unterlassungsansprüche aus dem Titel des Grundeigentums führe. Die Genehmigung sei ein Faktum, das auf die privatrechtliche Beziehung zwischen dem Emittierenden und dem möglichen Immissionsgeschädigten einwirke und im Rechtsstreit über die Befugnisse zur Immissionsabwehr zu beachten sei. Ein Grund dafür, daß diese Tatbestandswirkung nicht auch für ausländische Genehmigungsakte gelten sollte, könne nicht erkannt werden, soferne sie dem Standard des inländischen Privatrechtschutzes genügten. Fröhler-Zehetner (in: Rechtsschutzprobleme bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen) stellten darauf ab, ob sich die ausländische Genehmigung einer die Umwelt beeinträchtigenden Anlage im Rahmen des völkerrechtlich Zulässigen halte. Wilhelm, JBl 1986, 699 f, gehe primär davon aus, daß dem österreichischen Grundeigentümer am ausländischen Genehmigungsverfahren Beteiligtenstellung zugekommen sein müsse. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes komme es jedenfalls auch darauf an, ob die Grenzen erlaubter Umweltbeeinträchtigungen im Ausland ähnlich eng gezogen seien wie im Inland und ob das Instrumentarium des subjektiven Rechtschutzes da wie dort die Einhaltung dieser Grenzen gewährleisten könne. Nach allen diesen Kriterien werde der ausländischen Betriebsgenehmigung für die W*** Wackersdorf auch für das inländische private Nachbarrecht Tatbestandswirkung zuzuerkennen sein. Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes, welchen sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Österreich Verfassungsrang zukomme (Art 25 GG; Art 9 B-VG), besagten nämlich, daß der Nachbarstaat von schädlichen Immissionen freizuhalten sei, daß aber andererseits auch die Verpflichtung bestehe, Immissionen bis zu einem gewissen Ausmaß zu dulden. Insoweit schlage das völkerrechtliche Prinzip der beschränkten Territorialität und Integrität voll durch. Auch der subjektive Rechtsschutz zur Vermeidung von Umweltbeeinträchtigungen sei in beiden Rechtsordnungen ähnlich gestaltet und gesichert. In beiden Staaten gelte, wie selbst der Kläger anerkenne, das rechtliche Gebot der Minimierung von Schadstoffemissionen. Vor allem aber seien die Strahlenschutzbestimmungen, auf die es im gegenständlichen Fall ankomme, da wie dort gleichermaßen streng gefaßt. Nicht zuletzt scheine nunmehr sogar die Bedingung erfüllt zu sein, die Wilhelm (aaO) an die Tatbestandswirkung einer Betriebsbewilligung durch die deutschen Verwaltungsbehörden knüpfe: Das Bundesverwaltungsgericht habe Ausländern prinzipiell Parteistellung in verwaltungsbehördlichen Genehmigungsverfahren für atomare Anlagen zuerkannt, wobei diese Entscheidung nach gewichtigen Lehrmeinungen nicht nur für Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und ohne den Vorbehalt der Reziprozität gelten dürfte. Tatsächlich habe auch der Kläger Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Genehmigungsverfahren für die W*** Wackersdorf beansprucht und eine entsprechende Klage beim Bayrischen Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

