TE OGH 1989/3/1 1Ob516/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erna S***, Pensionistin, Klagenfurt, Predilstraße 5, vertreten durch Dr. Manfred Haslinglehner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dr. Hugo S***, Rechtsanwalt, Klagenfurt, Alter Platz 31/I, vertreten durch Dr. Ingo Theyer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 97.428,50 s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. Oktober 1988, GZ 4 a R 192/88-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. Juli 1988, GZ 22 Cg 79/88-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.629,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 771,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Arkadencafes E. S*** mit dem Standort in Klagenfurt, Obirstraße 27. Mit Vertrag vom 28. Dezember 1979 verpachtete sie das Unternehmen an Irene A***, deren Ehegatte Walter A*** dem Vertrag beitrat und die Mithaftung für alle vertraglichen Verpflichtungen der Pächterin zur ungeteilten Hand übernahm. Irene A*** kündigte das Pachtverhältnis zum 31. März 1982 auf. Der Beklagte teilte als Vertreter der Klägerin der Pächterin mit Schreiben vom 1. April 1982

mit, die Klägerin nehme die Kündigung an und sei einverstanden, daß der Betrieb von Walter A*** weitergeführt werde. Er machte Irene A*** darauf aufmerksam, daß sie ihre Abmeldung bzw. die "Umschreibung" auf Walter A*** als neuen Pächter bei der Gewerbebehörde gemeinsam mit diesem vornehmen müsse. Mit Schreiben vom selben Tag informierte er Walter A***, dieser werde die nötigen Ummeldungen bei der Gewerbebehörde durchführen und auch andere Behörden verständigen müssen. Mit einem weiteren Schreiben setzte er das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Klagenfurt von der Abänderung des Pachtvertrages in Kenntnis.

Schließlich ersuchte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag, Walter A*** auch zu sagen, daß dieser die Getränkesteuerstelle, die Lohnsteuerstelle und die Gebietskrankenkasse sowie sonstige Behörden verständige und dies eventuell nachweisen solle, womit der Beklagte die Sache als erledigt ansehe, bis er von der Klägerin wieder etwas höre. Irene A*** war mit der dem Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt abzuführenden Getränkeabgabe für die Monate April 1981 bis einschließlich März 1982 in Rückstand geraten, der sich insgesamt auf S 97.428,50 belief. Mit Bescheid vom 10. August 1983 sprach der Magistrat aus, daß die Klägerin gemäß § 170 der Kärtner Landesabgabenordnung (LGBl 3 1983/36) sowie § 4 des Getränkeabgabegesetzes 1978 (LGBl 1978/94) iVm § 3 der Klagenfurter Getränkeabgabenverordnung vom 17. Dezember 1979 als Verpächterin für Getränkeabgaben von insgesamt S 100.965,20 hafte; er führte zur Begründung aus, Einbringungsmaßnahmen bei der Abgabenpflichtigen Irene A*** seien ohne Erfolg geblieben. Infolge Berufung der vom Beklagten vertretenen Klägerin gegen diesen Bescheid erging am 17. September 1987 eine Berufungsvorentscheidung des Magistrats, mit der die von der Klägerin zu entrichtende Getränkeabgabe mit S 97.428,50 festgesetzt wurde. Der Beklagte beantragte in der Folge die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz über die Berufung der Klägerin sowie die Stundung bzw. Streichung und allenfalls den Nachlaß der Schuld. Der Magistrat bewilligte der Klägerin zwar Ratenzahlung, gab aber dem Ansuchen um Entlassung aus der Gesamtschuld mit Bescheid vom 7. Juli 1988 mangels Vorliegens von Billigkeitsgründen nicht Folge. Über die Berufung wurde noch nicht entschieden.

Mit am 29. Februar 1988 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz des ihr zur Zahlung vorgeschriebenen Betrages von S 97.428,50, weil es der mit der Abwicklung sämtlicher mit der Unternehmensverpachtung im Zusammenhang stehenden Formalitäten beauftragte Beklagte unterlassen habe, die Landeshauptstadt Klagenfurt gemäß § 4 Abs 2 des Getränkeabgabegesetzes 1978 von der Beendigung des Pachtverhältnisses zu verständigen; bei zeitgerechter Verständigung wäre die Haftung der Klägerin nicht eingetreten.

