TE OGH 1989/1/19 7Ob727/88

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Veröffentlicht am 19.01.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Enteignungssache des Antragstellers F*** P*** AM A***, vertreten

durch Dr. Helmut A. Rainer u.a., Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin Maria H***, Hausfrau, Pettneu am Arlberg Nr. 146, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, wegen Feststellung einer Entschädigung, infolge Revisionsrekurses des Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 3. November 1988, GZ 1 b R 137/88-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Landeck vom 27. Juni 1988, GZ 1 Nc 112/86-30, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Grundstücke 149 und 551 der KG Pettneu.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 1986, II C 2502/14, hat das Amt der Tiroler Landesregierung dem Antragsteller aufgrund der §§ 40 bis 44 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1979, LGBl. Nr. 39, eine Reihe von Benützungsrechten ob den erwähnten Grundstücken eingeräumt und den Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin eine jährliche Entschädigung zu zahlen. Der Ausspruch über die jährliche Entschädigung ist infolge Anrufung des Gerichtes durch den Antragsteller außer Kraft getreten.

Im vorliegenden Verfahren hat das Erstgericht die Entschädigung für das Grundstück 149 mit 15.948 S und für das Grundstück 551 mit 631,20 S je pro Jahr festgesetzt. Es ging hiebei von Feststellungen aus, die es durch die im Hinblick auf den Wert der Grundstücke und auf die durch die Einräumung von Benützungsrechten verursachte Wertminderung eingeholte Sachverständigengutachten ermittelt hat. Das Rekursgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben, weil es das Verfahren für die endgültige Ermittlung der Entschädigung noch für ergänzungsbedürftig erachtete. Es führte hiebei aus, für die Wertermittlung wäre auch die Frage von Zufahrtsmöglichkeiten zu den betroffenen Grundstücken von Bedeutung.

Der von dem Antragsteller gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt. Eingangs sei darauf verwiesen, daß auch im Außerstreitverfahren der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, weshalb er Ergänzungsaufträgen des Rekursgerichtes, soferne diese von einer richtigen Rechtsansicht ausgehen, nicht entgegentreten kann (1 Ob 648/88, 7 Ob 547/88 u.a.). Da das Rekursgericht ganz allgemein das Verfahren betreffend die Wertminderung der vorgenannten Grundstücke noch für ergänzungsbedürftig erachtet hat, erweist sich schon deshalb der Revisionsrekurs als nicht berechtigt. Das Rekursgericht hat die Prüfung der Frage einer Zufahrtsmöglichkeit zu einem der Grundstücke im Hinblick auf die Möglichkeit einer allfälligen Bauführung als erörterungsbedürftig erachtet.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, daß das erwähnte Grundstück im Flächenwidmungsplan nicht als Bauland aufscheint und grundsätzlich für die Höhe der Entschädigung die Art der Verwendung der enteigneten Sache im Zeitpunkt der Enteignung maßgebend ist (RZ 1969, 107, EvBl. 1979/54 u. a.). Allerdings schließt dies, entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers, nicht aus, daß in Sonderfällen auch ein anderer Zeitpunkt für die Bemessung der Entschädigung maßgebend sein kann. Nach § 42 Abs.2 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 39/79, gebührt dem Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB). Bei der Bemessung der Entschädigung ist nach § 42 Abs.3 des vorgenannten Gesetzes auf die Verminderung des Wertes, den ein Grundstück durch die Einräumung der Benützungsrechte erleidet sowie auf sonstige Wirtschaftserschwernisse Bedacht zu nehmen. Das Gericht hat bei der Entscheidung nach § 42 Abs.6 Tiroler Fremdenverkehrsgesetz nach den Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 vorzugehen. Ungeachtet einer anderen Widmung im Flächenwidmungsplan kann es nun durchaus sein, daß ein Grundstück auf dem Grundstücksmarkt wie Bauerwartungsland gehandelt wird. Es kann nämlich vorkommen, daß z. B. im Hinblick auf die jahrelang zu beobachtende Vorgangsweise der Baubehörde in dem betreffenden Gebiet die allgemeine Erwartung besteht, daß auch ein noch nicht als Bauerwartungsland gewidmetes Grundstück im Falle des Ansuchens um Erteilung einer Baubewilligung umgewidmet wird. Soferne es sich hiebei nicht um eine irrationale, nur von einer Einzelperson vertretenen Ansicht, sondern um eine allgemeine Erwartung handelt, kann dies maßgeblichen Einfluß auf die Preiserwartung und somit den Wert eines Grundstückes haben. In einem solchen Fall könnten Erwartungen künftiger Änderungen der Verwendungsmöglichkeiten unabhängig von der entgegenstehenden Flächenwidmung wertbestimmend sein. Hätte also eine für die Preisbestimmung maßgebliche derartige Erwartung auf dem potentiellen Käufermarkt hinsichtlich des Grundstückes bestanden und wäre sie erst durch die Enteignungsmaßnahme bzw. eine dieser vorausgegangene Maßnahme zerstört worden, so müßte die Enteignung als Ursache für die Entwertung gegenüber der ursprünglichen Erwartung angesehen werden. Da § 42 Abs.2 und 3 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes den Ersatz sämtlicher vermögensrechtlicher Nachteile, insbesondere den Ersatz der Wertminderung, den ein Grundstück durch die Einräumung der Benützungsrechte erleidet, vorschreibt, wären die erwähnten Umstände bei der Bemessung der Entschädigung mit in Betracht zu ziehen.

Darüber hinaus müßte aber auch die Richtigkeit der Behauptung der Antragsgegnerin, jene Flächenwidmung, die de facto nunmehr eine Umwidmung in Bauland unmöglich mache, sei nur auf den vorangegangenen Bau der Liftanlage durch den Antragsteller zurückzuführen, geprüft werden. Eine Vorverlegung des Bemessungsstichtages ist nämlich dann nötig, wenn Enteignungsvorwirkungen die wertbestimmenden Eigenschaften des Grundstückes verändern (SZ 56/82, 5 Ob 630/80 u.a.). Der Enteignete darf nämlich nicht dadurch um den vollen Ersatz seiner Nachteile gebracht werden, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Enteignung erfolgt, durch der Enteignung vorangegangene Maßnahmen eine erhebliche Wertminderung des nachträglich entgeigneten Grundstückes zum Zeitpunkt der Enteignung erwirkt. Waren also die der Enteignung vorausgegangenen, sie letzten Endes bewirkenden Maßnahmen, Grund für die Wertminderung, so müßte die Entschädigung auf jenen Stichtag abgestellt werden, zu dem die die Wertminderung bewirkenden Maßnahmen gesetzt worden sind.

Die Rechtsrüge erweist sich demnach als nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung beruht darauf, daß das endgültige Ergebnis des Verfahrens noch nicht absehbar ist.

Anmerkung

E16852

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00727.88.0119.000

Dokumentnummer

JJT_19890119_OGH0002_0070OB00727_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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