TE OGH 1989/4/13 13Os28/89

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Veröffentlicht am 13.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. April 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger (Berichterstatter), Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführers in der Strafsache gegen Walter V*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127, 129 Z. 1 und 15 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des gesetzlichen Vertreters Walter G*** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 20. Dezember 1988, GZ. 9 Vr 535/88-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, des Vertreters des gesetzlichen Vertreters Dr. Schmidt und des Verteidigers Dr. Hintersteininger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Walter V*** wird nach § 129 StGB. unter Anwendung des § 5 Z. 4 JGG. 1988 zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Monaten verurteilt. Gemäß § 43 StGB. wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte hierauf verwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 29. Jänner 1972 geborene Hilfsarbeiter Walter V*** wurde des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z. 1 und 15 StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Wien fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

A. anderen weggenommen zu haben, und zwar

1.

Anfang März 1988 einem Unbekannten eine Autoapotheke,

2.

am 9. März 1988 dem Werner H*** ein Funkgerät Marke "Stabo 4000" im Wert von ca. 5.500 S und ein Schwarz-Weiß-Fernsehgerät im Wert von ca. 1.000 S,

              3.              zwischen 21. und 25. März 1988 dem Walter T*** eine Schlagbohrmaschine samt Zubehör und einen Koffer im Wert von insgesamt ca. 5.000 S,

B. am 22. Juli 1988 dem Richard B*** eine Fräsmaschine wegzunehmen versucht zu haben, indem er mit einem Werkzeug das Schloß der Hintereingangstür zu dessen Geschäft auszubauen suchte. Die Schuldsprüche ficht der Vater und gesetzliche Vertreter Walter G*** mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

Einen Begründungsmangel (Z. 5), der Punkt A 1 des Schuldspruchs betrifft, erblickt der Beschwerdeführer darin, daß das Jugendschöffengericht die Annahme der Wegnahme der Autoapotheke in Bereicherungstendenz auf ein mit den übrigen Beweisergebnissen übereinstimmendes Geständnis des Angeklagten stützte, obwohl dieser sich dahin verantwortet habe, die Autoapotheke "rein interessensmäßig" aus dem Kofferraum des Autos herausgenommen und in der Folge nicht zurückgestellt zu haben. Ein Handeln mit Bereicherungsvorsatz finde in diesem Geständnis keine Deckung; auch sei dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Beweismittel mit dem Geständnis übereinstimmten.

Der Angeklagte hat sich dahin verantwortet, daß er den Kofferraum "durchstöbern", mithin nach geeignetem Diebsgut durchsuchen wollte und daß sein Vorsatz beim Zugriff auf die Autoapotheke zunächst nicht auf deren Wegnahme gerichtet war, er aber, durch einen vorüberfahrenden Kraftwagen (S. 12) überrascht und außerstande, den in seinen Händen befindlichen Gegenstand wieder in den Kofferraum zurückzulegen, diesen behalten hat (S. 12, 158). Aus dem Akt ergibt sich ferner, daß diese Autoapotheke in dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer sichergestellt wurde (S. 17). Zusammenfassend konnte aus diesen Beweisergebnissen abgeleitet werden, daß der Angeklagte im maßgebenden Zeitpunkt des Gewahrsambruchs - aus welchen Motiven immer - die weggenommene Sache behalten (nicht etwa wegwerfen) und in sein Vermögen überführen wollte. Damit ist der Diebstahlsvorsatz mängelfrei erwiesen. Den Beschwerdeausführungen zuwider ist aus dem Urteil eindeutig erkennbar, daß bezüglich der Schuldsprüche A 1 bis 3 vollendeter Diebstahl und im Schuldspruch B versuchter Diebstahl durch Einbruch angenommen wurde. Aus diesem Grund versagt auch der auf der Z. 10 fußende Beschwerdeeinwand, mit der Annahme eines vollendeten Diebstahls durch Einbruch hätte das Gericht auch die vollendeten Diebstähle, zumindest aber einen derselben, dem § 129 Z. 1 StGB. unterzogen, obwohl insoweit die hiefür erforderlichen Qualifikationsmerkmale nicht festgestellt worden seien. Zum einen läßt der Beschwerdeführer den Punkt B unberücksichtigt. Zum anderen übersieht er, daß er das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z. 1 und 15 StGB. ohne Rücksicht darauf zu verantworten hat, daß die Qualifikation des § 129 Z. 1 StGB. nur beim Diebstahlsversuch zum Nachteil des Richard B*** verwirklicht ist. Zufolge des im § 29 StGB. verankerten Zusammenrechnungsprinzips sind alle in einem Verfahren demselben Täter zur Last fallenden Diebstähle, mögen sie weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und in verschiedenen Entwicklungsstufen verwirklicht sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Einheit zusammenzufassen. Einem Täter, der mehrere Vermögensdelikte derselben Art begeht, von denen ein Teil vollendet, der andere aber bloß versucht wurde, ist daher auch bei Tatbestandsherstellung in verschiedenen Begehungsformen und ungeachtet dessen, daß strafsatzqualifizierende Umstände nur bei einzelnen Fakten oder auch nur bei einer im Versuchsstadium gebliebenen Tathandlung erfüllt sind, ein Delikt anzulasten. Soweit der Beschwerdeführer als inneren Widerspruch des Urteils rügt, daß für die Strafbemessung als erschwerend das "Zusammentreffen von einem Verbrechen mit Vergehen" gewertet wurde, macht er der Sache nach eine dem Ausspruch über die Strafe anhaftende Nichtigkeit gemäß Z. 11, zweiter Fall, geltend. Die Heranziehung des Erschwerungsgrunds der Deliktskonkurrenz neben jenem der Wiederholung der diebischen Angriffe war verfehlt, weil der Angeklagte nur wegen eines einzigen Delikts, nämlich wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch verurteilt worden ist.

Nach Z. 11, zweiter Fall, ist der Ausspruch über die Strafe nichtig, wenn für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt wurden. Dazu hat der Oberste Gerichtshof schon in EvBl. 1989/63 ausgeführt, daß eine Strafzumessungstatsache nicht nur dann entscheidend ist, wenn sie bei der Strafbemessung zu berücksichtigen war, sondern auch dann, wenn sie vom Gericht gesetzwidrig berücksichtigt wurde. Damit stellt sich die Frage, wann eine für die Strafbemessung maßgebende Tatsache als entscheidend offenbar unrichtig beurteilt, d.h. gesetzwidrig berücksichtigt oder übergangen worden ist. Da der Gesetzgeber hieran eine Nichtigkeitsfolge knüpft und diese Nichtigkeit in die dem Schutz des zwingenden materiellen Rechts gewidmeten Nichtigkeitsgründe (Z. 9 lit. a bis 11) eingeordnet hat, kann die Lösung der aufgeworfenen Frage nur sein, daß eine für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsache offenbar unrichtig beurteilt ("gesetzwidrig" berücksichtigt oder übergangen) wurde, wenn ihre Annahme oder Nichtannahme dem Ermessen entzogen ist; denn die Vernachlässigung oder Berücksichtigung einer Strafzumessungstatsache, die in unnachgiebigem Recht verpönt oder verankert und deshalb ermessensentrückt ist, muß sich bei einem rechtsrichtigen Strafzumessungsvorgang in der Abwägung der erschwerenden und der mildernden Umstände - ausdrücklich oder stillschweigend - niederschlagen. Die Ermessensunzugänglichkeit muß übrigens gleichermaßen als Kriterium für den unvertretbaren Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung (Z. 11, dritter Fall) gelten, denn die Unvertretbarkeit kann sich doch nur in einer Überschreitung des Ermessensspielraums äußern.

Ob der Täter ein Verbrechen und ein Vergehen des Diebstahls oder nur ein Verbrechen des Diebstahls begangen hat, ist keine Frage des Ermessens, sondern wurzelt in den zwingendes Recht konstituierenden Normen der §§ 29 und 127 StGB. Die sachlich gerügte Nichtigkeit gemäß Z. 11, zweiter Fall, ist darum gegeben. Mithin bleibt nur die Frage nach der prozessualen Folge dieses Befunds. Tschulik vertritt in RZ. 1988 S. 52 die Ansicht, daß das Rechtsmittelgericht bei seiner Entscheidung letztlich die Frage der Angemessenheit der verhängten Strafe, welche an sich in den Bereich der Berufung fällt, vorwegnehmen muß; er räumt aber ein, daß dies eine gewiß unbefriedigende Konsequenz im Nichtigkeitsverfahren ist und vermeint nur, dieselbe in Kauf nehmen zu müssen. Pallin hingegen sieht in ÖJZ. 1988 S. 387 die Verfahrensrechtslage "nicht anders, als wenn sonst aus einem materiellrechtlichen Grund das Urteil geändert wird und" - etwa - "die neu bemessene Strafe gleich wie die frühere ausfällt".

Die von Tschulik vorgeschlagene Abhebung der prozessualen Konsequenz auf die Angemessenheit der individuell verhängten Strafe läuft auf eine Prüfung der Nichtigkeitsfrage vom Ergebnis her hinaus. Eine solche Betrachtung vom Ergebnis her mag bei der Behandlung von prozessualen Nichtigkeitsgründen angebracht sein, gibt doch das Gesetz dort in der im § 281 Abs. 3 StPO. angeordneten Relevanzprüfung selbst einen Maßstab für eine derartige Betrachtungsweise an die Hand. Das findet letzten Endes seinen Grund im dynamischen Charakter des Verfahrens und der dasselbe regelnden Rechtsvorschriften. Indes entspricht es dem von der Statik des materiellen Rechts abgeleiteten System der Erledigung der materiellen Nichtigkeitsgründe, daß der Feststellung des Fehlers in der Anwendung des materiellen Rechts notwendig die Aufhebung des betroffenen Urteilsausspruchs folgt, ohne daß eine Betrachtung des Ergebnisses der fehlerhaften Rechtsanwendung dies verhindern könnte. Es ist sonach der durchaus systemgerechten Ansicht Pallins (siehe oben) der Vorzug zu geben. Eine systemwidrige Einbeziehung der - von Tschulik richtig dem Berufungsverfahren zugeordneten - Abwägung der Angemessenheit der verhängten Strafe in das Nichtigkeitsverfahren scheidet damit aus. Es hat vielmehr nach der das Nichtigkeitsverfahren (im engeren Sinn) abschließenden Kassierung des die Strafe betreffenden Urteilsausspruchs kraft originärer Neuverhängung eine andere Unrechtsfolge an die Stelle der weggefallenen zu treten.

Der nichtige Strafausspruch war daher - gegen den Antrag der Generalprokuratur - aufzuheben.

Bei der, wie dargetan, erforderlichen Strafneubemessung waren erschwerend die Tatwiederholung, mildernd hingegen das Geständnis, die objektive Schadensgutmachung, die Unbescholtenheit, die vernachlässigte Erziehung und daß die Tat in einem Fall beim Versuch geblieben ist.

Die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe trägt bei dem gegebenen Strafrahmen (§ 129 StGB., § 5 Z. 4 JGG. 1988: Freiheitsstrafe bis zu zweieinhalb Jahren) den im § 32 StGB. normierten allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung; sie entspricht der Schuld des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Tat.

Bei der Anwendung des § 43 StGB. konnte von der zutreffenden Erwägung des Erstgerichts rücksichtlich der angeordneten Bewährungshilfe (siehe ON. 23) ausgegangen werden.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Aussprüche über den Kostenersatz gemäß § 389 StPO. sowie die Vorhaftanrechnung (§ 38 StGB.) blieben von der Teilkassierung unberührt.

Anmerkung

E17157

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00028.89.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19890413_OGH0002_0130OS00028_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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