TE OGH 1989/1/18 14Os170/88 (14Os171/88, 14Os172/88, 14Os173/88)

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Veröffentlicht am 18.01.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Jänner 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Burianek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner E*** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 18. Dezember 1987, GZ 24 Vr 1312/87-26, 27 und 28, sowie den Beschluß der Ratskammer des genannten Gerichtshofes vom 16.März 1988, AZ 30 Ns 2/88 (= ON 39 des Vr-Aktes), nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, in öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Salzburg sind zum AZ 24 Vr 1312/87 gerichtliche Vorerhebungen gegen den am 17.Oktober 1943 geborenen Werner E*** wegen des Verdachtes des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB (im Zusammenhang mit der Schadenmeldung an ein Versicherungsunternehmen betreffend den Brand vom 11.März 1987 im Saunaraum seines Einfamilienhauses) anhängig; in deren Verlauf wurde der Verdächtige am 23.Juli 1987 gemäß § 38 Abs. 3 StPO verantwortlich abgehört (ON 13). Am 26. November 1987 beantragte die Staatsanwaltschaft (ua) die Ausforschung des die Konten des Verdächtigen führenden Bankinstituts, sodann die Erlassung eines "Beschlusses im Sinne des § 23 Abs. 2 Kreditwesengesetz zur Auflistung der Kontobewegungen des Werner E*** sowie auch zur Einsichtnahme in die Kontobewegungen der Kartenfirmen E*** und D*** C*** I*** bei den

angegebenen Kartennummern" in den Jahren 1986 und 1987 (S 1 e verso). Nach Durchführung polizeilicher Erhebungen (ON 25) ergingen am 18.Dezember 1987 Beschlüsse des Untersuchungsrichters, mit welchen gemäß § 23 Abs. 2 Z 1 KWG hinsichtlich sämtlicher auf den Verdächtigen oder ihm gehörige Firmen (vgl. S 243) lautender Konten bei fünf namentlich genannten Banken und hinsichtlich "aller übrigen im Zuge der Ermittlungen hervorkommenden, auf Werner E*** oder die genannten Firmen lautenden Konten bei diversen Kreditinstituten" (ON 26), ferner hinsichtlich der Konten des Verdächtigen bei D*** C*** I***, D*** C*** A***

(ON 27) und E*** A*** (ON 28) die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit dem gegenständlichen gerichtlichen Strafverfahren aufgehoben wurde; unter einem wurden die Banken aufgefordert, "den Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg Einsicht in die Unterlagen der Jahre 1986 und 1987 und erforderlichenfalls die Herstellung von Fotokopien der Kontoblätter, -auszüge und -belege etc. aus den Jahren 1986 und 1987 sowie die Einholung von Auskünften von zuständigen Bankangestellten zu gestatten". In der Begründung der in Rede stehenden Beschlüsse wurde auf die gegen E*** anhängigen Vorerhebungen wegen §§ 15, 146, 147 Abs. 3 (aF) StGB und auf die Notwendigkeit der Offenlegung der Konten zur Aufklärung der mutmaßlichen Straftat hingewiesen. Die Bundespolizeidirektion Salzburg, der die Beschlüsse zur weiteren Veranlassung übermittelt worden waren (S 1 f unten), leitete das die D*** C*** A*** Gesellschaft mbH betreffende Ersuchen an die Bundespolizeidirektion Wien weiter. Den übrigen Aufträgen kam sie selbst nach (ON 41).

Von den betroffenen Banken erhob allein die D*** C*** A*** Gesellschaft mbH nach Verweigerung der Konteneinsicht (vgl. den Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 4.Februar 1988 - S 345) gegen den sie betreffenden Beschluß eine Beschwerde gemäß § 113 StPO an die Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg, in welcher sie ua auf das Fehlen eines Prozeßrechtsverhältnisses hinwies (ON 36). Diesem Rechtsmittel wurde von der bezeichneten Ratskammer mit Beschluß vom 16.März 1988, AZ 30 Ns 2/88 (= ON 39 des Vr-Aktes), im wesentlichen mit der Begründung nicht Folge gegeben, daß die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses gegenüber Strafgerichten im Zusammenhang mit gerichtlichen Strafverfahren nicht bestehe, zu welchen auch Vorerhebungen zu zählen seien. Einen Tag nach dieser Beschlußfassung, nämlich am 17.März 1988, erteilte der Verdächtige die Zustimmung von seinem Konto (gemeint von den bezüglichen Unterlagen) beim D*** C*** I*** Kopien

herstellen zu lassen (ON 40 S 303).