Somit verbleibe das Argument des Klägers, daß auch eine im Inland zu beachtende Betriebsgenehmigung der W*** Wackersdorf den Anspruch auf direkte Immissionsabwehr nicht beseitigen würde. Dabei beziehe er sich auf die generelle Untersagung atomarer Energieversorgungsanlagen in Österreich durch das Atomsperrgesetz BGBl 1978/696 und wohl auch auf die Meinung, das untypische, vor allem aber gesundheitsgefährdende Emissionen vom behördlichen Genehmigungsakt nicht erfaßt seien. Soweit der Kläger aus dem Atomsperrgesetz ein prinzipielles Verbot radioaktiver Immissionen abzuleiten versuche (an anderer Stelle gebrauche er es als Argument für die Ortsunüblichkeit derartiger Emissionen), sei ihm entgegenzuhalten, daß die österreichischen Strahlenschutzbestimmungen (Strahlenschutzgesetz und Strahlenschutzverordnung BGBl 1969/227 und 1972/47 in der jeweils geltenden Fassung) Grenzwerte für die zulässige Strahlenbelastung festlegten, weshalb die Emission ionisierender Strahlen auch in Österreich nicht schlechthin verboten oder als untypisch für genehmigungsfähige Anlagen stigmatisiert sei. Im übrigen treffe es zwar zu, daß der mit dem verwaltungsbehördlichen Genehmigungsakt verbundene Entzug des nachbarrechtlichen Untersagungsanspruchs dann nicht greife, wenn es um untypische, von der Betriebsgenehmigung nicht erfaßte Einwirkungen auf den Nachbargrund gehe. Es werde sogar mit überzeugender Begründung die Meinung vertreten, daß der Unterlassungsanspruch des § 364 Abs 2 ABGB jedenfalls dann wieder zur Verfügung stehe, wenn sich die Emissionen einer genehmigten Anlage als gesundheits- oder lebensbedrohend herausstellten, weil diesfalls neue Auflagen zu erteilen wären (§ 79 Abs 1 GewO) und überhaupt die Betriebseinstellung veranlaßt werden müßte. Das bedeute jedoch noch nicht, daß dem Kläger im konkreten Fall ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zustehe. Typische, aus dem Normalbetrieb der W*** Wackersdorf herrührende Immissionen könnten - die Genehmigung der Anlage vorausgesetzt - gemäß § 364 a ABGB nur Schadenersatzansprüche auslösen; für die vorbeugende Unterlassung gesundheitsgefährlicher Einwirkungen - die sich nach dem Standard des verwaltungsbehördlichen Rechtsschutzes für alle betroffenen In- und Ausländer nur aus der Verletzung behördlicher Auflagen oder aus einem Störfall ergeben könnten - fehle es am Tatbestandserfordernis der unmittelbaren Bedrohung. Nach Judikatur und Lehre setze nämlich jede vorbeugende Unterlassungsklage das unmittelbare Bevorstehen einer Rechtsverletzung, dh die konkrete Gefahr eines Eingriffs in naher Zukunft, voraus. Nun treffe es durchaus zu, daß das Rechtsschutzbedürfnis nach einer Unterlassungsklage mit der Bedeutung des bedrohten Rechtsgutes wachse, die Unmittelbarkeit der Gefährdung also teilweise durch ihr Ausmaß substituiert werden könne. Auch die vom Kläger mit dem Hinweis auf die Katastrophe von Tschernobyl beschworene Gefahr für Gesundheit und Leben zahlreicher Menschen müßte jedoch in absehbarer Zukunft und mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen, um den materiellrechtlichen Voraussetzungen einer vorbeugenden Unterlassungsklage Genüge zu tun.

Im konkreten Fall werde die Anlage erst gebaut. Es stehe noch gar nicht fest, ob und mit welchen Auflagen sie den Betrieb aufnehmen werde. Frühestens könnte dies in einigen Jahren geschehen. Auch dann sei die Wahrscheinlichkeit gering, daß durch eine leichtfertige Betriebsgenehmigung, durch die Mißachtung verwaltungsbehördlicher Auflagen oder gar durch einen nicht mehr beherrschbaren Störfall gesundheitsgefährdende Schadstoffe emittiert und bis zum Grundstück des Klägers transportiert werden würden. Somit habe das Erstgericht aber zu Recht einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch des Klägers verneint. Ob dieser überhaupt als Nachbar im Sinne der §§ 364, 364 a ABGB angesehen werden könne, müsse nicht weiter geprüft werden.

Im übrigen sei die Klage aber auch gegen ein nicht legitimiertes Rechtssubjekt gerichtet. Zwar könne eine Unterlassungsklage zur Abwehr schädigender Immissionen nicht nur gegen den Eigentümer des Nachbargrundstückes, sondern auch gegen andere Störer gerichtet werden, doch müßten diese besondere Rechtsbeziehungen zum emittierenden Grundstück haben. Nach der Judikatur müsse ein gewisser Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Emissionen bestehen, weshalb nur der auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könne, der das Grundstück für eigene Zwecke benütze; zumindest könne nur jener als Störer im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB angesehen und behandelt werden, der die drohende Eingriffshandlung setze oder sie verantworte.