Der Beklagte wendete vor allem ein, er sei wohl mit der Verfassung eines Unternehmenspachtvertrages, nicht aber auch mit dem Einschreiten beim Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt beauftragt gewesen. Anläßlich der Übertragung der Pachtrechte an Walter A*** habe er die Klägerin aufgefordert, ihrerseits dafür zu sorgen, daß die Getränkesteuerstelle und die anderen Stellen hievon verständigt werden. Mangels entsprechenden Auftrages könne ihm die unterbliebene Verständigung nach § 4 des Getränkeabgabegesetzes 1978 nicht zur Last gelegt werden. Auch müsse sich die Klägerin, ehe sie ihn in Anspruch nehme, an den mithaftenden Ehegatten der Pächterin, Walter A***, halten. Im übrigen sei der Haftungsbescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Abgabenschuld der Klägerin sei noch nicht rechtskräftig festgestellt, so daß ihr bisher noch kein Schaden erwachsen sei.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Gemäß § 4 Abs 1 des Getränkeabgabegesetzes 1978 hafte der Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses neben einem früheren Pächter für Abgabenbeträge, die auf die Zeit seit Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung des Pächters liegenden Kalenderjahres entfallen. Nach den Abgabenvorschriften für eine Abgabe haftende Personen würden durch Geltendmachung dieser Haftung zu Gesamtschuldnern. Diese persönlichen Haftungen würden gemäß § 170 Abs 1 der Landesabgabenordnung 1983 durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht; dabei sei der Haftungspflichtige aufzufordern, binnen Monatsfrist die Abgabenschuld zu entrichten. Dies sei hier geschehen. Zufolge der dem Haftungsbescheid beigefügten Begründung habe die Klägerin die im § 4 Abs 2 des Getränkeabgabegesetzes 1978 vorgesehene Verständigung, die die Haftung des Verpächters nicht eintreten lassen, nicht vorgenommen. Nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtete Abgabenschuldigkeiten seien vollstreckbar; durch die Einbringung einer Berufung werde die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten. Zur Hereinbringung der Getränkeabgabe, für welche die Klägerin solidarisch mithafte, könne also bereits Exekution gegen sie geführt werden. Hiedurch sei im Vermögen der Klägerin bereits ein Nachteil eingetreten, dessen Ersatz sie geltend zu machen berechtigt sei. Schon die entstandene Verbindlichkeit sei ein Nachteil im Sinne des § 1293 ABGB. Der Kläger müsse daher nicht nachweisen, daß er die Verbindlichkeit bereits erfüllt habe. Auch daß über die Berufung der Klägerin gegen den Haftungsbescheid bisher noch nicht entschieden worden sei, ändere nichts daran; auch ein bestrittener, prozeßverfangener oder noch nicht rechtskräftig festgestellter Anspruch sei ein Anspruch und nicht bloß eine gedachte theoretische Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintrittes. Die von F. Fenzl jun. in ÖJZ 1951, 399, vertretene Ansicht, ein durch Verschulden des Rechtsvertreters entstandener Schaden liege so lange nicht vor, als aus dem Vertragsverhältnis geklagt werden könne, es müsse also erst die Möglichkeit dieser Rechtsverfolgung ausgeschöpft worden sein, ehe Schadenersatz verlangt werden könne, sei zwar grundsätzlich richtig, treffe aber nur auf jene Fälle zu, in welchen die Vermögensverminderung erst eintrete, wenn feststehe, daß die Ansprüche des Klienten, deren Erfüllung den Eintritt eines Schadens verhindere, auch nicht gegen Mithaftende durchsetzbar seien. Im vorliegenden Fall sei die Vermögensverminderung bei der Klägerin aber durch die bescheidmäßig ausgesprochene Mithaftung und Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der von der früheren Pächterin nicht abgeführten Getränkeabgabe bereits eingetreten. Sie habe wohl die Wahl, den Ersatz des eingetretenen Schadens gegen Walter A*** oder gegen den Beklagten geltend