TE OGH 1989/5/23 5Ob550/89

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Veröffentlicht am 23.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans Christoph P***, Angestellter, Wien 13., Erzbischofgasse 8, vertreten durch Dr. Herbert Schaller und Dr. Elisabeth C. Schaller, Rechtsanwälte in Traiskirchen, wider die beklagte Partei R*** Grundstückverwertungsgesellschaft mbH, Wien 9., Nußdorferstraße 38, vertreten durch Dr. Hans Frieders, Dr. Christian Tassul und Dr. Georg Frieders, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 320.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Dezember 1988, GZ 1 R 250/88-15, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. Februar 1988, GZ 23 Cg 3/87-10, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die beklagte Partei ihm allen Schaden, der ihm "zufolge Inanspruchnahme aus seiner hinsichtlich des der R*** Rohstoffrückgewinnung AG gewährten Kredites von 600 Mill S der G*** Z*** AG WIEN

(als Konsortialführer deren Bankenkonsortiums mit der C***-B*** WIEN und der Z*** UND

K*** WIEN) gegebenen Garantieerklärung vom 12. August 1980 aus der Unterlassung der beklagten Partei, ihre Ansprüche und Schadenersatzansprüche gegen die Maschinenfabrik A*** AG aus dem ""Anlagenkaufvertrag"" vom 24.Oktober 1979 samt Zusatzverträgen und deren schuldhafter Verletzung und gegen die Stadt Wien aus dem Müllverwertungsvertrag vom 10.Oktobver 1979 und dessen schuldhafter Verletzung erwachsen sollte", und insbesondere alle Beträge zu ersetzen habe, zu deren Bezahlung er aufgrund seiner vorbezeichneten Garantie vom 12.August 1980 an die G*** Z***

AG WIEN bzw. an das vorbezeichnete Bankenkonsortium gerichtlich verurteilt werden sollte. Die umfangreichen Darlegungen der Klageerzählung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die R*** Rohstoffrückgewinnung AG Wien, deren Aktionäre der Kläger und die Firma Johann P*** gewesen seien, habe in den Jahren 1980 und 1981 eine Müllverwertungsanlage in Wien 22., Rautenweg, bestehend aus einer Werkshalle samt Maschineneinrichtung, errichtet. Die Finanzierung des Projektes sei durch einen Kredit in der Höhe von 597 Mill S durch ein Konsortium, bestehend aus der C***-B***, der Z*** UND K***

