TE OGH 1989/3/9 7Ob533/89

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Veröffentlicht am 09.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Anna K***, geboren am 28.Mai 1918, Klagenfurt, Trojerstraße 56, vertreten durch den Sachwalter Dr. Gerd Tschernitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, infolge Revisionsrekurses der Susanne K***, Geschäftsfrau, Pörtschach, Hauptstraße 218, vertreten durch Dr. Frank Kalmann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 21. Dezember 1988, GZ 1 R 271/88-44, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 16.April 1988, GZ 1 SW 15/86-33, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs und die als Revisionsrekursbeantwortung zu betrachtende Stellungnahme ON 48 werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zum Sachwalter der Anna K*** für die Verwaltung ihres gesamten Vermögens und die sich darauf beziehende Vertretung wurde Rechtsanwalt Dr. Gerd T*** bestellt. Die Pflegebefohlene ist Eigentümerin des Hauses Klagenfurt, Stauderplatz 4. In dem beim Landesgericht Klagenfurt zu 18 Cg 321/85 geführten Verfahren behauptete die L*** Liegenschaftsverwertung Gesellschaft mbH an dem zweiten und dritten Geschoß dieses Hauses Stockwerkseigentum, hilfsweise die Dienstbarkeit der Wohnung ersessen zu haben. Das Geschäftslokal im Erdgeschoß und die im ersten Stock gelegenen Räume benützte die Pflegebefohlene. Der Sachwalter schlug zunächst vor, entweder die gesamte Liegenschaft an die L*** Liegenschaftsverwertung Gesellschaft mbH zu verkaufen oder das Geschäftslokal an die V*** F*** reg.GenmbH zu vermieten. Am 1.3.1988 schränkte der Sachwalter diesen Antrag auf Genehmigung der beabsichtigten Vermietung ein. Der Verkauf der gesamten Liegenschaft sei nachteiliger als die Vermietung des Geschäftslokales. Das Verfahren 18 Cg 321/85 des Landesgerichtes Klagenfurt stehe günstig für die Pflegebefohlene. Es sei zu erwarten, daß sie das Eigentumsrecht am gesamten Haus behalten werde. Die V*** F*** biete einen monatlichen Mietzins von S 10.000,-- und die Übernahme der Prozeßkosten aus dem Verfahren 18 Cg 321/85. Am 21.3.1988 teilte die Tochter der Pflegebefohlenen Susanne K*** dem Erstgericht mit, daß sie oder die Susanne K*** GmbH oder Franz K*** bereit wären, das Geschäftslokal um einen monatlichen Mietzins von S 11.000,-- zu mieten. Die Pflegebefohlene würde in absehbarer Zeit in ein Pflegeheim übersiedeln müssen. Mit den vorhandenen Einkünften könnten die Pflegekosten nicht zur Gänze bestritten werden. Susanne K*** würde dann zu Unterhaltszahlungen angehalten werden müssen. Die genannten Personen wären im Fall des Abschlusses eines Mietvertrages mit ihnen bereit, auch die dann erforderlichen Pflegekosten zu tragen.

Am 12.4.1988 teilte der Sachwalter dem Erstgericht "seitens der V*** F*** mit", daß nunmehr ein monatlicher Mietzins von S 11.000,-- geboten werde. Da das Haus reparaturbedürftig sei, sei die V*** F*** auch bereit, Investitionen vorzunehmen. Im Hinblick auf den ausdrücklich erklärten Willen der Betroffenen beantrage er, den beabsichtigten Mietvertragsabschluß mit der V*** F*** zu genehmigen.