Im gegenständlichen Fall sei die beklagte Partei mit dem Bau der W*** Wackersdorf beauftragt. Davon drohten dem Kläger keinerlei Nachteile. Es sei nach der Sachlage völlig ausgeschlossen, daß durch Baumaßnahmen in die Eigentumssphäre des Klägers eingegriffen werde. Eine Bedrohung könnte nur vom Betrieb der Anlage ausgehen, auf den die beklagte Partei jedoch keinerlei Einflußmöglichkeit habe. Schließlich erscheine das Klagebegehren verfehlt. Judikatur und Lehre stimmten darin überein, daß das zur direkten Immissionsabwehr erforderliche Begehren auf Unterlassung der Immissionen, allenfalls auf ihre Verhinderung durch geeignete Vorkehrungen, zu richten sei. Die Erwirkung bestimmter Schutzmaßnahmen könne nicht verlangt werden, weil es dem Eigentümerbelieben des Emittenten überlassen bleiben müsse, wie er den rechtmäßigen Zustand aufrecht erhält oder herstellt. Richtig verweise die beklagte Partei darauf, daß sie die Festlegung auf eine konkrete Schutzmaßnahme von anderen, für sie günstigeren technischen Möglichkeiten der Immissionsverhinderung ausschließen würde, letztlich sogar vom technischen Fortschritt. Das Begehren, der beklagten Partei die Errichtung der W*** Wackersdorf zu verbieten, werde den vorgenannten Anforderungen nicht gerecht. Es ließe wohl zu, der beklagten Partei als "minus" eine andere, weniger einschneidende Schutzmaßnahme vorzuschreiben, etwa die vom Berufungswerber in Anlehnung an Wilhelm vorsichtshalber begehrte Nichtaufnahme des Betriebes. Auch das widerspräche jedoch der Auffassung vom Wesen und Inhalt des nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruches zur Abwehr von Immissionen. Daß der bloße Befehl, Immissionen durch geeignete Vorkehrungen zu vermeiden, bereits ein "aliud" wäre, erkenne der Kläger selbst. Das Berufungsgericht sprach gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, den Betrag von S 300.000,-- übersteigt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Über die von amtswegen zu prüfende Frage des Vorliegens der Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit haben die Vorinstanzen beschlußmäßig abgesprochen und sie bejaht. Diese formell rechtskräftigen Entscheidungen stehen einer neuerlichen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entgegen (§ 42 Abs 3 JN; SZ 55/95; NZ 1967, 170; 2 Ob 628/87 uva).

Unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht der Revisionswerber geltend, das Berufungsgericht habe aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung die in der Berufung gerügten erstgerichtlichen Verfahrensmängel der unterlassenen Einholung der beantragten Sachverständigengutachten nicht behoben.

Diesem Vorbringen ist im Sinne der Ausführungen in der Revisionsbeantwortung zu entgegnen, daß die Frage, ob die berufungsgerichtliche Rechtsansicht zutrifft und die Einholung der beantragten Beweise daher entbehrlich war, im Rahmen der Behandlung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Buerteilung zu beantworten ist. Der behauptete Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt somit nicht vor.

Die Rechtsrüge des Revisionswerbers ist in folgende Hauptpunkte gegliedert und demgemäß ausgeführt:

"1.1. In Österreich haben Verwaltungsakte von Behörden der BRD weder eine rechtliche noch eine faktische Wirkung.

1.2. In Österreich könnte Wackersdorf niemals genehmigt werden.

1.3. Unmittelbar drohender Eingriff ist nicht Voraussetzung der vorbeugenden Unterlassungsklage.

1.4. Die beklagte Partei ist sehr wohl passiv legitimiert.

1.5. Das Urteilsbegehren ist nicht verfehlt."

Da der erkennende Senat entgegen den Darlegungen in der Rechtsrüge die Rechtsansicht der Vorinstanzen teilt, daß das vom Kläger erhobene Klagebegehren verfehlt und die Klage aus diesem Grund abzuweisen ist, kann sich die volle Wiedergabe des Revisionsvorbringens des Klägers auf den Punkt 1.5. beschränken. In diesem wird wie folgt ausgeführt:

Der Betrieb der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf sei auch im Normalfall ohne gefährliche Emissionen nicht möglich, insbesondere sei aber ein Störfall wie jener mit den Wirkungen von Tschernobyl nicht auszuschließen. Es bleibe immer das sogenannte Restrisiko, von dem die Behörden in der BRD meinten, es müsse sowohl im Normalbetrieb als auch im Störfall in Kauf genommen werden. Das ergebe sich nicht nur aus der ersten Teilerrichtungsgenehmigung, sondern auch aus der Information des Umweltbundesamtes. So heiße es in der ersten Teilerrichtungsgenehmigung auf S.108: "Aus den Zwischenlagern für radioaktive Abfälle sind im bestimmungsgemäßem Betrieb nur geringfügige Aktivitätsabgaben zu erwarten."; oder auf S.109: "....nach der Strahlenschutzverordnung zulässigen Strahlenexpositionen...." oder auf S.120, wo von "allen anzunehmenden Störfällen" die Rede sei. Auf S.133 unten heiße es im letzten Absatz wörtlich: "Zur Ermittlung der Sicherheitsanforderungen wurden hiebei im besonderen Störfall Betrachtungen aller Ereignisse bzw Ereignisabläufe untersucht, deren Auftreten während der Betriebsdauer der Anlage nach den Maßstäben der logischen Vernunft nicht nur in äußerst geringer Eintrittswahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können". Überall komme an diesen Stellen des Bescheides, was hier nur demonstrativ zitiert sei, zum Ausdruck, daß ein Restrisiko immer bestehen bleibe. Wie man aus den Erfahrungen von Tschernobyl wisse, sei die Wahrscheinlichkeitsrechnung für die Annahme des Eintrittes eines GAUs (Größter Anzunehmender Unfall) untauglich. Man müsse immer davon ausgehen, daß solche GAUs bei jeder Anlage, auch bei der deutschen, jederzeit möglich seien. Und wenn Österreich sich entschlossen habe, gerade wegen dieser Gefahren zur Gänze auf die Nutzung der Kernenergie zu verzichten, dann müßten österreichische Maßstäbe auch an jene Anlagen angelegt werden, die in den Nachbarstaaten Österreichs errichtet würden und daher für Österreich und seine Bevölkerung eine schwere Gefahr und unmittelbare Bedrohung darstellten. Selbst dann, wenn man davon ausgehe, daß dem Störer nur die Unterlassung der Immissionen durch Urteil aufgetragen werden könne bzw ihre Verhinderung durch geeignete Vorkehrungen, sei diese Einschränkung durch das gegenständliche Urteilsbegehren nicht überschritten, da ein Betrieb der W*** Wackersdorf ohne Emissionen im Normalfall und im Störfall undenkbar seien. Nur das Verbot der Errichtung schlechthin gebe eine Gewähr dafür, daß für die Grundstücke des Klägers, seine Familie und für ihn selbst keine Gefahr auftrete. Sollte irgendwann der Zeitpunkt kommen, in welchem auf Grund technischer Vorkehrungen und Einrichtungen ein Störfall mit 100 %-iger Sicherheit ausgeschlossen werden könne, so würde ein Urteil mit einem Spruch wie dem hier beantragten Klagebegehren den Bau einer neuen Anlage nicht hindern. Denn es würde sich dann sicherlich um eine andere Anlage handeln, deren Errichtung und Betrieb neu beantragt und neu bewilligt werden müßte, daher auch ein Projekt wäre, das vom gegenständlichen Urteil nicht erfaßt sei. So werde die beklagte Partei auch von der Entwicklung günstigerer technischer Möglichkeiten der Emissionsverhinderung oder gar vom technischen Fortschritt keineswegs ausgeschlossen. Selbst dann, wenn man die Auffassung Wilhelms teile, es könne nicht schlechthin auf Unterlassung der Errichtung der W*** Wackersdorf, sondern nur auf eine Nichtaufnahme des Betriebes geklagt werden, oder selbst dann, wenn man die Auffassung des angefochtenen Urteils teilen sollte, es könnte das Urteilsbegehren nur auf Unterlassung der Immissionen, allenfalls auf ihre Verhinderung durch geeignete Vorkehrungen, gerichtet werden, könne das nicht zur Klagsabweisung führen. Denn die Nichtaufnahme des Betriebes oder die Unterlassung der Emissionen oder ihre Verhinderung durch geeignete Vorkehrungen seien im Verhältnis zur Unterlassung der Errichtung kein "aliud", sondern ein "minus". Es könne das Gericht also ohne weiteres ein Urteil auf Nichtaufnahme des Betriebes, auf Unterlassung der Emissionen oder auf ihre Verhinderung durch geeignete Vorkehrungen selbst dann fällen, wenn das Klagebegehren auf Unterlassung der Errichtung gehe. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes habe der Kläger auf Seite 22 der Berufungsschrift nur das Urteilsbegehren "auf die Verhinderung von Immissionen durch geeignete Vorkehrungen" einem Begehren "auf die Erwirkung bestimmter Schutzmaßnahmen" gegenübergestellt und gesagt, "bestimmte Schutzmaßnahmen" seien etwas anderes als "geeignete Vorkehrungen". Somit habe er das Begehren "Emissionen durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern", keineswegs dem Begehren auf "Unterlassung der Errichtung" gegenübergestellt. Es werde nochmals betont, daß der Kläger die "Unterlassung der Errichtung" schlechthin fordere. Alles andere, wenn es sich nicht um die Erwirkung bestimmter Schutzmaßnahmen handle, sei weniger als das, worauf er klage. Dieses "minus" habe aber im Klagebegehren Platz, sodaß selbst dann, wenn man seine Auffassung nicht teilen sollte, daß nur die Unterlassung der Errichtung einen vollständigen Schutz biete, dies noch nicht zur Abweisung der Klage, sondern nur zum Zuspruch eines "minus" führen könne. Ob der Kläger das Recht habe, überhaupt keine Gefahr von Wackersdorf dulden zu müssen oder das Risiko aus dem Normalbetrieb und das Restrisiko, werde als Rechtsfrage vom Gericht zu entscheiden sein. Dabei würden die Überlegungen und Tendenzen des österreichischen Gesetzgebers heranzuziehen sein, die bei der Normierung der Straftatbestände angewendet werden, die sich im Strafgesetzbuch fänden. Auch vom Atomsperrgesetz werde auszugehen sein: Österreich sei nicht verpflichtet, auch nur das geringste Risiko aus Atomanlagen zu tragen.