Nach Auffassung der Generalprokuratur verletzen die im Verlauf gerichtlicher Vorerhebungen ergangenen Beschlüsse des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 18. Dezember 1987, ON 26, 27 und 28, betreffend die Offenlegung von Bankkonten des Werner E*** und ihm gehöriger Firmen, und auch der Beschluß der Ratskammer des genannten Gerichtshofes vom 16. März 1988, AZ 30 Ns 2/88 (= ON 39), mit welchem der Beschwerde der D*** C*** A*** Gesellschaft mbH gegen den Beschluß ON 27 nicht Folge gegeben wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 23 Abs. 2 Z 1 KWG idF der Novelle 1986, BGBl. 325. Zur Begründung wurde hiezu in der deshalb gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt:

"Die Beschlüsse des Untersuchungsrichters vom 18.Dezember 1987 (ON 26 bis 28) und der Ratskammer vom 16.März 1988 (ON 39) stehen mit der Bestimmung des § 23 Abs. 2 Z 1 KWG in der Fassung des am 1. Jänner 1987 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 10.Juni 1986, BGBl. 325, nicht im Einklang. Dieser novellierten Bestimmung zufolge besteht die gemäß § 23 Abs. 1 KWG die Banken einschließlich der Kreditkartengesellschaften (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Z 3 und Z 13 KWG idF der Bundesgesetze BGBl. 1982/370 und 1986/325 sowie des Bundesverfassungsgesetzes 1988/415; vgl. hiezu insbesondere RZ 1988/51 und SZ 52/89 sowie die in letzerer E angeführte Literatur, ferner Fremuth-Laurer-Pötzelberger, Handkommentar zum KWG, 19) treffende Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses ua nicht gegenüber den Strafgerichten im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren. Im Gegensatz zur früheren Fassung des § 23 Abs. 2 Z 1 KWG, in welcher die bereits in den EBRV z KWG 1979, 844 BlgNR 14.GP, 50 geäußerte Ablehnung der Aufhebung des Bankgeheimnisses zur Beschaffung von Unterlagen für ein erst einzuleitendes Strafverfahren keinen derart eindeutigen Niederschlag gefunden hatte, wird nunmehr ausdrücklich der Zusammenhang mit einem eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren als Voraussetzung dafür genannt, daß das Bankgeheimnis gegenüber dem Strafgericht nicht gewahrt werden muß. Damit ist aber - der Auffassung von Arnold (BankArch 1986, 532) und Avancini (RdW 1986, 296; vgl. auch Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, 139 f) zuwider - keineswegs offengeblieben, welches Stadium die Strafverfolgung erreicht haben muß:

Rechtliche Beurteilung

Unter der Einleitung des Strafverfahrens ist im Bereich der

Strafprozeßordnung (siehe deren §§ 2 Abs. 6, 83, 91 Abs. 1, 363, 503

Abs. 2) nach einhelliger Rechtsprechung und überwiegender Auffassung

der Literatur die Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses zu

verstehen, die im (vorliegend maßgeblichen) Gerichtshofverfahren

durch Fassung des Beschlusses auf Einleitung der Voruntersuchung

oder bei unmittelbarer Einbringung der Anklageschrift (des

Strafantrages) durch die richterliche Verfügung deren (dessen)

Zustellung an den Beschuldigten erfolgt (SSt. 25/73 = EvBl. 1955/38;

SSt. 29/59; SSt. 33/52 = JBl. 1963,540; EvBl. 1969/319;

