TE OGH 1989/3/16 12Os21/89

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Veröffentlicht am 16.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.März 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Norbert W*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 14. November 1988, GZ 16 Vr 959/88-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.August 1969 geborene Norbert W*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er vom 15. bis 26.Februar 1988 in Stadl-Paura als Beamter, nämlich als Vertragsbediensteter der Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg in Linz im Postzustelldienst beim Postamt 4651 Stadl-Paura, mit dem Vorsatz, die Empfänger von Zeitungen und Briefpost (in ihrem Recht) auf termingerechte und ordnungsgemäße Zustellung "sowie den Staat in seinem Recht auf vorschriftsmäßige Behandlung von Post, insbesondere korrekte Zustellung", zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, (wissentlich) mißbraucht, indem er 24 Fernmeldegebührenrechnungen, 25 Briefsendungen, 3 Zeitungen und einen Reiseführer an sich nahm und bei sich verwahrte, anstatt sie den Adressaten zuzustellen. Der Angeklagte bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Dieser kommt Berechtigung zu, soweit sie unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (sachlich schwerpunktmäßig als Feststellungsmangel im Sinn der Z 9 lit. a) einen inneren Widerspruch der Urteilsfeststellungen zur Wissentlichkeit des Mißbrauchs der Amtsgewalt geltend macht. Abgesehen davon, daß der Urteilsspruch die Verwirklichung dieser subjektiven Komponente strafbaren Amtsmißbrauchs überhaupt offen läßt, beschränken sich die bezüglichen Passagen der Urteilsgründe (ohne jede Differenzierung zwischen Befugnismißbrauch und Rechtsschädigung) auf die Feststellungen, daß der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat "reif genug" war, das Unrechtmäßige seines Tuns "einzusehen", diesen Sachverhalt verwirklichen wollte bzw. die Verwirklichung zumindest ernstlich für möglich hielt und sich mit ihr abfand, es schließlich für ihn ohne weiteres einsichtig war, daß die Nichtzustellung der Poststücke einen Amtsmißbrauch bedeutet, er "in dieser Einsicht jedoch nicht gehandelt" hat (S 66). Daß der Angeklagte - wie in § 302 Abs. 1 StGB gefordert - den Mißbrauch seiner amtlichen Befugnis nicht bloß für möglich, sondern für gewiß gehalten hat (§ 5 Abs. 3 StGB), ist den wiedergegebenen Urteilsausführungen nicht zu entnehmen, nach deren Wort- und Sinngehalt vielmehr (mangels entsprechender Differenzierung der Annahmen zum dolus eventualis) Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs sinngemäß verneint wird. Wenn, dazu im Widerspruch, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung durch die bloße Wiederholung der verba legalia das Vorliegen sämtlicher (objektiver und subjektiver) Tatbestandsvoraussetzungen nach § 302 Abs. 1 StGB (und solcherart auch die Wissentlichkeit mißbräuchlicher Ausübung amtlicher Befugnisse) bejaht wird (S 68), so stellt dies keinen ausreichenden Ersatz für die gebotene Konkretisierung beider inneren Tatkomponenten dar, bleibt doch dessenungeachtet nicht eindeutig erkennbar, welchen Sachverhalt das Erstgericht diesbezüglich als erwiesen angenommen und seinen Subsumtionserwägungen zugrunde gelegt hat.

Da sich sohin zeigt, daß schon auf Grund des erörterten Beschwerdevorbringens die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Beschwerde gemäß § 285 e StPO in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen, wobei auf die weitere Beschwerdeargumentation nicht mehr eingegangen zu werden brauchte. Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, daß im zweiten Rechtsgang Art. IX Abs. 1 und 4 des Bundesgesetzes vom 20. Oktober 1988, BGBl. 1988/599, über die Rechtspflege bei Jugendstraftaten (JGG 1988) ebenso zu beachten sein wird wie der Umstand, daß im konkreten Fall lediglich die Rechte der Absender und Empfänger auf ordnungsgemäße postalische Behandlung der Sendungen, nicht aber ein allgemeines staatliches Recht auf "vorschriftsmäßige Behandlung von Post, insbesondere korrekte Zustellung" als Schutzobjekt im Sinn des § 302 Abs. 1 StGB in Betracht kommen (SSt. 49/32 und 54/33).

Mit seiner zufolge Aufhebung auch des Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E17145

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00021.89.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19890316_OGH0002_0120OS00021_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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