Die Rechtsansicht des Revisionswerbers kann vom erkennenden Senat nicht geteilt werden.

Nach der österreichischen Rechtsordnung ist das Eigentum im Interesse der Allgemeinheit und im Rahmen des sogenannten Nachbarrechtes auch zugunsten benachbarter Grundstücke mehrfachen Beschränkungen unterworfen. Die Anordnungen der §§ 364 Abs 2, 364 a und 364 b ABGB dienen der Abwehr der von einem Grundstück auf die Nachbargrundstücke ausgehenden Einwirkungen, wobei als Nachbarn alle jene Eigentümer gelten, deren Grundstücke im Einflußbereich des emittierenden Grundstückes liegen (Koziol-Welser8 II 40; ABGB MGA32 E 70 zu § 364 ua).

Die Bestimmung des § 364 ABGB lautet insgesamt:

"(1) Überhaupt findet die Ausübung des Eigentumsrechtes nur insofern statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden.

(2) Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Auswirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig."

Der Kläger hat sein auf Unterlassung der Errichtung der W***-Wackersdorf gerichtetes Begehren ausdrücklich auf den Absatz 2 der vorgenannten Bestimmung des österreichischen ABGB und auf die Behauptung gestützt, mit dem Betrieb der zu errichtenden W*** Wackersdorf würden jedenfalls unzulässige Emissionen auf sein Grundstück verbunden sein; diese Tatsache habe zur Folge, daß bereits der Bau zu unterlassen sei.