EvBl. 1973/190; JBl. 1973/379; insoweit übereinstimmend auch

JBl. 1976, 325 = RZ 1976/25 = ZVR 1976/161; Lohsing-Serini4,

347 - zur nach Ansicht dieser Autoren abweichenden E SSt. 6/131

siehe unten; Mayer, Komm., 316; Roeder, Lehrbuch2, 2, 168, 173, 182;

derselbe, System, 4, 2131, 219 ff, 231; Platzgummer, Grundzüge des österreichischen Strafverfahrens, 106 ff; Foregger-Serini, StPO MKK3, Erl. IV zu § 38, II zu § 88, I und III zu § 91; Kodek-Germ, StPO3, Anm. 2 zu § 38, 1 und 2 zu § 88, 1 zu § 91; Jesionek-Spehar, RDG, Erl. 4 zu § 144; vgl. JABl. 1982/25, Anm. 9). Dieser Begriff des allgemeinen Strafprozeßrechtes deckt sich weder mit der für das Jugendstrafrecht (§§ 1 Z 4; 22 Abs. 1 Z 1 lit. a und Z 2 lit. a; 23 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Z 1; 26; 33 JGG 1961) bedeutsamen Einleitung

des Verfahrens (SSt. 33/52 = JBl. 1963, 540; EvBl. 1947/348;

SSt. 43/7 = EvBl. 1972/266 = JBl. 1972, 437; 12 Os 120/83 uva;

JABl. 1982/25 P 20) noch mit der für die Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 58 Abs. 3 Z 2 StGB maßgeblichen "Gerichtsanhängigkeit" (siehe ua Foregger-Serini, StGB MKK4, Anm. I 4 zu § 58, und die dort angeführte Judikatur, insb. erneut JBl. 1976, 325 = RZ 1976/25 = ZVR 1976/161; dieselben, Erl. IV zu § 38 StPO in MKK3; Kodek-Germ, StPO3, Anm. 1 zu § 38;

Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB2, § 58, RN 20 ff;

Mayerhofer-Rieder, StGB2, § 58, Erl. 5 sowie Anmerkung nach ENr. 4;

Foregger in WrK, Rz. 9 ff zu § 58). Ein Prozeßrechtsverhältnis wird nämlich weder bereits durch Einlangen der Anzeige bei Gericht noch durch Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen begründet, dies selbst dann nicht, wenn das Gericht seinen gegen einen bestimmten Täter gerichteten Verfolgungswillen bereits zum Ausdruck gebracht hat. Gemäß § 88 Abs. 1 StPO dienen gerichtliche Vorerhebungen lediglich dem Zweck, dem Staatsanwalt erst die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlassung des (gerichtlichen) Strafverfahrens wider eine bestimmte Person (oder für die Zurücklegung der Anzeige) zu liefern;

diese Veranlassung - im Sinne einer Antragstellung auf Einleitung des gerichtlichen Verfahrens - durch den Staatsanwalt erfolgt aber gemäß § 90 Abs. 1 StPO mit dem Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung oder mit der unmittelbaren Einbringung der Anklageschrift. Aus dem Wortlaut des ersten Satzes des § 91 Abs. 1 StPO (.... muß eine Voruntersuchung vorangehen, wenn .... das Strafverfahren eingeleitet werden soll) geht gleichfalls hervor, daß ein solches gerichtliches Verfahren frühestens im Voruntersuchungsstadium als eingeleitet anzusehen ist. Dieser herrschenden Auffassung wurde auch in der von Lohsing-Serini aaO als abweichend bezeichneten Entscheidung SSt 6/131 nicht entgegengetreten, weil sie die Einleitung des Strafverfahrens im Sinne der oben aufgezählten Vorschriften der StPO überhaupt nicht betraf. Ihr liegt vielmehr eine Auslegung des in § 17 des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, RGBl. 1872/40, idF vor der Novelle 1980, BGBl. 140, verwendeten Begriffs der "eingeleiteten strafgerichtlichen Untersuchung" im Sinne der bei Inkrafttreten des Statuts geltenden Strafprozeßordnung vom 29.Juli 1853, RGBl. 151 (welche nur ein "Untersuchungsverfahren über Verbrechen und Vergehen", nicht aber die Unterscheidung zwischen Vorerhebungen und Voruntersuchung kannte) und des Disziplinargesetzes für richterliche Beamte vom 21.Mai 1863, RGBl. 46, zugrunde. Im übrigen erhellt aus der nunmehr geltenden Fassung des Disziplinarstatuts (vgl. dessen § 17, insbesondere aber § 18 betreffend die Mitteilung der Einleitung oder Beendigung gerichtlicher Vorerhebungen oder eines Strafverfahrens an den Disziplinarrat) sogar mit besonderer Deutlichkeit, daß gerichtliche Vorerhebungen nicht als eingeleitetes gerichtliches Strafverfahren anzusehen sind.