Das Erstgericht genehmigte den Abschluß des Mietvertrages zwischen der Betroffenen und der V*** F*** über die im Erdgeschoß des Hauses der Betroffenen gelegenen Geschäftsräumlichkeiten sowie die von diesen Räumlichkeiten aus erreichbaren Räume im ersten Stock und im Keller des Hauses um einen monatlichen Mietzins von S 11.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer (Punkt 1) und wies den Antrag der Susanne K***, den Mietvertrag mit der V*** F*** nicht zu genehmigen und den Sachwalter zu beauftragen, mit ihr oder der Susanne K*** Gesellschaft mbH oder Franz K*** einen Mietvertrag abzuschließen, zurück (Punkt 2). Der Abschluß des Mietvertrages mit der V*** F*** entspräche dem Wohl der Betroffenen. Mit dem monatlichen Mietzins und dem zu erwartenden Pensionsbezug sei der Unterhalt der Betroffenen gesichert. Außerdem übernehme die V*** F*** auch das Prozeßkostenrisiko im Verfahren 18 Cg 321/85 des Landesgerichtes Klagenfurt. Da in Angelegenheiten, die zum Wirkungsbereich des Sachwalters gehören, ausschließlich diesem die Antragslegitimation für den Betroffenen zukäme, seien die Anträge der Susanne K*** zurückzuweisen gewesen.

Im ersten Rechtsgang wies das Rekursgericht den Rekurs der Susanne K*** und der Susanne K*** Gesellschaft mbH gegen Punkt 1 des Beschlusses des Erstgerichtes zurück und bestätigte Punkt 2 des Beschlusses des Erstgerichtes. Im Verfahren zur pflegschaftsbehördlichen Genehmigung eines vom Pflegebefohlenen geschlossenen Vertrages sei der Vertragspartner nicht Beteiligter. Der Susanne K*** und der Susanne K*** Gesellschaft mbH sei daher keine Parteistellung zugekommen. Ob die nächsten Verwandten zur Abwehr der dem Betroffenen drohenden Gefahren rechtsmittelberechtigt seien, müsse nicht beurteilt werden, weil keine Anhaltspunkte für eine derartige Gefahr aufgezeigt worden sei. Die Anträge der Susanne K*** im Genehmigungsverfahren aber habe das Erstgericht zu Recht zurückgewiesen, weil diese im Genehmigungsverfahren keine Parteistellung gehabt habe. Durch die angefochtene Entscheidung sei auch nicht in subjektive Rechte der Rechtsmittelwerber eingegriffen worden.

Mit dem Beschluß vom 22.9.1988, 7 Ob 631/88-43, gab der Oberste Gerichtshof dem Rekurs der Susanne K*** gegen den zurückweisenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes Folge, hob ihn in diesem Umfang auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht im zweiten Rechtsgang dem Rekurs der Susanne K*** nicht Folge. Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen der gerügten Verfahrensmängel erster Instanz und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei, daß die Vermietung der Geschäftsräumlichkeiten an die V*** F*** im Interesse der Betroffenen liege. Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin sei die finanzielle Versorgung der Betroffenen gesichert. Diese verfüge nunmehr über monatliche Bruttoeinnahmen von insgesamt S 17.000,--. Im Falle einer Heimunterbringung könnten auch noch weitere Einnahmen aus der Vermietung der derzeit von der Betroffenen benützten Wohnung erzielt werden. Im übrigen wiege auch der Umstand, daß die Pflegebefohlene den Abschluß eines Mietvertrages mit ihrer Tochter Susanne K*** abgelehnt habe, schwerer als die Tatsache, daß Susanne K*** im Fall des Abschlusses eines Bestandvertrages mit ihr auch noch private Schulden der Pflegebefohlenen übernommen hätte. Im Fall des Obsiegens der L*** Liegenschaftsverwertung Gesellschaft mbH in dem gegen die Betroffene geführten Rechtsstreit seien Schadenersatzansprüche wegen dieser Vermietung nicht zu befürchten, weil sich der Rechtsstreit nur auf das zweite und dritte Obergeschoß des Hauses beziehe, der Mietvertrag aber nur die in anderen Teilen des Gebäudes gelegenen Geschäftsräumlichkeiten betreffe. Daß ein viel höherer Mietzins erzielbar gewesen wäre, habe Susanne K*** nicht belegt. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß der Sachwalter den von der V*** F*** gebotenen Mietzins auf Grund seiner Erfahrungen als der Marktlage entsprechend beurteilen habe können.

Rechtliche Beurteilung

Der von Susanne K*** gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

Nichtig sei der angefochtene Beschluß nach Auffassung der Rechtsmittelwerberin deshalb, weil ihr Recht, zu dem verbesserten Anbot der V*** F*** gehört zu werden, verletzt worden sei. Eine weitere Nichtigkeit liege in der Unterlassung der Durchführung eines Ortsaugenscheines.

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist zwar ein schwerer Verfahrensverstoß, der die Nichtigkeit der Entscheidung im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG begründen kann (EvBl 1982/120 uva). Sie wird jedoch behoben, wenn der Beschwerdeführer seinen Standpunkt im Rekurs darlegen konnte (EFSlg 30.388; EFSlg 37.153). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt aber dann nicht vor, wenn ein Beteiligter beispielsweise nur zu einzelnen Beweisergebnissen nicht gehört wurde (EFSlg 49.987 uva). Der Rechtsmittelwerberin war die vom Sachwalter beabsichtigte Vermietung der Geschäftsräume an die V*** F*** an sich bekannt. Bei dem verbesserten

Mietzinsanbot handelt es sich nur um ein Beweisergebnis, zu dem die Rechtsmittelwerberin nicht gehört werden mußte. Diese Unterlassung kann somit keine Verletzung des rechtlichen Gehörs und damit auch keine Nichtigkeit begründen. Im übrigen hatte die Rechtsmittelwerberin schon im Rekurs Gelegenheit gehabt, dazu Stellung zu nehmen, ob das verbesserte Mietzinsanbot der V*** F*** ausreichend sei. Auch deshalb könnte die gerügte Nichtigkeit nicht vorliegen. Welche andere Stellungnahme beim Erstgericht möglich gewesen wäre, im Rekursverfahren aber versagt geblieben sei, zeigt die Rechtsmittelwerberin nicht auf. Das Rekursgericht hat richtig darauf verwiesen, daß die Unterlassung der Durchführung eines Ortsaugenscheines kein einschneidender Verfahrensmangel ist. Die Unterlassung dieser Beweisaufnahme begründet daher ebenfalls keine Nichtigkeit (SZ 19/77 uva). Offenbar gesetzwidrig sei nach den weiteren Rechtsmittelausführungen die Auffassung des Rekursgerichtes, der Wunsch der Betroffenen, mit ihrer Tochter keinen Mietvertrag abschließen zu wollen, entspreche nicht weniger dem Wohl der Pflegebefohlenen. Aber auch die Genehmigung des Abschlusses eines Mietvertrages mit der V*** F*** sei offenbar gesetzwidrig, weil ein günstigeres Angebot gar nicht gesucht worden sei. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Es bildet daher nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 39/103 uva). Sie ist aber schon begrifflich ausgeschlossen, wenn es sich - wie hier - um eine Ermessensentscheidung handelt (SZ 27/159 uva), es sei denn, die Entscheidung ist gänzlich willkürlich und mißbräuchlich (EvBl 1979/185) oder es sind in die Ermessenserwägungen nicht alle nach dem Gesetz zwingend vorgeschriebenen Kriterien einbezogen worden (RZ 1973, 198). Die Fragen, wann ein bestimmtes Rechtsgeschäft dem Wohl eines Pflegebefohlenen entspricht und wann der ausdrücklich erklärte Wunsch eines Betroffenen seinem Wohl nicht weniger entspricht (§ 273 a Abs 3 ABGB), sind im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Schon deshalb kann die Entscheidung des Rekursgerichtes nicht offenbar gesetzwidrig sein. Eine Verletzung des pflichtgemäßen Ermessens aber ist nicht ersichtlich. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen. Im Außerstreitverfahren sind Rekurse und Revisionsrekurse nur in den vom Gesetz ausdrücklich angeführten Fällen zweiseitig. Eine derartige Anordnung besteht für das Verfahren über die Genehmigung der Verträge Pflegebefohlener nicht. Daher war auch die unzulässige Äußerung des Sachwalters zum außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E16854

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00533.89.0309.000

Dokumentnummer

JJT_19890309_OGH0002_0070OB00533_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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