Ein derartiges Untersagungsrecht des Nachbarn kann entgegen der Ansicht des Klägers aber weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck der vorgenannten Bestimmung abgeleitet werden. Sie dient ausschließlich der Abwehr von Emissionen. Eine Bauführung und ein Bauwerk stellen als solche aber keine Emissionen dar. Aus dem Bauwerk der W***-Wackersdorf selbst drohen auch unbestrittenermaßen keine unzulässigen Emissionen, sondern allein aus dem künftigen Betrieb dieser Anlage. Ob dieser Betrieb, wie der Kläger behauptet, notwendig mit von ihm nicht zu duldenden Emissionen verbunden sein wird, muß nicht erörtert werden. Denn das Klagebegehren ist auf Unterlassung des Baues der W***-Wackersdorf gerichtet. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger indes nach dem Gesetze eben nicht zu. Diese Auslegung entspricht auch der Lehre, welche nicht bezweifelt, daß jedenfalls der Bau einer die Grundnachbarn in Zukunft potentiell gefährdenden Anlage grundsätzlich nicht mit der Eigentumfreiheitsklage untersagt werden kann. Wilhelm hält zwar entgegen Moser (ÖJZ 1987, 97, 100) und wohl auch Jabornegg-Rummel-Strasser (Privatrecht und Umweltschutz 129) sowie Böhm (Entscheidungsbesprechung in JBl 1988, 460) ein Klagebegehren auf Nichtaufnahme des Betriebes einer notwendig mit unzulässigen Emissionen verbundenen Anlage für zulässig (JBl 1986, 696, 701), für ine Untersagung auch des Baues der W***-Wackersdorf mittels vorbeugender Unterlassungsklage des Grundnachbarn nach § 364 Abs 2 ABGB sieht er aber ebenfalls keine Rechtsgrundlage. Im übrigen ist hinsichtlich des Klagebegehrens allgemein auf folgendes zu verweisen:

Nach der bereits von den Vorinstanzen zitierten ständigen Rechtsprechung ist die Unterlassungsklage nach den §§ 364 Abs 2, 523 ABGB ein Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage. Soweit deren Begehren auf sichernde Vorkehrungen gerichtet ist, dürfen keine bestimmten Schutzmaßnahmen verlangt werden, vielmehr muß die Auswahl derselben der beklagten Partei vorbehalten bleiben (SZ 38/50, SZ 41/150, SZ 44/22, SZ 52/55; 1 Ob 1/88 uva; Spielbüchler in Rummel ABGB Rz 17 zu § 364 a; Klang2 II 173). Folgerichtig wurde vom Obersten Gerichtshof daher auch bereits mehrfach (1 Ob 658/82 = EvBl 1983/82; 1 Ob 618/87 ua; vgl Pimmer in Schwimann Kommentar zum ABGB II Rz 50 zu § 364) ausgesprochen, daß z. B. auch ein Begehren auf Stillegung eines unzulässige Emissionen verursachenden Betriebes nicht zulässig ist.

Aus den dargelegten Gründen erscheint das vorliegende Klagebegehren somit jedenfalls verfehlt. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers stellt es gegenüber einem Klagebegehren auf "Unterlassung der Emissionen" oder "ihre Verhinderung durch geeignete Vorkehrungen" auch ein anderes Begehren dar, sodaß einem Zuspruch die Bestimmung des § 405 ZPO entgegenstünde, nach welcher das Gericht der klagenden Partei nur das zusprechen darf, was sie beantragt hat. Das gleiche gilt für ein Begehren auf "Nichtaufnahme des Betriebes" der W***-Wackersdorf. Aber auch alle solche gegen die beklagte Partei erhobenen, jeweils die Betriebsführung betreffenden Begehren wären von vornherein nicht zielführend. Der beklagten Partei obliegt nämlich unbestrittenermaßen lediglich der Bau der W***-Wackersdorf, wogegen deren künftiger Betrieb von der D***-Wackersdorf GesmbH, der Eigentümerin der Betriebsliegenschaft, geführt werden soll.

Ob der Betrieb der W***-Wackersdorf nicht ohne gefährliche Emissionen möglich sein wird, ob bei einem solchen Betrieb immer ein sogenanntes Restrisiko verbleiben wird, ob in Österreich auf die Nutzung der Kernenergie verzichtet wurde und schließlich, ob auf Grund des Atomsperrgesetzes niemand verpflichtet sei, das geringste Risiko aus Atomanlagen zu tragen, ist für die Frage der Zulässigkeit des auf Unterlassung des Baues der W***-Wackersdorf gerichteten Begehrens des Klägers somit unerheblich.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16171

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00656.87.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19881220_OGH0002_0020OB00656_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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