zu machen, könne aber den Eintritt des Schadens nicht durch Klagsführung gegen Walter A*** hintanhalten. Nur in letzterem Fall sei die Haftung des Rechtsvertreters aus Verschulden gegenüber der Verpflichtung aus dem Vertrag subsidiär. Andernfalls setzte man den Geschädigten der Gefahr aus, daß der Schadenersatzanspruch gegen den Rechtsvertreter bei erfolgloser Inanspruchnahme eines vertraglich Mithaftenden zwischenzeitig verjähre. Nach der Entscheidung GlU 15.751 sei auch das Schadenersatzbegehren gegen den Rechtsvertreter nicht davon abhängig, daß die benachteiligte Person nicht in anderer Weise Schadloshaltung verlangen könne. Jeder Rechtsanwalt sei verpflichtet, die von ihm vertretene Partei vollständig und zutreffend rechtlich zu belehren, sie vor Nachteilen zu schützen und für ihre rechtlichen Sicherungen zu sorgen. Die Belehrungspflicht entfalle nur, wenn der Rechtsanwalt mit Grund, insbesondere im Hinblick auf die Vorbildung der Partei, annehmen dürfe, daß sie die Rechtslage vollständig erfaßt habe. Ein juristischer Laie sei eingehender zu belehren als ein Fachkundiger, doch müsse der Rechtsanwalt seinen Klienten nur über jene Umstände belehren, von welchen er annehmen müsse, sie seien diesem unbekannt. Die Klägerin sei zwar Eigentümerin eines Kaffeehauses; daraus könne aber nicht zwingend gefolgert werden, daß sie über alle rechtlichen Belange einer Unternehmensverpachtung und vor allem über die allfällige Haftung für Abgabenverbindlichkeiten des Pächters unterrichtet sei. Wer einen Rechtsanwalt mit der Verfassung eines Vertrages beauftrage, gehe regelmäßig davon aus, daß dieser im besonderen Maß geeignet sei, ihn vor Rechtsnachteilen zu schützen und für seine rechtliche und tatsächliche Sicherheit zu sorgen. Die Belehrung der Klägerin, sie möge Walter A*** sagen, daß er auch die Getränkesteuerstelle verständigen und dies eventuell nachweisen solle, sei im Hinblick auf § 4 Abs 2 des Getränkeabgabegesetzes 1978 unzureichend gewesen, weil das Schreiben des Beklagten keinerlei Hinweis auf die einzuhaltenden Fristen und keine Belehrung über die Folgen einer unterbliebenen Meldung enthalte. Gerade die Information über derartige Bestimmungen erwarteten Laien gewöhnlich von einem rechtskundigen Vertragsverfasser. Für den Beklagten sei erkennbar gewesen, daß der Klägerin bei Versäumung der im § 4 Abs 2 des Getränkeabgabegesetzes 1978 vorgesehenen Frist die Mithaftung für rückständige Abgaben drohe, so daß er von sich aus die der Verpächterin obliegende Verständigung hätte vornehmen müssen. Der Rechtsanwalt sei verpflichtet, über den Auftrag hinaus Rechtshandlungen vorzunehmen, wenn er erkennen könne, daß dies zur Abwehr drohenden Schadens für seinen Mandanten unbedingt erforderlich sei. Der Beklagte hafte daher gemäß den §§ 1299 und 1300 ABGB für den Schaden der Klägerin. Aus dem Umstand, daß die Klägerin die Vornahme einer Meldung bei der Getränkeabgabenstelle offenbar nicht überprüft habe, könne kein Mitverschulden abgeleitet werden, weil ihr Inhalt, Frist und Bedeutung der Verständigung vom Pächterwechsel - mangels entsprechender Belehrung durch den Beklagten - nicht hätten bekannt sein müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt. Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte, die Vorinstanzen hätten seine Behauptung, daß er die Klägerin ohnedies mündlich belehrt habe, zu prüfen unterlassen, übersieht dabei aber, daß er im Verfahren erster Instanz in diesem Zusammenhang lediglich vorbrachte, er sei nicht verpflichtet gewesen, die Meldung an die Abgabenbehörde zu erstatten. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Beklagte bestreitet auch in seiner Revision das Vorliegen des von der Klägerin geltend gemachten Verstoßes gegen die anwaltliche Belehrungspflicht sowie den Eintritt eines Schadens im Vermögen der Klägerin.

