TE OGH 1989/2/2 7Ob510/89

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Veröffentlicht am 02.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Gabriele W***, Angestellte, Wien 10., Arnold Holm-Gasse 1/28/4, vertreten durch Dr. Hans Pritz, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Gottfried W***, Chefmonteur, Wien 10., Laxenburger Straße 124/4/8, vertreten durch Dr. Donat Mossbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung ehelicher Ersparnisse infolge Revisionsrekurses beider Streitteile gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 13. Oktober 1988, GZ 44 R 154/88-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 22. August 1988, GZ 8 F 23/87-13, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Keinem der beiden Revisionsrekurse wird Folge gegeben. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. April 1986 (35 Cg 49/84-48) aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Dieses Urteil wurde von der Antragstellerin zur Gänze, vom Antragsgegner nur im Verschuldensausspruch angefochten. Bei der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Wien am 14. November 1986 schlossen die Parteien für den Fall der rechtskräftigen Scheidung der Ehe folgenden Vergleich:

"1.) Der Kläger Gottfried W*** verpflichtet sich, der Beklagten Gabriele W*** beginnend ab 15.11.1986 auf die Dauer von 4 (vier) Jahren einen monatlichen Unterhaltsbetrag von

S 3.000,-- (Schilling dreitausend), fällig jeweils am 15. jedes Monates, zu bezahlen.

Diese Verpflichtung ist unabhängig von einer Veränderung der Verhältnisse, ausgenommen die Wiederverehelichung der Beklagten. Darüber hinaus verzichten beide Teile gegenseitig auf jedweden Unterhalt, auch für den Fall geänderter Verhältnisse, unverschuldeter Not oder Krankheit und geänderter Rechtslage.

2.) Der Kläger verzichtet zugunsten der Beklagten auf seine Hauptmietrechte an der ehelichen Wohnung 1100 Wien, Arnold Holm-Gasse 1/28/4 und verpflichtet sich, gegenüber dem Hauseigentümer alle Erklärungen abzugeben, damit die Beklagte alleinige Hauptmieterin dieser Wohnung wird.

Der eheliche Hausrat verbleibt im Alleineigentum der Beklagten. Der Kläger verpflichtet sich, die genannte Wohnung bis 1.6.1987 unter Verzicht auf jedweden Räumungsaufschub von seinen persönlichen Fahrnissen zu räumen.

Solange der Kläger die Wohnung noch benützt, hat er für Mietzins, Strom- und Gasverbrauch, Radio- und Fernsehgebühren, nicht jedoch für die Kosten der Telefonbenützung aufzukommen."

Beide Parteien zogen daraufhin ihre Berufungen zurück. Mit ihrem innerhalb der Frist des § 95 EheG eingebrachten Antrag begehrt die Antragstellerin die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse in Höhe von rund S 550.000,--. Sie behauptet, nach Abschluß des Vergleiches erfahren zu haben, daß der Antragsgegner während der Ehe Ersparnisse in der genannten Höhe auf Sparbüchern und Sparkonten angesammelt habe.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach seinen Feststellungen stand bei den Vergleichsgesprächen vor dem Berufungssenat die Unterhaltsproblematik im Vordergrund. Darüber hinaus wurde auch über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens gesprochen wobei einzelne Gegenstände namentlich erwähnt wurden. Über eheliche Ersparnisse wurde nicht gesprochen. Auf Seiten der Antragstellerin wurde darüber deshalb nicht gesprochen, weil sie von Ersparnissen nichts wußte. Ein Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen nach den §§ 81 ff EheG kam während der Vergleichsverhandlungen nicht zur Sprache.

Nach der Ansicht des Erstgerichtes seien durch den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Wien sämtliche vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Eheverhältnis der Streitteile bereinigt worden. Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, daß ungeachtet des Vergleiches das nacheheliche Aufteilungsverfahren insoweit zulässig sei, als Vermögensbestandteile von dem Vergleich aufgrund eines Irrtums oder wegen Unkenntnis nicht erfaßt worden seien, dem Vergleich sohin keine Bereinigungswirkung zukomme. Bereinigungswirkung komme einem Vergleich nur insoweit zu, als vom Vergleich betroffene Gegenstände oder Rechte nicht geflissentlich verheimlicht worden oder Gegenstände oder Rechte berührt seien, an welche die Parteien nicht hätten denken können. Im vorliegenden Fall stehe zwar fest, daß die Antragstellerin durch den Scheidungsvergleich die gegenseitigen Ansprüche für bereinigt angesehen habe und von den ehelichen Ersparnissen nichts gewußt habe. Nicht festgestellt worden sei dagegen, ob das Vorhandensein von Ersparnissen von den Überlegungen der Antragstellerin umfaßt hätte sein müssen, weil sie an die Ersparnisse infolge der Bekanntheit des "Betriebsratssparens" hätte denken können. Hätte die Antragstellerin an das Vorhandensein aufzuteilender Ersparnisse denken können, dennoch aber nicht auf eine Einbeziehung in den Scheidungsvergleich gedrungen, bestehe kein Anspruch mehr auf rechtsgestaltende Regelung durch den Außerstreitrichter. Andernfalls sei das Aufteilungsverfahren durchzuführen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobenen Revisionsrekurse beider Parteien sind nicht berechtigt. Die Antragstellerin, auf deren Rekurs hin die Aufhebung erfolgte, konnte den Aufhebungsbeschluß in der Begründung anfechten (MietSlg. XXXIV/10; SZ 23/159; 3 Ob 526/88 uva). Ein Erfolg des Rekurses kann sich aber nur in der Begründung ausdrücken, nicht auch im Spruch (4 Ob 58/75).

Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich bei dem Scheidungsvergleich der Streitteile um einen Generalvergleich handelt, ist entbehrlich. Nach ständiger Rechtsprechung erledigt ein im Rahmen eines Scheidungsverfahrens für den Fall der Scheidung abgeschlossener Vergleich über die vermögensrechtlichen Ansprüche im Zweifel alle mit dem Eheverhältnis im Zusammenhang stehenden vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Ehegatten, auch wenn eine Generalklausel nicht aufgenommen wurde (EFSlg. 38.638 mwN; vgl. auch Ertl in Rummel ABGB Rz 1 zu den §§ 1388, 1389). Die Bereinigungswirkung eines solchen Vergleiches erfaßt dennoch (nur) diejenigen Ansprüche, an die die Parteien denken konnten. Fälle, an die sie denken konnten, aber nicht dachten, werden vom Vergleich erfaßt (EFSlg. 38.638, 34.103). Dagegen werden selbst von einem derartigen Vergleich Ansprüche nicht erfaßt, an die die Parteien nicht denken konnten und auch nicht solche, die eine Seite der anderen geflissentlich verheimlicht (vgl. MietSlg. 34.262 mwN). Vereinbarungen, die die Ehegatten im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung der Ehe über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse treffen (§ 97 Abs. 2 EheG), schließen eine Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG nur insoweit aus, als die Vereinbarung reicht (SZ 52/129). Enthält ein im Rahmen eines Scheidungsverfahrens abgeschlossener allgemeiner Vergleich auch eine Regelung über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, besteht daher die Möglichkeit einer Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG jedenfalls dann, wenn die Aufteilungsregelung unvollständig blieb, weil ein Ehegatte an das Vorhandensein von ehelichen Ersparnissen nicht denken konnte (vgl. JBl 1985, 287; EFSlg. 51.785). Die Frage, ob ein Ehegatte bei Vergleichsabschluß an einen bestimmten Anspruch nicht denken konnte, ist entgegen der Meinung des Rekursgerichtes keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage (EFSlg. 51.526 mwN). Im vorliegenden Fall steht unbekämpft fest, daß die Antragstellerin von den von ihr nunmehr behaupteten ehelichen Ersparnissen bei Abschluß des Vergleiches nichts wußte. Dann konnte sie aber auch an weitere daraus ableitbare Ansprüche nicht denken. Aus dem Gesagten folgt, daß die vom Rekursgericht zunächst aufgetragene ergänzende Feststellung entbehrlich, im Ergebnis aber die Aufhebung berechtigt ist. Das Erstgericht wird festzustellen haben, ob eheliche Ersparnisse vorhanden sind, und allenfalls eine Aufteilung nach den Grundsätzen des § 83 EheG vorzunehmen haben.

Demgemäß ist beiden Rekursen ein Erfolg zu versagen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO und auf § 234 AußStrG.

Anmerkung

E16839

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00510.89.0202.000

Dokumentnummer

JJT_19890202_OGH0002_0070OB00510_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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