Durch die Verwendung eines Begriffes mit in Rechtsprechung und (wenigstens in neuerer) Lehre einheitlich beurteiltem Bedeutungsinhalt zur Bezeichnung des für die Durchbrechung des Bankgeheimnisses erforderlichen Stadium der Strafverfolgung hat der Gesetzgeber, seinen aus 934 Blg Prot NR 16.GP, 36 hervorgehenden Absichten entsprechend, bei Novellierung des § 23 Abs. 2 Z 1 KWG nicht nur die Rechtslage klargestellt, sondern auch darüber hinaus die Rechtssicherheit erhöht: Wird nämlich ein Zusammenhang (vgl. EvBl. 1987/151 = JBl. 1987, 596 = RZ 1987/55; 14 Os 185/87) mit einem bis zur Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses fortgeschrittenen gerichtlichen Strafverfahren verlangt, dann hängt - der Ansicht von Avancini und Arnold aaO zuwider - die Durchbrechung des Bankgeheimnisses von einer formellen Voraussetzung ab, deren Eintritt ohne weiteres feststellbar ist. Im Interesse der Rechtssicherheit wurde sohin davon abgesehen, den Banken die Beantwortung strafgerichtlicher Auskunftsersuchen im Zusammenhang mit zwar gerichtsanhängigen (§ 58 Abs. 3 Z 2 StGB), jedoch noch im Vorerhebungsstadium befindlichen Strafverfahren auch nur in solchen Fällen zuzumuten, in welchen sich aus den vom Gericht angegebenen Anhaltspunkten für eine Straftat ein hinreichender - nicht bloß vager - Verdacht ergäbe (nach der gegenteiligen, insbesondere in Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, 143229, vertretenen Auffassung wäre diesen Instituten eine ihnen weder zustehende - vgl. Liebscher in ÖJZ 1984, 254 - noch ohne weiteres mögliche Prüfung der Verdachtslage auferlegt). Vielmehr ist der - allerdings als rechtspolitische Empfehlung

geäußerten - Forderung Harbichs (in AnwBl. 1988, 18), auf die Einleitung der Voruntersuchung, die Verfügung der Zustellung der unmittelbaren Anklage oder die Vorladung zur Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter abzustellen, bereits im geltenden Recht Rechnung getragen (in diesem Sinne Jabornegg-Strasser-Floretta, Das Bankgeheimnis, Ergänzungsheft 1987, 10 mit Hinweis auf die schon zu § 23 Abs. 2 Z 1 KWG aF in Das Bankgeheimnis, 115 ff vertretene Auffassung; s. ferner - gleichfalls bereits zur alten Rechtslage - Fremuth-Laurer-Pötzelberger, Handkommentar zum KWG, 289 und Fußnote 47 a; Heller, KWG, 78)."

Der Oberste Gerichtshof vermag der von der Generalprokuratur vertretenen Rechtsansicht nicht beizutreten:

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist unter "Einleitung des Strafverfahrens" keineswegs ausschließlich die Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses zu verstehen, wie dies der traditionellen Auffassung entsprochen hat. Der Gesetzgeber verwendet vielmehr in neueren Rechtsvorschriften (wie zB in §§ 29, 33 Abs. 1 JGG 1988 und in §§ 20, 25 Abs. 2 lit. a SGG idgF sowie in § 65 Abs. 1 Z 1 StGB) den in Rede stehenden Begriff (durchwegs) in dem Sinn, daß darunter (schon) jenes Verfahrensstadium verstanden wird, in welchem das Gericht mit der Vornahme von Vorerhebungen befaßt ist, was mit der grundlegenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 10. Dezember 1975, 9 Nds 104/75 (veröff. in JBl. 1976, 325 mit Anm. Liebscher = RZ 1976/25 = ZVR 1976/161 mit Anm. Marschall und Fischlschweiger = ÖJZ-LSK 1976/63) im Einklang steht, in welcher klargestellt wurde, daß auch gerichtliche Vorerhebungen ein "gerichtliches Strafverfahren" sind (vgl. idS Liebscher JBl. 1976, 327, 576; Mayerhofer-Rieder StPO2 Anm. zu ENr. 20 bei § 62 und Anm. zu ENr. 3 bei § 88; Wegscheider RZ 1977, 206 ff sowie Leukauf-Steininger Komm.2 § 58 RN 20 ff). Daraus folgt aber, daß - sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt - ein gerichtliches Strafverfahren (schon) dann "eingeleitet" ist, wenn irgendeine strafgerichtliche Maßnahme gegen einen bekannten oder unbekannten Täter ergriffen wird, wodurch sich die so verstandene "Einleitung" des Verfahrens vom (bloßen) Anfall des Verfahrens bei Gericht unterscheidet; daß zugleich auch das Prozeßrechtsverhältnis begründet wird, ist darnach nicht erforderlich.

Vor Inkrafttreten der KWG-Nov. 1986 (BGBl. 325) am 1.Jänner 1987 bestand die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses (ua) nicht "im Zusammenhang mit gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten und mit Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden" (§ 23 Abs. 2 Z 1 KWG aF). Nach der überwiegenden Lehrmeinung erforderte dies bei gerichtlichen Strafverfahren nicht, daß das Verfahren ein Stadium erreicht haben mußte, welches bereits ein Prozeßrechtsverhältnis begründete; es genügte vielmehr, daß ein Strafverfahren bei Gericht anhängig ist, also - im Gegensatz zu sicherheitsbehördlichen Vorerhebungen oder Anhängigkeit bei der Staatsanwaltschaft - zumindest gerichtliche Vorerhebungen eingeleitet sind (vgl. Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze2 § 23 KWG Anm. B;

Haushofer-Schinnerer-Ulrich, Die österreichischen Kreditwesengesetze, 80; Liebscher, Das Bankgeheimnis im In- und Ausland, ÖJZ 1984, 254; Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, 140 mit FN 210; abw. allerdings Fremuth-Laurer-Pötzelberger, Handkommentar zum Kreditwesengesetz § 23 Rz. 21 FN 47 a sowie Jabornegg-Strasser-Floretta, Das Bankgeheimnis 109, 117, wonach der Beschluß auf Einleitung der Voruntersuchung den frühesten Zeitpunkt bilde, zu dem die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht bestehe). Durch die KWG-Novelle 1986 wurde durch die (zweimalige) Einfügung des Wortes "eingeleiteten" in § 23 Abs. 2 Z 1 KWG ex lege klargestellt, daß das gerichtliche Strafverfahren bzw. das finanzstrafbehördliche Strafverfahren eingeleitet sein muß (Leukauf-Steininger, Nebengesetze2 ErgH 1986 § 23 KWG nF Anm. 1). In den EBzRV (934 BlgNR XVI.GP) heißt es hiezu, daß die Ergänzung "der Erhöhung der Rechtssicherheit und eine Klarstellung der Rechtslage" diene. Der Sache nach sollte mit der in Rede stehenden Novellierung für den Bereich des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens die Aufhebung des Bankgeheimnisses von der Erlassung eines (mittels Beschwerde bekämpfbaren) formellen Verwaltungsaktes (auf Verfahrenseinleitung) abhängig gemacht werden (vgl. idS nunmehr das Erkenntnis des VfGH vom 9.Juni 1988, B 92/88, veröff. ua in BankArch. 1988, 1045 sowie Arnold, Das Bankgeheimnis im Strafverfahren nach der KWG-Novelle 1986, BankArch. 1988, 983 ff). Für den Bereich des gerichtlichen Strafverfahrens ergibt sich indes aus der Voranstellung des Wortes "eingeleiteten" im Text des § 23 Abs. 2 Z 1 KWG keine grundlegende Änderung gegenüber der diesbezüglich vor der Novellierung geltenden Rechtslage; es wird damit nur (im Sinne der schon zur alten Fassung der zitierten Gesetzesstelle überwiegend vertretenen und mit den Intentionen des Gesetzgebers des Kreditwesengesetzes im Einklang stehenden Auffassung) verdeutlicht, daß "das Bankgeheimnis nicht zur Beschaffung von Unterlagen vor Einleitung eines Strafverfahrens aufgehoben wird" (vgl. 844 BlgNR XIV.GP, 50). Der Neufassung des § 23 Abs. 2 Z 1 KWG ist jedenfalls nicht zu entnehmen, daß es in bezug auf das gerichtliche Strafverfahren für den Entfall der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses auf die Begründung eines Prozeßrechtsverhältnisses ankäme; mithin genügen (weiterhin) gerichtliche Vorerhebungen (so auch Harbich AnwBl. 1988, 18, wenngleich mit dem Beifügen, daß es besser gewesen wäre, auf die Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses abzuheben). Den entsprechenden Schutz vor ungerechtfertigten Untersuchungsakten (auch im Zusammenhang mit dem Entfall der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses) gewährleistet im gerichtlichen Strafverfahren die Bestimmung des § 113 StPO, die jedem, der sich (auch) während der Vorerhebungen (und nicht nur in der Voruntersuchung) durch eine Verfügung des Untersuchungsrichters beschwert erachtet, das Recht der Beschwerde an die Ratskammer einräumt (von welchem vorliegend die D*** C*** A*** GmbH auch Gebrauch gemacht hat). Nur der Vollständigkeit halber sei noch darauf verwiesen, daß für die Entscheidung der Anklagebehörde, ob sie die Voruntersuchung oder gerichtliche Vorerhebungen beantragt, keineswegs graduelle Unterschiede in der Verdachtslage maßgebend sind; kommt es doch immer wieder vor, daß auch in Fällen, in denen die Anzeige eine bestimmte Person ausreichend verdächtig macht, die Staatsanwaltschaft zur Vermeidung der "schwerfälligen" Voruntersuchung (bloß) gerichtliche Vorerhebungen führen läßt (vgl. auch Bertel, Grundriß2 Rz. 517). Weiters: Daß gerichtliche Vorerhebungen für den Entfall der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses genügen, ist kriminalpolitisch unbedenklich, zumal etwa auch Eingriffe seitens des Strafgerichtes in das (verfassungsgesetzlich geschützte) Fernmeldegeheimnis (unter den in §§ 149 a f StPO näher bezeichneten Voraussetzungen) im Stadium derartiger Vorerhebungen zulässig sind.

Da sohin aus den dargelegten Gründen der von der Generalprokuratur behauptete Verstoß gegen die Bestimmung des § 23 Abs. 2 Z 1 KWG idF der Novelle 1986 nicht vorliegt, war - ohne daß auf die (weitere) Beschwerdeargumentation in bezug auf die Entscheidung SSt. 6/131 sowie die Entscheidungen EvBl. 1987/151 = JBl. 1987, 596 = RZ 1987/85 und 14 Os 185/87 eingegangen zu werden braucht - der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E16503

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00170.88.0118.000

Dokumentnummer

JJT_19890118_OGH0002_0140OS00170_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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