Gemäß § 4 Abs 1 des Getränkeabgabegesetzes 1978 haftet im Falle der Beendigung des Pachtverhältnisses der Verpächter neben einem allfälligen früheren Pächter für Abgabenbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung des Pächters liegenden Kalenderjahres entfallen, sofern die Abgabe von Getränken oder Speiseeis in einem Pachtbetrieb erfolgt. Die Heranziehung des Verpächters zur Entrichtung der Abgabe hat durch Bescheid zu erfolgen. Gemäß Abs 2 dieser Gesetzesstelle tritt diese Haftung des Verpächters nicht ein, wenn er den Beginn eines Pachtverhältnisses zwei Wochen und dessen Beendigung sechs Wochen nach dem Eintritt dieses Umstandes der Gemeinde nachweislich mitteilt.

Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die von ihm vertretene Partei in rechtlicher Hinsicht vollständig und zutreffend zu belehren, vor Nachteilen zu bewahren und für ihre rechtliche Absicherung Sorge zu tragen (SZ 46/66 uva; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 191 f; Reischauer in Rummel, ABGB § 1299 Rz 16). Wer einen Rechtsanwalt betraut, darf annehmen, daß dieser im besonderen Maß geeignet ist, ihn vor Nachteilen zu schützen und alle nach den einschlägigen Rechtsvorschriften gebotenen Schritte zur Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszweckes zu unternehmen (NZ 1988, 200 ua); dabei darf der Klient auch darauf vertrauen, daß der Rechtsanwalt den übernommenen Auftrag nicht bloß dem Wortlaut, sondern dem ihm geläufigen Geschäftszweck entsprechend ausführen werde. Eine der wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwaltes, der mit der Wahrnehmung der Interessen seines Klienten beauftragt wird, ist es, den - zumeist rechtsunkundigen - Mandanten ausreichend zu belehren (NZ 1988, 200; RdW 1986, 268; SZ 58/165; SZ 56/181 uva). Wenngleich diese Belehrungspflicht nicht überspannt werden darf (NZ 1973/120 mwN ua) und diese Verpflichtung sogar überhaupt entfallen kann, wenn er aus besonderen Gründen - vor allem im Hinblick auf die juristische Vorbildung seines Klienten - annehmen darf, daß der Mandant die Rechtslage und deren Konsequenzen für ihn vollständig erfaßt hat (vgl Fenzl in ÖJZ 1976, 337, 341), so ist der Rechtsunkundige - wie hier die Klägerin - doch eingehender über seine rechtliche Stellung und die damit verbundenen Folgen zu belehren als der Fachkundige (SZ 46/66 ua; Reischauer aaO); der Rechtsanwalt hat seinen Klienten insbesondere über jene Umstände aufzuklären, von welchen er annehmen muß, daß sie diesem unbekannt sind. Insbesondere hat er von sich aus den Klienten über die für die Lösung der anstehenden Rechtsfragen maßgebenden Umstände zu belehren, weil er vom Rechtsunkundigen nicht erwarten darf, daß dieser alle - vor allem öffentlich-rechtliche, etwa abgabenrechtliche - Rechtsfolgen der in Aussicht genommenen Rechtshandlungen zu erblicken und richtig abzuschätzen vermag. Der Auftrag, der Rechtsanwalt möge die mit der Übernahme eines Pachtverhältnisses durch einen neuen Pächter erforderlichen Vorkehrungen treffen, umfaßt demnach nicht nur die Vornahme der erforderlichen Vertragsänderungen, sondern auch die ausreichende Belehrung über die damit verbundenen privat-, aber auch öffentlichrechtliche, zB gewerbe- und abgabenrechtliche Konsequenzen, deren genaue Kenntnis der Mandant beim Rechtsanwalt als Angehörigem des umfassendsten der rechtsberatenden Berufsstände geradezu als selbstverständlich voraussetzt. Der Beklagte hätte sich demnach nicht damit begnügen dürfen, die Klägerin aufzufordern, dem neuen Pächter "zu sagen, daß er die Getränkesteuerstelle ... verständigt" (Beilage 2), sondern er hätte, wenn er schon diesen für die Klägerin so wichtigen Schritt nicht als von dem ihm erteilten Auftrag mitumfaßt ansah, sie über die Folgen der Unterlassung der Benachrichtigung oder der nicht fristgerechten Verständigung der Abgabenbehörde ausreichend belehren müssen. Der Beklagte hat beides unterlassen und damit gegen seine vertraglichen und beruflichen Pflichten verstoßen und wäre somit für den Fall eines hiedurch ausgelösten Schadens der Klägerin als seiner Mandantin zu dessen Ersatz verpflichtet.

Gegen die Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz, der Schaden sei am Vermögen der Klägerin bereits eingetreten, führt der Beklagte ins Treffen, daß der Haftungsbescheid rechtswidrig und jedenfalls noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei; überdies könne der Beklagte erst in Anspruch genommen werden, wenn feststehe, daß die Klägerin ihre vertraglichen Ansprüche gegen den mithaftenden Walter A*** nicht hereinbringen könne. Beide Argumente sind jedoch nicht stichhältig.