WIEN und der G*** Z*** AG (als Konsortialführerin) erfolgt. Basis des Projektes sei ein zwischen der R*** AG und der Stadt Wien abgeschlossener Müllverwertungsvertrag gewesen. Zwischen der R*** AG und der A*** AG sei ein Vertrag über die Lieferung einer Müllverwertungsanlage einschließlich einer Faseraufbereitungsanlage geschlossen worden. Über Auftrag der R*** AG habe der Kläger am 12. August 1980 dem Bankenkonsortium gegenüber eine schriftliche Garantieerklärung abgegeben, wonach mit einer Investitionssumme von 600 Mill S das Investitionsvorhaben für die Errichtung der Müllverwertungsanlage bis zum Jahresende 1981 voll betriebsfertig durchgeführt werden könne und mit jenen Eingängen, die die R*** AG aus den Entgeltzahlungen der Stadt Wien und aufgrund des Verkaufes der gewonnenen Produkte erzielen werde, die laufende Amortisation, also die Tilgung des Kapitals samt Zinsen hinsichtlich des obigen Kredits, gewährleistet sei. Er habe weiter über Auftrag der R*** AG gegenüber dem Bankenkonsortium die Erklärung abgegeben, daß er auf erste Aufforderung ohne Prüfung des Rechtsgrundes und unter Verzicht auf jedwede Einwendung den geforderten Betrag bezahle, welcher zur laufenden Kreditamortisierung und zur laufenden Betriebsführung der Müllverwertungsanlage noch erforderlich sei. Im Juli 1981 habe die A*** AG die von ihr errichtete Anlage als betriebsbereit gemeldet. Nach Beginn des Probebetriebes habe die Stadt Wien die ihr vertragsgemäß obliegenden Ratenzahlungen auf das Jahrespauschale aufgenommen. Die R*** AG habe der A*** AG das vereinbarte Entgelt mit rund 150 Mill S fast zur Gänze bezahlt. Die Anlage weise jedoch weder die vereinbarte Mengenkapazität noch die zugesagte Produktqualität auf. Dennoch sei die R*** AG in der Lage gewesen, den damals tatsächlich vorhandenen vertragsgemäßen Müll der Stadt Wien, dessen Entsorgung sie übernommen hatte, zu bewältigen. Die Stadt Wien habe jedoch Anfang 1982 damit begonnen, vertragswidrig große Mengen sperriger Gegenstände anzuliefern, um einen Vorwand für eine Nichteinhaltung des Müllverwertungsvertrages zu liefern. Ab März 1982 habe das Bankenkonsortium durch Ausübung von wirtschaftlichem Druck erreicht, daß die Geschäftspolitik der R*** AG ab diesem Zeitpunkt strikt im Sinne der von den Banken erteilten Weisungen gestaltet habe werden müssen. In der Folge hätten die Banken den Eigentümern die voll einbezahlten Aktien von 40 Mill S um ein Entgelt von 1.000 S "mittels einer Option abgepreßt". Durch seine Vertrauensleute habe das Bankenkonsortium erzwungen, daß die R*** AG gegenüber der A*** AG ihre Ansprüche auf Vertragserfüllung, Gewährleistung und Schadenersatz nicht geltend mache und die nach der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht zulässige Auflösung des Vertrages zwischen der Stadt Wien und der R*** AG widerstandslos zulasse. Nach Aufhebung des mittlerweile über sie eröffneten Konkurses sei die Fortsetzung der R*** AG sowie die Umwandlung derselben in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma R*** Grundstückverwertungsgesellschaft mbH beschlossen worden. Die letztgenannte Gesellschaft (die beklagte Partei) sei unter HRB 35.645 des Handelsgerichtes Wien protokolliert. Zu 13 Cg 106/85 des Erstgerichtes werde der Kläger von den Banken aus der erwähnten Garantie auf Zahlung eines Betrages von 1 Mill S in Anspruch genommen. Als Beauftragter sowie infolge Verletzung der der R*** AG obliegenden Pflicht zur Geltendmachung aller ihr rechtlich zustehenden Ansprüche gegen die A*** AG und gegen die Stadt Wien könne der Kläger von der beklagten Partei den Ersatz seiner Aufwendungen aufgrund seiner Garantieverpflichtung begehren. Die vorliegende Feststellungsklage erweise sich schon zur Unterbrechung der Verjährung zwingend als erforderlich. Die beklagte Partei bestritt das Klagevorbringen, beantragte Klageabweisung und wendete insbesondere ein, daß das Feststellungsbegehren unzulässig sei, weil ein Schadensereignis für den Kläger noch nicht eingetreten sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Ohne Durchführung eines Beweisverfahrens und ohne Vornahme von Sachverhaltsfeststellungen vertrat es in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen die Auffassung, daß das von Amts wegen wahrzunehmende rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung im Sinne des § 228 ZPO nicht gegeben sei, weil der Kläger nicht von den Folgen der Verjährung bedroht sei; diese habe vielmehr nicht einmal noch zu laufen begonnen. Das verständliche "Interesse" des Klägers an der Frage, ob er im Falle einer eventuellen Verurteilung im Verfahren 13 Cg 106/85 des Erstgerichtes Ansprüche gegen die beklagte Partei besitze, sei nicht als rechtliches Interesse im Sinne des § 228 ZPO zu qualifizieren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt, unter Rechtskraftvorbehalt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte aus:

Das Erstgericht habe das Vorliegen eines rechtlichen Interesses des Klägers an der alsbaldigen Feststellung im Sinne des Klageanspruches zu Unrecht verneint. Es vertrete die Auffassung, durch drohende Verjährung könne das rechtliche Interesse nicht begründet werden, weil der Kläger erst zum Zeitpunkt seiner rechtskräftigen Verurteilung im Verfahren 13 Cg 106/85 des Erstgerichtes einen Schaden erleiden könnte; die Verjährungsfrist würde erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen. Dem sei entgegenzuhalten, daß nach herrschender, wenn auch nicht unbestrittener Ansicht die Verjährungsfrist nicht erst mit dem tatsächlichen Schadenseintritt, sondern grundsätzlich schon mit der Kenntnis des Geschädigten von der schädigenden Handlung beginne, soferne nur der Schaden in diesem Zeitpunkt schon vorhersehbar sei. Der Verjährung künftiger vorhersehbarer Schäden könne mit Feststellungsklage begegnet werden (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1489 mwN). Diesen Standpunkt vertrete offenbar auch die beklagte Partei, die in erster Instanz den Verjährungseinwand erhoben habe. Einer detaillierten Auseinandersetzung mit diesem Grundsatz und seiner Anwendung auf den vorliegenden Fall bedürfe es aber nicht, weil das rechtliche Interesse im Sinne des § 228 ZPO nicht nur dann zu bejahen sei, wenn der Ablauf der Verjährungsfrist unmittelbar bevorstehe. Die Feststellungsklage diene nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach (JBl 1976, 315 mwN; SZ 56/38). Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO sei daher schon dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit offen bleibe, daß das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könne (ZVR 1985/51 mwN). Diese Möglichkeit könne im vorliegenden Fall nicht von vornherein verneint werden. Hervorzuheben sei allerdings, daß schon nach den Klagebehauptungen ein Schaden aufgrund der Inanspruchnahme des Klägers aus der Garantie noch nicht eingetreten sei, weil der Kläger bisher noch nicht Zahlung geleistet habe. In der Rechtsprechung sei die Auffassung vertreten worden, daß die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden nur insoferne zulässig sei, als es sich um die Feststellung der Haftung für weitere Schäden neben der Ersatzleistung eines bereits erlittenen Schadens handle. Sofern ein Schaden noch nicht eingetreten sei, fehle es am rechtlichen Interesse an der alsbaldigen Feststellung (SZ 18/221, SZ 24/187; JBl 1956, 645; EvBl 1957/89; JBl 1973, 87; MietSlg 34.729/21; vgl. Fasching, Kommentar III 62 ff). In der jüngeren Rechtsprechung überwiege aber die Auffassung, daß bei Bestehen eines rechtlichen Interesses Klagen auf Feststellung künftiger Ersatzpflichten unabhängig davon zuzulassen seien, ob schon gegenwärtig ein mit Klage verfolgbarer Schadenersatzanspruch gegeben sei (ZVR 1974/252; JBl 1975, 155; JBl 1976, 315; ZfRV 1981, 24 mwN; vgl. SZ 56/38). Das Berufungsgericht schließe sich der zuletzt wiedergegebenen Auffassung, auf deren Grundlage die vorliegende Feststellungsklage auch aus diesem Gesichtspunkt zulässig erscheine, insbesondere aus folgender Erwägung an: Nach herrschender Ansicht könne der Schadenersatzanspruch auch verjähren, bevor überhaupt ein Schaden eingetreten sei (Schubert aaO). Bei konsequenter Anwendung eines Grundsatzes, daß die Feststellungsklage nicht zulässig sei, solange ein Schaden nicht eingetreten sei, würde in jenen Fällen, in denen das schädigende Ereignis bereits eingetreten und ein künftiger Schaden vorhersehbar sei, aber während der Verjährungsfrist nicht eintrete, die Verjährungsfrist ablaufen, ohne daß der (zukünftige) Geschädigte dem durch Feststellungs- oder Leistungsklage entgegentreten könnte. Nach der zuerst dargestellten Auffassung wäre nämlich vor dem Schadenseintritt die Feststellungsklage (und, was unbestritten sei, auch die Leistungsklage) unzulässig bzw. aussichtslos. Da in solchen Fällen die Verweigerung der Feststellungsklage einer Rechtsverweigerung gleichkäme, müsse diese nach der Auffassung des Berufungsgerichts auch dann zugelassen werden, wenn ein Schaden noch nicht eingetreten sei. Da das Erstgericht von seiner unrichtigen Rechtsansicht ausgehend keine Feststellungen über die Sachverhaltsgrundlagen des Schadenersatzanspruches des Klägers sowie zur Frage der Verjährung des Feststellungsanspruches getroffen habe, leide das Verfahren an Mängeln, die eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache verhinderten, was zur Aufhebung des Ersturteils führen müsse. Eine Beweisergänzung komme bei dieser Sachlage nicht in Betracht, weil hiedurch das gesamte Beweisverfahren in die zweite Instanz verlagert würde.

Gegen den unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß zu beheben und der Berufung des Kläges nicht Folge zu geben. Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben bzw. den angefochtenen Beschluß im Sinne der Stattgebung der Klage abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht zusammengefaßt geltend, daß das Erstgericht die gegenständliche Feststellungsklage zu Recht abgewiesen habe, weil für den Kläger bisher noch kein Schaden eingetreten sei und es sich daher um ein rein hypothetisches Begehren handle. Dem kann nicht gefolgt werden.

Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß dem Kläger im Sinne der neueren Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, ein rechtliches Interesse an der von ihm begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden kann. Ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO kann auch im Bestehen einer Schadenersatzpflicht liegen. Das rechtliche Interesse an der Feststellung, der Schädiger hafte für alle Nachteile, die sich in Zukunft aus dem schädigenden Ereignis ergeben, wird regelmäßig dann bejaht, wenn die Möglichkeit offen bleibt, daß das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen kann (JBl 1976, 315; ZVR 1980/289 uva, zuletzt etwa NZ 1989, 95). Es ist nicht erforderlich, daß bis zum Schluß der Verhandlung bereits ein Schaden eingetreten ist. Es genügt vielmehr, daß die konkrete Möglichkeit besteht, eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung oder Unterlassung werde zu einem künftigen Schaden des Klägers führen (ÖBl 1978, 37; NZ 1989, 95; 6 Ob 626/87; in der Entscheidung 7 Ob 642/86 ließ der Oberste Gerichtshof sogar die aufgrund eines konkreten Anlasses bestehende Sorge des Klägers genügen, er werde allenfalls einem Dritten Ersatz für Schäden leisten müssen, für die ihm der Beklagte aufgrund Vertrages hafte). Daß das schädigende Ereignis für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, reicht zur Begründung des Feststellungsinteresses aus. Die Feststellungsklage dient nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten, somit der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach (JBl 1976, 315; SZ 56/38 ua, zuletzt etwa NZ 1989, 95). Feststellungsklagen sind - worauf der Kläger in der Rekursbeantwortung zutreffend hinweist - insbesondere auch dann zulässig, wenn die Ersatzpflicht des Schädigers noch eine "bedingte" ist (ZfRV 1981, 24; SZ 56/38 ua).

Es war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E17307

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00550.89.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19890523_OGH0002_0050OB00550_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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