Der weite Schadensbegriff des § 1293 ABGB umfaßt jeden rechtlich als Nachteil zu beurteilenden Zustand, an dem ein geringeres rechtliches Interesse des Betroffenen besteht als am bisherigen. Nachteil am Vermögen ist somit jede Minderung im Vermögen, der kein Äquivalent gegenübersteht (JBl 1987, 388; Reischauer aaO § 1293 Rz 5). Vermögensminderung ist nicht bloß die Einbuße an Aktiven, sondern auch jedes Anwachsen der Passiven. nach Lehre und Rechtsprechung (SZ 53/107 mwN; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht Allgemeiner Teil3 256; Koziol aaO I 15 f; Reischauer aaO § 1293 Rz 5) tritt der Nachteil am Vermögen schon mit dem Entstehen der Verbindlichkeit ein, auch wenn diese noch nicht fällig sein sollte. Der Schadenseintritt kann dann aber erst recht nicht geleugnet werden, wenn die die Passiven mehrende Verbindlichkeit bereits fällig ist. Die zum Gegenstand ihrer Ersatzklage gemachte Haftung der Klägerin für den Abgabenrückstand, die nur dann nicht eingetreten wäre, wenn sie die Beendigung des Pachtverhältnisses sechs Wochen nach dem Eintritt dieses Umstandes der Gemeinde nachweislich mitgeteilt" hätte (§ 4 Abs 2 des Getränkeabgabegesetzes 1978), beruht unmittelbar auf dem Gesetz (§ 4 Abs 1 erster Satz dieses Gesetzes). Dem im zweiten Satz der genannten Gesetzesstelle zur Heranziehung des Verpächters zur Entrichtung der Getränkeabgaben vorgesehenen Bescheid kommt lediglich Feststellungswirkung und die Funktion eines Vollstreckungstitels zu (vgl § 170 Abs 1 der Landesabgabenordnung 1983 - im folgenden kurz LAO). Der nach Eintritt der Fälligkeit (nach Ablauf eines Monats nach Zustellung des Bescheides) trotz Einbringung einer Berufung vollstreckbare (§§ 170 Abs 1 und 197 LAO) Haftungsbescheid ist der Klägerin gegenüber zwar noch nicht in Rechtskraft erwachsen, weil sie gegen ihn Berufung eingebracht hat, er ist aber bereits fällig, so daß sie die zwangsweise Einbringung der Abgabenschuld nur durch Zahlung oder - was in der Folge geschehen ist - durch Einbringung eines Stundungs- bzw. Ratenzahlungsgesuches abwenden konnte. Der Schadenersatzanspruch setzt nicht voraus, daß der Schaden im Vermögen des Geschädigten schon endgültig eingetreten sein müßte (so wäre etwa im vorliegenden Fall immer noch die Nachsicht oder Teilnachsicht denkbar - vgl §§ 182 f LAO); sollte er später wegfallen, bliebe dem Schädiger, der Ersatz geleistet hat, immer noch die Rückforderung seiner Leistung gemäß § 1435 ABGB offen.

Das Gericht zweiter Instanz hat auch richtig erkannt, daß die Klägerin aus der unterlassenen Mitteilung, für deren Folge ihr der Beklagte einzustehen hat, ein Schaden durch die Inanspruchnahme seitens der Abgabenbehörde bereits entstanden ist, zumal die Landeshauptstadt Klagenfurt die Mithaftung ab Eintritt der Fälligkeit auch sogleich zwangsweise einbringlich machen könnte. Soweit Walter A*** zufolge Punkt VII. lit a des Unternehmenspachtvertrages die Klägerin schad- und klaglos zu halten hat, ist zwar sie berechtigt, den ihr infolge der bescheidmäßig ausgesprochenen Haftung bereits entstandenen Vermögensschaden entweder gegen diesen oder gegen den Beklagten oder gegen beide zur ungeteilten Hand geltend zu machen, nicht aber auch die Behörde, die sich deshalb an die Klägerin gehalten hat, nachdem sie den Abgabenrückstand bei der Pächterin nicht hatte einbringlich machen können. Mit einer gegen Walter A*** erhobenen Klage könnte sie den infolge Inanspruchnahme durch die Abgabenbehörde in ihrem Vermögen nun einmal bereits eingetretenen Schaden nicht mehr von sich abwenden, sondern sie kann nur mehr von jenen Personen, die ihr aufgrund eines Vertrages oder nach dem Gesetz hiefür einzustehen haben, dessen Ersatz verlangen. Bei dieser Sachlage bleibt es der Wahl der Klägerin vorbehalten, den einen, den anderen oder beide Ersatzpflichtige gemeinsam in Anspruch zu nehmen (§ 891 ABGB; SZ 37/168; 1 Ob 5/74); diese Wahl hat die Klägerin mit der vorliegenden Klage - aus welchem Grunde auch immer - getroffen. Inwieweit der Beklagte im Innenverhältnis zu Walter A*** berechtigt ist, nach Leistung des geforderten Schadenersatzes gegen diesen Rückgriff zu nehmen, ist im vorliegenden Fall nicht zu prüfen.

Da das Gericht zweiter Instanz dem Klagebegehren zu Recht stattgegeben hat, ist der Revision des Beklagten ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E17558

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00516.89.0301.000

Dokumentnummer

JJT_19890301_OGH0002_0010OB00516_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten